Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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wichtiger Handelsplatz der arabischen Küste am Persischen Meer
Band VII,1 (1910) S. 12701272
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2) Wichtiger Handelsplatz an der arabischen Küste des Persischen Meeres, an dem nach der Stadt benannten Gerrhaeischen Meerbusen [1271] (sinus Gerrhaicus bei Plin. n. h. VI 147); die Hauptbelegstellen für G. sind Strab. XVI 766 (nach Eratosthenes). 776. 778 (unter Berufung auf Artemidor). Diod. III 42 (nach Agatharchides; s. K. Müller Geogr. Gr. min. I 177). Plin. n. h. VI 147 (in seinem Berichte über die Expedition des Epiphanes). XXXI 78. Ptolem. VI 7, 16. VIII 22, 10; vgl. ferner Steph. Byz. s. v. und s. Χαττηνία (nach Polybios; s. Chattenia). Mit Unrecht hat Kramer nach Casaubonus’ Vorgang in seiner kritischen Ausgabe Strab. XVI 768 Γεῤῥαῖοι eingesetzt für Γαβαῖοι (ebenso Forbiger in seiner Strabonübersetzung; s. Gabaioi). Nach Eratosthenes (bei Strabon) war die Stadt G. eine Anlage chaldäischer Flüchtlinge aus Babylon; seit der Eroberung des unteren Euphratlandes durch die Perser hatten nämlich Auswanderer aus Chaldaea den nördlichen Teil der Westküste des Persischen Meeres, die heutige Landschaft el-Aḥsā, besiedelt. Diese Küste stand, wie Sprenger Die alte Geographie Arabiens, 1875, 132 betont, zu allen Zeiten unter den Kultureinflüssen Persiens und der aufeinander folgenden Reiche am Tigris, und von diesen aus fanden viele Einwanderungen statt (vgl. Glaser Skizze der Geschichte und Geographie Arabiens. 1890 II 229, dessen Voraussetzungen, die im folgenden erwähnt werden, allerdings nicht gebilligt werden können). Die bei Strabon (XVI 766) erhaltene Notiz, daß die Gerrhäer größtenteils Landhandel mit arabischen Waren und Gewürzen treiben (Artemidor bei Strab. XVI 776 nennt Petra als Ziel), beweist, daß schon der Bericht des Eratosthenes (richtig verwertet bei Sprenger a. a. O. und darnach bei Kiepert Lehrbuch d. alten Geographie 1878, 188) die Bedeutung, welche G. als Mittelpunkt des Transitohandelsverkehrs zu Lande durch Arabien (bis Ägypten) errungen hatte, treffend gewürdigt hat. Der Widerspruch, welchen Strabon zwischen diesem Zeugnis des ausgezeichneten Gewährsmannes und der Meldung des Aristobulos (τοὐναντίον φησί) erblickt, daß die Gerrhäer das meiste auf Flößen nach Babylon ausführen, von wo die Waren den Euphrat bis nach Thapsakus hinauffahren, um dann zu Lande nach allen Richtungen verschickt zu werden, ist nur scheinbar; letztere Nachricht lehrt vielmehr, daß G. zugleich auch der Mittelpunkt des Transitohandels zur See (nach Indien) war; bereits Sprenger a. a. O. machte darauf aufmerksam, daß der Seehafen die Waren zu Wasser spedierte, dagegen die Kaufleute im Binnenlande mittelst Karawanen, daß also beide Transportarten nebeneinander bestanden. Die Wichtigkeit der Stadt G. als Handelsplatz und ihren Reichtum rühmt auch Agatharchides (frg. 87 und 102 bei Müller I 177. 189) und Artemidor bei Strab. XVI 778. Nach Agatharchides waren die Gerrhäer in den Märkten Petras Konkurrenten der Sabäer im Weihrauch- und Gewürzhandel (vgl. Sprenger 169). Von hoher Bedeutung war für G. auch die Perlen- und Korallenfischerei in dem hiefür vorzüglich geeigneten Gerrhäischen Meerbusen mit der von Eratosthenes, Plinius und Ptolemaios erwähnten Hauptinsel Tyros (nach Plin. VI 148 reich an Perlen, der heutigen Baḥrain-Insel, früher Owāl) und der kleineren Insel Arados (Arād in Niebuhrs Karte, jetzt el-Moḥarraḳ). Eratosthenes und Plinius (an den oben [1272] genannten Stellen) erwähnen, daß G., auf salzhaltigem Boden gelegen, Häuser aus Salzquadern hatte. Die Angabe des Eratosthenes, daß die Stadt G. an einem tiefen Busen liege, wollte Sprenger 132 dahin berichtigt wissen, daß am tiefen Busen nicht die Stadt, sondern der Seehafen von G. lag; auch die Nachricht des Plinius, daß ,die Stadt G. fünf Meilen im Umfange‘ habe, bezog Sprenger 135 auf den Hafen, dagegen die unmittelbar darauffolgende Angabe des Plinius, daß G. 50 Meilen von der Küste entfernt liege, auf die Stadt; auf diese geht natürlich auch Eratosthenes’ Notiz, daß G. 200 Stadien vom Meer entfernt sei; Sprenger wollte in dieser Zahl einen Fehler (für 400 Stadien) erblicken. Sicherlich sind auch sonst Seehafen und Hauptstadt im Binnenland miteinander von griechischen und arabischen Geographen verwechselt worden. Endlich ist auch unter Ptolemaios’ Γέῤῥα πόλις (mit den Maßen 80° 0', 23° 20') der Hafen zu verstehen, also (vgl. Sprenger 129. 132. 135) el-'Oḳair (Ağer), Länge 50° 15', Breite 25° 40'. Das alte Gerrhäerland ist der südliche Teil der heutigen Provinz el-Aḥsā, richtiger gesagt das heutige Baḥrain. Die Hauptstadt G. selbst ist in dem von dem arabischen Geographen Hamdānī (Ğezīret 137, 24 M.) erwähnten el-Ğer'ā wiederzufinden, wie schon die Namensform zeigt. Aber auch Hamdānīs Bemerkung, daß in el-Ğer'ā, dem an einem Sandhügel gelegenen Markte der Tamīm, die Beduinen ihre Tauschgeschäfte machten, stimmt vollinhaltlich zu Eratosthenes’ Bericht über den Handel in G. Da aber mit dieser Bemerkung des arabischen Geographen auch die Nachricht bei Plin. n. h. XII 79 his commerciis Carrhas oppidum aperuere, quod est illis nundinarum ungesucht zusammentrifft, rät alle Wahrscheinlichkeit, dieses Carrhae nach Sprengers Vorgang (136) mit G. zu identifizieren, so daß diese Pliniusstelle als neuer Beleg zu den bereits oben genannten Fundstellen für G. hinzutritt. Das arabische Wort ğer'ā bezeichnet einen sandigen (und darum vegetationslosen) Boden und fällt auch lautlich mit der Schreibung Γέῤῥα (Gerrha) so genau zusammen, daß selbst die im arabischen Wort auf den Sonorlaut r folgende laryngale Spirans noch in der griechischen und lateinischen Namensform ihren Ausdruck durch die Gemination des r behalten hat (vgl. Sprenger 135). el-Ğer'ā lag in der Nähe der späteren Hauptstadt Laḥsā, beim heutigen el-Hofūf. Die Entfernung zwischen el-Ὁḳair und Laḥsa (zwei Tagreisen) entspricht durchaus den 50 römischen Meilen in der oben erwähnten Angabe des Plinius. Unannehmbar ist Glasers Annahme (Skizze II 75. 225f. 251. 253), daß G. an der Ostseite der Halbinsel Ḳaṭar, südlich von Ras-Rekkān, zu suchen sei und zwar ,im Südwestwinkel der Bucht von el-Ḳaṭan, also nördlich von el-Muḫabbar nördl. Br. 24° der Karten‘ gelegen sein müsse, ja ,vielleicht gerade el-Muḫabbar die Stelle des einstigen G. einnehme‘. Gegen Glasers prinzipielle Behandlung der Nachrichten des Ptolemaios über die Ostküste Arabiens s. auch unter Eithar.

[Tkač. ]