Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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hebräische oder jüdische Sibylle, auch Sabbe
Band I A,2 (1920) S. 21192121
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Sambethe oder Sabbe ist der Name der sogenannten hebräischen Sibylle. Während die älteste jüdische Sibyllendichtung wesentlich im [2120] 3. Buch der Sib. enthalten, etwa seit der Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. blühte, reichen die Nachrichten über die jüdische ‚Sibylle‘ und die Benennungen nicht über das 1. vorchristliche Jahrhundert (Alexander Polyhistor) zurück. Der Name Sabbe kommt bei Pausanias vor. Bei Pausanias, descriptio Graeciae X 12, 9 ist unter den 4 von ihm unterschiedenen Sibyllen die Hebräerin die letzte. Sie heißt bei ihm Σάββη und gilt als Tochter des Berosos und der Erymanthe. Die einen nennen sie die babylonische, die anderen die ägyptische Sibylle (Schürer Gesch. des jüdischen Volkes III⁴ 560). Ebenso ist die hebräische Sibylle eine Tochter des durch Weissagungen berühmten babylonischen Priesters Berosus (Plin. hist. nat. VII 37, 123) in der pseudo-iustinischen Cohortatio ad Graecos c. 37. Die Beziehung der hebräischen Sibylle zu Babylonien geht auf Orac. Sibyll. III 808 zurück, wo die jüdische Weissagerin von Babylon kommt. Zum erstenmal redet von einer eigentlichen orientalischen Sibylle Varro bei Lactantius divin instit. I 6. Von den 10 hier aufgezählten Sibyllen ist die erste die persische. Von dem Anonymus, der den uns erhaltenen Sibyllinischen Orakeln einen Prolog vorangestellt hat, ist diese persische Sibylle Varros mit der babylonischen kominbiert πρώτη οὖν ἡ Χαλδαία ἤγουν ἡ Περσὶς ἡ κυρίῳ ὀνόματι καλουμένη Σαμβήθη, ἐκ τοῦ γένους οὖσα τοῦ μακαριωτάτου Νῶε (Orac. Sib. ed. Alois Rzach p. 4, ed. Johannes Geffcken (Philologe) p. 2; vgl. Schürer a. a. O. III⁴ 561). Die hebräische Sibylle heißt also hier Sambethe und gilt als Nachkommin Noahs. Letzteres geht auf Orac. Sibyll. III 826 zurück, wo die jüdische Prophetin eine Schwiegertochter Noahs ist und von seinem Blut stammt. Der anonyme Schreiber des Prologs schöpft aus der sogenannten Theosophie aus der Zeit des Kaisers Zeno 474–491 n. Chr. (Schürer a. a. O. III⁴ 561). In den späteren Sibyllenverzeichnissen‚ die auf den Prolog oder die Theosophie zurückgehen und die S. erwähnen, begegnet nun auch direkt die Bezeichnung ,hebräische‘ Sibylle. Von einer jüdischen Sibylle redet Aelian. varia hist. XII 35. Ältester Zeuge für die jüdische Sibylle ist aber bis jetzt Alexander Polyhistor (Euseb. chron. ed. Schöne I 23), 1. Jhdt. v. Chr., der selber freilich von Orac. Sibyll. Buch III abhängig ist. Auf Alexander Polyhistor beruht, ohne ihn zu nennen, der Text von Joseph. ant. I 4, 3 (vgl. Schürer a. a. O. III 584f.).

Was über Herkunft der hebräisch-jüdischen Sibylle erzählt wird, geht im allgemeinen über das nicht hinaus, was Orac. Sib. III 808ff. zu lesen ist. Dunkel bleibt nur die Quelle für den Namen S.-Sabbo und die Deutung der Namen selbst. Was das letztere anbetrifft, so sind, soweit mir bekannt, bis jetzt 4 Erklärungen gegeben worden. 1. Lewy Philologus LVII 1898, 350f. möchte S. durch aramäisches סבא‎ Sabha (masc.), סבתא‎ Sabhetha (fem.) ‚Greis, Greisin‘ erklären. Dann ist aber die Verdoppelung des b unerklärt und ‚Greisin‘ ist zu nichtssagend. 2. Glykos (Alexander, Orac. sibyll. II 82ff.) will Sabbe mit der Königin von Saba (שבא‎) 1. Kön. 10 identifizieren, wovon schon aber der Name S. abhalten muß, da Sabbe aller Wahrscheinlichkeit nach eine Abkürzung davon [2121] ist. 3. Kampers Alexander der Große 480f. Zimmern Keilinschr. u. Alt. Testam.³ 1903, 439. 582. Bousset Religion d. Judent.² 1906, 562 denken an Siduri-Sabîtu, eine babylonische Göttin der Weisheit (die speziell im Gilgameschepos eine Rolle spielt) als Vorbild für S. Aber daß S. und Sabbe sich so ohne weiteres mit Sabitu etymologisch gleichsetzen lassen sollen, ist nicht einzusehen. Und war Sabitu wirklich eine so bekannte Göttin, daß sie Deckname für die jüdische Profetin werden konnte, wenn die jüdischen Kreise – und in diesen wird doch der Name S.-Sabbe aufgekommen sein – sich nicht scheuten, was aber erst zu beweisen ist, einen heidnischen Namen für ihre Sibylle zu wählen! 4. Georg Heinrich August Ewald Abh. d. Gött. Ges. d. Wiss. VIII. 1858/9, 84 bringt S. mit שבת‎ Schabbath zusammen. Der Name soll die Sibylle des Sabbat bedeuten. Ähnlich Schürer a. a. O. III 564 ‚Es ist die Sibylle, welche den Sabbath predigt, oder die Sibylle derjenigen, welche den Sabbath halten‘. Das letztere sagt Schürer (vgl. 563) mit Rücksicht auf die Σαββατισταί d. i. eine Genossenschaft, die den Sabbat feiere. Von der etymologischen Seite aus ist gegen eine Ableitung von S.-Sabbe von Schabbath nichts einzuwenden. Doppel b geht leicht in mb, bzw. in nb über. Vgl. die Namen Σαββαταῖος, Σαββάτιος, Σαμβάτιος, Σανβάτιος (Schürer III 563). Sabbe läßt sich als eine Abzweigung von S. verstehen (Julius Wellhausen). Vgl. dazu Σαμβαθαῖος als Mannesname, neben Σαμβᾶς (Schürer 564) für eine und dieselbe Person u. vgl. nachher סנבטיון סמבטיון ,סבטיון‎. Da aber in den Sibyllenverzeichnissen die Sibyllen nach dem Ort der Herkunft genannt zu sein pflegen (vgl. z. B. Varro bei Schürer III 557 Anm. 115), so wird meines Erachtens statt S.-Sabbe als ‚Sabbatpredigerin‘ zu deuten, sich mehr empfehlen, an einen örtlichen Herkunftsnamen zu denken. Indem ich die etymologischen Erläuterungen Ewald-Schürers zu recht bestehen lasse, deute ich Σαμβήθη-Σάββη die sambethische d. h. die vom Sabbatfluß. Von diesem erzählt Plin. hist. nat. XXXI 2, ferner Joseph. bell. Iud. VII 5, 1. Nach dem ersteren heißt er so, weil er am Sabbat nicht fließt, nach dem anderen, weil er nur am Sabbat fließt. Der Sabbatfluß ist auch den Rabbinen bekannt. Vgl. Eisenmenger Entdecktes Judentum II 1711, 533ff. Bousset Relig. d. Judent.² 273. Levy Neuhebr. u. chald. Wörterbuch III s. סנבטיון סמבטיון ,סבטיון‎ d i. Sabbation, Sambation, Sanbation, ‚die Stätte, wo der Sabbat (σάββατον, שבת‎) gefeiert wird; insbesondere der Sabbatfluß, von welchem man glaubte, daß er die Sabbatruhe beobachtete. Nach jüdischer Legende z. B. Genes. r. sct. 73, 72b (j. Sanh. X g. E. 29c) wohnen dort die ehemaligen Bürger des 10 Stämmereiches; nach andern Angaben Ex. 34, 10 Targ. Jer. die Nachkommen Mosis u. dgl. Der Sabbatfluß ist ursprünglich ein mythologischer Strom; Bousset a. a. O. 273 hält ihn für den die Erde im Osten umfließenden Ozean, die Insel der Seligen. Wie man die Paradiesesflüsse da und dort lokalisiert hat, so auch den Sabbatfluß, genug, er ist der Strom, in dessen Nähe des 722, 597/586 untergegangene und verbannte Israel sich aufhält – und von dort stammt S.-Sabbe, als die Sibylle der Hebräer.

[Beer. ]