Miscellaneen (Journal von und für Franken, Band 1, 6)

Textdaten
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Autor: Diverse
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Titel: Miscellaneen
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aus: Journal von und für Franken, Band 1, S. 745–752
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1790
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
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XII.
Miscellaneen.


1.
Auszug eines Schreibens aus Eichstätt vom 27 Aug. 1790.

Vermuthlich haben Sie schon etwas von der Beschimpfung gehört, welche vor einigen Wochen unserm Eichstätt widerfahren ist. Bekanntlich ist unser Ort in der Litteratur noch sehr weit zurück, da ausser dem Graf Cobenzl und dem geheimen Rath Boller, sonst niemand eine Bibliothek hat. Nur selten wird hier ein gutes Buch gekauft; und eben daher kann hier kein Buchhändler aufkommen. In der Nürnbergischen gelehrten Zeitung von diesem Jahre, Nro 63. Seite 498 lasen wir mit wahrem Erstaunen folgende Nachricht:

„Das Eichstättische Domcapitel, das Sede vacante die Regierung führt, hat im J. 1790 beschlossen, die Hofbibliothek zu jedermanns Gebrauch zu öffnen. Vor- und Nachmittags findet man ein geräumiges und geheiztes Zimmer. Diese Bibliothek hat| zwar einen großen Vorrath an ältern, dagegen aber einen Mangel an neuern Schriften. Allein diesem Mangel hat der aufgeklärte Hr. Graf Schenk von Castell durch eine großmüthige Aufopferung seiner ganzen, aus mehr als 2000 Stücken der neuesten und besten Bücher bestehenden Bibliothek größtentheils abgeholfen.“

Wir alle erstaunten, als wir diese Satyre in der Nürnberger gelehrten Zeitung lasen, und besonders das auffallende und sich widersprechende, daß gerade Graf Schenk von Castell seine Bibliothek soll hergegeben haben, der doch keine hat, und gar kein Liebhaber von Büchern ist. Aus der Nürnberger Zeitung wurde nun diese Nachricht buchstäblich in dem Intelligenzblatt der Jenaischen Litteraturzeitung No. 111. S. 914 und in mehrern Zeitungen abgedruckt. Diese ungegründete, und in vielerley Rücksicht auffallende und lächerliche Begebenheit hat folgenden Ursprung:

Graf Schenk ist bey diesem Interregnum Castellan. Der bekannte Buchhändler Jacobi aus Weissenburg am Nordgau legte am Willibalds-Markte seine Schriften in Eichstätt zum Verkauf aus. Professor Fieger, ein untadelhafter und geschickter| Mann, kam zu seiner Boutique, fand Schriften, die kein ehrliches Auge ansehen sollte, besonders Romane, und die also auch nicht unter die Hände der Eichstätter Schüler und Gymnasiasten kommen sollten. Fieger ging deswegen an die Censurcommission, und zeigte solches an; von dieser wurde die Sache dem Castellan, dem Graf Schenk, gebracht, und dieser gab sogleich Befehl, daß Jacobi alsobald seine Bücher zusammenpacken und die Stadt räumen solle. – Hinc illae lacrymae! Jacobi wollte sich rächen, wie man glaubt, und ließ in der Augsburger Zeitung den Graf Schenk, Prof. Fieger und den Canzellisten Stadlmayer, der den Befehl überbracht hatte, durchhecheln, und unterschrieb des letztern Namen. Als nun dieser auf der Regierung verhört wurde, so weinte er bittere Thränen, versicherte, daß er kein Wort nach Augsburg an Moy, den Herausgeber der Zeitung, geschrieben habe, daß dieß seine Handschrift nicht sey: denn Moy schickte den Brief ein, u. s. w. Kurz – man sah aus allem, daß es eine feine Rache gegen Eichstätt, und besonders gegen den Grafen Schenk seyn sollte. –
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Da in keiner gelehrten Zeitung obige Nachricht als grundfalsch widerrufen wurde,| so findet dieses wohl eine Stelle im Journal von und für Franken.


2.
Aus Bayreut, im Nov. 1790.

Der geheime Finanzrath von Bärensprung, den sich der regierende Hr. Marggraf zu Anspach-Bayreut vom Könige in Preußen erbat, um Revision in den Landescassen umher halten zu lassen, ist nach einen dreywöchentlichen Aufenthalt mit dem Anfang des Octobers wieder von hier nach Anspach abgereiset, und hat den Ruhm eines geraden, talentvollen Mannes, der seinen Aufträgen gewachsen ist, mit sich genommen. Er fand in diesem Lande viel Ordnung und Leute, die ihn immer mit ihrer Geschäfftskenntniß bey seinen Untersuchungen zu fördern wußten. Niemand wurde durch diesen uneigennützigen und patriotischen Brandenburger unglücklich; nie trug er die Ehre Schau, der ihn der Fürst bey seinen Aufträgen gewürdigt hatte.

Nur einige Läßige sollen gezittert haben vor Furcht und Warten der Dinge, die da kommen sollten. Da sie aber Mittel machten und ihr luxuriöses Leben zu bessern versprachen, so sollen sie noch mit einem blauen Auge davon| gekommen seyn. Cassen dürfen aber nun nicht mehr den Scribenten anvertrauet, sondern müssen von den Beamten selbst in beständiger Verwahrung gehalten werden. Bärensprung ist ein starker ansehnlicher Mann, dessen hoher Stirne man es ansieht, daß eine ziemliche Menge Zahlen darin herbergen können. Er macht durchaus kein Geräusch, spricht wenig, aber nachdrücklich, trägt ein prunkloses grünes Kleid, und ist ganz Finanzier.
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Der neue Bayreutische Minister, Baron von Weitershausen, hat schon überzeugend dargethan, daß er das Vertrauen, welches sein Fürst in ihn setzt, vollkommen verdient. Einen unparteyischern, unbestechlichern Mann wird man schwerlich auf einem ähnlichen Posten finden, und auch schwerlich viele solche Unterthansfreunde. Bey ihm ist das Interesse des Volks und des Fürsten nie im Widerspruch, und sein ganzes Gedankensystem scheint sich nur um den täglich zu erhöhenden Nahrungsstand im Lande zu drehen. Er hat nicht studirt, das heißt, er hat nie Pandekten, Ius Feudale und Criminale auf Universitäten hören können; aber er denkt und schreibt über Landes- und Menscheninteresse richtiger und schöner, als hundert sogenannte Litterati vom Handwerk. Er| spricht und handelt nachdrücklicher für Gelehrte und gelehrte Institute, als mancher noch so hochgepriesene Mäcenas, ohne dabey andern Theilen etwas zu entziehen. Er ist gründlicher Kenner der neuen Litteratur, weiß die Schwäche und Stärke des Zeitalters, ist philosophischer Beobachter des Triebrads der Menschenkinder im eigentlichsten Verstande, ist Liebhaber der schönen Künste und also auch ein Mann empfänglich für die sanftesten Gefühle. In seinen frühern Jahren soll das Feuer seines Geistes ihn oft zu raschen Handlungen verleitet haben, bey denen sein edler Charakter, dessen Grundzüge Vestigkeit, Pünctlichkeit, Ernst und Gerechtigkeit sind, bisweilen mag verkannt worden seyn.
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Das Alter und die mit demselben vertrauter gewordenen Grundsätze, haben nun seine Temperaments-Aufwallungen sehr gemäßigt, und jeder Beobachter der Menschenverhältnisse wird einsehen, daß gerade ein Mann von einem solchen Charakter auf einen solchen Posten gestellt werden mußte. Die Landeshauptmannschaft Hof hat während der Zeit, als er ihr alleine vorstand, unzählige Beweise von seiner rastlosen Thätigkeit erhalten, schädliche Vorurtheile auszurotten, den Kunst- und Handwerksfleiß zu fördern,| die öffentliche Sicherheit zu erhöhen, den schuldlosverunglückten Bürger zu trösten. So ein Mann an der Spitze der Geschäffte eines Fürstenthums, wie beruhigend für den Menschenfreund! Weiland hat man diesen Staatsmann von Seiten des Unglaubens verschrien, und zwar darum, weil, er nicht in Kirchen ging, wo die liebe Einfalt vom Bußkampf und geistlichen Durchbruch predigte. Allein seine Religion ist von ganz andern Schrot und Korn, und dabey tolerant gegen die Schwachen.
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So wie das aureum seculum der Cassendefraudatoren im Bayreuter Lande vorüber ist, so wird auch der unbarmherzigen Jäger ihres bald gar abgelaufen seyn. Denn in vielen Ämtern des Landes muß nun, auf des Fürsten Befehl, das Wild niedergeschossen werden. Der arme Taglöhner und Bauer werden also in der Folge sanfter schlafen, wenn nicht mehr die Sorge sie ängstet, ein Hirsch oder Schwein möchte in dieser nächtlichen Ruhestunde ganze Tage ihrer mühseligen Arbeit vereiteln. Manche Forstmeister möchten sich freylich darob die Haare aus dem Barte reißen, weil sie noch immer nicht einsehen, wie einem Fürsten an ein Paar zufriedenen Bauern mehr gelegen seyn könne, als an ein Paar gemästeten Schweinen oder Hirschen.| Allein der Marggraf ist nun einmahl anders Glaubens, und Veränderlichkeit über solche Religionspuncte darf man von seinem Charakter nicht fürchten. Ist es an dem, wie mir gewiß versichert wurde, daß die Lady Craven an diesem wohlthätigen Entschlusse des Fürsten beträchtlichen Antheil hat, so verdient die patriotische Engländerin hier ein Wort des Dankes im Namen aller Anspachischen und Bayreutischen Bauern.

Von dem verdienstvollen Minister von der Kettenburg, der schon lange mit dem Beyfall seines Fürsten seinen erhabenen Posten bekleidete, brauche ich Ihnen weiter nichts zu sagen, als daß ihm nunmehr auch die Curatel über die Universität zu Erlangen anvertrauet ist. Da sich die drey ihm zugeordneten Assistenzräthe, Wagner, Kölle und Kapp, nunmehr insgesammt zu Bayreut befinden, so kann sich ausser andern Vortheilen die Universität bey ihren Angelegenheiten die schnelleste Expedition versprechen, da vorher die Sachen zweymahl nach Anspach laufen mußten. Noch immer ist der Marggraf für diese Akademie ausserordentlich eingenommen, und in kurzem bin ich im Stande Ihnen die wohlthätigsten Wirkungen seines Wohlwollens gegen dieselbe ausführlich zu berichten.