9) Stadt in Thrakien, an der Mündung der Tundscha (Tonzos) in die Maritza (Hebros), in fruchtbarer Niederung (40 m), das untere Tal der hier schiffbar werdenden Maritza und die Straße von Mitteleuropa nach Constantinopel beherrschend, deren letzte Hauptstation sie bildet. Der Platz war jedenfalls, schon ehe Hadrian ihn zur Gründung einer neuen Stadt ersah, von einer thrakischen Siedelung eingenommen, doch stimmen die Angaben über deren Namen nicht überein. Ammian. XIV 11. 15. XXVII 4, 12. Eutrop. VI 8 nennen Uscudama als älteren Namen, über den vgl. Tomaschek Die alten Thraker II 2, 57f. Vereinzelt ist die Benennung Goneis bei Steph. Byz. s. Γονεῖς. Eust. zu Hom. p. 291. Häufig findet sich dagegen der Name Orestias, Hist. aug. Heliog. 7, 8 Orestam ... urbem Hadrianus suo nomini vindicari iussit. Zonar. XVII 23 Ὀρεστιάδα ... οὕτω
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πάλαι ἡ πόλις ἐκαλεῖτο τοῦ βασιλέως Ἁδριανοῦ. Niket. Chon. Nikeph. Greg. Leon. Chalkok. u. a. gebrauchen mit Vorliebe diesen Namen, welcher makedonischen Ursprungs zu sein scheint, s. H. Kiepert Lehrbuch 330. A. Dumont Mél. d’épigr. (Paris 1892) 322 nr. 1. Die Münzen reichen von Hadrian bis Gordian, s. D. Kalopathakes Thracia prov. Rom. (Lips. 1893) 35; ebd. Nachweis der spärlichen Inschriften, dazu M. Paranikas Ἑλλ. Φιλολ. Σύλλ. XXVII (1900) 389–393, wo nr. 2 Ἐβρύζελμις Σεύθου für das Fortleben thrakischen Volkstums zeugt. Administrativ gehörte H. seit Diocletian zur Provinz Haemimontus (s. d.), deren Hauptstadt sie war, s. Ammian. a. a. O. Not. dign. or. X, dazu Böcking S. 242; als Straßenstation erscheint sie in Int. Ant. 137. 175. Tab. Peut. Im 4. Jhdt. befanden sich dort bedeutende Waffenfabriken [fabricae ... scutaria et armorum Not. dign. a. a. O.), deren Arbeiter gegen die Goten als besonderer Heeresteil fochten, Ammian. XXXI 6. Ein großes Gebäude, wahrscheinlich ein Nymphaeum, findet sich auf einer Münze mit der Aufschrift αδριαν ΟΠΟΛΙΤΩΝ. s. Röm. Mitt. XXI (1906) 93. Über die Topographie und Lokalgeschichte der Stadt ist aus vortürkischer Zeit sonst wenig bekannt; sie wird meist nur im Zusammenhang mit Ereignissen erwähnt, die sich in ihrer Nähe abspielten, so in den Kämpfen zwischen Constantinus und Licinius, Ammian. exc. Vales. 17. 24. Zosim. II 22, 3, dann unter Constantius (354 n. Chr.), Ammian. XIV 11, 15 und besonders in den Kämpfen mit den Goten und der großen Schlacht daselbst im J. 378, Ammian. XXXI 6, 1–16, 2, dazu Gibbon Hist. of Decline usw. c. 26. Im J. 586 hielt die Stadt eine Belagerung durch die Avaren aus, dagegen wurde sie wiederholt von den Bulgaren und später von den Kreuzfahrern verwüstet, Theoph. 103. 284, 500f. de Boor. Theophyl. Simok. I 7, 5. II 17. Seit 1204 zum lateinischen Kaisertum gehörig, wurde sie in der letzten Phase des wiederhergestellten byzantinischen Reiches frühzeitig (1361) eine Beute der Türken, die bis zur Eroberung von Konstantinopel hier ihren festesten Sitz und noch bis in das 17. Jhdt. zeitweilig die Residenz ihrer Sultane hatten. Hiedurch wurde der Stadt ein wesentlich anderer Charakter aufgeprägt, den sie bis heute bewahrt hat. Den Namen veränderten die Türken in Edreneh oder Edirneh; eine Schilderung zur Zeit der Machtfülle des Osmanentums (17. Jhdst.) gibt der türkische Geograph Hadschi Chalfa, s. Jos. v. Hammer Rumeli und Bosna (Wien 1812) 1–15. Über ihre Geschichte in neuerer Zeit s. bes. v. Hammer-Purgstall Gesch. d. osman. Reichs2 Register, über den heutigen Zustand Baedeker Konstantinopel (1905) 31ff. Meyer Türkei (1902) 68ff., beide mit Plan. Außerdem vgl. C. Jireček Heerstraße von Belgrad nach Konstantinopel (Prag 1877) 47f. 132f. H. v. Moltke Briefe über Zustände in der Türkei (Ges. Werke VIII). Th. Fischer in Kirchhoffs Länderkunde v. Europa II 2 (1893).