72) L. Cassius Longinus Ravilla erhielt den zweiten Beinamen von der Farbe seiner Augen (Fest. p. 273. 274; vgl. Frontin. aqu. 8). Als Volkstribun 617 = 137 gab er die sehr populäre zweite Lex tabellaria, welche die schriftliche Abstimmung auf das Gerichtsverfahren mit Ausnahme der Hochverratsprocesse ausdehnte (Cic. Brut. 97. 106; Lael. 41; de leg. III 35ff.; Sest. 103. Schol. Bob z. d. St. p. 303. Ascon. Cornel. p. 69. Pseudo-Ascon. Verr. p. 141f.). Er war Consul 627 = 127 (Cassiod. Chronogr. Idat. Chron. Pasch.) und Censor 629 = 125 (Cic. Verr. I 143). Während der Verwaltung dieses Amtes leitete er mit seinem Collegen Cn. Servilius Caepio die aqua Tepula nach Rom (Frontin. aqu. 8) und bestrafte seinen alten Gegner M. Lepidus Porcina wegen seines übermässigen Luxus (Cic. Brut. 97 über den früheren Streit beider. Vell. II 10, 1. Val. Max. VII 1 damn. 7; vgl. Bd. I S. 566 Nr. 83). Er war besonders ausgezeichnet und gefürchtet als Richter, so dass sein Name fast typisch wurde (z. B. Cic. Verr. I 30. III 137. 146); für sein Verfahren ist die stete Frage: Cui bono? charakteristisch (Cic. Rosc. 84; Mil. 32. Ascon. p. 40. Pseudo-Ascon. p. 141). Als das Volk mit dem Spruche der Pontifices in dem bekannten grossen Vestalenprocesse von 641 = 113 (Bd. I S. 590 Nr. 153) unzufrieden war, wurde er von den Comitien zum ausserordentlichen Richter (fälschlich praetor von Val. Max. genannt) in dieser Sache erwählt und verurteilte mehrere der Angeschuldigten (Ascon. p. 40. Val. Max. III 7, 10; vgl. VI 8, 1. Mommsen Staatsr. II 664). Über Hinweise auf das Tabellargesetz und auf diesen Process, die auf Münzen späterer Cassier vorkommen, vgl. Mommsen Ztschr. f. Numism. II 42. Söhne des Ravilla sind vielleicht Nr. 57 und 63.