Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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hervorragender Architekt aus Eleusis, Sohn des Exekestides, 4. Jh. v. Chr
Band XX,1 (1941) S. 5660
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56) Sohn des Exekestides aus Eleusis, hervorragender Architekt der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. v. Chr, Erbauer der vielgerühmten Skeuothek im Peiraieus, des Prostoions, der Vorhalle des Telesterions in Eleusis, und vielleicht auch Unternehmer bei der Ausführung verschiedener Arbeiten in Delphi.

1. Die Skeuothek.

Uber seinen Plan der Skeuothek soll P. den Athenern in einer im Theater abgehaltenen Volksversammlung äußerst beredt Aufschluß gegeben haben (Cic. de orat. I 62. Val. Max. VIII 12, 2. Philodem. rhet. IV I 192. 346 Sudh., wo die Rhetorik des Demetrios von Phaleron als Quelle angeführt wird), und Vitruv erwähnt eine Schrift von ihm de aedium sacrarum symmetriis et de armamentario quod fuerat Piraei portu (VII pr. 12 p. 159, 6). Auch Strabon (IX 1, 15 p. 395 C) erwähnt den Bau kurzweg als das Werk des P., und Plinius (n. h. VII 125) berichtet, daß P. belobigt worden sei armamentario CD navium, was nach dem Zusammenhang sich auf eine öffentliche Belobigung in Athen zu beziehen scheint. Vor allem unterrichtet über den Bau die große 1882 im Peiraieus gefundene Inschrift IG II 2², 1668 (Syll.³ 969). Sie trägt die Überschrift Συνγραφαὶ τῆς σκευοθήκης τῆς λιθίνης τοῖς κρεμαστοῖς σκεύεσιν Εὐθυδόμου Δημητρίου Μελιτέως, Φίλωνος Ἐξηkεστίδου Ἒλευσινίου. Sie ist aber kein eigentlicher Vertrag, sondern ein Bauprogramm, eine bei aller Ausführlichkeit doch nur kurze Zusammenfassung der auszuführenden Bauarbeiten. Wenn dabei Euthydomos noch vor P. als Miturheber der συνγραφαί genannt ist, so kann er zwar nicht als Künstler, wohl aber etwa als Mitglied der Epistatai mit der Aufstellung des Bauprogramms zu tun gehabt haben. Die Inschrift spricht sonst immer nur von einem ἀρχιτέκτων. Die Aufstellung der Inschrift, die keinen Hinweis auf einen Volksbeschluß enthält, überhaupt keinen amtlichen Charakter trägt, geht wohl auf die persönliche Urheberschaft der beiden Männer zurück und soll das öffentliche Interesse an der Entstehung des Bauwerkes wachhalten. Immerhin wird das vorliegende Bauprogramm mit dem von P. befürworteten Volksbeschluß zusammenhängen.

[57] Dieser Volksbeschluß wurde kurz vor oder unter dem Archontat des Themistokles im J. 347/46 gefaßt. Denn in dem Psephisma IG II 1², 505 (Syll.³ 346) ist von den Beiträgen für die Erbauung der Schiffshäuser und der Skeuothek die Rede, welche zwei Metöken seit jenem Archontenjahre bis 323/22 geleistet hatten. Damals also wird auch die Baukommission wie üblich gewählt worden sein. Begonnen sein wird mit dem Bau nach dem Philokratischen Frieden im J. 346. Als dann auf Demosthenes’ Antrag 339 beschlossen wurde, alle Staatsgelder zum Krieg gegen Philipp zu verwenden (Philoch. frg. 135), scheint der Skeuothekbau unterbrochen worden zu sein, denn nach dem Ehrendekret für Lykurgos IG II 1², 457 (Syll.³ 326) wurde er erst von diesem vollendet. Genauer hat Boeckh Att. Seeurk. 68ff. die Vollendung auf das J. 330/29 bestimmt, namentlich auf Grund der Inschrift IG II 2², 1627, in der v. 287 Materialien angeführt werden: τῶν απὸ τῆς σκευοθήκης περιγενομένων, vgl. 1628 v. 561. Der Bau wurde schließlich 86 v. Chr. von Sulla nach der Einnahme des Peiraieus mit allen übrigen Bauten des Arsenals zerstört (Plut. Sulla 14 τὰ πεῖστα κατέκαυσεν, ὧω ἦ ν καὶ ἡ Φίλωνος ὁπλοθήκη, θαυμαζόμενον ἔργον, Appian. Mithr.4l).'

Erklärungen der Inschrift und zeichnerische Darstellungen des Bauwerkes geben Foucart Bull. hell. VI (1882) 540 und ausführlicher Fabricius Herm. XVII (1882) 551ff., Dörpfeld Athen. Mitt. VIII (1883) 147ff.‚ Choisy Études épigr. sur l’architect. grecque (1884) 1ff. (vgl. Fabricius Berl. Phil. W. 1884, 1113ff.) und Marstrand Arsenalet i Piraeus 1922. Vortrefflich sind auch die Anmerkungen Dittenbergers zu Syll.² 537 und Hillers zu Syll.³ 969. Einzelheiten behandeln B. Keil Herm. XIX 149ff., Benndorf Österr. Jahresh. V (1902) 187f., Studniczka Abh Sächs. Ges. XXX (1914) II und Noack Eleusis (1927) an den in den Sachverzeichnissen angeführten Stellen. Eine deutsche Übersetzung gibt Bohn Centralbl. Bauverwalt. II 295; vgl. auch Ebert Art. Skeuothek u. Bd. III A S. 516f. und die dort angegebene abgeleitete Literatur sowie Judeich Topographie von Athen² 86f. 440f.

Die Rekonstruktionen von Fabricius, Dörpfeld, Choisy und Marstrand weichen nur in solchen Einzelheiten voneinander ab, die, wie alles, was zu der künstlerischen Ausschmückung des Gebäudes gehört, in den συνγραφαί nicht genau angegeben sind, sondern πρὸς τὰ παραδείγματα (nach den Modellen) und nach den Anweisungen des Architekten auszuführen waren. Ein παράδειγμα τῶν κεραμίδων τῶν ἐπὶ τὴν σκευοθήκης wird IG II 2², 1627 v. 300 aufgeführt. Die Rekonstruktionen unterscheiden sich also nur in der Zahl der Triglyphen auf den Außenseiten (darüber Noack Eleusis 127), in der Form der Innensäulen (Marstrand versteht die κίονες überhaupt als viereckige Pfeiler) und in der Anordnung der hölzernen Lagerböden, vgl. die Zusammenstellung bei (Marstrand Pl. II.

Die Skeuothek war ein innen 400 Fuß langer, 50 Fuß breiter Hallenbau mit breiten Doppeltoren auf den Schmalseiten, innen durch zwei Reihen von je 35 Säulen, die, 30 Fuß hoch, das offene Dachgebälk trugen, in drei Schiffe geteilt. [58] Das mittlere Schiff, 20 Fuß breit, sollte als δίοδος τῷ δήμῳ frei bleiben, in den Seitenschiffen befanden sich die nach dem Mittelschiff offenen Lagerböden und Geschränke für Segel- und Tauwerk aller Art. Erleuchtet war das Innere außer von den mächtigen Toren aus durch 74 kleine Fenster, je 3 auf den Schmal- und 34 auf den Längsseiten. Ein umlaufender Triglyphenfries nebst den Gesimsen bildete den einzigen Schmuck. Der monumentale Eindruck des Gebäudes muß auf seiner gewaltigen Größe, den glücklichen Proportionen namentlich der Schmalseiten mit ihren Toren und Giebeln und der Gestaltung des Innern beruht haben, die zugleich dem praktischen Zweck und dem Selbstbewußtsein des souveränen Volkes angepaßt war. Überreste davon sind bis jetzt nicht gefunden worden (über die Lage auf der Nordseite des Hafens von Zea s. Judeich a. O.).


2. Das Prostoion‚

die Vorhalle des Telesterions in Eleusis. Über diesen Bau berichtet Vitruv VII pr. 16f. p. 161, 10: Eleusine Cereris et Proserpinae cellam inmani magnitudine Ictinos dorico more sine exterioribus columnis ad laxamentum usus sacrificiorum pertexit. eam autem postea, cum Demetrius Phalereus Athenis rerum potiretur, Philo ante templum in fronte columnis constitutis prostylon fecit. Die Ausführung des P.schen Baues fällt also ungefähr in das J. 317 v. Chr. Die Datierung geht wahrscheinlich auf die Rhetorik des Demetrios zurück, s. o. S. 56, 35). Der Baubeginn reicht aber nach den eleusinischen Inschriften viel weiter zurück, und es ist zweifelhaft, ob P. von Anfang an der leitende Architekt gewesen ist.

Schon Iktinos hatte einen Säulenumgang um seine Cella geplant und begonnen. Fundamente an der Südwestecke werden darauf zurückgeführt (Noack Eleusis 117 und 292f. Karo Arch. Anz. 1932, 127f.). Zwischen 356/55 und 353/52 wurde nach IG II 23, 1666 die Lieferung von Baumaterial und die Versetzung der Werkstücke am Bau für die Vorhalle, die hier B 53 τὸ Προστῷον heißt, ausgeschrieben; der der Baukommission beigegebene Architekt war damals Philagros (A v. 7, s. d. Art). Im J. 352/5l beschloß das Volk in Athen die Einkünfte aus der Nutznießung eines heiligen Grundstückes, der Orgas, εἱς οἰκοδομίαν τοῦ Προ[στῷου καὶ ἐπισκευὴ το]ῦ ἱεροῦ τοῖν θεοῖν zu verwenden (IG II 1², 204. Syll.³ 204 v. 26), was aber am Widerspruch des delphischen Orakels scheiterte. Der Bau scheint dann während der makedonischen Wirren etwa 20 Jahre unterbrochen worden zu sein. Um das J. 330 wird er indes, wie am Unterbau noch erkennbar, nach etwas verändertem Plan wieder fortgesetzt. Hierauf beziehen sich die anscheinend aus diesem und den unmittelbar folgenden Jahren stammenden Inschriften IG II 2², 167l über den Bau der Fundamente und 1670 über den der Stufen und des Stylobats, ferner 1673 v. 64ff. wahrscheinlich vom J. 327/26 über den Transport von Säulentrommeln, 1675 (Syll.³ 97l) über die Lieferung von Zapfen zu deren Verbindung und 1680 über die Lieferung von 14 Kapitellen. In diesen Inschriften werden die παλαιά und καινὰ (ἔργα), die vor und nach der Unterbrechung ausgeführten Teile, unterschieden (vgl. Caskey Amer. Journ. Arch. IX [1905] 147ff. Lattermann Griech. [59] Bauinschr. 1908, 1ff. Glotz Rev. ét. gr. XXXI [1918 208 und namentlich Noack Eleusis [1927] 112ff. sowie Davis Amer. Journ. Arch. XXXIV [1930] 1ff.). Da P. in den Inschriften nicht genannt ist, nimmt Noack an, daß er erst unter Demetrios von Phaleron zwischen 317 und 307 nur die endgültige Ausführung des Oberbaues nach einem in allem Wesentlichen längst festgelegten Bauprogramm übernommen habe. Das widerspricht indes nicht allein dem Wortlaut der Vitruvstelle (potiretur, nicht potitus esset!), sondern auch den erwähnten älteren Inschriften, in denen bereits von dem im Gang befindlichen Aufbau der Säulen und der Lieferung der Säulenkapitelle die Rede ist (s. o.). P. muß mindestens seit 330, wenn nicht schon früher, mit dem Bau beauftragt gewesen sein. Da seine obenerwähnte Schrift außer über die Skeuothek auch de aedium sacrarum symmetriis handelte, so wird er sich darin auch gerade mit seinem zweiten großen Bau abgegeben haben.

Erhalten und ausgegraben sind noch die Fundamente, der Stufenbau, die untersten Trommeln der Säulen und einzelne Werkstücke (Kapitell und Triglyphenblöcke), zuerst von Philios und Dörpfeld veröffentlicht Πρακτικά 1882 und 1883, von Caskey 1905, Lattermann 1908 (s. o. S. 58, 68) und Marstrand 1922 (s. o. S. 57, 34) sowie ausführlich auf Grund neuer Aufnahmen und der inschriftlich überlieferten Angaben von Noack Eleusis 117ff. und 283ff. Der Bau erhob sich danach in einer Breite von 54,5 m und einer Tiefe von 11,5 m über drei Stufen und bestand aus einer Reihe von 12 mächtigen dorischen Säulen in der Front und je einer weiteren Säule auf den Schmalseiten, die das Gebälk, den im Lichten etwa 5 m hohen Giebel und das Dach trugen. Die Metopen und der Giebel waren ohne bildlichen Schmuck (Wiederherstellung des Aufbaues bei Noack 138). Die Kanelluren der Säulen waren an den untersten Trommeln und den Kapitellen angegeben, aber nicht ausgeführt, der Bau also nicht wirklich vollendet.

3. In den Abrechnungen der delphischen Schatzmeister Syll.³ 249-253 werden unter den Ausgaben des J. 338 zwei Zahlungen angeführt an Unternehmer, unter denen der Athener P. erscheint, namentlich 250 col. I v. 25 als einer der zwölf Unternehmer, von denen die Wiederherstellung des vermutlich von den Phokern geraubten silbernen Kraters und goldenen Periranterions, der alten Weihgeschenke des Kroisos (Herodot. I 51), ausgeführt worden war, und ebd. v. 34 an der Spitze von sechs Unternehmern des Baues der Hoplothek und der Stoa oberhalb des Gymnasions. Der erste Herausgeber der Inschrift, Bourget, bemerkte dazu: J’hésite beaucoup à y reconnaître le célèbre architecte de la sceuothèque (Syll.³ I S. 429 not. 6). Allein abgesehen davon, daß hervorragende Künstler wie Kallikrates nicht selten als leitende Architekten großer Staatsbauten und als Bauunternehmer tätig waren, fallen die Arbeiten in Delphi gerade in die Zeit, in der die Bautätigkeit P.s in Athen unterbrochen war, und die Beteiligung an der Erbauung eines Zeughauses und einer Säulenhalle paßt besonders gut zu seiner sonstigen Tätigkeit. Handwerk und hohe Kunst waren im Altertum [60] nicht so voneinander geschieden und die künstlerische Betätigung wohl nicht so einseitig beschränkt wie heutzutage. Nach Philod. rhet. I 346 Sudh. hatte Demetrios v. Phal. jedoch noch über einen anderen P. gehandelt. Immerhin werden der Eleusinier P., er um das J. 342 IG II 2², 1622 v. 694 als Trierarch, und der, der ebd. 1533 v. 95 unter den Stiftern von Weihgeschenken für Asklepios genannt wird, mit dem Architekten identisch sein.