2) Ist der Tempel des Iuppiter O. M. auf dem capitolinischen Hügel das religiöse und politische Centrum der Stadt Rom (vgl. Jordan Topogr. I 2, 37ff.), so begegnen uns in Nachahmung dessen zahlreiche Capitolia auch in anderen Städten der Westhälfte des römischen Reichs. Aus historischer Überlieferung oder inschriftlicher Erwähnung kennen wir Capitole: 1) in Italien in Capua (geweiht von Tiberius im J. 26 n. Chr., Suet. Tib. 40. Tac. ann. IV 57; vgl. auch Suet. Calig. 57. Act. SS. Aug. VI 18), Histonium (CIL IX 2842), Marruvium (CIL IX 3688), Beneventum (Suet. gramm. 9), Falerio (CIL IX 5438), Ostia (CIL XIV 32), Faesulae (CIL XI 1545), Verona (CIL V 3332); 2) in Spanien in Hispalis (CIL II 1194); 3) in Africa in Segermes (CIL VIII 906 = 11167), Aelium (CIL VIII 928 = 11205), Karthago (CIL VIII 1013 = 12464 u.a.), Theveste (CIL VIII 1858 = 16504), Tagura (ebd. 10767 = 16849), Thamugadi (ebd. 2388), Uzelis (ebd. 6339), Cirta (ebd. 6981. 6983), Numlulis (Rev. archéol. 1892, 214); 4) in Gallien und Germanien in Narbo (Sid. Apoll. carm. 23, 41; vgl. Auson. ord. urb. nob. v. 121ff. p. 151 Peip. Act. SS. Mart. IX 373) und Augustodunum (Eumen. pro rest. schol. 9). An andern Orten hat sich die Erinnerung an ein ehemaliges C. noch in den Namen von Kirchen und Plätzen erhalten, so in Carales (S. Nicolaus in Capitolio), Florentia (S. Maria in Capitolio), Nemausus (S. Stephanus de Capitolio), Colonia Agrippina (S. Maria in Capitolio), vor allem in Vesontio, wo der Name Capitolium für den Platz zwischen Paulskirche und Porta nigra sich bis ins 13. Jhdt. erhielt
[1539] und neuere Ausgrabungen erhebliche Überreste des alten Tempels zu Tage gefördert haben (A. Castan Le Capitole de Vesontio et les Capitoles provinciaux du monde Romain, 1869). Minder sicher steht die Existenz derjenigen Capitole, die nur durch die Märtyrerakten bezeugt sind, so (unter Weglassung ganz unzuverlässiger Angaben) Nola (Acta SS. Jan. II 233), Abellinum (ebd. Mai. II 43), Ravenna (ebd. Jun. V 358), Aquileia (ebd. Jun. II 462), Brixia (ebd. Febr. V 812. 816), Tolosa (Ruinart Act. mart. sinc. p. 109 u. a.), Augusta Trevirorum (Acta SS. Jan. III 534 u. a.). Principiell getrennt zu halten von diesen direct bezeugten Capitolen sind die Fälle, wo uns in einzelnen Städten Tempel und Priester, sei es des Iuppiter O. M. (Pagus Veianus CIL IX 1496; Saepinum IX 2441; Peltuinum IX 3519; Aquae Cutiliae IX 4663; Pompei CIL X 796 [vgl. dazu A. Mau Röm. Mitt. XI 141ff., dessen Ausführungen jedoch manches Bedenkliche haben]; Puteoli X 1574; Suessula X 3764; Formiae X 6073), sei es von Iuppiter O. M., Iuno und Minerva (CIL X 5575 Fabrateria nova; VIII 1471 = 15513 Thugga; VIII 2611 Lambaesis) begegnen; denn es ist eine offene Frage, ob jeder Tempel der capitolinischen Göttertrias auch als C. im technischen Sinne anzusehen ist, immerhin spricht eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür. Wieder unter einen andern Gesichtspunkt fallen endlich die Culte des Ζεὺς Καπετώλιος in den Städten der östlichen Reichshälfte, so in Arsinoe (Wilcken Hermes XX 1885, 430ff.), Korinth (Paus. II 4, 5), Antiocheia in Syrien (Liv. XLI 20, 9 u. a.), Nysa (CIG 2943), Teos in Lydien (CIG 3074), Smyrna (CIG 3153), Antiocheia am Maeander (Münzen Head HN 520), Beroia in Thrakien (Dumont Mélanges d’archéol. et d’hist. 353); für die Entstehungsgeschichte dieser Culte ist es von Bedeutung, dass nach dem ersten mithridatischen Kriege kleinasiatische Gemeinden Weihungen an Iuppiter Capitolinus in Rom sowohl auf dem Capitol wie auf dem C. vetus machen (CIL I 587–589 = VI 372–374; vgl. Hülsen Röm. Mitt. IV 1889, 252ff. 276. VI 1891, 103f.). Wirkliche Capitole fehlen im Osten des Reiches vollständig, die einzigen Ausnahmen bilden die νέα Ῥώμη Constantinopolis (s. d.) und das hadrianische Neu-Jerusalem Aelia Capitolina (s. Bd. I S. 481). Da die Städte, welche wir im Besitze von Capitolia finden, mit wenigen und späten Ausnahmen (Carales [?], Histonium, Marruvium, Segermes, Uzelis, Numlulis) Colonien sind, so ist die Vermutung sehr ansprechend, dass etwa bis auf die Allgemeinverleihung des römischen Bürgerrechtes durch Caracalla die Gründung eines C.s zu den Sonderrechten dieser bevorzugten Gemeinden gehörte, die ja effigies parvae simulacraque populi Romani (Gell. XVI 13, 9) zu sein beanspruchten; die Capitolia sind dann in analoger Weise auf den Westen des Reiches beschränkt, wie sich die Marsyasstatue als Symbol verwandter Bedeutung fast ausschliesslich in den Colonien des griechisch redenden Ostens nachweisen lässt (Jordan Marsyas auf dem Forum in Rom, Berlin 1883, 16ff. 29f.; vgl. Mommsen St.-R. III 809f.). Litteratur: E. Saglio Dict. d. antiqu. I 905f. A. Castan a. a. O. und Les capitoles provinciaux du monde Romain, Besançon 1886. O. Kuhfeldt
[1540] De Capitoliis imperii Romani, Berolini 1883 (dazu O. Seeck Wochenschr. f. klass. Philol. 1884, 36ff.). G. B. de Rossi Bull. arch. com. XV 1887, 67f. E. Aust in Roschers Mythol. Lex. II 739ff. Ruggiero Dizion. epigr. II 93–95.