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Unter den Sehenswürdigkeiten in der reizenden Umgegend nehmen die maurischen Schlösser Cuba und Zissa, der Monte Pellegrini und die Villen der sicilianischen Großen um Bagaria die ersten Stellen ein. Jene beiden Denkmäler arabischer Herrschaft sind vollkommen erhalten und Zissa wird noch jetzt bewohnt. Es ist die Residenz des Fürsten Sciarra. Von diesem Schlosse, welches seiner Zaubergarten und der Pracht seiner Ausschmückung halber schon von den arabischen Schriftstellern gepriesen wurde, führt ein unterirdischer Gang nach der Stadt. Die Aussicht von der mit Zinnen gekrönten Terrasse ist unsäglich schön. Das große Palermo, umgeben von einem Gürtel von Orangengärten, über denen sich schlanke Palmen schaukeln, das Meer, die dunkelnden Berge mit ihren Spitzen und Zacken, rückwärts eine tiefe Schlucht, in welcher Dörfer und Weingärten und Klöster aus dem grünen Laubgewebe hervorlauschen, die Stadt Monreale mit ihren Kirchen, – alles rundet sich zu einem der herrlichsten Panoramen Siciliens.

Den Wallfahrtsberg (Monte Pellegrini) mit dem berühmten Grabe und Kloster der heil. Rosalie kennen wohl die meisten meiner Leser aus Göthe’s plastischer Beschreibung, und aus eben diesem Grunde kann ich mir auch die der prächtigen Schlösser um Ongaria, unter welchen jenes des Prinzen Pallagonia bei den Palermitanern als höchste irdische Herrlichkeit gilt, dem aber in Wahrheit nur die Palme des Ungeschmacks gebührt, erlassen. Sühne für diese vom Aberwitz und Reichthum gegen Schönheit und Vernunft begangenen architektonischen Frevel gibt das Kloster ''Monreale. In dreifacher Windung zieht die Straße hinan, eingefaßt von Caktus und der Aloe, die ihr königliches Blüthenhaupt emporstreckt. Die Klosterkirche ist nicht blos die schönste in ganz Sicilien, sondern in ihrer Art einzig in ganz Italien. Selbst die Marcuskirche Venedigs erreicht sie an Reichthum kaum und wird von ihr an edler Einfachheit und Reinheit des Styls weit übertroffen. Beim Eintritt in das Heiligthum blendet Goldgluth das Auge, und Minuten vergehen, ehe es fähig wird, vom wunderbaren Ganzen das Einzelne zu sondern und zu betrachten. Das Hauptschiff ruht auf antiken Säulen von größter Schönheit; alle Decken sind mit Roth, Gold und Blau, über welche sich lichtweiße Ornamente arabeskenartig hinziehen, ausgemalt. Goldblech bedeckt die Querbalken und fast jedes Gesimse und jede Leiste ein. Die Seitenwände des Hauptschiffs sind mit der prachtvollsten Goldmosaik belegt, Scenen aus dem alten Testamente darstellend; Bilder aus dem neuen Testamente, ebenfalls in Goldmosaik, füllen die Altäre, die Chöre, die Seitenschiffe aus. Die Zeichnung an diesen Malereien ist vortrefflich. Alle Zwischenräume sind mit köstlichem Jaspis und Marmor ausgetäfelt; musivische Arbeit ziert Pfeiler und Bischofssitz im Chor; der Fußboden ist Mosaik aus Porphyr. Selbst der Kreuzgang des Klosters war ursprünglich mit Bildern auf Goldgrund geziert; aber unter den räuberischen Händen der Zeit und der Menschen sind diese verschwunden.

Im Charakter der Palermitaner tritt der Typus des sicilianischen scharf ausgeprägt auf, und die lange Gegenwart der fremden Herrschaft hat hierin nichts geändert. Des Neapolitaners affenartiger Beweglichkeit und seiner gutmüthigen, für allen Scherz empfänglichen Laune, stellt sich das düstere, fast feierliche Wesen des Palermitaners

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/80&oldid=- (Version vom 27.10.2024)