Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Satyros I., König von Pontus 433–392 v. Chr.
Band II A,1 (1921) S. 224226
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4) Satyros I., König von Pontus von 433/432–393/392. S. war des Spartokos I. Sohn und jedenfalls Nachfolger (Diod. XIV 93, 1) – gegen die Schlußfolgerung Nieses Gesch. d. griech. u. maked. Staaten I 413 Anm. 1, der den Namen ,Seleukos’, den Diod. XII 36, 1 als Nachfolger des Spartokos nennt, für korrupt hält und meint, daß S. gefolgt sein müsse, den doch Diod. XIV 93, 1 als Sohn des Spartokos bezeichnet, erhebt Ortmann De regno Bosporano Spartocidarum (Diss. Halle 1894) 19 Einsprache. Bei seinem Regierungsantritt war die Lage des bosporanischen Reiches schwierig. Die Städte Nymphaion, Kimmerion und Patraios, die zweifelsohne seit den Tagen des Perikles den Athenern gehörten (Duncker Des Perikles Fahrt in den Pontus [S.-Ber. Akad. Berl., phil.-hist Kl. 1885, 533–550] 533), waren während des peloponnesischen Krieges an S. gefallen (Aeschin. c. Ctes. § 171). Gylon (vgl. Kirchner o. Bd. VII S. 1969|, Kommandant von Nymphaion, hatte die Verteidigung der Stadt seinen Soldaten übergeben. In Athen, wohin er sich begeben hatte, angeklagt, kehrte er nach dem Bosporus zurück und erhielt von S. [225] zum Dank für die Übergabe von Nymphaion Kepoi (Aeschin. c. Ctes. § 171). Nach der Gewinnung von Nymphaion bemühte sich S., Theudosia zu unterwerfen, auf das er wegen Aufnahme bosporanischer Flüchtlinge schlecht zu sprechen war. Die Bewohner von Theudosia wurden von den Herakleoten unterstützt. Die Belagerung zog sich infolge des ungerechtfertigten Mißtrauens des S. in die Länge. Die List des Herakleoten Tynnichos, der einige Leute viele Trompeten blasen ließ, führte den Abzug der Bosporaner herbei, die das Herannahen eines großen Entsatzheeres befürchteten (Polyaen. strat V 23) - ob diese Episode vor Theudosia sich auf S. I. bezieht, ist fraglich (Ortmann 25). Auch durch einen anderen Feind wurden S. die Hände gebunden. Der Sinderkönig Hekataios hatte, von den benachbarten Barbaren aus seinem Reiche vertrieben, S. mit Erfolg um Hilfe gebeten. Mit Waffengewalt führte ihn S. zurück, zwang ihn aber, um das Sinderland für Bosporus zu gewinnen, seine Tochter zu heiraten. Aber Hekataios konnte sich nicht entschließen, dem Wunsche des S., seine rechtmäßige Gemahlin Tirgatao, die Tochter des Königs der Ixomaten, töten zu lassen, zu willfahren, und sperrte sie in den Kerker. Doch Tirgatao gelang es, in ihre Heimat zu entfliehen und den dortigen König zur Kriegserklärung an S. und Hekataios zu bewegen. Die Gewalttaten der sarmatischen Reiter in Bosporus und dem Sinderland veranlaßten S., seinen Sohn Metrodoros als Geisel für sich und Hekataios zu stellen, woraus Ortmann 26 schließt, daß Bosporus und das Sinderland bereits ein Reich darstellen. S. dachte nun an einen neuen Mordanschlag gegen Tirgatao. Der Plan wurde aber entdeckt. Tirgatao ließ nun den Metrodoros töten und erneuerte den Krieg. Indes starb S. ἀθυνήσας, wie Polyaen. strat. VIII 55 sagt. Wenn der Scholiast zu Demosth. Lept. § 27 sagt, S. sei bei der Belagerung von Theudosia gestorben, so ist das nur ein Beweis dafür, daß der Krieg mit den Sarmaten gleichzeitig geführt wurde. Minns Scythians and Greeks 571ff. will die Erzählung des Polyaen im Gegensatz zu Latyshev On the history of the Bosporan Kingdom I 480 nicht auf einen bekannten S. beziehen und sieht den Grund für diese vielfach gebrauchte Annahme nur darin, daß seit dieser Zeit die Herrscher von Bosporus sich auch Könige der Sinder nennen. S. wurde bei Patraios ein Grabhügel errichtet (Strab. XI 494), Brandis Art. Bosporus o. Bd. III S. 766 hält übrigens dieses Grabmal durchaus nicht unbedingt für das unseres S.

Die Beziehungen des S. zu Athen waren wie die seines Vorgängers und seiner Nachfolger sehr freundlich (Schäfer Demosthenes und seine Zeit I 263f.). Aus Lysias XIV 4 ersehen wir, daß Athen trotz des Verlustes der Küstenorte am Bosporus vor der Schlacht bei Aigospotamoi mit S. in bestem Einvernehmen und lebhaftem Verkehr stand; der Trapezitikos des Isokrates (§ 5. 9. 57) bestätigt dieses Verhältnis für die folgenden Jahre, und aus Demosth. Lept. § 33f. ersehen wir, daß die Athener am Bosporus das Meistbegünstigungsrecht vor allem im Getreidehandel besessen haben und ihre Schiffe von Ausfuhrzoll befreit gewesen sind.

Literatur. Außer der im Text genannten vgl. A. Schäfer Athenischer Volksbeschluß zu [226] Ehren der Söhne Leukons von Bosporus (Rh. Mus. XXXIII 418–433). Shebelew Die bosporanischen Archaianaktiden (Journ. Minist. Volksaufklärung 1905, 130ff.). Perrot Le commerce des céréales en Attique (Rev. hist. IV 1).

[Fluss. ]