Haltern, kleine westfälische Stadt an der Lippe zwischen Wesel und Hamm, in neuester Zeit vielgenannt wegen der dort ausgegrabenen Reste von römischen Lagern, welche eine ältere Gleichsetzung mit der römischen Festung Aliso (o. Bd. I S. 1496f.) zu bestätigen schienen. Auf einer Bodenerhebung westlich von H. wurde ein sehr großes Erdlager festgestellt, dessen um den Rasenwall gezogener Spitzgraben eine Fläche von 35 ha umspannte, ein nur für vorübergehenden Aufenthalt von etwa zwei Legionen bestimmtes sommerliches Zeltlager, in den Grabungsberichten als ,Ältestes Lager‘ gekennzeichnet. Auf dem gleichen Gelände wurde aber auch ein weniger ausgedehntes, für dauernde Besatzung eingerichtetes Lager von 20 ha Fläche entdeckt und durch umfassende Grabungen untersucht, ein Standlager mit doppeltem Spitzgraben und mit starker, holzversteifter Erdmauer, durchzogen von regelmäßigen Straßen mit (vornehmlich in Holz errichteten) Innenbauten, wie Praetorium und Haus des Lagerkommandanten, als ,Großes Lager‘ von den andern Anlagen unterschieden. Die zahlreichen Funde aus diesem Standlager, welche beweisen, daß die Innenbauten dauernd bewohnt gewesen waren, entstammen alle der Regierungszeit des Kaisers Augustus. Auch am Ufer des einstmaligen Laufes der Lippe, am Fuß jenes ,Großen Lagers‘, waren gleichzeitige Befestigungen zur Sicherung der Landungsplätze und Warenlager (,Uferkastell‘). Außerdem wurde auf dem St. Annaberg südwestlich vom genannten ,Großen Lager‘ ein kleines Lager von unregelmäßiger dreieckiger Gestalt nachgewiesen, welches nach den hier gefundenen Scherben und Münzen der späteren Zeit des Augustus angehört. In dem ,Großen Lager‘ mit Zubehör hat man die Festung Aliso erkennen wollen, deren Anlage gewöhnlich dem Drusus zugeschrieben wird, da sie für das von jenem im J. 11 v. Chr. errichtete Bollwerk am Zusammenfluß von Elison und Lupias (Lippe) gilt. Doch ist die Gleichung H.-Aliso nicht unbestritten, weil auch andere Standlager der augusteischen Zeit auf westfälischem Boden festgestellt oder vermutet sind. Dem etwa zwei Tagemärsche aufwärts an der Lippe bei Oberaden gelegenen großen römischen Standlager scheint allerdings der ihm gleichfalls zuerkannte Name Aliso nicht zu gebühren, weil die Untersuchungen dieses Lagers nur Fundstücke aus der Zeit des Drusus, nicht aber auch aus der späteren augusteischen Zeit, wie H., geliefert haben. Jedenfalls aber darf Aliso nicht weit flußaufwärts, in der Gegend von Neuhaus-Paderborn, am Einfluß der Alme in die Lippe gesucht werden, wo man es wegen der Ähnlichkeit des Dorfnamens Elsen angesetzt hat.[1] Koepp Die Römer in Deutschland2 (1912) 16ff. 102f. 106. 147. 149. 153 u. ö. mit Karten VI und VII (Oberaden: S. 19f. mit Karte IX). Dragendorff Westdeutschland zur Römerzeit (1912) 13ff. Mitteilungen der Altertumskommission für Westfalen (Westfäl. Mitt.) II–VI mit Berichten über Ausgrabungen und Fundstücke von Dragendorff, Koepp, Krüger, Schuchhardt u. a. Röm.-germ. Korr.-Bl. IV (1911) § 6. VI (1913) § 12. Siegfr. Loeschcke Keramische Funde in H., Westfäl. Mitt. V 103ff. Schuchhardt
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Aliso, Führer durch die Ausgrabungen bei H.3 1906. Hähnle und Wenz Führer durch die Sammlung römischer Altert. in Haltern 1913.