RE:Coemptio
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Eheliche Verbindung durch Kauf | |||
Band IV,1 (1900) S. 198–200 | |||
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Coemptio ist eine eheliche Verbindung durch Kauf, mit Begründung der eheherrlichen Gewalt des Mannes über die Frau (s. Manus). Eine solche konnte ausser durch C. auch noch durch usus (s. d.) und durch confarreatio (s. d.) erworben werden. Die C. war eine Abart der mancipatio mit einem besondern Formulare, das von dem gewöhnlichen abwich, Gai. I 113 (eine nicht vollständig erhaltene Stelle). Es kamen dabei gegenseitige Fragen und Antworten vor. Die Braut bejahte, dass sie dem Bräutigam materfamilias sein wolle, d. i. eine in der eheherrlichen Gewalt (manus) befindliche Frau, Cic. top. 14. Desgleichen versicherte der Bräutigam, dass er ihr paterfamilias sein wolle, Boethius ad Cic. top. 14. Bruns Fontes⁶ p. 76. Im übrigen ist das Formular unbekannt. Es steht nur fest, dass bei einer Haustochter der Vater, bei einer [199] gewaltfreien Braut der Vormund das Geschäft durch ein Vollwort (auctoritas) bekräftigen musste, Collat. IV 2. 3. IV 7. Gai. I 195 a, auch dass der Name Gaia in der Formel vorkam, Cic. pro Murena 27. Plut. quaest. Rom. 30. Es ist hiernach zweifelhaft, wer bei diesem Scheinkaufe als Verkäufer auftrat. Veraltet ist die Meinung, dass das Vermögen der Frau Verkaufsgegenstand war (vgl. dagegen Rossbach Untersuchungen über die röm. Ehe 1853, 72. Karlowa Die Form der röm. Ehe und manus 1868, 56). Zweifelhaft ist dagegen, ob die Haustochter als Braut vom Vater verkauft wurde oder sich selbst mit dessen Zustimmung veräusserte. Das Erstere erscheint deshalb als das Wahrscheinliche, weil der Hausvater bei diesem Geschäfte seine Gewalt preisgab. Seine auctoritas, von der ohne Grund behauptet ist, dass sie erst im späteren Rechte nötig wurde (Czyhlarz Inst.³ 239), musste er wahrscheinlich noch zu dem erwähnten Ausspruche der Tochter, dass sie materfamilias sein wolle, erteilen, der ebenso wie die Gegenerklärung des Bräutigams als Nebenabrede zu dem Scheinkaufe hinzutrat (Rossbach Untersuchungen über d. röm. Ehe 71. Czyhlarz a. a. O.). Diese gegenseitigen Fragen, deren Überlieferung von Baron Inst. 60 § 30, 10 für unzweifelhaft falsch angesehen wird, werden in ungenauer Redeweise mehrfach als ein wechselseitiger Kauf von Mann und Frau bezeichnet, vgl. Serv. Aen. IV 103: mulier atque vir inter se quasi emptionem faciunt (Bruns Fontes⁶ p. 79). Ähnlich Serv. Georg. I 31 (Bruns p. 81) und Isid. orig. V 26: quod se maritus et uxor invicem emebant, ne videretur uxor ancilla. Es ist daher auch behauptet worden, dass die coemptio ein gegenseitiger Scheinkauf war, namentlich neuerdings von Bourcart in einer hierin zustimmenden Anmerkung zu James Muirhead (Introduction historique au droit privé de Rome traduit et annoté avec l’autorisation de l’auteur, Paris 1889, 556ff.). Ältere Vertreter dieser Ansicht s. bei Rossbach a. a. O. 73, 259. Es ist sogar die Ansicht aufgestellt worden, dass nur die Frau als Käuferin des Mannes aufgetreten sei (Hölder Die röm. Ehe, Zürich 1874, 20), vgl. dagegen Bourcart a. a. O., auch Pillon La célébration du mariage à Rome, Paris 1890, 25, 1: Il est impossible que l’homme soit acheté par la femme qui tombe en sa possession. Nach Gai. I 133 wird man vielmehr in dem Manne den Käufer sehen müssen, in der gewaltfreien Braut die Verkäuferin der manus, an deren Stelle bei der Haustochter der Vater trat. Auffallend ist freilich, dass nach Nonius p. 363 s. nubentes (Bruns Fontes⁶ p. 67) die Braut dem Gatten nach altrömischer Regel eine Scheinzahlung als Kaufpreis übergab (Hölder a. a. O. 21), doch that sie dies ad maritum veniens, also erst bei dem Eintritte in sein Haus, nicht bei dem Abschlusse der wahrscheinlich vorher zu erledigenden C.
Mit der Frage nach dem Formular hängt die andere zusammen, ob die C. von Anfang an ein blosses Scheingeschäft war, das die Folgen der den Patriciern vorbehaltenen confarreatio den Plebejern zugänglich machte, was als wahrscheinlich anzusehen ist, oder ob sie aus einem ernstlichen Brautkaufe sich entwickelt hat (dafür u. a. Czyhlarz a. a. O. 239). Ein solcher Brautkauf kam [200] namentlich in Griechenland vor und erhielt sich dort in der Form einer Gewährung von Brautgeschenken. Mitteis Reichsrecht und Volksrecht 1891, 97; vgl. aber auch Hruza Beiträge zur Geschichte des griechischen und römischen Familienrechts 1; Die Ehebegründung nach attischem Rechte, 1892 und die zustimmenden Bemerkungen von Kübler Ztschr. d. Savigny-Stiftung XV 394. Trotzdem wird die Entwicklung der C. aus einem ernstlichen Kaufe mit Recht bezweifelt, vgl. dagegen Bechmann Der Kauf 1876, 167. Es lässt sich namentlich dawider anführen, dass ein ernstlicher Kauf einer gewaltfreien Braut bei der Manusehe sinnlos gewesen wäre, weil der Kaufpreis hier mit dem Vermögen der Gattin dem Käufer zugefallen, also gewissermassen von ihm an sich selbst gezahlt worden wäre (Hölder a. a. O. 20). Die C. kam aber, soviel wir wissen, in gleicher Weise bei gewaltfreien Bräuten wie bei Haustöchtern vor. Dass die Vormünder ursprünglich ein Verkaufsrecht hatten (Czyhlarz a. a. O.), lässt sich nicht erweisen.
Die C. wurde auch zur Eingehung von Scheinehen verwendet, offenbar um den Frauen gewisse Vorteile einer solchen Verheiratung zuzuwenden (sog. coemptio cum extraneo). Es geschah dies, um gewisse Abgaben religiöser Art (sacra) zu vermeiden, zuweilen auch um sich von einem lästigen Vormunde zu befreien, eine Abschwächung der Geschlechtsvormundschaft (Karlowa Röm. R.-G. II 299), endlich auch um die Fähigkeit zur Testamentserrichtung zu erlangen, die ursprünglich den in ihrer väterlichen Familie gebliebenen Mädchen oder Frauen versagt war (vgl. hierzu Hoffmann und von Savigny Ztschr. f. gesch. Rechtswissenschaft III 309ff. 328ff.). Zu solchen Geschäften verwendeten die Frauen Greise, denen sie die eheherrliche Gewalt zum Scheine anvertrauten (senes ad coemptiones faciendas reperti), Cic. pro Flacc. 84; pro Murena 27; top. 18. Gai. Inst. I 114. 115. 115 a. Mit dem Absterben der manus verschwand auch die C. in der Kaiserzeit.
Litteratur ausser den oben erwähnten Schriften: Huschke Studien des römischen Rechts I 1830, 201; Das Recht des Nexum 1846, 102. Rudorff Anm. f zu Puchta-Krüger Institutionen10 II 392 § 285. v. Jhering Geist des röm. R.⁴ III 1 S. 282ff. § 58. Kuntze Cursus des röm. R.² 1879, 555ff. §§ 792. 793. Pernice M. Antistius Labeo I 193ff. Cuq Les institutions juridiques des Romains 1891, 221, 2. Leonhard Institutionen 196. 197. 206. 223.