Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Feierliche Eheschliessung mit Opfer
Band IV,1 (1900) S. 862864
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Confarreatio war die Eheschliessung mit feierlichen Worten und einem Opfer von Feldfrüchten (Gai. I 112 quoddam genus sacrificii; far von fero, vgl. Rossbach Untersuchungen über die römische Ehe 1853, 104, 361. Cuq Les institutions juridiques, Paris 1891, 215, 1). Sie war ein Vorrecht der Patricier. So erklärt man, warum Cicero pro Flacc. 84 sie nicht erwähnt, vgl. auch Gai. I 118ff. 137 a. II 112. Die flamines maiores und die reges sacrorum mussten einer confarreierten Ehe entstammen und konnten ohne eine solche nicht ihres Amtes walten, Gai. I 112. Serv. Aen. IV 103. 374. Auch die flaminica musste der Sprössling einer solchen Ehe sein (Suet. Caes. 1, wonach Caesar anscheinend aus diesem Grunde seine Braut mit einer andern vertauscht hat). Die durch C. begründete Ehe war eine Ehe mit manus, d. h. eheherrlicher Gewalt, bei der die Gattin aus der Gewalt ihres Vaters heraustrat und das Frauenvermögen dem Manne zufiel, Gai. I 110. Aus Scheu vor diesen Folgen kam die Manusehe am Ende der Republik ausser Gebrauch und folgeweise auch die C. Da jedoch diese Eheschliessungsform aus sacralen Gründen unentbehrlich war, so erging unter Tiberius ein Gesetz des Inhaltes, dass die C. fortan die bisherigen privatrechtlichen Folgen nicht mehr haben und nur nach ius sacrum wirksam sein sollte, Tac. ann. IV 16. In späterer Zeit kam sie nur noch bei Priestern vor, Boeth. ad Cic. top. 3, 14.

Wie sich die Ceremonien der C. zu den bei allen andern Hochzeiten üblichen Förmlichkeiten (Lucan. II 352ff.) verhielten, ist nicht ganz klar (vgl. hierzu Rossbach a. a. O. 100ff.). Jedenfalls [863] müssen sie in einem Zusatz zu ihnen bestanden haben, weil sonst jede Eheschliessung eine C. mit ihren Folgen gewesen wäre. Die C. war vielmehr der höchste Grad der Feierlichkeit bei Ehebündnissen, Plin. XVIII 3: in sacris nihil religiosius confarreationis vinculo erat; vgl. auch Tac. ann. IV 16. Diese Feierlichkeit vollzog sich wahrscheinlich im Hause der Braut (anders Karlowa Röm. R.-G. II 155). Überliefert ist, dass das Brautpaar mit verhülltem Haupte, dem Symbole religiöser Sammlung, auf zwei Stühlen sass, die von einem Schaffelle bedeckt waren, der Haut eines Opfertieres, Serv. Aen. 374. Ausserdem vollzog sich die Feierlichkeit aqua et igni, den Symbolen des häuslichen Zusammenlebens, Serv. Aen. IV 103. 167, und vor zehn Zeugen, in denen Rein (N. Jahrb. f. Ph. und Päd. XXV 1839, 67ff.) die Vertreter der zehn zu einer curia gehörenden gentes sieht, vgl. hierzu auch Cuq Les institutions juridiques des Romains, Paris 1891, 223, 1. Dass das far nicht als Mehl, sondern in gebackenem Zustande verwendet wurde, ist gewiss. Ulp. IX spricht vom panis farreus, ebenso Gai. I 112, vgl. aber auch Serv. Georg. I 31 per fruges et molam salsam iungebantur. Karlowa Röm. R.-G. II 155 nimmt hiernach an, dass neben dem Opferbrote auch noch Opfermehl verwendet wurde. Ungewiss ist dagegen, ob das Brot verzehrt oder in die Flammen geworfen wurde (wie Rossbach a. a. O. 108 vermutet). Die Anwesenheit von Priestern bei dem Acte ist bezeugt, Serv. Georg. I 31. CIL X 6662. Von einer Einsegnung der Ehe durch sie findet sich keine Spur. Ob die Priester die erforderlichen solemnia verba sprachen, ist völlig ungewiss. Wahrscheinlich war es Sache der Brautleute, sie auszusprechen (Rossbach 111. 387). Der Inhalt der verba solemnia ist gleichfalls unbekannt. Vielleicht bestanden sie in einem Anrufen der Gottheit (Rossbach a. a. O.), vielleicht aber auch in der gegenseitigen Frage des einen Teiles an den andern, ob er mit dem Fragenden eine Manusehe schliessen wolle. Es ist wenigstens nicht unwahrscheinlich, dass die uns überlieferten Fragen bei der coemptio (s. Coemptio) dem Ritual der C. nachgebildet waren (so Karlowa Röm. R.-G. II 156). Durch ein Gewitter wurde der Abschluss der C. verhindert, Serv. Aen. IV 339.

Die Einführung der C. wird auf Romulus zurückgeführt (Dion. II 25), entsprechend der Gewohnheit, altrömische Gebräuche den Anordnungen der Könige zuzuschreiben. Sie ist daher wohl älter als die Coemptio (Karlowa Röm. R.-G. II 164ff.). Für die durch C. geschlossenen Ehen, ist nach einer angeblichen Lex Romuli (Plut. Rom. 22), die Scheidung nur in gewissen Fällen erlaubt (Karlowa Röm. R.-G. II 72, vgl. dagegen aber auch Cod. VIII 38 (39), 2). Überdies wurde, auch seitdem dies nicht mehr galt, die Scheidung bei den confarreierten Ehen insofern erschwert, als es bei ihnen einer besonderen diffareatio bedurfte, die mit Verwünschungen verbunden war (Fest. ep. p. 74. Plut. qu. Rom. 50. Rossbach a. a. O. 128ff.). Diese Verwünschungen richteten sich wahrscheinlich, wie Rossbach a. a. O. 127 vermutet, gegen den schuldigen Teil. Nach Dion. II 25 soll Romulus die Scheidung der confarreierten Ehe überhaupt verboten haben, vgl. hierzu [864] Schlesinger Ztschr. f. Rechtsgeschichte VIII 58ff.

Litteratur: Rossbach Untersuchungen über die römische Ehe, Stuttgart 1853, daselbst ältere Schriften 97, 336. 107, 378. 118, 413. 121, 420. 124, 424 und ausserdem in Graevius Thesaurus VIII Trajecti ad Rh. 1698. Brissonius De vetere ritu nuptiarum et jure connubiorum 1011ff. und Hotmanus De veteri ritu nuptiarum 1112ff. Wächter Über Ehescheidungen bei den Römern, Stuttgart 1822, 62ff. 65ff. 69ff. 75ff. Rein N. Jahrb. f. Philol. u. Paed., Leipzig 1839, 67ff. (für den etrurischen Ursprung der C. wider die Annahme eines sabinischen Ursprunges). Karlowa Die Formen der römischen Ehe und manus, 1868 § 4. Danz Lehrb. d. Gesch. d. röm. R.² I 153 § 93. Schulin Lehrb. der Gesch. d. röm. R. 209ff. Karlowa Röm. R.-G. II 72. 155ff. 164ff. Cuq Les institutions juridiques des Romains, Paris 1891, 151. 174. 198. 206. 214. 221. 223, 1. 227. 373, 2. Puchta-Krüger Institutionen10 II 391ff. Leonhard Institutionen 53. 196. 205.