Predigten für die festliche Hälfte des Kirchenjahres/Am Himmelfahrtsfeste 1834

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Am Himmelfahrtsfeste.
(Nürnberg 1834.)


Mark. 16, 19. Und der HErr, nachdem ER mit ihnen geredet hatte, ward ER aufgehoben gen Himmel, und sitzet zur rechten Hand Gottes.

 Ich habe diesen Text verlesen, nicht weil ich mich bei der Predigt in ängstlicher Auslegung an seine Worte halten will, sondern weil er ganz kurz an die Geschichte des heutigen Tages erinnert, welche ich euch heute pflichtmäßig nach den heiligen Geschichtschreibern vorzutragen habe. „Pflichtmäßig“ sagte ich, denn der Festprediger soll vor allem die großen Thaten Gottes verkünden, an welche das Fest erinnert, damit das Andenken derselben auf Kind und Kindeskind gebracht werde und nie verlösche. Indem ich dies thun will, finde ich, daß ich dreierlei zu erzählen habe, wie es unser Text ganz kurz angiebt, nämlich 1. was JEsus zuletzt vor Seiner Himmelfahrt geredet hat; 2. Seine Himmelfahrt selber; 3. Sein Sitzen zur Rechten Gottes.

 So oft der Juden Passahfest wiederkehrt, erzählen sie die Geschichte vom Ausgang ihrer Väter nach Palästina, und ich habe nie gesehen oder gehört, daß ihnen erzählen oder zuhören langweilig wird. Darum soll es auch einer christlichen Versammlung nicht langweilig, sondern angenehm sein, unsere Festgeschichten zu hören, zumal diese die unsrigen viel mehr an die Seele greifen, als die jüdischen, weil sie von Dingen reden, welche zum Heil und Segen aller, auch der entferntesten, also, gottlob! auch unserer Zeiten dienen sollen, von Dingen, deren reichen Segen wir eben dann am meisten inne werden sollen, wenn wir von ihnen hören. Möchten wir, während ich| von JEsu Himmelfahrt erzähle, selbst von allem Tand dieser Welt losgerissen und ins himmlische Wesen versetzt werden, damit unser Herz da sei, wo unser Schatz ist, JEsus Christus.

 Wohlan denn, meine Teuren, so bitte ich euch, habt Geduld mit mir, wenn ich für Gottes große Thaten keine angemessene Worte finde. Denn da ist keine Zunge erfunden, weder im Himmel noch auf Erden, welche den HErrn würdig preisen möchte, geschweige meine.

 Du aber, aufgefahrener Heiland, fahre mit Deinem Geiste zu uns nieder, während wir von Dir reden, und zieh unser Herz zum Himmel, dämpfe den irdischen Sinn, verleih uns himmlische Gesinnung:

Laß mir Deinen Geist zurücke,
Aber zieh das Herz zu Dir,
Wenn ich nach dem Himmel blicke,
O so öffne Du ihn mir:
Neig zu meinem Flehn Dein Ohr,
Trag es Deinem Vater vor,
Daß ER mir die Schuld vergebe,
Daß ich mich bekehr und lebe! Amen.

 Als unser HErr von den Toten auferstanden war, schon am ersten Ostertage, erkannte ihn Maria Magdalena nicht; an demselben Tage erkannten ihn auch die emmauntischen Jünger nicht an Seinen Zügen, sondern am Brotbrechen. Als später die Jünger auf dem galiläischen Meere am frühen Morgen fischten, rief ihnen der HErr vom Ufer aus zu, aber sie kannten Ihn nicht, aus dem Wunder des Fischzugs bekam hierauf St. Johannes die Ahnung, daß es JEsus war. Als sie bei Ihm am Ufer waren, erkannten sie Ihn auch nicht an den Zügen, hätten Ihn nach ihrem alten Menschen gern gefragt: „wer bist du?“ aber sie durften nicht, doch wußte ein jeder in seiner Seele: „es ist der HErr.“

 So war denn der HErr den Seinigen nach der Auferstehung bekannt, aber nicht mehr vom Angesicht. Denn Sein Angesicht war nicht mehr eins, welches, von der Erde genommen, wieder zur Erde werden sollte, sondern das neue, bereits verklärte, welches noch überdies von Tag zu Tage mehr der himmlischen Klarheit entgegenreifte, jener überirdischen,| der Kunst jedes Malers spottenden Gestalt, in welcher Ihn St. Johannes der Theologe im Geiste sah. Vierzig Tage sind von Ostern bis Himmelfahrt. Vierzig Tage war der HErr bei Seinen Lieben auf Erden, und wohl schweigen die heiligen Evangelisten und Apostel des Umgangs mit Ihm in diesen vierzig Tagen; da mögen sie wohl gehört und gesehen und gefühlt haben, was sonst in Menschenherzen, -Ohren und -Augen nicht kommt.

 Am vierzigsten Tage, früh am Morgen, stelle ich mir’s vor, da die Sonne aufgegangen war, schritt der Herzog unserer Seligkeit den Jüngern voran auf den Ölberg. Es war Sein Lieblingsgang gewesen in den Tagen Seines Fleisches, durchs Thal auf den Ölberg nach Bethanien zu gehen, wo Sein geliebter Lazarus mit Maria und Martha wohnte. Da ging ER an diesem Morgen auch hin, bei ihnen hatte Sein müdes Haupt oft ein Ruhekissen gefunden, nun waren Seine Augen die Augen des Hüters, der nicht schläft noch schlummert, und Sein Leib bedurfte der irdischen Ruhe nicht mehr, aber, wo ER leiblich so oft geruht hatte, von da wollte ER zu der Ruhe der Himmel gehen, welche nach vollbrachter, schwerer Arbeit auf Ihn wartete. Auf dem Wege zu diesem wahren Bethel, zu dieser Pforte des Himmels, redete ER Seine letzten, ewig unsern Seelen teuern Worte. ER wandte sich etwa gegen Jerusalem hin, welches im Glanz der Morgensonne mit seinem leuchtenden Tempel gegenüber lag, deutete mit dem Finger hin und sprach: „Weicht von Jerusalem nicht, wartet dort auf die Verheißung des Vaters, welche ihr habt gehört von mir. Denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen.“

 Dann ging ER weiter. Hinter Ihm die Jünger. Wohl mag Sein Wesen immer anbetungswürdiger, verklärter und himmlischer geworden sein, und wie ER so dahinging in zunehmender Verklärung, mochte ER endlich wohl dem gleich sehen, der ER war, dem Christus Gottes und König der Ehren. Da drangen Seine Jünger mit kindlicher Furcht zu Ihm hinan, fragten voll Erwartung: „HErr, wirst Du auf| diese Zeit wieder aufrichten das Reich Israel?“ Noch immer waren sie nicht Seines Sinnes geworden, noch immer verstanden sie Ihn nicht, ER mußte Geduld haben mit ihnen bis in den letzten Augenblick. Geduldig, mit majestätischer Liebe blieb ER nun stehen und gab ihnen die Antwort, die uns allen noch in den Ohren gellen sollte:

 „Es gebühret euch nicht zu wissen Zeit oder Stunde, welche der Vater Seiner Macht vorbehalten hat, sondern ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfahen, welcher auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein zu Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis ans Ende der Erden. Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker, und prediget das Evangelium aller Kreatur, und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sie halten alles, was Ich euch befohlen habe. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden. Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: in meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tödliches trinken, wird’s ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, und es wird besser mit ihnen werden. Und siehe, Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“

 Als nun der HErr diese Worte gesprochen hatte, da hub ER Seine Hände auf und segnete sie. Und da ER sie segnete, da Seiner Jünger Augen an Seinen Händen, Seinen Lippen hingen, da ward ER, leichter als ein Vogel, von Seiner Gotteskraft zusehends aufgehoben von der Erde; alle Augen, alle Herzen, alle Hände bewegten sich Ihm nach, kein Laut in der Brust der Jünger, die Stille des Morgens, einer heiligen Frühe ringsum.

 Da zog der Edle über Land, und die Seinen staunten Ihm nach, bis ER, in die Wolkenregion gekommen, durch eine Wolke ihren Blicken entzogen ward. Ach! da mag ihren Herzen gewesen sein wie den jungen nackten Vögeln, wenn der Muttervogel aus dem Neste fliegt und sie meinen, er wird| nicht wiederkommen. Was ist ein Nest voll Vöglein ohne Mutter? was die Kirche, wenn ihr Heiland von ihr geht? Darum sehen die Jünger noch immer nach, da nichts mehr zu sehen ist, als wollten sie Ihn wieder herunter holen, oder Ihm nachziehn. Aber ER, obwohl scheidend, vergißt sie nicht, sendet ihnen zween heilige Engel, die rufen mit lautem Schall: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr und seht gen Himmel? Dieser JEsus, welcher von euch ist aufgenommen gen Himmel, wird kommen, wie ihr Ihn gesehen habt gen Himmel fahren! Da waren die Jünger getröstet und freuten sich, daß sie gesehen hatten Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

 Der HErr aber, da ER von den Menschen nicht mehr gesehen werden konnte, erschien ER in Seiner verherrlichten Macht den Engeln (1. Tim. 3, 16). Denkt an jenen herrlichen Wagen, welcher den Propheten Elias gen Himmel entführte, wie herrlich ist er? Und doch, was ist Elias gegen Christum? Seiner Wagen, welche Ihn heimholen zur ewigen Belohnung, sind viel tausendmal tausend, daß man sie nicht zählen kann; in ihrer Mitte fährt ER. Denkt an den jüngsten Tag, wo alle diese Wagen wieder mit Ihm kommen werden, denkt, wie geschrieben steht, daß dann die Engel werden Posaunen blasen und ein Feldgeschrei erheben, so habt ihr die Herrlichkeit, mit welcher der HErr heute vor 1800 Jahren etwa von den Engeln empfangen ward. Denn es steht geschrieben: „ER fährt auf mit Jauchzen, der HErr mit heller Posaune!“ All Seine Feinde führt ER im Triumph, das Gefängnis hat ER gefangen und Seine Toten hat ER befreit; es ist ein Jubel im Himmel als über viel tausendmal tausend Sünder, die Buße thaten; denn ER kommt, der ein Opfer ist für unsere Sünden, und mit Ihm Sein Lohn, Seine Beute, denn ins Andenken Gottes und auch Seiner Engel kommt die zahllose Schar erretteter Gerechten.

 Brüder! Wie herrlich ist des HErrn Himmelfahrt! Und wer Ihm erst folgen durfte bis zum Thron des Vaters! Was mag das für eine Herrlichkeit gewesen sein, da dieser Menschensohn, der nie gefallen, der von der angebornen Würde| und Verheißung rein aus Liebe zu den Gefallenen, zu ihrer Errettung sich hinabstürzte, da dieser endlich zurückkehrte und in den Schoß des Vaters niedersank, der vor Seinem Leiden schon vom Himmel gepredigt hatte: „Das ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe!“

 Wer darf von der Freude reden, mit welcher Gott Vater Sein Ebenbild, Seinen Sohn umfängt, der nun nicht leer zu Ihm zurückkommt, sondern die Macht mit sich zurückbringt zu ewiger Ehr und Herrlichkeit? Gottessohn und zugleich Menschensohn sitzt nieder auf dem Stuhl der Ehren, Sein Vater giebt Ihm den Scepter, die drei Reiche der Macht, der Gnade und Herrlichkeit zum Lohne! Ein Menschensohn, o Menschenkinder, sitzt auf Gottes Thron, und die Harfen und Stimmen aller Engel rauschen Ihm zu Ehren! Zu nichts worden ist des Satans Rat, der Vater ist im Sohn, im Sohne die Macht verherrlicht! Wo mag der Satan und sein Reich sich verborgen haben an jenem Tag der Herrlichkeit!

 Brüder! Meine Erzählung ist zu Ende. Wer es glaubt, was ich da gesagt habe, der lege sein Haupt in seine Hand und weine, wenn er weinen kann, und spreche zu dem Vater und zu dem Sohne, der mit Ihm auf Seinem Stuhle sitzt: „Lob und Ehr und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!“




 Erlaubt mir nun, meine Lieben, daß ich euch aus der Geschichte der Himmelfahrt Christi noch einige euer eignes Herz nahe angehende Bemerkungen vorlege. Prüfet euer eignes Herz, indem ihr zuhört, und nehmt zu Herzen, was ihr, nach Erleuchtung des heiligen Geistes, euch für dienlich haltet.


I.
 Der HErr fährt auf, Sein letztes Wort ist ein Segen, Seine letzte Gebärde aufgehobene Segenshände. Denn ER hat durch Seine Erniedrigung die Erde vom Fluche entlastet, ihr den Segen wieder erworben, und Seine Erhöhung zu Gott beweist klarer, wie die Sonne, daß der himmlische Vater Sein Erlösungswerk angenommen hat. Ja, ER ging an Himmelfahrt| ein ins Allerheiligste mit Seinem eignen Blute, und was ER an Pfingsten darauf hinter dem Vorhang der Ewigkeit hervorbringt, ist Friede und Freude für alle schuldbeladenen und mühseligen Herzen. JEsus auf Gottes Thron nimmt an und segnet die Sünder.

 Brüder, ist unter euch ein Herz, welches vom Anfang seines Lebens bis zu dem heutigen Tage in Sünden wandelnd seine Schuld und Sünde fühlt, ist ein Herz vorhanden, das von den Sünden seiner Jugend oder aber seiner alten Tage ein böses Gewissen, ein Brandmal in der Seele, Unruhe im Gemüte davon getragen hat?

 Ich bin ein Fremdling unter euch, kenne euch nicht, kann euch nicht beschuldigen. Aber ich weiß, daß in unsern Tagen, wenn irgend einmal, die Sünde mächtig geworden ist, ich habe, obwohl ein junger Mann, doch genugsam erfahren, daß dem Menschen nicht aufs Angesicht zu trauen ist, daß es in den meisten Herzen so ruhig nicht aussieht, wie auf den meisten Gesichtern; ich, ein Sünder von Natur, ein Sünder durch mein Leben, ich weiß, was die Sünde für eine Last ist, zumal wenn sie im verborgenen drückt! Ach, das Gewissen, wenn es aufwacht, ist ein weinendes und klagendes Ding, die Schuld, wenn das Allmachtswort sie bestrahlt, ist unerträglich, und der Zorn Gottes, wenn er in einem Herzen offenbart wird, ist das schwerste aller Leiden!

 Brüder! wen seine Missethat drückt, wer traurig gewesen ist bisher, heute vernehme er den Trost des Allbarmherzigen. Sehet auf, auch euch gilt der Segen, auch euch segnen diese verklärten Hände, auch euch zu gut geht dieser Herrliche ins Heiligtum ein, auch euch bringt ER Frieden und Freude! Freuet euch! Zweifelt nicht, die Himmelfahrt Christi besiegelt eure Versöhnung. Danket Gott, ihr seid erlöst, und Gott nimmt euer Seufzen an.


II.
 Einige von euch, meine Teuren, haben vielleicht schon seit länger her geschmeckt, was der Friede Gottes sei. Aber| es ist ihnen so wehe und bang, daß sie bei allem Eifer nach Heiligung doch noch viel straucheln und noch nicht dem Vorbild des ähnlich geworden sind, der sich ein Volk zum Eigentum erkaufen wollte, das fleißig wäre zu guten Werken. Das ist der geheime Gram vieler Seelen, daß sie nicht heilig genug werden, ach, und es ist ein schweres, freude- und friedenstörendes Übel.

 Zu diesen Seelen sage ich heute mit dem Apostel Johannes: „Euch ist das Evangelium gepredigt, auf daß ihr nicht sündigt; so aber jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, JEsum Christum, den Gerechten! Heute ist euer Fürsprecher eingegangen, der seit Seinem Eingang täglich für Sein streitendes Volk, also auch für euch bittet, denkt an Sein Wort, das ER gesagt hat: „Wer gewaschen ist, bedarf nicht, denn daß er die Füße wasche,“ die vom täglichen Wandel wieder sündenbestaubt werden, denkt daran und glaubt hinfort an Seine tägliche Fürbitte für uns Elende.

 Wenn ihr nicht glauben wolltet, so würdet ihr damit zu erkennen geben, daß ihr das Werk seiner Erlösung nicht für vollendet, nicht für hinlänglich zur Bezahlung eurer Sünden haltet, daß ihr Seine Fürbitte im Himmel für unkräftig, Seine Gerechtigkeit nicht für vermögend hieltet, eure, alle eure Sünden zuzudecken, ja, es würde sich in diesem euerm Zweifel die Tücke eures Herzens kund geben, daß ihr euch noch nicht Ihm ganz übergeben hattet, daß ihr selbst erst besser werden wolltet, ehe ihr zu Ihm kämet, daß ihr eure Gerechtigkeit für wichtiger, als Seine hieltet, euch für mächtiger, als Ihn, den Herrlichen! O meine Teuren! Hebt eure Häupter auf mit Freuden, lernet täglich um Vergebung der täglichen Sünden beten, und durch die Kraft eures Fürbitters JEsu inne werden, was Luther im Katechismus lehrt, daß uns „täglich alle Sünden reichlich vergeben werden“. Das lernet heute zu Ehren eures Fürbitters, freuet euch und frohlocket und wisset, daß die Freude über Seine Gnade euch in Besiegung der anklebenden Sünde weiter fördern wird, als alle Schwermut und Traurigkeit.


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III.

 wende ich mich zu euch, ihr Armen an zeitlichen Gütern. Ich weiß, daß es eine schwere Anfechtung ist, wenn die jungen Raben um eure Tische Brot begehren, und ihr wisset nicht, woher ihr’s nehmen sollt. Es ist ein schrecklicher Fluch, daß sich der Mann mit Kummer nähren und im Schweiß seines Angesichts sein Brot essen soll. Ach, die Sorgen der Nahrung sind schwer, und wenn die irdische Hütte, der Leib, den zerstreuten Sinn und Geist schon in Tagen der Fülle drückt, wie muß er erst drücken, wenn Hunger und Kummer und Sorgen ihn selber drücken. Das weiß ich, aber dennoch bitte ich euch: Werfet euer Vertrauen nicht weg auf den HErrn; ja, wenn ihr bis heute vielleicht von Menschen oder von euerm Kopfe, eurer Hände Arbeit die Hülfe erwartet habt, so sehet von heute an allein auf den Helfer, der ohne Zweifel hilft, auf JEsum. Der war auch arm auf Erden, ärmer als euer jeder – denn ER wußte nicht, wo ER Sein Haupt hinlegen sollte – ER hat an eigner Armut Mitleid gelernt gegen eure Armut, ER ist willig, euch zu helfen. Höret aber Seine Worte, ob ER Seinen Willen nicht durchführen kann: „Mir ist, sagte ER, gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Sein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit! Da ER auf Erden wandelte, speiste ER durch Seine Danksagung 5000 auf einmal und ein andermal 4000, und nun Ihm das Reich übergeben ist, sollte ER nicht einem Menschen, einer Familie Speise und Kleidung verschaffen können? nun wolltest du zweifeln, daß ER bei dir ist? Wisse, solange die Tage der Welt noch nicht zu Ende sind, ist Seine Güte nicht zu Ende. Denn was ER sagt: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!“ das gilt für alle, die auf Ihn trauen, in allen Fällen. Darum seid fröhlich, ihr Armen, greift mutig zur Arbeit und harret auf die Hülfe eures erhöhten Heilands. Der so viel Würmer nährt, dem eine Sonne so wert ist als eine Made, weil ER allen alles ist, der kann euch nicht vergessen, Kleingläubige! Heute ist Sein Freudenfest, Sein Krönungsfest, niemand gehe ungetröstet heim! Freuet euch, ihr Armen, die ihr an Ihn glaubt, und geht in eure Hütten mit Freuden!


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IV.

 Es sind vielleicht unter euch Seelen, welche Speise die Fülle haben und Überfluß des Lebens, aber sie haben den Stoff zum Tode schon in sich, einen Wurm, der am Leibe nagt und den Würmern der Verwesung vorarbeitet, ein Siechtum. Der elenden Tage sind viel geworden, und banger Nächte schon eine Menge, ihr seufzet und wünschet euch den Tod. Sind solche unter euch, die sollen sich freuen. Oder habt ihr sie daheim gelassen auf Schmerzenslagern, so sagt es ihnen, daß heute ein Tag der Hoffnung sei, der Ehrentag JEsu, wie gesagt, Sein Krönungsfest, und da müssen alle Herzen und Lippen Ihn loben, die an Ihn glauben, die Kranken wie die Gesunden!

 Wisset, niemand hat mehr Krankheit getragen, als dieser JEsus, der unsere Krankheit auf sich genommen hat, aber auf Seinen Stand der Erniedrigung folgte ein solcher Stand der Erhöhung, wie heute am Tage ist. Alle die Seinen müssen Seine Erniedrigung mit Ihm teilen, aber sie werden dann auch mit Ihm Seine Erhöhung feiern. Er ist vorangegangen, wir folgen Ihm nach; ER hat gesagt: „In Meines Vaters Hause sind viele Wohnungen; wenn’s nicht so wäre, hätte Ich’s euch gesagt: Ich gehe aber hin, die Stätte euch zu bereiten!“ So gieb dich denn zufrieden und freue dich, wenn du hier leidest, daß noch eine Ruhe für dich vorhanden ist. Freue dich in Hoffnung, denn die Tage deines Leidens werden ein Ende nehmen, und wenn du Glauben hältst bis ans Ende, dann wirst du gekrönt!


V.
 Endlich aber, Brüder, habe ich eine ernste Warnung an alle unbekehrten Seelen, denn alles, was ich bis jetzt zum Troste angeführt habe, das ist für erweckte Seelen, nicht für leichtsinnige oder verstockte Weltmenschen, die sich etwa im Augenblicke einer flüchtigen Rührung den Trost der Erweckten zueignen wollen. Was sagten die Engel? „Er wird wiederkommen, wie ihr Ihn habt auffahren sehen.“ Dann werden sich freilich die Seinen freuen und ihre Häupter aufheben;| aber was wird der sagen, der Seine Zukunft und den Lohn, den sie mit sich bringt, nie bedacht hat, den Gedanken daran von seinem Herzen weggescheucht, als wär’s ein Vogel, der gute Saat auffressen wollte? Ihr, – Gott gebe, daß, welche ich so anzureden habe, unter euch nur eine kleine Zahl sei – ihr, die ihr von den ewigen Dingen nichts wissen wollt, die ihr lachet, wenn von Bekehrung die Rede ist, die ihr nichts Unwichtigeres kennt, als eurer Seelen Seligkeit, auf weichen Kissen das Leben verträumt, in Wollüsten es verschweigt, statt euer Herz dem auffahrenden Heiland nachzuschicken, es in Zerstreuung begrabt; ihr großen, schweren, von der Welt geachteten oder verachteten Sünder, ihr auf dem breiten Wege: ich bitte euch, lasset euch weisen, küsset den Sohn, daß ER nicht zürne; denn Sein Zorn wird bald angehn. Dienet dem HErrn mit Furcht, und freuet euch mit Zittern. Denn ER kommt, und Seine Strafen sind oft lang und schon in diesem Leben vor ihm her! Sucht den HErrn, ER läßt sich finden, und wer zu Ihm kommt, wird nicht weggestoßen, und wenn auch alle Gebote über gröbliche Verletzung wider ihn schrien!
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 Und ihr, die ihr zwar ergriffen seid von der Gnade Gottes, aber sie nicht wieder ergreifen wollt, weil die Gnade himmlisch, aber euer Herz noch irdisch ist. Ihr, die ihr immer noch über Mangel an Frieden klagt, weil ihr euch selbst nicht bekämpfen und besiegen, weil ihr nicht jede Pflanze ausreuten wollt, die nicht vom himmlischen Vater in euch gepflanzt ist. Ihr, die ihr das Himmelreich zum Erdreich verkehren, das Erdreich in Form des Himmelreichs verkleiden wollt, die ihr mit der Welt nicht brechen wollt, weil ihr sie liebt, und, statt daß die Welt von euch sich freuen lernte, selbst euch weltlich und irdisch freuet, Tag für Tag Mahnungen des heiligen Geistes habt und Tag für Tag das böse Gewissen, daß ihr sie nicht beachtet habt, die ihr jetzt betroffen mir recht gebet und am Abend dieses edlen Sabbathtages dennoch bekennen müßt, daß ihr seine Feier nicht geistlich begangen habt, euch bitte ich, wenn ihr ebenfalls nicht unter die Lauen gerechnet und aus der Liste der wahren Christen ausgestrichen werden wollt: machet keusch eure Seelen, lasset euch ins himmlische Wesen| versetzen mit Christo JEsu, dienet dem großen König von ganzem Herzen, wie geschrieben ist: „Nach Deinem Sieg wird Dir Dein Volk williglich dienen im heiligen Schmuck,“ saget der Welt rein ab und liebt euch selbst desto mehr, auf daß ihr Christum gewinnt! Trachtet nicht mehr nach dem, was unten ist, sondern nach dem, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur rechten Hand des allmächtigen Gottes! Achtet’s für Freude, alles Irdische daran zu geben, um Miterben unsers HErrn JEsu Christi zu werden.

 Wo ihr aber nicht höret und fortfahret, wie Israel zu Eliä Zeiten, zu hinken, so wisset: Jesus lebt und regiert in Ewigkeit, Seine Macht hat keine Schranken, ER fährt mit Seinen Strafen behend einher, und kann euch nehmen, was ihr habt, weil ihr es nicht zu Seinem Preis besitzen wollt. O es hat jeder Mensch sein Maß von Gnadenstunden, wenn das verronnen ist, wird er tot und leer, und es kann dann auch bittere Esausthränen geben, die umsonst geweint werden, nicht mehr aufwärts steigen, sondern im Sand der Welt versiegen. Und jener Schrecken für euch bei der Wiederkunft Christi, bei der Auferstehung, während Seine Treuen durch die Luft mit Ihm versetzt werden und bei Ihm sind allezeit, während sie Himmelfahrt mit Ihm halten und Seine Ruhe finden, müßtet ihr trostlos auf der armen Erde stehen und nachschauen und zur Hölle fahren!

 So auch ihr Armen ohne Glauben, ihr Leidenden ohne Christum, ich bitte euch, wenn euch hier soll geholfen werden, wenn nicht schwerere Armut, wenn nicht ewige Pein auf die kurze Trübsal dieses Lebens von dem über euch soll verhängt werden, der heute ist aufgefahren über alle Himmel und alle für seine Feinde achtet, die nicht an Ihn glauben wollen; wenn ihr euch selbst lieb habt, so lernt durch Anfechtung aufs Wort merken, und lasset die Trübsal euch zur Buße leiten. Wie ihr arm seid am Fleisch, so werdet arm am Geist, und wie ihr des Leibes Krankheit fühlet, so lernt eure Sünde fühlen, damit ihr vor dem über alles Erhöhten als Demütige erscheint, und ER von Erbarmen getrieben in eurer Seelen Wunden Öl des barmherzigen Samariters gieße, die Seelen| heile, die Leiber aber auferwecke in der Auferweckung der Gerechten.

 Wir alle aber, die wir beisammen sind, wollen nun heimgehen und diese Vorbereitungstage auf Pfingsten so verleben, wie die Apostel sie durchlebt haben, nämlich im brünstigen Gebet um den heiligen Geist. Lasset uns diese unsere Zeit, die uns zum Frieden gegeben ist, besonders aber auch diesen Tag, nicht in Sünden und Leichtsinn hinbringen, damit wir Erhörung finden, wenn wir beten: Sende Deinen heiligen Geist aus Deiner heiligen Höhe und bekehre uns, damit wir recht bekehret seien! Amen.

 O JEsu, demütige mich und lehre mich recht predigen und mit gutem Gewissen! Amen.

 Sei jetzt und allezeit nicht ferne von mir! Amen.




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