Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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König der Westgoten
Band II,2 (1896) S. 19391941
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Athaulfus, König der Westgothen 410–415, Bruder der Gattin Alarichs (Zos. V 37, 1. Sozom. IX 8. Philost. XII 4. Phot. bibl. 57 a 41 Bekker), stand im J. 408 in Pannonien an der Spitze eines Heeres von Hunnen und Gothen. Durch seinen Schwager berufen (Zos. V 37, 1), rückte auch [1940] er 409 in Italien ein und vereinigte sich, nachdem er unterwegs eine kleine Schlappe erlitten hatte (Zos. V 45, 5–6), mit Alarich (Zos. V 48, 1. VI 13, 2). Der Usurpator Attalus ernannte ihn zum Comes domesticorum equitum (Sozom. IX 8). Nach dem Tode Alarichs (410) trat er an die Spitze der Westgothen (Phot. bibl. 57 a 40, Jord. Get. 158. Chron. Gall. Hon. 19. Oros. VII 43, 2. Hydat. chron. a. 409. Proc. b. V. I 2), bei denen er zuerst den Königstitel angenommen zu haben scheint (s. o. Bd. I S. 1286). Nachdem er noch über ein Jahr lang in Italien gehaust hatte (Jord. Get. 159), liess er sich durch Attalus bestimmen, dem gallischen Usurpator Iovinus seine Dienste anzubieten (Phot. bibl. 58 b 22). Im J. 412 zog er über die Alpen (Prosp. a. 412. Chron. Gall. Hon. 18) und wurde in Burdigala einquartiert (Paulin. euchar. 285). Da er auch Gallien verwüstete (Chron. Gall. a. O. Paul. euch. 288), war seine Ankunft dem Iovinus sehr unwillkommen. Der Gegensatz steigerte sich, als er Sarus, seinen persönlichen Feind (Zos. VI 13, 2), der von Honorius abgefallen war und sich dem Usurpator anschliessen wollte, unterwegs abfing und töten liess (Phot. bibl. 58 b 23). Nachdem Iovinus gegen den Willen des A. seinen Bruder Sebastianus zum Mitregenten gemacht hatte (Phot. bibl. 59 a 3), gelang es dem Praefecten Dardanus, welcher Honorius treu geblieben war, die Gothen auf dessen Seite zu ziehen (Chron. Gall. Hon. 19). A. versprach dem Kaiser gegen die Zusicherung von jährlichen Getreidelieferungen an sein Heer die Köpfe der Tyrannen. Sebastianus wurde sogleich getötet, Iovinus in Valentia belagert. Er musste sich ergeben und wurde dem Honorius im J. 413 zugeschickt, aber unterwegs durch Dardanus getötet (Phot. bibl. 59 a 5. Chron. Gall. Hon. 19. Prosp. Hydat. chron. Hon. 19. Oros. VII 42, 6. Marc. chron. 412. Philost. XII 6. Soz. IX 15). Bald darauf brachen Misshelligkeiten mit dem Kaiser aus. Die Kornlieferungen blieben aus; A. weigerte sich deshalb, Placidia, die Schwester des Honorius, auszuliefern, welche sich seit der Eroberung Roms (410) als Gefangene im Gothenlager befand (Phot. bibl. 59 a 16–35). Es kam zu neuen Feindseligkeiten. Im Herbst 413 bemächtigte sich A. Narbos (Hydat. chron. Hon. 19) und versuchte einen Handstreich auf Massilia, bei welchem er durch Bonifatius verwundet wurde (Phot. bibl. 59 a 26). Im Januar 414 vermählte er sich zu Narbo mit Placidia (Phot. bibl. 59 b 13. Oros. VII 40, 2. 43, 2. Hydat. chron. Hon. 20. Philost. XII 4). Da sich trotzdem keine Einigung mit Honorius erzielen liess, obgleich die in Gallien herrschende Hungersnot (Chron. Gall. Hon. 20) die Gothen gewiss zur Ermässigung ihrer Forderungen nötigte, erhoben sie den Attalus wieder zum Gegenkaiser (Prosp. a. 414. Paulin. euchar. 293. Oros. VII 42, 7. Phot. bibl. 58 a 10). Dieser trat ihnen Aquitanien ab (Chron. Gall. Hon. 20), wo Burdigala sie freiwillig aufnahm (Paulin. euchar. 312), Tolosa erobert wurde (Rutil. Nam. I 496). Bedrängt durch den Comes Constantius, welchen Honorius gegen ihn geschickt hatte, liess A. Burdigala räumen und verbrennen (Paulin. euchar. 311). Bei der Belagerung von Vasates fiel der König der Alanen, welcher bisher zu ihm in einem abhängigen Bündnis gestanden hatte, [1941] durch Paulinus beredet, zu den Römern ab, wodurch die Gothen zu weiterem Rückzuge veranlasst wurden (Paulin. euchar. 329–395). Da Constantius durch seine Flotte von Arelate aus jede Zufuhr nach Gallien hinderte, zwang der Hunger die Gothen, 415 auch Narbo aufzugeben und nach Spanien zu ziehen (Oros. VII 43, 1. Prosp. 415. Hydat. chron. Hon. 22). A. war im Verkehr mit den Römern, namentlich mit Placidia, mehr und mehr aus einem wilden, zerstörungslustigen Barbaren zum Bewunderer römischer Kultur geworden (Oros. VII 43, 3ff.; vgl. 40, 2). Bei seiner Hochzeit in Narbo erschien er in römischer Tracht und liess sich von den berühmtesten Litteraten Galliens lateinische Epithalamien vortragen, und dem Sohn, welchen ihm Placidia gebar, der aber sehr bald starb und in Barcino begraben wurde, gab er keinen gothischen Namen, sondern nannte ihn Theodosius (Phot. bibl. 59 b 19. 26. 36; vgl. Hydat. chron. Hon. 20). Er suchte daher stets den Frieden mit Honorius, ohne ihn doch je erreichen zu können (Oros. VII 43, 8). In Barcino wurde er von seinem Sclaven Dubius, dessen früheren Herrn er getötet hatte, zum Tode verwundet (Phot. bibl. 60 a 2. Prosp. 315. Hydat. chron. Hon. 22. Chron. Gall. Hon. 21. 22. Oros. VII 43, 8. Philost. XII 4; anders Jord. Get. 163). Auf dem Sterbebette empfahl er seinem Bruder, Placidia dem Honorius auszuliefern und mit den Römern Freundschaft zu schliessen (Phot. bibl. 60 a 9). Am 24. September 415 gelangte die Nachricht seines Todes nach Constantinopel und wurde dort mit Spielen und Illumination gefeiert (Chron. pasch. 415). Seine Kinder aus erster Ehe liess sein Nachfolger Sigerich töten (Phot. bibl. 60 a 14). Dahn Die Könige der Germanen V 55. Wietersheim Gesch. der Völkerwanderung II² 154. Hodgkin Italy and her invaders I² 821.

[Seeck. ]