Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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German. Wort für Castell o. Befestigung, Bestandteil in alten Ortsnamen
Band III,1 (1897) S. 10661067
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Burgus, ein urdeutsches Wort, das allen germanischen Stämmen gemeinsam ist und sich schon in so alten Ortsnamen wie Asciburgium (Tac. h. IV 33; Germ. 3) verwendet findet. Die Römer haben es wohl von ihren barbarischen Grenznachbarn entlehnt; jedenfalls hat es mit dem griechischen πύργος nichts gemein. Da sich schon unter Hadrian ein n(umerus) burg(ariorum) et veredario(rum) Daciae inf(erioris) nachweisen lässt (Arch.-epigr. Mitt. XVII 224), kann es kaum nach dem 1. Jhdt. ins Lateinische übergegangen sein. Hier bezeichnet es ein ganz kleines Castell (castellum parvulum, quem burgum vocant Veg. IV 10), wie man es als detachiertes Fort in der Nähe grösserer Festungen zu errichten pflegte. So empfiehlt Vegetius (a. O.), falls eine Stadt in ihren Mauern kein Trinkwasser besitze, die ausserhalb gelegene Quelle durch einen B. zu schützen, und Valens lässt bei Solva (Gran) in Pannonien zuerst Castra erbauen (Dessau 762), d. h. ein grösseres befestigtes Standlager, und einige Jahre später führt er in nächster Nähe desselben einen B. auf, um von ihm aus den Handel mit den transdanuvianischen Barbaren zu beaufsichtigen (Dessau 775). Die Erbauung desselben nimmt nur 48 Tage in Anspruch, ein Zeichen, wie klein er ist. Namentlich aber dienen die Burgi zum Schutze der Grenze (Isid. or. IX 4 burgarii a burgis dicti, quia crebra per limites constituta habitacula burgos dicunt), an welcher sie in mässigen Abständen errichtet (Anon. de reb. bell. 21) die Zwischenräume zwischen den grossen Festungen ausfallen und das Durchschleichen kleinerer feindlicher Raubscharen beobachten und verhindern (Dessau 395 vom J. 185: ripam omnem burgis a solo extructis item praesidiis per loca opportuna ad clandestinos latrunculorum transitus oppositis munivit; vgl. 773. 774). So konnte man, als Iustinian Africa von den Vandalen zurückerobert hatte, den ehemaligen Lauf der römischen Grenze an der Linie der B. erkennen (Cod. Iust. I 27, 2 § 4). Das Wort burgarii findet sich zuerst in zwei Inschriften aus den J. 138 und 140 bei dem schon genannten numerus burgariorum et veredariorum; es bezeichnet also die Soldaten eines bestimmten barbarischen Truppenkörpers in römischen Diensten (Über die Bedeutung von numerus s. Mommsen Herm. XIX 219). Später erscheint es ausser der angeführten Stelle des Isidor nur noch in einem Gesetze des Honorius vom J. 398, das sich auf die gallische Praefectur bezieht und für diese verordnet, dass denjenigen eine schwere Geldstrafe treffen solle, der Stallknechte der Post (muliones), Arbeiter der kaiserlichen Kleiderfabriken (publicis vestibus deputati) und Burgarii zum Weglaufen verführe oder bei sich aufnehme (Cod. Theod. VIII 5, 58 + VII 14). Ausserdem ist in einem zweiten Gesetz, das gleichfalls an den Praefecten von Gallien gerichtet ist, von denjenigen die Rede, qui curiae vel collegio vel burgis ceterisque corporibus — servierint (Cod. Theod. XII 19, 2). Daraus ergiebt sich zunächst, dass die burgi um das J. 400 corpora, d. h. juristische Personen waren, mithin als solche auch Grundeigentum besitzen konnten (den Grundbesitz der Truppenkörper bezeugt auch CIL II 2916[WS 1]; vgl. Cod. Theod. V 4, 1. VII 15, 2). Ferner scheint die Zusammenstellung [1067] der burgarii mit den muliones und vestiarii darauf hinzuweisen, dass sie gleich diesen nicht Soldaten, sondern Sclaven oder doch Leute in sclavenähnlicher Stellung waren. Vielleicht waren sie identisch mit denjenigen, die im 3. Jhdt. inquilini castrorum genannt werden (Dig. XXVII 1, 17 § 7; vgl. Seeck Gesch. des Untergangs der antiken Welt I 526), d. h. sie hatten als Hörige die Äcker zu bebauen, welche den Grenzcastellen als juristischen Personen zugehörten, und davon eine jährliche Fruchtquote für den Unterhalt der Soldaten zu liefern. Nachweisbar sind sie unter dem Namen burgarii bis jetzt nur in Gallien und Spanien. Mit den castellani (Mommsen CIL III p. 2001) haben sie wohl nichts zu thun. Gothofredus ad Cod. Theod. VII 14.

[Seeck. ]

Anmerkungen (Wikisource)