Palermo (Meyer’s Universum)
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Für den Mann, welchen höhere Interessen, als die des blos materiellen Wohlseyns begeistern, und der das Glück der Völker und Staaten nicht nach ihrer Wohlbeleibtheit mißt; für den Freund des Vaterlandes auch, der an gerechten Erwartungen die Wirklichkeit als Maßstab anlegt, ist die Zeit nicht so heiter, daß er in das Hosiannah einstimmen müsse, welches von so mancher Seite her sich fort und fort hören läßt. Alles Staunens über die Wunder und Herrlichkeiten der Gegenwart zum Trotz, sieht er sie doch schwer erkrankt. Die Ausartung der Sitten, ausgegangen von oben, hat die Gesellschaft durchdrungen bis zu den allertiefsten Schichten, und Immoralität, in trüber Mischung mit roher Selbstsucht und verbrecherischem Leichtsinn, bring die furchtbare Masse nachgerade in eine faule Gährung. Wenn man Recepte verschreibt, ist Krankseyn kein Geheimniß; zu keiner frühern Zeit waren aber die Aerzte so geschäftig als jetzt. –
Inmitten dieser düstern Zustände erhebt die Industrie in blendendem Glanze ihr Haupt. Wie ein Cherub schreitet sie einher, und vor ihrem flammenden Schwerdte neigt der alte ehrwürdige Bau der bürgerlichen Gewerbe sich in den Staub. Krachend stürzt er ein, und wehe den Handwerkern, die sich nicht zeitig flüchten und einziehen in die neuen Palläste, welche Wissenschaft, mit Geldkraft im Bunde, zu ihrer Aufnahme freigebig gebaut haben. Ansprüche auf Unabhängigkeit kann der Handwerker, der Groß-Industrie gegenüber, freilich nicht geltend machen und der früher selbstständige Gewerbsmann sinkt zum Miethmann, zum Proletair herab. Aber die Umwandlung ist nicht mehr zu vermeiden und geht rasch vor sich. Bald wird es nur noch reiche Gewerbherren und arme Arbeiter geben, und der freie Handwerkerstand hört auf.
[43] In enger Wechselwirkung mit diesen Verhältnissen steht die wunderbare Vermehrung der Communikationsmittel. Bisher hat die Sucht nach Vergnügen und Genuß in den höhern Classen der Gesellschaft am meisten Rechnung dabei gefunden, obschon es gewiß ist, daß mit der Zeit auch den unteren Classen die Vortheile zu gut kommen werden, welche jetzt den höhern vorzugsweise werden. Wo vor 20 Jahren Einer reiste, reisen jetzt Fünf, und in 20 Jahren werden so viel Hundert reisen. Bei dieser friedlichen Völkerwanderung müssen nothwendig jene Länder am meisten gewinnen, welchen der Schöpfer am freigebigsten die Reize verlieh, nach deren Genuß der Mensch am allermeisten verlangt: ein mildes Klima und eine schöne Natur.
Auch Sicilien nimmt reichlich Theil an der allgemeinen Aerndte. Seitdem Dampfbootrouten die Hauptstadt der Insel mit Neapel, Malta, Marseille, Livorno und Civita-Vecchia verbinden, werden mit jedem Jahre die Schaaren größer, welche Sicilien zum Ziele ihrer Forschungs- oder Vergnügungsreisen erkiesen. Man berechnet, daß sich binnen einem Lustrum die Zahl der Reisenden dorthin verdoppelte. Kein Wunder! Denn was die Natur Reizendes und Großes auf einen verhältnismäßig kleinen Raum der weiten Erde zusammen drängen konnte, hat sie in Sicilien versammelt, und was geschichtliche Erinnerungen vermögen, ein Land interessant und ehrwürdig zu machen, findet sich hier in reicher Fülle. Die großen Denkmäler von kaum noch dem Namen nach bekannten Nationen, die Riesenwerke alter Baukunst, welche wir nur bewundern, nicht nachbilden können, und die uns noch in ihren Trümmern mit heiligem Schauer durchbeben, wetteifern hier mit den seltsam geformten, kühn den Wolken anstrebenden Gebirgen und zeigen sich noch nach 3000jährigen Zeitstürmen als des Landes herrlichsten Schmuck. In keinem andern Theile der Erde findet der Alterthumsforscher reichere Ausbeute, und das hochgepriesene Rom selbst darf seine Denkmäler denen Siciliens an Größe und erhabener Schönheit nicht vergleichen. Rom’s Monumente gehören blos einer Zeit an, der kurzen Epoche seiner Cäsaren. Alles andere deckt die Nacht. In Sicilien hingegen umfassen nur allein die Monumente des griechischen Alterthums ein ganzes Jahrtausend, und den Bildungsgang der edelsten Kunst kann der Kenner Schritt für Schritt verfolgen. An die griechischen Denkmäler reiben sich die Monumente, welche die herrschende Siebenhügelstadt der Welt hinterlassen, und von diesen ausgehend kann der Forscher die ganze Stufenleiter des Kunstverfalls späterer Seiten hinabsteigen, wo sich griechische, ägyptische, arabische Style bastartartig zusammengatten, bis endlich germanischer Sinn unter Normannen und Barbarossa die Architektur zur herrlichen Selbstständigkeit von neuem erhob. Von dieser Epoche folgt er ihr leicht durch eine abermalige lange Periode des Verfalls bis zur Gegenwart. – Aber nicht blos für den Kunstforscher, auch für Diejenigen, welche die mildern Himmelsstriche aufsuchen, um eine schwankende Gesundheit zu befestigen, ist Sicilien, wo Luft, Vegetation, der südliche Ton der Landschaft und der heitere Himmel gleich entzücken, ein gefeierter Name. Könnten unsere invaliden Touristen nur bequem durch dieses Paradies fahren, so würden sie dahin wallfahrten, wie nach Florenz, Rom und Neapel.
[44] Der Mangel an Heerstraßen in Sicilien ist sehr lästig; hat aber auch seine eigenthümlichen Reize. Da sich zu jenem, in natürlicher Folgerung, der Mangel von Gasthöfen gesellt, die man im Innern des Landes kaum dem Namen nach kennt, so fällt es der Gastfreundschaft zu, für Ersatz zu sorgen. Es gibt kein Land in der Welt, wo der gebildete Reifende zuvorkommendere und herzlichere Aufnahme findet, als in Sicilien. Er bedarf nur einer Introduction bei einem angesehenen Hause, um gewiß zu seyn, daß es ihm nicht an Empfehlungen für seine ganze Tour gebrechen werde, die ihm überall die Vorrechte und Annehmlichkeiten sichern, welche man dem Fremden nirgend so bereitwillig und mannichfaltig einräumt. Dabei findet sich in den höhern Klassen, weit allgemeiner als im übrigen Italien, ächte und zumal gelehrte Bildung, im Gegensatze zu Neapel, wo die vornehmeren Stände hinter einem geschmeidigen, äußerlich feinen Wesen, dem Würde und Charakter abgeht, häufig Unwissenheit und Rohheit verbergen. –
Palermo ist die Hauptstadt und zugleich das Herz Siciliens, in welchem die großen Pulsadern seines Lebens schlagen. Die Stadt liegt an der Nordwestküste der Insel, an einem kleinen Meerbusen, und wird durch 2 Forts gegen die Seeseite gut vertheidigt. Die Zahl der Einwohner, die in den glänzendsten Zeiten 300,000 überstieg, ist unter 150,000 gesunken; die Cholera raffte vor 4 Jahren allein 30,000 hinweg. Palermo ist prächtig gebaut und reizend seine Ansicht vom Meere aus, wie sie der Stahlstich uns zeigt; doch viel herrlicher noch ist der Fernblick auf Stadt und Meer von den benachbarten Höhen herab. Aus der Bay betrachtet, verlieren sich die Thürme auf der Folie der Berge, welche die Stadt umschließen. Hafen und Vorstadt erscheinen fast klein, und am erstern vermißt man das lebendige Gewühl des Neapolitaner Molo, das Gequäcke der Policinells, die einförmige Stimme der Vorleser des Tasso, das Ausrufen der Früchteverkäufer, deren überreiche Vorräthe das lüsterne Auge ergötzen, und an den Marinaris (dem Schiffsvolk) die malerische rothe Kappe, welche in ganz Sicilien durch die nüchterne weiße Zipfelmütze verdrängt worden ist. Die platten Dächer haben auch aufgehört, und die häßlichen Hohlziegel des nördlichen Italiens sind ein eben so unerwarteter, als unangenehmer Anblick. Die ersten Straßen, welche man, vom Hafen aus, durchwandert, sind auch enge, winklich, finster; genug, der erste Eindruck ist kein günstiger. Aber ehe die Täuschung sich dem Begriffe vertraut machen kann, betritt man die Hauptstraßen der Stadt, schreitet man über den herrlichen Corso und die Strade Marqueda, und sie verschwindet. Genannte Stadttheile und die Piazza Villena sind fast ganz aus Pallästen gebildet, deren grandioses Ensemble reichlich ersetzt, was sie bei der Musterung im Einzelnen verlieren; denn die meisten dieser Prunkgebäude tragen das Gepräge der letztern Jahrhunderte zur Schau, Ungeschmack und Geistlosigkeit, die sich hinter einem Schwulst gedankenlosen Zierraths verbirgt. Wunderlich geschnörkelte und gebogene Eisenbalkone hängen vor jedem Fenster und werden von in plumpen Gestalten ausgemeißelten Consolen getragen; widerwärtige Karyatiden, gewundene Säulen und ähnliche Auswüchse des Zopfstyls verunzieren die meisten Façaden; das Ganze imponirt aber doch durch seine gewaltige Masse, und [45] man erkennt Palermo, durch sein äußeres Erscheinen, sogleich als den Sitz einer reichen und mächtigen Aristokratie und als die einstige Residenz der Beherrscher des Landes, von den Byzantinern und Sarazenen an, bis auf die Normannenfürsten, die spanischen Statthalter und die Vicekönige Neapels. Königsstandbilder reihen sich längs der Marina und thronen auf einzelnen Plätzen; Fontainen sprudeln an den Straßenecken und Marmortafeln verkündigen die Namen ihrer Stifter: aber die Inschriften sind schwülstig, die Formen verzerrt, die Ornamente bei aller Ueppigkeit ohne Humor. Palermo hat auf die Ehre, der Sitz des schlechten Kunstgeschmacks zu seyn, vollen Anspruch.
Unter der Herrschaft des Letztern hat auch das Große und Schöne aus früheren Jahrhunderten gelitten und die herrlichsten Werke der maurischen und gothischen Architektur sind von ihm vielfach angetastet worden. Die Kirche des Johannes in der Wüste z. B. hat von ihrer frühern Moscheenpracht blos die Kuppeln gerettet, der normännische Dom sogar ist durch plumpen Zierrath ganz verunstaltet. Nur die Kapelle Palatina von unvergleichlicher Schönheit entging den barbarischen Verbesserungen des 17. und 18. Jahrhunderts.
Aus dem Vorhergesagten läßt sich ahnen, daß Palermo an eigentlichen Kunstwerken nicht reich seyn könne. Es hat zwar ein Nationalmuseum; aber die Sammlungen sind weder zahlreich, noch kostbar. Das Beste, was die Ausgrabungen in Selinunt etc. liefern, kommt nie hierher, sondern wandert nach Neapel, oder in die Palläste der Britten, deren Agenten jeden bedeutenden Fund sogleich aufspüren. Aus dem Mittelalter sind die Porphyrgrabmäler der Hohenstaufen im Dom noch die bedeutendsten; aber, so berühmt sie auch sind, so ist doch ihr historisches Interesse größer, als ihr Kunstwerth. Im königlichen Schlosse machen die gefeierten antiken Bronze-Widder im Krönungssaale das einzige sehenswerthe Sculpturwerk aus. Reicher ist Palermo an Malereien, obschon bei weitem das Beste des hier Gewesenen von den fremden Herren, den Spaniern zumal, längst entführt worden ist. Die Hauptkirchen enthalten viele Bilder aus der Zeit Raphaels und die Hauptwerke von Vinzenzo Romano, Aromolo und Monrealese; auch ist im Oratorio del Rosario ein berühmtes Bild von Vandyk. In den Pallästen ist keine Ausbeute. Sie sind mit den Fratzen des 17. und 18. Jahrhunderts behangen, vor welchen die nobeln Erzeugnisse der alten Kunst verschwanden.
Die Umgebungen Palermo’s tragen den Zauber sicilianischer Landschaften an sich. Nirgends sind die Formen ber Terrainverschiedenheiten launiger, mannichfaltiger. Große Strecken, welche mit Oelbäumen bepflanzt sind, andere, welche die Aloe als Zaun umspannt, Gärten, in denen die indianische Feige theils beetweise gezogen wird, theils in üppiger Freiheit durcheinander wuchert, traurige Zypressen, welche die Todtenäcker und einsamen Kapellen umgeben, kühne, von Normannen und Mauren gespannte Brücken über die reißenden Bergwasser und Schluchten, ferne Ruinen, Klöster und Burgen auf den Höhen, lachende Villen mit traubenschweren Veranden, einsame Vignen, von Bergströmen zerrissene Schluchten, deren Wände die reichste Vegetation verschwenderisch bekleidet, fesseln den Blick bei jedem Schritt.
[46] Unter den Sehenswürdigkeiten in der reizenden Umgegend nehmen die maurischen Schlösser Cuba und Zissa, der Monte Pellegrini und die Villen der sicilianischen Großen um Bagaria die ersten Stellen ein. Jene beiden Denkmäler arabischer Herrschaft sind vollkommen erhalten und Zissa wird noch jetzt bewohnt. Es ist die Residenz des Fürsten Sciarra. Von diesem Schlosse, welches seiner Zaubergarten und der Pracht seiner Ausschmückung halber schon von den arabischen Schriftstellern gepriesen wurde, führt ein unterirdischer Gang nach der Stadt. Die Aussicht von der mit Zinnen gekrönten Terrasse ist unsäglich schön. Das große Palermo, umgeben von einem Gürtel von Orangengärten, über denen sich schlanke Palmen schaukeln, das Meer, die dunkelnden Berge mit ihren Spitzen und Zacken, rückwärts eine tiefe Schlucht, in welcher Dörfer und Weingärten und Klöster aus dem grünen Laubgewebe hervorlauschen, die Stadt Monreale mit ihren Kirchen, – alles rundet sich zu einem der herrlichsten Panoramen Siciliens.
Den Wallfahrtsberg (Monte Pellegrini) mit dem berühmten Grabe und Kloster der heil. Rosalie kennen wohl die meisten meiner Leser aus Göthe’s plastischer Beschreibung, und aus eben diesem Grunde kann ich mir auch die der prächtigen Schlösser um Ongaria, unter welchen jenes des Prinzen Pallagonia bei den Palermitanern als höchste irdische Herrlichkeit gilt, dem aber in Wahrheit nur die Palme des Ungeschmacks gebührt, erlassen. Sühne für diese vom Aberwitz und Reichthum gegen Schönheit und Vernunft begangenen architektonischen Frevel gibt das Kloster ''Monreale. In dreifacher Windung zieht die Straße hinan, eingefaßt von Caktus und der Aloe, die ihr königliches Blüthenhaupt emporstreckt. Die Klosterkirche ist nicht blos die schönste in ganz Sicilien, sondern in ihrer Art einzig in ganz Italien. Selbst die Marcuskirche Venedigs erreicht sie an Reichthum kaum und wird von ihr an edler Einfachheit und Reinheit des Styls weit übertroffen. Beim Eintritt in das Heiligthum blendet Goldgluth das Auge, und Minuten vergehen, ehe es fähig wird, vom wunderbaren Ganzen das Einzelne zu sondern und zu betrachten. Das Hauptschiff ruht auf antiken Säulen von größter Schönheit; alle Decken sind mit Roth, Gold und Blau, über welche sich lichtweiße Ornamente arabeskenartig hinziehen, ausgemalt. Goldblech bedeckt die Querbalken und fast jedes Gesimse und jede Leiste ein. Die Seitenwände des Hauptschiffs sind mit der prachtvollsten Goldmosaik belegt, Scenen aus dem alten Testamente darstellend; Bilder aus dem neuen Testamente, ebenfalls in Goldmosaik, füllen die Altäre, die Chöre, die Seitenschiffe aus. Die Zeichnung an diesen Malereien ist vortrefflich. Alle Zwischenräume sind mit köstlichem Jaspis und Marmor ausgetäfelt; musivische Arbeit ziert Pfeiler und Bischofssitz im Chor; der Fußboden ist Mosaik aus Porphyr. Selbst der Kreuzgang des Klosters war ursprünglich mit Bildern auf Goldgrund geziert; aber unter den räuberischen Händen der Zeit und der Menschen sind diese verschwunden.
Im Charakter der Palermitaner tritt der Typus des sicilianischen scharf ausgeprägt auf, und die lange Gegenwart der fremden Herrschaft hat hierin nichts geändert. Des Neapolitaners affenartiger Beweglichkeit und seiner gutmüthigen, für allen Scherz empfänglichen Laune, stellt sich das düstere, fast feierliche Wesen des Palermitaners [47] schroff entgegen. Die Gesichtsbildung schon unterscheidet beide Raçen höchst auffallend und macht die Verschiedenheit ihres Charakters kenntlich. Die Palermitanische Physiognomie hat etwas Edeles, Stolzes; in ihrem dunkeln, beweglichen Auge lodert unheimliche Gluth; es ist ein Vulkan, der des Ausbruchs harrt. – Der Neapolitaner macht den Magen zu seinem Abgott; der Sicilianer dagegen ist nüchtern. Beide streben nach Erwerb ohne Arbeit; aber während der Neapolitaner auf die gemeinste Art bettelt, betrügt, oder stiehlt, – läßt sich der Sicilianer höchstens zum Raube herab. Nur in Einem sind Beide gleich: im Eifer für vernunftlosen Bilderdienst. Der Palermitaner ist so abergläubisch und so fanatisch eingenommen für seine Glaubensvorurtheile, als es der Neapolitaner nur immer seyn kann. Bei allen Angelegenheiten des Lebens verlangt er, daß der Himmel intervenire; bei jedem Geschäfte sucht er die Heiligen in sein Interesse zu ziehen. Der Einfluß der Geistlichkeit ist daher unbeschränkt und ihr oft zügelloses Leben, obschon die Geschichten darüber von Munde zu Munde laufen, vermag nicht, ihre Macht zu schmälern. Nirgends finden sich so viele Klöster in und um eine Stadt zusammengehäuft als in Palermo, und der Boden des Landes weit umher ist zur größern Hälfte kirchliches Eigenthum. Notorisch stehen die meisten Klöster durch unterirdische Gänge mit einander in verborgener Verbindung, und, wie die Sage geht, zu sehr weltlichen Zwecken. – Reinlichkeit ist in Palermo nicht zu Hause; so wenig als in Neapel. Dort, wie hier, beleidigen das Auge des an Ordnung und Sauberkeit gewöhnten Nordländers die Zeichen der Unsauberkeit in jeglicher Wohnung, und selbst die Palläste der Großen lassen schneidende Contraste von Pracht und Schmutz bemerken. Die Sucht, mit einem zahlreichen Schwarm von Faullenzern in betreßtem Rocke zu glänzen, macht sich in den Antichambren widerlich breit. Daneben aber ist große Negligence augenfällig, und in den prächtigen Sälen, ja sogar auf den Balkonen der Palläste, sieht man wohl auf queerüber gezogenen Leinen die Leibwäsche der Eccellenza trocknen. Artigkeit und seltene Zuvorkommenheit gegen Fremde sind indessen unter den vornehmen Classen allgemein, und der Forestiero findet am Palermitaner, hätten beide auch nur leichte Bekanntschaft an einem öffentlichen Orte mit einander geknüpft, den gefälligen Cicerone zu allen Merkwürdigkeiten in und außerhalb der Stadt. Ein eigenthümlicher Zug des Palermitaners ist’s, den Fremden ohne Umstände zum Vertrauten zu machen, zumal zum Mitwissenden seiner Unzufriedenheit mit den bestehenden politischen Verhältnissen, die des Palermitaners Seele ausfüllt; denn sein Stolz auf sicilianische Nationalität fühlt sich durch hundert Dinge verletzt und der Groll gegen die neapolitanische Herrschaft ist ohne Maaß und Ziel. Beide Völker überhäufen sich bei jedem Anlaß mit Schmähungen, und das sicilianische, als der untoleranteste Theil, ist jederzeit der Gelegenheit gewärtig, das Joch abzuschütteln, mit welchem sich zu befreunden es niemals lernen wird.
Bei alle dem ist das Leben des Volks in Palermo voller Genuß; und fröhlich und sorglos schwingt es sich durch die ihm beschiedene Spanne Zeit. An heitern Abenden hört man überall Musik, auf dem Corso und den Piazza’s fliegen Leuchtkugeln, prasseln Raketen, Gesang und Guitarre tönen und schwirren an allen Fenstern bis tief [48] hinein in die Nacht. Wer Herr seiner Zeit ist und zu den Glücklichen gehört, die frei ihren Aufenthalt wählen können, der säume nicht, ein Jahr auch in Palermo zu weilen, und wenn er zu leben weiß, wird er es gewiß zu den genußreichern seines Daseyns zählen.