Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Zimmerpflanzen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 912913
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Zimmerpflanzen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 912–913. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Zimmerpflanzen (Version vom 07.12.2024)

[912] Zimmerpflanzen (hierzu Tafeln „Zimmerpflanzen I und II“), Ziergewächse, welche man der Schönheit ihrer Blätter, Blüten oder Früchte halber frei oder unter Glas im Zimmer kultiviert. Alle Zimmergärtnerei ist ein Notbehelf und muß sich überall auf solche Pflanzen beschränken, welche unter der Ungunst der Verhältnisse nicht allzu sehr und allzu schnell leiden. Je mehr man ein Zimmer ausschließlich der Pflanzenkultur widmen kann, um so besser werden die zweckmäßig ausgewählten Pflanzen gedeihen, und wer ein Gewächshaus besitzt und aus diesem Blatt- und Blütenpflanzen in der Periode ihrer besten Entwickelung für kurze Zeit ins Zimmer versetzen und sie dann behufs der Wiederherstellung ihrer im Zimmer angegriffenen Gesundheit in das Gewächshaus zurückbringen kann, ist in seiner Auswahl nur wenig beschränkt. Sehr gute Resultate erzielt man auch unter Beschränkung auf eine geringe Anzahl von Pflanzen, wenn man am Fenster einen Ausbau oder einen Einbau anbringt, gewissermaßen ein kleines Glashaus, in welchem die Pflanzen vom übrigen Zimmer abgeschlossen sind. Diese Vorrichtungen können unter günstigen Verhältnissen ziemlich beträchtliche Dimensionen erhalten und lassen recht gute Resultate erzielen. Ihnen schließen sich dann die sogen. Terrarien oder Wardschen Kasten an, kleine bewegliche Häuschen mit Glaswänden, welche für die Kultur zarter, auf große Luftfeuchtigkeit angewiesener Pflanzen des Warmhauses sehr geeignet sind. Hat man auf dergleichen Vorrichtungen überhaupt zu verzichten, so muß man sich den härtesten Pflanzen zuwenden und sie durch sorgfältige Pflege möglichst vor Erkrankung zu schützen suchen. Für solche Verhältnisse sind am empfehlenswertesten die Blattpflanzen (s. d.) und eine größere Anzahl Knollen- und Zwiebelgewächse, welche zum Teil nur geringe Ansprüche machen, auch wohl einen Teil des Jahrs ruhen und dann schnell auf den Höhepunkt ihrer Entwickelung gelangen. Die Blütenpflanzen sind verhältnismäßig am schwierigsten zu kultivieren, weil sie in den verschiedenen Perioden des Jahrs ungleiche Behandlung erfordern und bezüglich der Temperatur und Feuchtigkeit der Luft zum Teil Anforderungen stellen, die nicht immer und überall zu erfüllen sind. Die hauptsächlichsten Unzuträglichkeiten, welchen die Z. ausgesetzt zu sein pflegen, sind: Lichtmangel und ungünstige Temperaturverhältnisse, trockne Luft und Staub. Die Art, denselben zu begegnen, ist bei den Blattpflanzen (s. d.) besprochen worden. Die Blütenpflanzen sind nun noch mehr an das Licht gebunden, während viele von ihnen auf größere Feuchtigkeit der Luft weniger Anspruch machen. Ein eigner Zweig der Zimmergärtnerei ist die Treiberei, welche eine vorzeitige Entwickelung der Vegetation durch Zuführung von Wärme und Feuchtigkeit zu erreichen sucht. Zum Treiben eignen sich nur kräftige, gesunde Pflanzen mit gut entwickelten Wurzeln, und es ist erforderlich, daß dieselben eine ihrer Natur angemessene Ruhezeit genossen haben. Man treibt mehrere Sträucher, hauptsächlich aber und mit der größten Aussicht auf Erfolg Zwiebel- und Knollengewächse, wie Hyazinthen, Tulpen, Crocus, Narzissen, Tazetten, Jonquillen, Schneeglöckchen, Ranunkeln, Anemonen, die Jakobslilie (Amaryllis formosissima) etc. Auch viele Sträucher und Stauden, wie Abutilon, Azalien, Alpenrosen, Begonien, Chrysanthemum, Cinerarien, Tropaeolum Lobbianum etc., lassen sich frühzeitig zur Blüte bringen. Für Verhältnisse, unter denen die Überwinterung einer größern Zahl von Topfpflanzen schwierig ist, wählt man Sommerblumen (Annuellen), die man im ersten Frühjahr aus Samen erzieht oder als Setzlinge beim Gärtner kauft. Die Zahl derartiger für die Topfkultur geeigneter Pflanzen ist sehr groß, und sie sind dem Blumenfreund sehr zu empfehlen; Cobaea, Tropaeolum, Aster, Celosia cristata, Levkojen, Clarkia, Clinthonia, mehrere Arten von Datura. Chinesernelken, Balsaminen, Lobelien, Lupinen, Mimulus, Oxalis, Petunien, Phlox, Reseda, Verbenen, Stiefmütterchen verdienen besonders Beachtung. Übrigens erreichen manche Annuellen eine ganz besondere Vollkommenheit, wenn sie im Herbst ausgesäet und als Sämlinge überwintert werden. Viele ausdauernde Pflanzen werfen zum Winter das Laub ab, können dann das Licht entbehren und in gewöhnlichen trocknen Kellern überwintert werden; selbst einige immergrüne ertragen derartige Behandlung, welche im allgemeinen eine gute Überwinterung sichert. Azalien, Calycanthus, Fuchsien, Pelargonien, Hortensien, Lorbeer, Oleander, Päonien, Passifloren, der Granatbaum, Robinien, Rosen, Viburnum tinus u. a. gehören hierher. Gewisse Zwiebel- und Knollengewächse, wie Gladiolus, Iris, die Lilien, sind noch leichter zu überwintern, da sie vollständig einziehen. Verfügt man über einen hellen, frostfreien Raum, so sind die Pflanzen allerdings viel mehr gesichert, und man kann dann

[Beilage]

[Ξ]

ZIMMERPFLANZEN I.
(Die Beschreibung der Pflanzen siehe unter den lateinischen Gattungsnamen.)
[oben:] Passiflora coerulea (Passionsblume). – Punica granatum (Granatbaum). – Cattleya Skinneri. – Abutilon insigne (Schmuckmalve). – Tropaeolum Lobbianum (Kapuzinerkresse).
[unten:] Anthurium Scherzerianum. – Begonia boliviensis (Schiefblatt) und Hybriden. – Pitcairnia furfuracea. – Cypripedium venustum (Frauenschuh).

[Ξ]

ZIMMERPFLANZEN II.
(Die Beschreibung der Pflanzen siehe unter den lateinischen Gattungsnamen.)
[oben:] Achimenes amabilis. – Cyclamen persicum (Alpenveilchen). – Amaryllis formosissima (Jakobslilie). – Anemone coronaria.
[unten:] Gesnera bulbosa. – Amaryllis species. – Lilium auratum. – Crinum scabrum (Hakenlilie). – Eucharis amazonica.

[913] auch eine größere Auswahl treffen. Ganz unbrauchbar aber sind warme Räume für derartige Pflanzen, weil dieselben bei der hohen Temperatur austreiben, infolge des Lichtmangels aber doch nur schwächliche Triebe hervorbringen und dem Sommer kraftlos entgegengehen. Für warme Zimmer muß man vielmehr Pflanzen wählen, welche ein Ruhestadium in so ausgesprochenem Maß wie die genannten nicht besitzen oder an und für sich auf höhere Temperaturen angewiesen sind. Dahin gehören außer den schon bei den Blattpflanzen erwähnten Palmen und Dracänen noch die Dasylirien, Pitcairnia, Bonapartea, Aechmea u. a., dann auch Anthurien, von denen das schöne Scherzerianum durch seine lange ausdauernden Blüten erfreut, Aralien, mehrere Begonien, Caladien, Cannas, auch viele Orchideen, die keineswegs alle so hohe Temperaturen fordern, wie man bis vor kurzem allgemein annahm, sondern zum Teil im Wohnzimmer bei geschickter Behandlung vortrefflich gedeihen, wie gewisse Arten von Cypripedium, Cattleya, Lycaste, Laelia, Epidendron etc., dann auch die Aloearten, Kakteen, von denen viele die prachtvollsten Blüten entfalten, Echeverien etc. Große Beachtung als Z. verdienen endlich auch die Achimenes-, Gloxinien- und Gesneria-Arten, Bouvardien, Kalceolarien, Kamelien, mehrere Citrus-Arten, namentlich die Varietäten C. Bigarradia und C. chinensis, Volkameria, das Alpenveilchen, Grissinien, mehrere Nerine-Arten, gewisse Passifloren, Crinum-, Amaryllis-Arten, Vallota purpurea, Eucharis amazonica etc. Vgl. Regel u. Ender, Allgemeines Gartenbuch, Bd. 2 (Zürich 1868); Schmidlin, Blumenzucht im Zimmer (4. Aufl., hrsg. von Jühlke, Berl. 1880); Rümpler, Zimmergärtnerei (2. Aufl., das. 1884); Jäger, Zimmer- und Hausgärtnerei (3. Aufl., Hannov. 1883); Keller, Der Zimmergarten (Halle 1878); Lebl, Die Zimmer-, Fenster- u. Balkongärtnerei (Stuttg. 1878).