Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bewohner d. Landschaft Chaldia
Band III,2 (1899) S. 20612062
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2) Chaldaioi (oder nach Eustath. ad Dion. Perieg. 767 korrekter Χάλδοι [Chaldi-ni? s. u.], ebenso bei Steph. Byz. s. v. Χαλδία), die Bewohner der Landschaft Chaldia (s. d.), nach Steph. Byz. s. Χαλδαῖοι ein ἔθνος πλησίον τῆς Κολχίδος, genauer als in Pontos (Strab. XII 548f. 555. Plut. Lucull. 14) und Armenien (Xen. anab. IV 3, 4. V 5, 17. VII 8, 25; Cyrop. III 1, 34. 2 passim. Steph. Byz. und der Armenier Mos. Chor. 87. 198. 285. 357) heimisch bezeichnet. Nach den Untersuchungen von W. Belck und C. F. Lehmann (besonders Ztschr. f. Ethnologie 1892, 144ff.; Verhandl. d. Berliner Anthropol. Gesellschaft 1892, 487ff. 1893, 63ff. 220ff. 1895, 578ff.; Ztschr. f. Assyriologie VII 255ff. IX 82ff. 339ff. XI 201) hätten wir in dem noch häufig von späteren armenischen Schriftstellern als zwischen Trapezunt und Batum ansässig erwähnten Volksstamme die Reste der wichtigsten vorindogermanischen Bevölkerung Armeniens zu sehen, nämlich der besonders [2062] seit der Zeit Salmanassars III. als Feinde Assyriens aus den assyrischen Inschriften bekannten Urarṭu (der Ἀλαρόδιοι Herodots, vgl. Artikel Armenia). Aus den in der Umgebung des Van-Sees gefundenen Keilinschriften dieser (die erste Sammlung bei Sayce The cuneiform inscriptions of Van, Journal of the Royal Asiatic society XIV 653ff., weiteres Material bei Belck und Lehmann) ergiebt sich nämlich, dass sie als Hauptgott den Chaldis verehrten und sich selbst in ihrer Muttersprache als Chaldi-ni d. h. ,die (Diener oder Verehrer) des (Gottes) Chaldis‘ bezeichneten, während das von ihnen beherrschte Land in dieser Biaina hiess. In Griechenland ist Sophokles der erste, für den durch frg. 564 Ddf. (Τυμπανισταῖς) bei Steph. Byz. s. v. Bekanntschaft mit diesen nördlichen Ch. gesichert ist. Xenophon, dem auf dem Rückzuge der Zehntausend beim Austritt aus dem Lande der Karduchoi ein Contingent derselben als Soldtruppe im Dienste des persischen Satrapen von Armenien, Orontas, entgegentrat, beschreibt sie als kraft- und mutstrotzende Gestalten, bewaffnet mit Wurfspeeren und langen persischen Schilden (anab. IV 3, 4) und berichtet, sie seien, wie man ihm erzählt habe, vom Grosskönig unabhängig (ἐλεύθεροι anab. a. a. O.; οὐχ ὑπήκοοι V 5, 7). Im Kyrosromane liess er später die kriegerische Gebirgsbevölkerung, die einen starken Eindruck bei ihm hinterlassen zu haben scheint, von Kyros als Bundesgenossen gegen das Assyrerreich des Romans, d. h. das neubabylonische Reich der Geschichte gewonnen werden (Cyrop. III 2), und denkbar wäre es in der That, dass die Urarṭu bei den Ereignissen um 538 nicht teilnahmlos geblieben seien. Strabon glaubte, die Ch. in Pontos mit den von ihm nicht mehr aufgefundenen Chalybes der poetischen und älteren prosaischen Litteratur gleichsetzen zu dürfen (XII 549), und schon lange vor ihm hatte nach Steph. Byz. s. v. Hekataios sie mit den Κηφῆνες (Qipâni assyrischer Inschriften?) gleichgesetzt. Im übrigen dachten die Griechen, wenn sie Χαλδαῖοι statt Χάλδοι sprachen und schrieben, gewiss an einen Zweig des babylonischen Ch.-Volkes. Ob bei dieser irrigen Vorstellung etwa eine dunkle Kunde von der Deportation babylonischer Bevölkerungselemente nach dem Norden und eine Verwechselung der von den Assyriern in Kommagene angesiedelten Χαλδαῖοι (Kasdu) mit den weiter nördlich heimischen Χάλδοι (Chaldi-ni) mitspielt (vgl. oben S. 2051 und Chinzeros), muss dahingestellt bleiben.