RE:Εὐνόστου λιμήν

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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westlicher Hafen von Alexandreia, neben der Insel Pharos
Band VI,1 (1907) S. 11391143
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Εὐνόστου λιμήν (ὁ τοῦ Εὐνόστου λιμήν) heißt der westliche Hafen von Alexandreia. Der Name findet sich nur bei Strabon (XVII 792. 795), dem wir überhaupt die klarsten und anschaulichsten Angaben über die Hafentopographie von Alexandreia verdanken, da nur er die beiden Häfen sauber auseinanderhält. 792: καὶ τὸ ἑσπέριον δὲ στόμα οὐκ εὐείσβολόν ἐστιν, οὐ μὴν τοσαύτης γε δεῖται προνοίας · ποιεῖ δὲ καὶ τοῦτο ἄλλον λιμένα τὸν τοῦ Εὐνόστου καλούμενον · πρόκειται δ' οὗτος τοῦ ὀρυκτοῦ καὶ κλειστοῦ λιμένος · ὁ μὲν γὰρ ἐκ τοῦ λεχθέντος πύργου τῆς Φάρου τὸν εἴσπλουν ἔχων ὁ μέγας ἐστὶ λιμήν · οὗτοι δὲ συνεχεῖς ἐν βάθει ἐκείνῳ, τῷ ἑπτασταδίῳ καλουμένῳ χώματι διειργόμενοι ἀπ' αὐτοῦ παράκεινται · τὸ δὲ χῶμά ἐστιν ἀπὸ τῆς ἠπείρου γέφυρα ἐπὶ τὴν νῆσον κατὰ τὸ ἑσπέριον αὐτῆς μέρος ἐκτεταμένη, δύο διάπλους ἀπολείπουσα μόνον εἰς τοῦ Εὐνόστου λιμένα καὶ αὐτοὺς γεγεφυρωμένους. 795: ταῦτα μὲν τὰ περὶ τὸν μέχαν λιμένα. ἑξῆς δ' Εὐνόοτου λιμὴν μετὰ τὸ ἑπταστάδιον, καὶ ὑπὲρ τούτου ὁ ὀρυκτὸς ὅν καὶ Κιβωτὸν καλοῦσιν, ἔχων καὶ αὐτὸς νεώρια. ἐνδοτέρω δὲ τούτου διῶρυξ πλωτὴ μέχρι τῆς λίμνης τεταμένη τῆς Μαρεώτιδος. Diese beiden Stellen lassen uns, zusammengehalten mit anderen literarischen Notizen (am wichtigsten Joseph. bell. Iud. IV 612–615, der aber nur vom östlichen Hafen spricht, und die zerstreuten Angaben im Bellum Alexandrinum 14–16, die aber an einem ungewöhnlichen Mangel von Anschaulichkeit leiden und dazu noch durch verderbte Überlieferung geschädigt sind), ferner mit den Meeresbodenuntersuchungen [1140] von Mahmoud-el-Falaki (Mémoire sur l’antique Alexandrie, 1872, 40ff.) und dem heutigen Stand der Dinge (Englische Admiralitätskarte nr. 243 the port of Alexandria, revidiert 1898), ein leidlich klares Bild der Hafenanlagen von Alexandreia gewinnen (vgl. im allgemeinen Puchsteins Artikel Alexandreia oben Bd. I S. 1381ff. und die Planskizze ebd. 1379).

Durch das Heptastadion (kurzweg auch χῶμα, lateinisch moles ad insulam pertinens bell. Alex. 17 oder nur moles genannt), den aufgeschütteten Damm, der seit der frühesten Ptolemäerzeit das Festland mit der vorgelagerten Insel Pharos verband – er ist im Lauf der Jahrhunderte zu einem breiten, dicht bebauten Alluvialisthmus geworden, so daß die ehemalige Insel Pharos jetzt einen Teil des Festlandes bildet –, wurde die natürliche Rhede von Alexandreia (Caes. bell. civ. III 112) in eine westliche und eine östliche Hälfte geteilt. So erhielt Alexandreia einen Doppelhafen, den Μέγας λιμήν im Osten, den E. λ. im Westen. Vermutlich geht der dieser Anlage zu Grunde liegende Gedanke auf berühmte ältere Muster zurück; so zeigt z. B. Knidos einen Doppelhafen genau gleicher Art, wenn auch in kleineren Verhältnissen, der ebenfalls dadurch gebildet ist, daß das ursprünglich als Insel dem Festland vorgelagerte Triopion durch einen aufgeschütteten Damm (χώμασι bei Strabon) mit dem Festlande verbunden wurde (vgl. namentlich Strabon XIV 656 und Ross Reisen auf den griech. Inseln II [1843] 82f.). Beide Häfen Alexandreias, die untereinander durch zwei überbrückte Durchfahrten des Heptastadions verbunden waren, waren gut geschützt (für den Osthafen sind von Josephus a. a. O. bedeutende Kunstbauten bezeugt), hatten aber den Fehler, daß ihre Einfahrten eng und durch unterseeische Klippen, Untiefen und Barren gefährdet waren (außer den schon angeführten Stellen bei Strabon, Josephus und im Bellum Alexandrinum vgl. Caes. bell. civ. III 112. Synesios epist. IV p. 639 Hercher und die weiter unten besprochene Stelle Plin. n. h. V 128). [1141] Bei dem enormen Schiffsverkehr, den Alexandreia (τὸ ἐμπορεῖον τῆς οἰκουμένης) gehabt hat, und der umsichtigen Verwaltungsorganisation, durch die sich Ägypten auszeichnete (man vgl. die interessante Stelle Strab. II 101 über die scharfe Kontrolle des Hafens von Alexandreia), müssen wir von vornherein annehmen, daß seitens der Hafenbehörden generelle Bestimmungen über eine sachgemäße Verteilung des Verkehrs auf die beiden Häfen getroffen waren; doch läßt sich bei dem augenblicklichen Stand der Forschung in dieser auch für die Stadtgeschichte und Topographie wichtigen Frage über Vermutungen noch nicht hinauskommen. Jedenfalls war im Altertum, der Μέγας λιμήν, dessen Einfahrt durch den berühmten Pharosleuchtturm gedeckt war (von einer Befeuerung des Eunostoshafens wissen wir nichts), und an dem die Königsburg und zahlreiche andere vornehme öffentliche Gebäude lagen, der angesehenere und bevorzugtere der beiden Häfen, wie das ja auch sein Name besagt. Heutzutage ist es gerade umgekehrt: der Μέγας λιμήν (jetzt sonderbarerweise der ,neue Hafen‘ genannt, s. weiter unten), der seit dem Verfall der oben erwähnten antiken Molen den bei östlichen Winden von den Nilmündungen her antreibenden Sinkstoffen schutzlos ausgesetzt war, ist jetzt eine flache und verlassene Bucht, die für die Schifffahrt keinerlei Bedeutung mehr hat und überhaupt nur noch Fischerbooten zugänglich ist, während der durch gewaltige moderne Kunstbauten regulierte und erweiterte ehemalige Eunostoshafen, der seit der späteren römischen Kaiserzeit in steigendem Maße benutzt worden zu sein scheint und daher von den an die Traditionen der Byzantiner anknüpfenden Arabern als der ,alte Hafen‘ bezeichnet wurde, zum ausschließlichen Gebrauchshafen des modernen Alexandria aufgerückt ist. Allerdings muß man sich, wenn man sich ein Bild des antiken Eunostoshafens machen will, den erst 1871 angelegten, 700 Hektar großen äußeren Molenhafen (Outer Harbour), der den Innenhafen nach Westen fortsetzt und gegen die hohe See durch einen als westliche Verlängerung der Insel Pharos aus gewaltigen künstlichen Felsblöcken erbauten Wellenbrecher von fast 3000 Meter Länge geschützt ist, fortdenken. Der antike Eunostoshafen entsprach also in seiner Ausdehnung ziemlich genau dem heutigen inneren Hafen (Inner Harbour), der bei einem Flächeninhalt von 190 Hektar durchschnittlich 8½ Meter tief ist. Wenn die Einfahrt in den Hafen noch heute trotz der Anlegung des Außenhafens und dauernder Baggerarbeiten zur Schaffung einer Fahrrinne recht schwierig und gefährlich ist (sie ist in der Nacht überhaupt verboten und auch bei Tage nur unter Führung eines Lotsen gestattet), so muß das im Altertum in weit höherem Grade der Fall gewesen sein. Natürlich hat die Anlegung des Außenhafens den Einfahrtskurs völlig verändert. Jetzt müssen die vom offenen Meer kommenden Schiffe, um in den inneren Hafen hineinzugelangen, erst außen um den Wellenbrecher herumfahren, dann umbiegen und im spitzen Winkel zum bisherigen Kurs nordöstlich, parallel zur Küste durch den ganzen Außenhafen fahren. Im Altertum werden sie an der Westspitze der Insel Pharos (jetzt Kap Ras-el-Tîn), [1142] wo ein Tempel des Poseidon stand (Synes. epist. IV p. 640 Hercher), hart vorbeigefahren sein. Das mag bei schlechtem Wetter nicht leicht gewesen sein, namentlich wenn starker Nordwind wehte, der auch heute noch manchmal für Tage die Einfahrt unmöglich macht, und oft Schiffskatastrophen herbeigeführt haben, die den Bewohnern der Insel Pharos erwünschte Gelegenheit zum Strandraub boten (Caes. bell. civ. III 112 quaeque ubique naves imprudentia aut tempestate paullulum suo cursu decesserint, has more praedonum diripere consueverunt). Hatten die Schiffe das Kap passiert, so standen sie vor einer nur durch schmale Durchfahrtslücken unterbrochenen Kette von Untiefen (bell. Alex. 14 vada transitu angusto), die sich von der Westspitze der Insel Pharos südöstlich zum Festland hinüber erstreckte und nicht nur die natürliche westliche Begrenzung des Eunostoshafens, sondern auch eine wirksame Hafensperre bildete. Heutzutage ist von diesen Untiefen nicht mehr viel übrig, da der über 900 Meter lange Molo, der Außen- und Innenhafen scheidet, auf ihnen erbaut ist. Daß man beim Hafen von Alexandreia im ganzen drei Einfahrten (alvei = Fahrrinnen) unterschied, ist durch Plinius überliefert, der auch ihre Namen nennt (n. h. V 128 fallacibus vadis Alexandria tribus omnino aditur alveis mari: Stegano, Posideo, Tauro), doch ist ihre Lage und ihre Verteilung auf die beiden Häfen nicht bestimmbar. Nur den Posideus kann man mit einiger Sicherheit lokalisieren: man legt ihn wegen des oben erwähnten Poseidontempels an die Westspitze der Insel Pharos, weist ihn also dem Eunostoshafen zu. Auch noch eine zweite der drei Zufahrten scheint diesem angehört zu haben; wenigstens deutet die Ausdrucksweise des Josephus a. a. O. darauf hin, daß der Osthafen nur eine Einfahrt gehabt hat (W. Sieglin hat auf seiner als Manuskript gedruckten Karte des alten Alexandrien, die leider der Begründung durch einen begleitenden Text ermangelt, außer dem Posideus den Taurus beim Westhafen gezeichnet, dagegen den Steganus an den Osthafen gesetzt). In militärischer Beziehung wurden die Einfahrten beider Häfen von der Insel Pharos, nicht vom Festland aus beherrscht, da sie dieser näher lagen (Caes. bell. civ. III 112 iis autem invitis, a quibus Pharos tenetur, non potest esse propter augustias introitus in portum). Dieser Gesichtspunkt bildet einen Schlüssel für das Verständnis der leider so verworren überlieferten Vorgänge während des Aufstandes der Alexandriner gegen Caesar (des sog. Bellum Alexandrinum, Oktober 48 bis März 47 v. Chr.). Damals bildete der Eunostoshafen ein Hauptkampfobjekt. Die Situation war anfangs die, daß Caesar die Insel Pharos und den Μέγας λιμήν im Besitz hatte, während die Alexandriner das Heptastadion und den Eunostoshafen beherrschten (Caes. bell. civ. III 112, vgl. Mommsen Röm. Gesch. III 439ff.). Das bell. Alex. 14–16 geschilderte Seegefecht (Ende 48 v. Chr.), in welchem sich die rhodischen Schiffe Caesars auszeichneten, spielte sich im Eunostoshafen ab, der zwar auffallenderweise nicht genannt, aber mit einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit beschrieben wird (c. 14 Caesar Pharon classe circumvehitur, später ebenda: vada transitu [1143] angusto, quae pertinent ad regionem Africae – sic enim praedicant, partem esse Alexandrine dimidiam Africae –). Vgl. Stoffel Histoire de Jules César II (1887) 261f. Tafelband pl. 19. Das für Caesars Schiffe siegreich verlaufene Gefecht bildet ein bemerkenswertes Beispiel dafür, daß ein taktischer Sieg ein strategischer Mißerfolg sein kann. Denn bald darauf erfahren wir (am Anfang von c. 17), daß die Insel Pharos nicht mehr in Caesars Besitz ist. Sie muß also nach dem Gefecht verloren gegangen sein. Mommsen (a. a. O. 440 Anm.) nimmt daher in c. 12 eine Lücke an, in der eine diesbezügliche Notiz ausgefallen sei; das geht aber nicht, weil Caesar ohne den Besitz der Insel die Einfahrt in den Eunostoshafen nicht hätte erzwingen können. Falls man also überhaupt eine Lücke annimmt (bei der unklaren Schreibweise des Verfassers des Bellum Alexandrinum halte ich die Annahme für nicht geboten), muß man sie an einer späteren Stelle ansetzen.

Das Südufer des Eunostoshafens war von Quais und Häusern besetzt (bell. Alex. 16). Außerdem schloß sich südlich an den Eunostoshafen ein kleines, künstliches, ringsum abgeschlossenes und mit Werftanlagen versehenes Hafenbecken, die Κιβωτός, an (Strab. a. a. O.). In die innere Seite dieses Beckens mündete der die Stadt südlich und westlich umziehende Nilkanal, so daß also mittels der Kibotos und des Nilkanals eine direkte schiffbare Verbindung zwischen dem Eunostoshafen (dem Meer) und dem Mareotissee hergestellt war. Der Name Kibotos (κιβωτός = Kiste, Schrank) scheint anzudeuten, daß das Becken eine viereckige Form gehabt hat und von Speichern umgeben war; seine Spur glaube ich noch heute in dem eigentümlichen, durch keine äußeren Bedingungen geforderten, mäanderartigen Lauf des Mahmudîjekanals südlich vom Stadtteil Minet-el-Bassal zu erkennen (vgl. den Plan von Alexandria in Baedekers Ägypten).

Auffallend ist der Name ὁ τοῦ Εὐνόστου λιμήν. Der zuerst von C. Wachsmuth (Göttinger Festrede 1876, 4) ausgesprochenen Vermutung, daß der Hafen nach Eunostos (Nr. 4), dem Stadtkönig von Soloi und Schwiegersohn Ptolemaios I. benannt sei, haben sich Puchstein (o. Bd. I S. 382) und Niese (Hellenistische Geschichte II 106) angeschlossen. Mir scheint die Hypothese verfehlt. Wir wissen nichts von irgend welchen Beziehungen des kyprischen Duodezfürsten, dem Ptolemaios Ι. als Belohnung für Wohlverhalten seine natürliche Tochter Eirene zur Frau gab, zur Stadt Alexandreia; und die Tatsache, daß alle alexandrinischen Hafenbecken volkstümlich-plastische Bezeichnungen führten (z. B. Μεγας λιμήν, Κιβωτός, Φιάλη) spricht ebenso gegen die Hypothese, wie das Schweigen Strabons. Εὔνοστος ist die gute Heimkehr, und der alexandrinische ,Hafen der guten Heimkehr‘ findet eine genaue moderne Analogie in Hamburgs altbekanntem ,Kehrwiederhafen‘.

[Schiff. ]