Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Tuditanus, P. Censor 209 v. Chr., gegen Hannibal
Band II A,2 (1923) S. 14431445
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96) P. Sempronius Tuditanus, war C. f. C. n. (Fasti Cap.) und diente 538 = 216 als Kriegstribun; nach der Schlacht bei Cannae, während welcher er in dem kleineren römischen Lager hinter der Front stand, raffte er eine Anzahl beherzter Leute zusammen und schlug sich mit ihnen durch die Feinde glücklich nach Canusium durch (Liv. XXII 50, 6–12. 60, 8–18. XXIV 43, 8. Frontin. strat. IV 5, 7. Appian. Hann. 26; vgl. Coel. frg. 22 Peter; in den Einzelheiten der Berichte manche Abweichungen, nichts Entsprechendes bei Polybios). 540 = 214 war S. curulischer Aedil mit Cn. Fulvius Centumalus (Liv. XXIV 43, 6–8) und wurde mit diesem zum Praetor gewählt. Er hatte von Ariminum aus als Praetor 541 = 213 und als Propraetor in den beiden folgenden Jahren die Gallier zu überwachen (Liv. XXIV 43, 6. 44, 3. 47, 14 [angeblich Einnahme einer sonst unbekannten Stadt Atrinum], XXV 3, 5. XXVI 1, 5). 545 = 209 wurde er mit M. Cornelius Cethegus (o. Bd. IV S. 1279 Nr. 92) Censor, obgleich sie beide noch nicht Consuln gewesen waren, und entfaltete eine vielseitige und ausgedehnte Tätigkeit (Liv. XXVII 11, 7–16. 36, 6–8. XXXIV 53, 6); daß er gegen [1444] alles Herkommen und gegen den Willen seines Amtsgenossen die Ernennung des Q. Fabius Maximus zum Princeps senatus durchsetzte (ebd., vgl. o. Bd. VI S. 1825, 26ff.), deutet auf seine nähere Verbindung mit diesem Manne hin; es ist wohl kein Zufall, daß er alle seine bisherigen Ämter, Aedilität, Praetur und Censur in solchen Jahren bekleidete, in denen Fabius Consul war; seine eigene Bewerbung um das Consulat war freilich aussichtslos, solange so bewährte Feldherren wie M. Claudius Marcellus und Q. Fulvius Flaccus als plebeische Kandidaten auftraten. Dafür wurde er 549 = 205 als Nachfolger des P. Sulpicius Galba mit proconsularischem Imperium, also in ähnlicher außerordentlicher Weise wie einige Jahre vorher P. Scipio in Spanien, mit dem Oberbefehl in Illyrien und seinen Nachbarländern betraut; er begann mit starker Macht zu Wasser und zu Lande die Unterwerfung der abgefallenen Illyrier, zog sich dann aber vor den überlegenen Kräften Philipps von Makedonien nach Apollonia zurück; da die mit Rom verbündeten Ätoler bereits ihren Frieden mit dem Könige geschlossen hatten und die Friedensneigung auf allen Seiten groß war, kam es durch Vermittlung der Epiroten in ihrer Bundesstadt Phoinike zu Verhandlungen zwischen Philipp und S., die zu einer Einigung führten; der Proconsul schloß im Namen Roms und seiner griechischen und kleinasiatischen Bundesgenossen den Frieden, der vom römischen Volke bestätigt wurde und den sog. ersten Makedonischen Krieg beendete (Liv. XXIX 12, 2–16. Zonar. IX 11; ohne Nennung des S. Appian. Mac. 3). Noch während seines Aufenthalts jenseits der Adria wurde er zum Consul gewählt (Liv. XXIX 11, 10. 12, 16, bezweifelt von Niese Gesch. d. griech. u. maked. Staaten II 502, 5); er übernahm das Amt mit seinem Kollegen in der Censur 550 = 204 (Fasti Cap. Chronogr. Hydat. Chron. Pasch. Cic. Brut. 58 [= Enn. ann. 304 Vahlen2]. 60; Cato 10. Liv. XXIX 13, 1. XXXVI 36, 4. 6. Cassiod.) und wurde, nachdem beide längere Zeit durch militärische, finanzielle und andere Geschäfte in Rom festgehalten worden waren (Liv. XXIX 13, 8. 15, 5ff. 16, 3. 6f.), auf den bruttischen Kriegsschauplatz gegen Hannibal gesandt, wo auch noch sein Amtsvorgänger P. Licinius Crassus als Proconsul stand (Liv. XXIX 13, 1. 3. Dio frg. 57, 70. Zohar. IX 11 E.). Auf dem Marsche wurde er von Hannibal im Gebiete von Kroton angegriffen und geschlagen (Liv. XXIX 34, 4f. Oros. IV 18, 18), vereinigte sich aber dann mit Crassus und machte die Niederlage wieder wett. Wenn auch die Angaben über seinen Erfolg, zumal über die Zahl der gefallenen und gefangenen Feinde, bei Liv. XXIX 36, 6–9 und Dio keinen Glauben verdienen, so ist doch die unter ihnen stehende Notiz geschichtlich, daß S. damals der praenestinischen Fortuna Primigenia einen Tempel auf dem Quirinal gelobte, obgleich Liv. XXXIV 53, 6, wo er die zehn Jahre später erfolgte Weihe dieses Tempels berichtet, den Consul irrtümlich P. Sempronius Sophus nennt und als Censor, was S. schon vorher gewesen war, den Bau verdingen läßt (vgl. noch Fest. 238. o. Bd. VII S. 27f.). Von Erfolgen des Consuls in Bruttium meldet Liv. XXIX 38, 1 noch die gewaltsame Einnahme von Clampetia und die freiwillige Unterwerfung von Consentia, Pandosia und ignobiles aliae civitates, [1445] widerspricht aber damit seinem eigenen Bericht über das folgende Jahr 551 = 203, wonach sich Clampetia und Consentia wie sechs andere mit Namen genannte Orte multique alii ignobiles populi dem damaligen Consul Cn. Servilius Caepio ergaben (XXX 19, 11), neben dem übrigens S. als Proconsul an Stelle des abberufenen Crassus weiterhin in Bruttium blieb (XXX 1, 3. 27, 7). 553 = 201 ging S. mit C. Claudius Nero (o. Bd. III S. 2776, 40f.) und M. Aemilius Lepidus (o. Bd. II S. 553, 1ff.) in wichtiger diplomatischer Mission zu Ptolemaios V. Epiphanes nach Ägypten; Liv. XXXI 2, 3f. nennt ihn unrichtig unter den Gesandten an dritter Stelle; er stand dem Nero, dem Sieger von Sena, nur an Ruhm nach, im Range als Consular und Censorier gleich und im Alter voran, während Lepidus der jüngste der drei Gesandten war (Polyb. XVI 34, 1, daraus Liv. XXXI 18, 1; vgl. Röm. Adelsparteien 171).