Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Anmerkung, die der Kaiser an den Rand eines Gesuches schreibt
Band I,1 (1893) S. 382 (IA)–383 (IA)
Bildergalerie im Original
Register I,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|I,1|382|383|Adnotatio|[[REAutor]]|RE:Adnotatio}}        

Adnotatio bedeutet wohl ursprünglich die Anmerkung, welche der Kaiser an den Rand eines Gesuches schreibt, um dadurch Bewilligung oder Ablehnung auszusprechen. Sie enthielt die Anweisung für die kaiserliche Kanzlei, nach welcher das betreffende Rescript auszufertigen war; doch konnten in diesem auch Wiederholungen vermieden werden, indem es einfach auf die A. verwies (Coll. leg. Rom. et. Mos. I 10). Dieser selbst wurde eine Rechtskraft, die von dem Rescript unabhängig gewesen wäre, anfangs nur missbräuchlich beigelegt, was noch Constantin 313 gesetzlich zu verhindern suchte (Cod. Theod. I 2, 1). Aber die göttliche Weihe, mit [383] welcher sich das Kaisertum im 4. Jhdt. umgab, führte bald dazu, dass die a. sacra, weil sie von der eigenen Hand des Kaisers herrührte (Cod. Theod. VIII 5, 14. XVI 5, 52), vor dem simplex rescriptum (C. Th. X 10, 27. Nov. Val. 19, 3), welches die Hofkanzleien selbstständig abfassten, einen Vorzug errang (C. Th. IX 21, 10. X 10, 20). Sie wurde jetzt auch aus einer einfachen Randbemerkung zur Urkunde, welche der Magister memoriae concipierte (Not. Dign. Or. 19; Oc. 17); ihre vollständige Bezeichnung ist demnach: authentica sacra, quae divinam continet adnotationem (Cod. Iust. XII 59, 10). Doch blieb ihr das Unterscheidende, dass der Kaiser eigenhändig eine Grussformel oder einen Vollziehungsbefehl darunterschrieb und dass sie regelmässig als Antwort auf eine Bittschrift erlassen wurde. Infolge dessen verlor sie ihre Rechtskraft, sobald in der Bittschrift die Behauptung falscher Thatsachen (precum mendacia) nachgewiesen war (Nov. Val. 19, 2). Niemals enthält sie Bestimmungen von allgemeiner Geltung, sondern ihr Inhalt ist immer eine Vergünstigung, welche einem Einzelnen erteilt wird (daher das stehende Beiwort specialis, C. Th. VI 2, 21. 27, 3. 4. VIII 4, 29. X 10, 20. 27. Nov. Theod. 17, l, 3), z. B. Begnadigung von einer verwirkten Strafe (C. Th. XIII 5, 36. Nov. Theod. 24, 2. Nov. Val. 19), Schenkung von an den Fiscus gefallenen Gütern (C. Th. V 13, 30. X 8, 1. 10, 20. 27. XI 20, 6. XV l, 41. Nov. Theod. XVII l, 3. 2, 5), Befreiung von gesetzlichen Munera (C. Th. XII l, 135. 137. 139. XIII 5, 19. XIV 4, 8. XV 3, 5. 7, 13. Nov. Theod. 8) oder Ehehindernissen (C. Th. III 10, 1), Verleihung von Monopolen (C. Iust. IV 59, 2) oder Prägerechten (C. Th. IX 21, 10), Avancement ausser der Reihenfolge (C. Th. VI 27, 3) u. dgl. m. Auch die Aufnahme in gewisse bevorzugte Beamtencollegien wurde von einer A. abhängig gemacht (C. Th. VI 30, 18. C. Iust. XII 59, 10). Da die Gunst des Kaisers natürlich sehr oft missbraucht wurde, so bestimmen die meisten Gesetze, in denen die A. erwähnt wird, dass sie in dem betreffenden Falle als ungültig betrachtet werden solle; doch wird die reverentia sacrae adnotationis (C. Th. V 13, 30) meist stärker gewesen sein, als die Scheu vor der Verletzung eines allgemeinen Gesetzes (vgl. Symm. rel. 22). Neben dieser besonderen Bedeutung bildete sich für das Wort auch die allgemeinere der eigenhändigen Beurkundung (Cod. Theod. VI 2, 8. 28, 4. X 16, 3. XI 7, 14).