Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Anemōne“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 561562
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Anemōne. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 561–562. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Anem%C5%8Dne (Version vom 27.12.2022)

[561] Anemōne L. (Windröschen, Windblume), Gattung aus der Familie der Ranunkulaceen, ausdauernde Kräuter mit kriechendem Wurzelstock, meist geteilten Blättern, gewöhnlich nur einblütigem Stengel, sechs- bis neunblätterigem, blumenkronartigem Perigon, dreiblätteriger Hülle unter der Blüte und zahlreichen einsamigen Früchtchen. Die meisten Arten gehören der nördlichen gemäßigten Zone, wenige der südamerikanischen und südafrikanischen Flora an. A. coronaria L. (Gartenanemone, s. Tafel „Zimmerpflanzen II“), in Südeuropa und dem Orient, mit großen, dunkelroten, blauen oder weißen Blüten, wird in zahlreichen Varietäten, namentlich in Holland, als Zierpflanze kultiviert. Unter den Varietäten dieser Pflanze verbergen sich wahrscheinlich zwei Arten, eine mit lebhaft roten Blumen mit weißem Auge und eine violettblaue. Durch die Kultur hat man Blumen von 7–8 cm Durchmesser erzielt, teils einfarbige, teils gefleckte und gestreifte sowie dicht gefüllte. Ebenfalls als Zierpflanzen sind geschätzt: A. japonica Sieb., mit rosa und weißen (Honorine Jobert) Blüten; A. hortensis L. (Sternanemone), in der Schweiz, Istrien, Fiume, Italien, bei uns in Gärten gefüllt und einfach vorkommend; A. narcissiflora L. (narzissenblütige A.), auf dem Riesengebirge und in den Alpen, mit weißen Blüten; A. pavonina L., (Pfauenanemone), aus Südfrankreich, mit großer, aus 10–12 lanzettförmigen, sehr spitzen, schmalen, feurig karminroten Blättern bestehender Blume; A. sylvestris L. (Waldanemone), in Europa und Nordasien, mit weißen Blüten. A. nemorosa L. (Waldröschen, Aprilblume, weiße Osterblume) blüht bei uns in Laubholzwaldungen im Frühjahr. Die frischen Blätter und Blumen haben einen brennenden Geschmack und verursachen, wenn sie länger auf der Haut liegen, Blasen und Geschwüre. Sie wurden früher als blasenziehendes Mittel angewendet; in größern Gaben genommen, wirken sie [562] giftig und können Entzündungen im Magen und Darmkanal herbeiführen. Die Kamtschadalen bereiten aus dem Safte der Pflanze ein Pfeilgift. Sie enthält flüchtiges Anemonin C15H12O6. Dies bildet farblose, leicht zerreibliche Prismen, ist geruchlos, fast geschmacklos und löst sich wenig in kaltem Wasser und Alkohol; nach dem Schmelzen schmeckt es höchst brennend pfefferartig und bewirkt einige Tage anhaltende Taubheit der Zunge. A. ranunculoides L. (gelbe Osterblume), mit gelben Blüten, hat mit der ihr auch sonst ähnlichen vorigen Art gleiche Eigenschaften.