Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gewand aus sehr feinem Gewebe
Band IV,1 (1900) S. 127128
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Coa vestis, ein Gewand aus ganz feinem Gewebe, das den Körper wie nackt durchscheinen liess (Tibull. II 3, 53 und Propert. I 2, 2 = V 5, 56: tenues. Hor. sat. I 2, 101: Cois tibi paene videre est ut nudam; die Scholien zu dieser Stelle: perlucida veste ... per cuius nimiam subtilitatem, quae intra sunt, translucent; subtilissima). Es hat seinen Namen daher, dass es auf der Insel Kos gewebt wurde, und zwar soll eine Pamphile, Tochter des Plates, diese Kunstfertigkeit auf Kos zuerst ausgeübt haben (Arist. hist. an. V 19. Plin. n. h. XI 76f. Tibull. a. a. O. Isid. orig. XIX 22, 13). Wahrscheinlich sind hierher auch zu beziehen Plin. n. h. IV 62 und Lucret. IV 1130 (s. Lachmanns Note zu diesem Vers und neuerdings Munro⁴), obwohl an diesen Stellen von der Insel Keos die Rede ist, was auf einen Irrtum des Varro zurückgehen wird. Das Gewebe wurde aus den Fäden eines wildlebenden Seidenwurms, des Bombyx, hergestellt. Die ersten Gewebe dieser Art wurden aus Assyrien importiert, dann aber auch in Kos selbst fabriciert, wo nach Plin. XI 77 auch derartige Seidenwürmer lebten. Die koischen Nachahmungen scheinen die assyrischen Originalgewebe an Feinheit nicht erreicht zu haben (Plin. XI 77). Siehe über all die Fragen, die sich an die Fabrication dieser Stoffe knüpfen, den Artikel Bombyx. Gelegentlich wird von dem Glanz dieser Gewänder gesprochen (Propert. II 1, 5: Sive illam Cois fulgentem incedere cogis), seiner Verzierung mit Goldfäden (Tibull. a. a. O.) und seiner Purpurfärbung (Hor. od. IV 13, 13: purpurae. Iuven. VIII 101: conchylia Coa). Dass diese Färbung ebenfalls auf Kos besonders gut hergestellt wurde, zeigt uns Lyd. de magistr. II 13 p. 178: μανθύνη ... περιεβάλλετο Κῷον · ἐπ’ ἐκείνης τῆς νήσου καὶ μόνης ἡ βαθυτέρα βαφὴ τοῦ φοινικοῦ χρώματος τὸ πρὶν ἐπῃνεῖτο κατασκευαζομένη. Vgl. hiezu Rayet Mémoire sur l’île de Cos, Archives des miss. scient. 3. sér. III 87, wo auf einer koischen Inschrift (CIG 2519) ein Purpurhändler nachgewiesen wird, dessen Tochter demselben Handel oblag, und wo darauf hingewiesen wird, dass die Purpurmuschel sich noch heutzutage häufig in dem Meere zwischen Samos und Kos findet. Die Kos nahegelegene Insel Nisyros wurde wegen ihres Purpurreichtums auch Porphyris genannt (Steph. Byz. s. v.). Aus alledem geht schon hervor, dass die C. v. ein Luxusgewand war (s. auch Propert. V 5, 23); es wurde teuer bezahlt (Propert. V 5, 57), und wir finden es nur in der Garderobe von Courtisanen oder Damen ähnlicher Richtung (Hor. sat. I 2, 101. Ovid. ars amat. II 298. Tibull. a. a. O. und II 4, 29. Propert. a. a. O. und V 2, 23. Hor. od. IV 13, 13). Doch sind nach Plin. XI 77 gelegentlich auch koische Gewänder von Männern als Sommerkleidung getragen worden. Die übliche Form der C. v. muss (s. bes. Propert. I 2, 2 = V 5, 56: sinus) der Chiton gewesen sein. Dass man in demselben Stoff auch Umwürfe hergestellt habe, ist von vornherein vorauszusetzen, scheint [128] aber auch bestätigt zu werden durch Excerpt. Constant. de nat. anim. I 36 (Suppl. Aristot. I p. 9) σκώληξ, ἐξ οὗ αἱ γυναῖκες τὰ βομβύκινα ἐπιβόλαια ὑφαίνουσιν. Über den Zeitpunkt der Einführung der C. v. können wir nur sagen, dass er vor der Zeit liegt, in der Aristoteles schrieb. Im kaiserlichen Rom ist sie dann augenscheinlich in den angedeuteten Kreisen besonders Mode gewesen. Auf Kunstwerken lässt sich die C. v. mit Sicherheit nicht nachweisen, da es durchscheinende Gewänder auch aus chinesischer Seide (s. o. Bd. III S. 679, 10 und u. Serica) und aus anderen Geweben (s. unter Ἀμόργινα) gab. Auch aus der Anekdote von der bekleideten Aphrodite des Praxiteles auf Kos (Plin. n. h. XXXVI 20) ist nichts Sicheres zu entnehmen; denn wenn wir auch die Anekdote für Erfindung halten, die sich daran angeschlossen habe, dass auf Kos eine bekleidete, auf Knidos eine unbekleidete Aphrodite des Meisters stand, so ist doch noch nicht gesagt, dass Praxiteles jene Aphrodite in der C. v. dargestellt habe (Plinius sagt nur allgemein velata specie). Furtwängler (Meisterwerke 552f. Fig. 104) hat eine bekleidete, inschriftlich beglaubigte Aphrodite des Praxiteles nachgewiesen; die Göttin trägt in der That einen durchscheinenden Chiton. Angenommen aber, dass diese Figur jene koische Aphrodite wiedergiebt, wie Furtwängler zu vermuten geneigt ist, so wissen wir noch nicht, ob Praxiteles wirklich eine C. v. als Modell benutzt hat, und es ergiebt demnach diese Statue für die Frage nach dem Aussehen dieses Gewandes auf keinen Fall etwas Sicheres.

Litteratur: Pardessus Le commerce de la soie chez les anciens, Mém. de l’instit. royal de France XV 8f. 17f. Pariset Histoire de la soie 63ff. 129ff. Rayet a. a. O. 84ff. Blümner Gewerbl. Thätigkeit 48ff.; Technol. u. Terminol. der Gew. u. Künste I 191. Marquardt Privatleben der Römer² 493f. Daremberg et Saglio Dictionnaire I 1264.