Jagsthausen, Ortschaft a. d. Jagst im Königreich Württemberg, Kastell des obergermanischen Limes. CIL XIII 2, 1 p. 273-275 mit Add. 4
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p. 101. ORL IV B nr. 41 (Liefg. 32, 1909). Haug-Sixt Die röm. Inschriften und Bildwerke Württembergs² 640–671.
Das vom Dorf J. und von herrschaftlichen Anlagen (der Freiherren von Berlichingen) überdeckte und überbaute Kastell liegt zwischen Osterburken und Öhringen, an der nördlichen Hälfte der langen gradlinigen Strecke des äußeren Limes bei dessen Übergang über die Jagst, auf dem rechten Ufer dieses Flusses. Kastell J. bildete nach der Beschreibung von Mettler ORL a. a. O. (vgl. auch Haug a. a. O. S. 640ff.) ein nicht ganz regelmäßiges Rechteck, dessen Seiten (von der dem Flußufer nächstgelegenen Schmalseite ab gerechnet) 149 + 180 + 156 + 189 m lang waren, so daß der Flächeninhalt 28 200 qm betrug und eine Cohors quingenaria equitata (s. o. Bd. IV S. 235) fassen konnte. Nach den Inschriften von zwei Bausteinen aus der Kastellmauer ist es, wohl unter Antoninus Pius (vgl. CIL XIII 6561 = Haug nr. 449 mit ORL a. a. O. S. 27. 45), von der Mainzer Leg(io) XXII Pr(imigenia) P(ia) F(idelis) gebaut (Haug nr. 462. 463 = CIL 6564), von welcher auch gestempelte Ziegel hierselbst gefunden wurden (Haug nr. 464) und
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welche auch durch ähnliche inschriftliche Zeugnisse für benachbarte Kastelle als Erbauer bezeugt ist. Belegt war Kastell J. mit der Cohors I Germanorum (civium Romanorum, vgl. o. Bd. IV S. 293f.), wie wir durch mehrere inschriftliche Denkmäler erfahren (Haug nr. 456. 457, auch 451. 460 = CIL 6562. 6552. 6555. 6563). Südlich vom Kastell, etwas weit abgelegen, war das zugehörige Bad, welches nach einer Bauinschrift (Haug nr. 456 = CIL 6562) von den Kaisern Philippus Vater und Sohn, also um 247–249 n. Chr. wiederhergestellt wurde, nachdem es in Verfall geraten (vielleicht beim Einbruch der Alemannen um 235 n. Chr. zerstört) war. Wie vielfach in Badeanlagen, so sind auch hier Weihinschriften (CIL 6552 vom J. 248 n. Chr.: Fortunae Sancte Balineari Reduci und 6553 = Haug nr. 457 und 458) sowie Bilder (Haug nr. 466–468)) der Fortuna gefunden (vgl. o. Bd. VII S. 34–35). Ziegel dieses Badegebäudes tragen Stempel der 22. Legion (s. o.), Haug nr. 464, 1–3 und 5 (Ziegel der Cohors I Germanorum sind nicht gefunden). Die verhältnismäßig geringe Fläche und dürftige Ausstattung der Badeanlage erklärt sich wohl daher, daß ,die germanischen Krieger wenig Wert legten auf den weichlichen Luxus der römischen Thermen und das Baden in freier Luft und im kühlen Flußwasser vorzogen‘ (vgl. Caes. bell. Gall. IV 1, 10. VI 21, 5). Das Kastellbad lag, wie sonst, im Bereich der bürgerlichen Ansiedlung, die sich bei J. südlich und südwestlich zwischen Kastell und Fluß ausdehnte. Aus diesem Lagerdorf stammen die Weihinschrift eines romanisierten Kelten (CIL 6554) nebst einer geschuppten Säule und einem runden Wochengötterstein, wohl Bestandteile einer Wettersäule mit sog. Gigantenreiter (Haug nr. 450. 465), ferner ein Altar, welchen ein Mann (Soldat?) fremder Herkunft im J. 221 n. Chr. dem Iuppiter mit Iuno, Mars und Hercules, sowie seinen heimatlichen Gottheiten (diis patriis) und überhaupt allen Göttern und Göttinnen auf seinem Grundstück geweiht hatte (Haug nr. 454 = CIL 6559), das Bruchstück eines Reliefbildes der Fortuna, vielleicht aus der Badeanlage eines herrschaftlichen Hauses (Haug nr. 469), das kleine Bronzebild des weinfrohen Herakles, vorzügliche, wohl aus Italien eingeführte Nachbildung eines Werkes des Lysippos (Haug nr. 470; vgl. Roschers Myth. Lex. I 2175f. 2967), schließlich ein (insbesondere architektonisch) verzierter steinerner Amphorenständer (Haug S. 666f. nr. 609). Westlich von der recht ansehnlichen bürgerlichen Siedelung lag ein Gräberfeld mit zahlreichen Brandgräbern. Hier wurden mehrere Grabtürme aufgedeckt. Auch einige Bruchstücke von Grabschriften sind hier gefunden (Haug S. 660 nr. 608 = CIL XIII Suppl. 11 763–11 765). Von den Kleinfunden seien nur eine vermutliche Kinderklapper aus gebranntem Ton in Gestalt eines Galliers (Haug S. 670f. nr. 610) und ein bronzener Frauenring (Haug nr. 473 b mit Inschrift = CIL XIII 10 024, 39 c) erwähnt. Die in J. festgestellte Töpferware stammt vornehmlich aus Rheinzabern.[1].
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In der Nähe von J. war auch ein Benefiziarierposten an der Poststraße (vgl. v. Domaszewski Westd. Ztschr. XXI 1902, 158–211. 205), woher drei zum Bau der Kirche von Olnhausen, flußabwärts von J., verwendete Steindenkmäler, Weihinschriften aus dem Heiligtum der Station, zwei aus den J. 179 und 186, stammen (Haug nr. 452. 453. 455. CIL 6557. 6558. 6556 = Suppl. 11 762); ein anderer Benefiziarier hatte eine Weihung im Kastellbad vollzogen (Haug nr. 459. CIL 6560). Olnhausen, wo außer den genannten drei Benefiziarierinschriften, in der Kirche verbaut, auch die Weihinschrift eines Centurio der Cohors I Germanorum (Haug nr. 451 = CIL 6555) und in der Nähe der Kirche in altem Mauerwerk das Bruchstück eines Grabsteines (Haug nr. 461 = CIL 6565) gefunden wurden, ist selbst keine römische Niederlassung gewesen, die Denkmäler waren vielmehr aus J. und Umgebung als Bausteine dahin verschleppt.