| Am Himmelfahrtsfeste.
(Bertholdsdorf 1836.)
Mark. 16, 14–20. Zuletzt, da die Elfe zu Tische saßen, offenbarte ER sich und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die Ihn gesehen hatten auferstanden, und sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden. Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: In Meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tödliches trinken werden, würde es ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird es besser mit ihnen werden. Und der HErr, nachdem er mit ihnen geredet hatte, ward ER aufgehoben gen Himmel und sitzet zur rechten Hand Gottes. Sie aber gingen aus und predigten an allen Orten, und der HErr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch mitfolgende Zeichen.
Das, was der HErr in den vierzig Tagen zwischen Ostern und Himmelfahrt mit Seinen Jüngern geredet hat, nennt man die Vermächtnisse des HErrn, weil diese Seine letzten Reden an die Seinigen allerdings eitel köstliche Schätze der heiligen Kirche enthalten. Von diesen
Vermächtnissen ist im ersten Teile unsers heutigen Festevangeliums die Rede, im zweiten aber von der
Verherrlichung des HErrn. Wir wollen in diesen doppelten Inhalt unsers Textes hineingehen wie in zwei schöne Lustgärten, die uns der HErr gepflanzt hat, und, was wir darinnen an Früchten oder Kräutern finden, das wollen wir nicht bloß ansehen, sondern zur Genesung unserer Seelen anwenden. Der HErr aber segne uns
| dazu mit Seinem Gnadengeiste! Bevor wir aber an unsere Betrachtung gehen, sollen eure Kinder ein schönes Himmelfahrtslied aus alten Zeiten singen. Möchte der Lobgesang aus dem Munde der Unmündigen vor dem HErrn taugen, wie Rauchopfer, um JEsu Christi willen! Amen! Amen.
Auf Christi Himmelfahrt allein
Ich meine Nachfahrt gründe
Und allen Zweifel, Angst und Pein
Hiermit stets überwinde;
Denn weil das Haupt im Himmel ist,
Wird Seine Glieder JEsus Christ
Zur rechten Zeit nachholen.
Das, was unser Evangelium erzählt, ist nicht alles an einem Tage geschehen, nicht alles am Tage der Himmelfahrt, sondern an mehreren Tagen. St. Markus faßt eben zusammen, was in den andern Evangelisten weiter ausgelegt wird. Lasset uns nun zuerst mit einander kurz betrachten,
I.
was in unserm Texte an Vermächtnissen unsers lieben HErrn enthalten ist.
1. „Der HErr offenbarte sich Seinen Jüngern, d. i. ER erschien ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die Ihn gesehen hatten auferstanden.“ Das erste Vermächtnis ist also ein
Tadel des Unglaubens der Jünger, der HErr war mehreren erschienen, und sie hatten doch nicht geglaubt, als diese kamen und freudenvoll von ihrer Erscheinung erzählten. Das tadelt der HErr und giebt die Schuld davon dem harten Herzen Seiner Jünger. Lieben Brüder! Lasset uns wohl zusehen, daß der letzte Tadel des HErrn nicht auch uns treffe, daß nicht auch wir ein hartes, ungläubiges Herz haben. Wenn die Jünger nicht gleich glauben wollten, was die erzählten, denen Christus erschienen war, so ist das immer verzeihlicher, als wenn wir den Jüngern nicht glauben, die, nachdem ihrem hartnäckigen Herzen der Glaube vom HErrn durch viele Erscheinungen und ernstliche Schatten gleichsam entwunden war, mündlich und im Neuen Testament schriftlich erzählten, was
| sie gesehen, was sie geschaut, was sie betastet hatten vom Wort des Lebens. Einige Augen hätten sich allenfalls täuschen können, aber so viele nicht, als es nun offenbar ist, daß sie Ihn geschaut haben, denn außer vielen einzelnen Erscheinungen zeigte sich der auferstandene Heiland zuerst 500 Menschen auf einmal, und daß tausend, dazu noch ungläubige Augen sich getäuscht haben, ist nicht denkbar. Es ist schlimm, wenn ein Mensch seine Vernunft für einen gültigeren Zeugen hält, als tausend Augen von 500 Menschen, die ebensowohl eine ungläubige Vernunft hatten, wie wir! Es ist schlimm, wenn wir nach so viel Zeugen noch nicht an Christum, den Auferstandenen glauben! Es ist schlimm, wenn Christus seit dem Tage, da ER die Jünger schalt, immer noch fortschelten muß über den Unglauben und das harte Herz der Seinigen! Ja, es ist der allerschlimmste Tadel, wenn ER den Glauben tadeln muß, denn wenn ER den Glauben tadeln muß, so muß ER gewiß auch das Leben tadeln, weil aller Tadel des Lebens, alle Weltlichgesinntheit, alles Spielen, Saufen, Huren, Geizen, Habsucht, Prahlerei, Großthuerei und Stolz samt Eitelkeit bloß daher kommt, daß der HErr den Glauben tadeln muß; denn wo es mit dem Glauben seine Richtigkeit hat, da finden sich jene Laster nicht. Ach, meine Teuren, prüft eure Werke, ob sie zu euerm Bekenntnis stimmen, ob sie christlich sind, so werdet ihr inne werden, daß der HErr euern Glauben nicht loben kann! Ach, eilet, daß ihr Seinem Schelten entrinnet; denn ob es gleich jetzt in Geduld geht, Sein Schelten, so wird es doch anders werden, Sein Zorn wird bald angehen, und wohl dann denen, die auf Ihn trauen!
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2. Das zweite Vermächtnis ist der
letzte Befehl, das letzte Gebot unsers HErrn. Denn ER sprach zu Seinen Jüngern:
„Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur!“ Sieh, welch ein gewaltiger König ist der HErr JEsus Christus, ER sagt nicht zu Seinen Jüngern: „Gehet hin und fraget die Könige und Völker und Kreaturen, ob sie Mein Evangelium hören wollen, und wenn sie es hören wollen, so predigt es ihnen!“ nein! sondern ER sagt: Ihr sollt mir ganz ungefragt, frank und frei, mit
| Meiner Vollmacht zu allen Königen und Völkern und Kreaturen gehen, und predigt ihnen Mein Evangelium! ER ist ein HErr über alles, und Sein Gebot geht über alle Gebote aller Herren! Welch ein gewaltiger König ist ER! Und so gewaltig der König, so gewaltig Sein Gebot! Das Gesetz auf Sinai wurde nur
einem Volke gesagt, aber das Evangelium soll zu allen Völkern, ja zu allen Kreaturen, der gebietet es, welcher Macht hat über alle Völker und Kreaturen! Es kann nicht anders sein, als was ER zum Heile aller Völker gebietet, die Predigt des Evangeliums, daß diese sein ebenso ernster Gottesbefehl ist, als die zehn Gebote; es kann nicht anders sein, das Gebot: „Gehet aus in alle Welt“ ist so groß als das Gebot: „Du sollst nicht töten“ oder irgend eins von den zehn Geboten! Es ist ein und derselbe Gesetzgeber, darum ist auch eine und dieselbe Wichtigkeit des Gebotes! Brüder, Sein letzter, Sein größter, Sein zum Heile aller Völker ergangener Befehl, ist er erfüllt? Ist denn das Evangelium schon zu allen Völkern, allen Kreaturen, zu aller Welt gekommen? Es ist noch nicht an dem. Wenn es aber noch nicht zu allen Völkern gekommen ist, ist es nicht die allerernstlichste Pflicht, daß die Christenheit es zu allen Völkern bringe? wird sie, wenn sie es unterläßt, nicht ihrem ewigen König Rechenschaft geben müssen und schwere Strafe leiden, wenn sie in solcher Unterlassungssünde befunden und betroffen wird? Nun seht, Brüder, die Christenheit hat es zum Teil eingesehen, es wird nun hie und da ernstlich dafür gesorgt, daß Prediger in alle Welt gesandt werden; ihr seid auch Christen, schließt euch deshalb an diese Sorge an und helft und betet mit, daß es gelingen werde, daß das Evangelium laufe und wachse zu und bei allen Völkern, maßen ja der Tag des HErrn gewißlich nicht erscheinen wird, bevor das Evangelium zu allen Völkern gedrungen sein wird und der letzte Befehl des HErrn erfüllt. Denn noch ehe der HErr aufgefahren ist gen Himmel, hat ER diesen Befehl wiederholt, wenige Minuten vor Seiner Auffahrt, und verheißen, daß ER selbst dazu helfen wolle und allgegenwärtig sein bei Seinen Dienern und Predigern des Worts!
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3. Das dritte Vermächtnis ist eine schöne Verheißung
| und ernste Drohung, welche zum Befehl der Predigt hinzugethan wird: „Wer glaubet und getauft wird, spricht der HErr, der wird selig werden, wer aber nicht glaubet, der wird verdammet werden.“ Wer die Predigt glaubt und sich taufen läßt, der wird selig werden, spricht ER, in dessen Händen es steht, selig zu machen und zu verdammen, wer will Ihm widersprechen? wer darf etwas davon thun, was ER nicht selbst davon thut, und wer darf etwas zusetzen? Es glauben freilich nicht alle, und wenn sie nicht glauben, so machen sie sich einen eigenen Weg zum Himmel. Nur wer glaubet, soll selig werden; der Glaube ist nicht jedermanns Ding, der Weg des Glaubens ist schmal, wenige finden ihn, sehr wenige, aus Tausenden oft nicht
einer; es ist eine schwere Drohung, ein großer Ernst Gottes, und alle Menschen sind in einer großen Gefahr, ihre Seligkeit zu verlieren, verdammt zu werden. Aber so ist’s nach des HErrn Befehl, der Glaube darf keinem mangeln, wenn er selig werden will, wenn auch nicht getauft zu sein, falls es nicht aus Verschuldung des Menschen kommt, der Seligkeit keinen Abbruch thun soll. So ist’s von Gott; was hilft’s, daß die Welt meint und verteidigt, daß
alle Menschen würden selig werden? und wenn sie es an allen Kirchthüren, an allen Häusern und Wegen anschlügen und mit Heereskraft verteidigen wollten gegen männiglich, daß es des Glaubens so wenig als der Taufe bedürfe zur Seligkeit, so ist’s doch von dem, der da Macht hat über aller Menschen Königreiche und Wege, längst und unwiderruflich beschlossen, daß ohne Glauben unmöglich ist, Gott gefallen und daß der Glaube noch überdies kein toter, kein purer Maulglaube sein dürfe, wenn er selig machen solle, sondern daß es ein lebendiger, vom heiligen Geist angezündeter und erhaltener, im heiligen Geiste lebender sein müsse und eine neue Kreatur! Wiederum, wenn die Welt sagt und alle Sekten und falschen Kritiker, daß nicht der Glaube allein selig mache, sondern Glaube und Werke, wenn sie sich allen Schein giebt, die elende Hure, als eiferte sie damit nur für den Glauben selbst und für ein frommes Leben, so ist sie doch erfunden als die wider Gott streitet, und ER muß Recht behalten, wenn man mit Ihm rechtet,
| so ist und bleibt es doch die Wahrheit, daß nur der Glaube es ist und nicht die Werke, was selig macht, und Lüge ist und bleibt es, wenn man sagt, die Werke machen selig; allein der Glaube macht selig, denn der uns selig macht, hat’s gesagt, ER, der Heilige, vor welchem alle Menschen Lügner sind! Wenn aber nur der Glaube selig macht, nicht Werke, nicht Gefühl, nicht sonst etwas anderes, so ist es ja leicht, selig zu werden für ein gedemütigtes Herz, für ein Herz, das von seiner Schwachheit, von der Menge seiner Sünden überzeugt ist und überzeugt, daß es sich selbst nicht helfen könne; so ist es ja die seligste Botschaft, die man hören kann, das wonnigste Lied, das es giebt, wenn wir das Evangelium hören. Und freilich, so ist es, einen Widerspruch leidet der Glaube nicht, kein Mensch darf sagen: „wenn ich nur rechtschaffen lebe, wenn ich nur keinen beleidige, wenn ich nur das Meinige thue“ etc. Der Glaube verwirft und verdammt solche Reden, alles muß verstummen, und wenn man fragt: wer bist du? so fordert und nimmt der Glaube nur
eine Antwort an, nämlich die:
ein armer Sünder, der nie eine gute That gethan, nie etwas Gutes an sich von Natur gehabt, auf daß er dagegen antworten könne, gut! Du bist arm, jämmerlich, blind und bloß, aber dein Christus macht dich reich, selig, sehend und prächtig bekleidet, nimm hin im Wort deinen Christus, ER hat sich dir verschrieben, auf ewig verlobt, ist dein und lebt, und du sollst mit Ihm leben! Ach, selige Botschaft, Frühlingsluft und Morgenluft, willkommen in diesem Thale, in diesem Bertholdsdorf! Ach, willkommen, du lichte Verheißung der Gebenedeiten, willkommen, weiche nicht von dieser Gemeinde, erschalle vor ihr Ohr, bis sie durch des Geistes Kraft dich versteht, schütte Deinen Reichtum über sie aus, daß sie selig werde! Hosianna!
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4. Das vierte Vermächtnis ist in allerlei Zeichen und Wundern, welche der HErr Seinen Gläubigen verheißt; denn ER spricht: „die Zeichen, die da folgen werden etc.“ Brüder! Wenn ihr die Wahl hättet zwischen dem dritten und vierten Vermächtnis, zwischen der Verheißung: „Wer glaubet und getauft wird“ und der andern: „Die Zeichen aber, die da
| folgen werden etc.,“ was würdet ihr wählen? Nicht wahr, das letzte gleißet vom ersten Anblick schöner, gleichwie eine Wiese mit ihren Blumen und mancherlei Gerüchen schöner gleißet, als ein Palmenbaum oder anderer Baum. Allein gleichwie die Wiese zwar mannigfaltiger aussieht und schöner riecht für den Wanderer, als der Baum, sie aber keine Speise für ihn hat und der fruchtbare Baum darum immerhin edler ist, weil er den Menschen nährt, so ist es auch mit diesen beiden Vermächtnissen; Teufel austreiben etc. pranget schön und macht doch kein Herz selig, weder hier noch dort, aber der Glaube macht selig; Teufel austreiben etc. macht die Zeit schön und reinigt die Erde von mancherlei Pein; aber der Glaube macht die Ewigkeit schön, löscht Gottes Zorn aus, errettet vom Gericht und schließt die schöne Himmelsthür auf, hinter welcher ewiger Lobgesang ist und Freude die Fülle zu Gottes Rechten. Darum liegt auch wenig daran, daß diese Gaben nicht mehr so im Schwange gingen, wie etliche glauben, als im Anfang, wo sie allerdings zur Beglaubigung der Christen bei der unverständigen, irdisch gesinnten Welt nötig waren, ein Schmuck des Volkes Gottes, der zum Glauben reizen konnte die, welche auf andere Weise nicht gereizt werden konnten, und viel zur Ausbreitung des Reiches Gottes dienten. Im Glauben hat man Christum, und wenn ich nur Ihn habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Doch aber, wo steht denn in der heiligen Schrift, daß diese Gaben aufgehört haben und daß dieses Vermächtnis des HErrn versiegt ist? Hat denn die Christenheit keine Zeichen mehr, daß sie die Braut des HErrn ist, ist nicht der ganze Gang unserer Zeit nach der Weissagung Gottes, ist nicht alles, was geschieht, wunderbar, wandeln wir nicht mitten unter den Zeichen der letzten Zeit, und sind diese Zeichen nicht größer als die der ersten Zeit? Ist nicht der große Abfall da und auf der andern Seite das Wachstum der Kirche, ihre Ausbreitung zu allen Heiden, und ist nicht geweissagt, daß bei Abfall und Ausbreitung des Reichs der König nahe ist und der jüngste Tag? Ja, sind wir, da wir jetzo Himmelfahrt feiern, nicht nahe daran, mit unsern Augen zu sehen den, der da wiederkommen wird?
| Ihr Lieben, das ist größer, als wenn wir Teufel ausfahren sähen. Und doch sind auch diese Gaben nicht weggenommen, sondern einesteils glaubt man nicht mehr viel, darum geschieht nicht mehr viel, und andernteils, was geschieht, das sieht man nicht, das erklärt man sich natürlich, man hat kein Auge mehr für das, was himmlisch ist, sondern bloß für das, was irdisch und vergänglich ist, Blinde aber müssen nicht klagen, daß die Sonne nicht mehr scheine: die Sonne scheint, was kann aber sie dafür, wenn das Auge des Menschen nicht sonnenhaft ist.
O Glaube, Glaube! Der hat in allen Vermächtnissen des HErrn den ersten Platz und den größten Einfluß! Der Unglaube wird stark getadelt, die Predigt geht weder zu allen Völkern aus ohne Glauben, noch wird sie gesegnet ohne Glauben, der Glaube macht selig, der Unglaube verdammt, der Unglaube sieht und thut kein Wunder, der Glaube sieht und thut! O darum um Glauben haben wir vor allen Dingen zu beten! O Glauben schenke uns, HErr Gott, heiliger Geist!
II.
Nachdem der HErr alles gesagt hatte, was ER Seinen Jüngern vor Seiner völligen Verherrlichung sagen wollte, begann diese Seine Verherrlichung selbst.
1. Diese Verherrlichung erwies sich fürs erste in Seiner Gemeinschaft, welche unter den Stufen Seiner Erhöhung überhaupt die dritte ist. Die vierzig Tage nach Seiner Auferstehung schon war Sein Leib von anderer Art, als zuvor: er erschien und verschwand je nach dem Willen des HErrn, er ging durch den Grabstein und durch verschlossene Thüren. In den vierzig Tagen selber verklärte sich dieser Leib vollends, und am vierzigsten Tage war er bereitet zu der seligen Heimkehr, die wir heute feiern und welche über alle Vernunft erhoben ist. ER führte Seine Jünger hinaus nach Bethanien, wo Lazarus, Maria und Martha wohnten, wo ER in Seinem Leben so oft und gern gewesen war, da wollte ER auch Seine heiligen Füße zum letzten Male wandeln lassen, da wollte ER den letzten Segen sprechen, da wollte ER Sein Angesicht
| heimwärts kehren und da die Wolke erwarten, die Ihn wegnehmen und den Augen der Welt verbergen sollte. ER ward vor ihnen offenbar, segnete sie, und nun vor den Augen der Seinen, die zusahen, ward ER aufgehoben, durch die Lüfte getragen, über den Kreis der Erden weg zum Himmel. Mit Seinem Leibe fuhr er auf nach Seiner Auferstehung, auf daß alle Menschen wüßten, wohin nach der Auferstehung am jüngsten Tage auch sie gehen würden. Denn was Christo geschehen ist, das geschieht auch uns, und wir werden auferstehen aus unsern Gräbern, wenn der jüngste Tag kommt, wir werden, wenn wir selig auferstehen, wenn wir nicht der Verdammnis hingegeben werden, dann durch die Luft dem Heiland entgegengerückt und werden mit Ihm eingehen in Seine Herrlichkeit! Denn nicht hier ist unsere Heimat, sondern dort droben! Das ist uns an Himmelfahrt klar geworden. Nicht für dies kleine Leben sind wir ausersehen, sondern für jene große, selige und heilige Herrlichkeit, wo Christus hinging: das zeigt uns Seine Himmelfahrt. Denn wie ER mit menschlichem und sichtlichem Leibe auffuhr, so kam mit Ihm die ganze Menschheit zu ewigen Ehren. Wie Seine Menschheit mit der Gottheit gleicher Herrlichkeit teilhaftig geworden ist, so wird ER, unser Bruder, uns auch mitteilen von Seiner Herrlichkeit, und wie ER aufgefahren ist zu Seinem Gott und zu unserm Gott, zu Seinem Vater und unserm Vater, so haben wir auch ein gleiches Ziel; das ist uns an Himmelfahrt klar geworden! Wir haben nun eine lebendige, unaustilgbare, gewisse Hoffnung, und jeder Vogel, der auffährt, erinnert uns an unsern Gang, jeder Wind, der herabbraust, an unser Ziel, jeder Berg an den Berg der Himmelfahrt Christi und kurzum, wir sind hier Gäste und Fremdlinge, dorten Bürger, dort daheim, wem sollte vorm Abschied, wem vorm Sterben grauen?
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2. Liebe Brüder! Die Auffahrt Christi ist ein Stück der Herrlichkeit dieses Tages, aber ein verborgenes Stück ebenderselben ist Sein Eingang zu Gott, Sein Eintritt in den Sitz der Herrlichkeit Gottes! Mit welchem Jubel, mit welchen Lobgesängen wird ER von den Engeln, die schon über Seiner Krippe sangen, aufgenommen worden sein, und welch eine
| Aufnahme wird ER, der Gott und Mensch ist, der nun siegreich, nach Vollbringung des heiligsten Willens und Befehls, heimkehrte, welch eine Aufnahme wird ER bei dem Vater gefunden haben? Hier muß man den Finger auf den Mund legen, das sind Tiefen voller Freude, die nur der Geist Gottes erforscht, von welchen die besten Worte lauter Thorheiten sind, vor denen man sein Angesicht bedecken muß und leise, aber voll Innigkeit rufen im Herzen: „heilig, heilig, heilig!“ Können wir aber gleich davon nichts sagen, weil uns nichts offenbart ist, so können wir doch einiges lallen der Schrift nach, soweit sie Offenbarungen enthält über Sein himmlisches Wesen und Seine ewigen Geschäfte. Denn Sein Eingang ist nach der Schrift
fürs erste ein Eingang ins Allerheiligste.
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Der Tempel in Jerusalem hatte drei Teile: Vorhof, Heiliges und Allerheiligstes, und im Allerheiligsten wohnte Gott über den Cherubim. Dahinein ging alljährlich einmal der Hohepriester des Alten Testaments und trug das Blut der Opfer hinein, welche für das ganze Volk geschlachtet worden waren. Der Hohepriester des Alten Testaments ist Vorbild auf den Hohenpriester Christus, der allein ein wahrer, ewiger Hoherpriester ist, der keines Nachfolgers bedarf, weil ER selbst ewiglich Seines Priesteramts pflegt. Das Opferblut des Alten Testaments, welches ins Allerheiligste getragen wurde, ist Vorbild auf das Blut JEsu Christi, der sich selbst zum Opfer darbrachte, auf dem Holz die Sünde der Welt zu versöhnen. Das Allerheiligste des alttestamentlichen Tempels ist Vorbild auf das Allerheiligste im Himmel, dahinein vor des Vaters ewige Wohnung heute betend der ewige Hohepriester Sein eignes Blut trug und unsere Sache vor Gott zu führen begann. Seit diesem Eingang ist des Vaters Herz uns zugewendet, und Christi immerwährende Bitte wendet uns täglich aufs neue alles Gute zu. Das ist geschehen an Himmelfahrt und ist darüber Gott groß Lob und Dank zu sagen, daß ER uns
einen Hohenpriester nach Seinem Herzen geschenkt und durch Ihn uns versöhnt hat mit sich selbst. Nun ist ja wahrhaftig Friede im Himmel, und wallen gegeneinander
| im Frieden Gottes Herz und der versöhnten Menschen Herzen! Nun braucht kein armer Sünder, dem seine Sünde leid und sein Herz hungrig und durstig ist nach Gottes Vergebung, mehr traurig zu sein, vielmehr sollen alle ihre Häupter aufheben und hinaufschauen zu dem blauen Himmel, dahinein der Hohepriester gegangen ist, von wannen der heilige Geist gekommen ist samt der Predigt, welche von Vergebung der Sünden in allen Landen erschollen ist! Dieser Tag ist die Ursache, an ihm ist’s ausgewirkt, daß der Geist der Predigt von Vergebung der Sünden über die ganze Erde ausgegangen ist. Darum soll dieser Tag heißen ein Tag des Eingangs ins Allerheiligste, ein Tag des Priesteramts, ein Tag des Segens und des Friedens mit Gott, wie soll an ihm sich freuen die Braut mit ihrem Bräutigam, die heilige Kirche mit ihrem ewigen HErrn, denn wahrlich, die Übergabe des ewigen Priestertums ist gewiß ein besonderer Teil der ewigen Herrlichkeit und Freude unsers Heilands, und daß ER dasselbe heute angetreten, gehört sicherlich mit zu der Verherrlichung, welche wir heute feiern.
3. Aber nicht allein das gehört zu der Verherrlichung Christi, sondern hauptsächlich, daß ER sich heute zu Gottes Rechten setzte. Denn dies ist der Tag, an welchem in Erfüllung ging, was geweissagt ist Ps. 2: „Ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion,“ und Ps. 110: „Setze dich zu Meiner Rechten, bis Ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege.“ Am Karfreitag hat Christus mit Tragung der Dornenkrone eine ewige Krone verdient, heute wird sie Ihm von dem himmlischen Vater gereicht, heute ist Sein Krönungstag, der Tag Seiner Thronbesteigung. Heute, ja heute ist Christus König geworden, und nun, warum sollte sich die Christenheit darüber nicht freuen, da man sich doch am Krönungstage eines Erdenkönigs freut? Heute fängt ER an zu herrschen, und es geht von nun an in Erfüllung: Ich will Dir die Heiden zum Erbe geben und der Welt Ende zum Eigentum, zu herrschen von einem Meer bis zum andern. Die Weltkugel ist nun in Seiner Hand, der Himmel wird Sein Stuhl, die Erde Seiner Füße Schemel, das ganze Reich der Himmel neigt sich vor Ihm.
| Heute ging ER ein, und nach wenigen Tagen ging der heilige Geist, der mit Ihm und dem Vater ewiglich
ein wahrer Gott ist, aus, um Ihn in den Herzen Seiner Gläubigen zu verklären und die Apostel zum Amte auszurüsten, welches ihnen der ewige König an alle Völker befohlen hat. Denn ER hat sie zu Knechten aller Völker und groß in Seinem Reiche gemacht. Diese elf armen Jünger rüstet der heilige Geist im Namen des Königs aus, daß sie anstatt elf Heeren sind, die Welt für Ihn und Sein Reich einzunehmen.
Fischer, die nie etwas anderes gethan, als im See zu Genezareth gefischt, sollen nun die Völker der Welt in ihren Netzen an Bord des Himmelreichs ziehen;
Zöllner, die nie etwas anderes verstanden haben als die Zollmünzen, sollen nun Herzen für den HErrn in Empfang nehmen und zwar die Herzen der Völker;
Leute, die selbst nur durch des HErrn oftmalige Erscheinung zum Glauben gebracht werden konnten, sollen nun die Welt zum Glauben an den Abgeschiedenen bringen, den in Seinem Lichte kein Mensch mehr sehen kann;
Menschen, die nichts gelernt, sollen die Weisheit der weisesten Völker zu nichts machen und eine Lehre ausbreiten, welche vor der menschlichen Vernunft, die da verkehrt ist, das Gepräge offenbarer Thorheit trägt;
Menschen, selbst voll Sünde, sollen mit ihrer Predigt alles, was Menschen haben und wissen, als Sünde, Irrwege, Fehler darstellen, den Zorn der Welt auf sich laden, die Wut aller Könige über sich erregen und doch singen, fortpredigen, Wunder thun, durch Mangel und Leiden, als Bettler und allgemein verspottete, verachtete, verspeite Missethäter und doch unantastbar durch die Welt gehen und am Ende, wenn sie zum Grabe gehen, über ihren Gräbern ein Paradies blühend zurücklassen, eine wiedergeborne, gläubige Erde, die mit ihnen selbst ihre Knie beugt vor dem König, dem der Vater einen Namen gegeben hat, der über alle Namen ist. Sie sind dieselben, welche sich nach JEsu Christi Tode nicht vor die Thür zu gehen trauten aus Furcht vor den ohnmächtigen Juden, und hinter verschlossenen Thüren ihren Toten beweinten, und nun giebt ihnen ihr erhabener König Mut und Kraft, gegen welche auch die Pforten der Hölle nichts
| vermögen: sie arbeiten im Schweiß ihres Angesichts, aber nicht um tägliches Brot, sondern um das Brot des Lebens den Völkern zu reichen und sie thun’s, sie thun’s treulich, und daß eine christliche Kirche auf dem Erdboden ist, das ist ihr Werk, auf dem Grund der heiligen Apostel ruht das ewige Gebäude, das sich der HErr erwählt hat, um es nimmer zu zerstören und keinem Feinde in die Hand zu geben. So siegte der ewige König auf Erden durch elf Apostel, ohne Waffen, ohne Blutvergießen, außer daß ER und die Seinen anstatt der Seinigen das Blut vergießen, das eigne Blut, denn die Kirche dürstet nicht nach ihrer Feinde Blut, durch Zeugen hat ER, durch
Zeugen von elf armen Menschen die gewaltige Weissagung erfüllt, daß aus Zion und aus Jerusalem Heil und Licht über alle Völker ausgehen soll. Auch der Türken Abgott, Mohammed, hat eine große Menge an sich gläubig gemacht; aber ganz ein anderer war er, ganz eine andere Weise war es auch, durch welche er die Länder besiegte, mit Gewalt der Waffen, mit unerhörten Greueln und Grausamkeiten hat er gesiegt. In unseres Königs Reichsgesetz werden die Kriege durch Vergebung geführt, durch Mission das Volk an den König gekettet und durch Seine unaussprechliche Liebe, Treue und Gerechtigkeit verpflichtet! Wahrlich ER selbst, der da heimgegangen ist aus dieser Welt in jene Welt, ER selbst ist nicht von dieser Welt, und Sein Reich ist nicht von dieser Welt, und Seine Siege nicht von dieser Welt, Seine Herrlichkeit ist erhaben, himmlisch, heilig, vor der Welt Augen in Wolken eingehüllt, einst aber an jenem Tage offenbart vor allen Augen, vor Seinen Freunden und vor Seinen Feinden. Lasset uns nicht in Verwunderung geraten, wenn die Welt Seine Herrlichkeit nicht versteht, lasset uns sie bedauern, aber selbst nicht irre werden in Seiner Anbetung und in heiligem Gehorsam gegen Ihn, lasset uns knien und niederfallen und anbeten vor den Gott unseres Heils!
Lieben Brüder! Bis in dieses stille, abgelegene, vor der Welt verborgene Thal ist die Herrlichkeit des großen Königs gedrungen und wird heute unter euch gepredigt. Auch unter
| euch ist kindlich groß das gottselige Geheimnis, daß Gott ist offenbaret im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt von der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit. Auch euch ist die Botschaft kund, welche denjenigen selig macht, welcher an sie glaubt, welche aber, wofern sie verachtet wird, eine Ursache ewiger Verdammnis wird für alle, alle Verächter! Christus wird verherrlicht durch die Seligkeit der Gläubigen wie durch die Verdammnis der Ungläubigen, und die ganze Weltgeschichte ist fortan nur ein Sieg und nur ein Triumph für Ihn, um Seinetwillen wird man selig, um Seinetwillen ist die Verdammnis; denn nur wer an Ihn nicht glaubt, wird verdammt, während mit Ausnahme des Unglaubens alle andern Sünden vergeben werden. Geliebte Seelen, ihr habt wahrlich in euerm Dorfe genug Sünden seit Jahren auf euch gehäuft, wendet euch nun gläubig und ernstlich, in herzlicher Reue und Buße zu dem Tilger eurer Sünden, auf daß ER nicht durch euern Untergang, sondern durch eure Auferstehung aus dem zeitlichen und geistlichen Tode verherrlicht werde! Ja, es ist unter euch die Sünde so mächtig geworden, daß ihr zum Teil die Sünde gar nicht mehr für Sünde haltet, gar nicht mehr wisset, was Sünde ist, und daher in dem Wahne steht, als wäre bei euch das Christentum in einem ganz guten Stande; ihr sitzet in einem Thale des Dunkels und Todesschattens: ich bitte, ich bitte euch, haltet nicht dafür, daß ihr Christum kennt und an ihn glaubt, es glauben gewiß nur ganz wenige, wer weiß, ob überhaupt irgend einer unter euch an Ihn glaubt; lasset, lasset euch also eure Erleuchtung am Herzen liegen, es ist keiner so ungeschickt, keiner so alt, daß er nicht belehrt und durch die Lehre des heiligen Geistes erleuchtet werden könnte. Darum rufe ich euch mildiglich zu: „Mache dich auf, werde Licht, denn Dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über Dir!“ Ich biete euch an, euch Licht und Lehre zu bringen vom Altar meines Gottes, denn ich soll euch ja, nach meinem Berufe, zur Leuchte dienen und euch zu Christo führen, wie die Weisen vom Morgenland durch den Stern zu Ihm geführt wurden. Von Herzen gern
| will ich euch angehören, zu euch kommen, eure Zweifel lösen, euch belehren, euch trösten; ach, lasset es nur in euern Seelen Licht werden, betet nur den Erdboden nicht länger an, den ihr bauet, und dienet der Sünde nicht mehr, gehet nur auch einmal dem Bräutigam entgegen, der bei euch einkehren will und Seinen Einzug halten! O lasset euch belehren vom Weg des Lebens, seid nicht leichtsinnig in der Sorge um euer bestes Teil, seid ihr doch aufrichtig geschaffen, um das Himmlische zu suchen: so suchet doch, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Suchet, küsset, betet, ihr armen Sünder, mit Herz und Mund und Wandel den ewigen König an, ehe ER wiederkehrt; es ist noch Gnadenzeit, aber ach! sie fliegt davon, wie ein Rauch vergeht sie! Wenn ER wiederkehrt, ist keine Versöhnung mehr! Jetzt wird Versöhnung, dann wird Rache gepredigt, jetzt hört ihr die Stimme des Erbarmens, jetzt richtet euch aus euerm Elend auf! jetzt geht der Hirte suchend nach den Schafen, jetzt führt ER sie auf die Weide, jetzt begehrt ER euer auf dem Throne Seiner Herrlichkeit, lockt, ruft, reizt euch zu Seinem Frieden, Seiner Seligkeit! Warum willst du verloren gehen, o mein Volk! ER will dich retten, lasse dich retten, ja, komm, komm, bete an, fahre betend auf zu dem Aufgefahrenen, schreie: Lass’ mir Deinen Geist zurücke, aber zeuch mein Herz nach Dir.
Und der HErr HErr, der meinen Worten die Kraft Seines Geistes leihe, der höre euer Seufzen und meines und fahre nieder, wie der Regen im Frühling auf junges Grün! JEsu! JEsu! Amen.