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man erkennt Palermo, durch sein äußeres Erscheinen, sogleich als den Sitz einer reichen und mächtigen Aristokratie und als die einstige Residenz der Beherrscher des Landes, von den Byzantinern und Sarazenen an, bis auf die Normannenfürsten, die spanischen Statthalter und die Vicekönige Neapels. Königsstandbilder reihen sich längs der Marina und thronen auf einzelnen Plätzen; Fontainen sprudeln an den Straßenecken und Marmortafeln verkündigen die Namen ihrer Stifter: aber die Inschriften sind schwülstig, die Formen verzerrt, die Ornamente bei aller Ueppigkeit ohne Humor. Palermo hat auf die Ehre, der Sitz des schlechten Kunstgeschmacks zu seyn, vollen Anspruch.

Unter der Herrschaft des Letztern hat auch das Große und Schöne aus früheren Jahrhunderten gelitten und die herrlichsten Werke der maurischen und gothischen Architektur sind von ihm vielfach angetastet worden. Die Kirche des Johannes in der Wüste z. B. hat von ihrer frühern Moscheenpracht blos die Kuppeln gerettet, der normännische Dom sogar ist durch plumpen Zierrath ganz verunstaltet. Nur die Kapelle Palatina von unvergleichlicher Schönheit entging den barbarischen Verbesserungen des 17. und 18. Jahrhunderts.

Aus dem Vorhergesagten läßt sich ahnen, daß Palermo an eigentlichen Kunstwerken nicht reich seyn könne. Es hat zwar ein Nationalmuseum; aber die Sammlungen sind weder zahlreich, noch kostbar. Das Beste, was die Ausgrabungen in Selinunt etc. liefern, kommt nie hierher, sondern wandert nach Neapel, oder in die Palläste der Britten, deren Agenten jeden bedeutenden Fund sogleich aufspüren. Aus dem Mittelalter sind die Porphyrgrabmäler der Hohenstaufen im Dom noch die bedeutendsten; aber, so berühmt sie auch sind, so ist doch ihr historisches Interesse größer, als ihr Kunstwerth. Im königlichen Schlosse machen die gefeierten antiken Bronze-Widder im Krönungssaale das einzige sehenswerthe Sculpturwerk aus. Reicher ist Palermo an Malereien, obschon bei weitem das Beste des hier Gewesenen von den fremden Herren, den Spaniern zumal, längst entführt worden ist. Die Hauptkirchen enthalten viele Bilder aus der Zeit Raphaels und die Hauptwerke von Vinzenzo Romano, Aromolo und Monrealese; auch ist im Oratorio del Rosario ein berühmtes Bild von Vandyk. In den Pallästen ist keine Ausbeute. Sie sind mit den Fratzen des 17. und 18. Jahrhunderts behangen, vor welchen die nobeln Erzeugnisse der alten Kunst verschwanden.

Die Umgebungen Palermo’s tragen den Zauber sicilianischer Landschaften an sich. Nirgends sind die Formen ber Terrainverschiedenheiten launiger, mannichfaltiger. Große Strecken, welche mit Oelbäumen bepflanzt sind, andere, welche die Aloe als Zaun umspannt, Gärten, in denen die indianische Feige theils beetweise gezogen wird, theils in üppiger Freiheit durcheinander wuchert, traurige Zypressen, welche die Todtenäcker und einsamen Kapellen umgeben, kühne, von Normannen und Mauren gespannte Brücken über die reißenden Bergwasser und Schluchten, ferne Ruinen, Klöster und Burgen auf den Höhen, lachende Villen mit traubenschweren Veranden, einsame Vignen, von Bergströmen zerrissene Schluchten, deren Wände die reichste Vegetation verschwenderisch bekleidet, fesseln den Blick bei jedem Schritt.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/79&oldid=- (Version vom 27.10.2024)