Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Waffen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 312314
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Waffen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 312–314. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Waffen (Version vom 18.10.2024)

[312] Waffen (altdeutsch Wapen), Werkzeuge zur Schädigung des Feindes oder zum Schutz gegen feindliche Schädigungen, Trutz- und Schutzwaffen. Steine [313] und Knüppel mögen die ersten W. der Menschen gewesen sein, aber schon die ältere Steinzeit kannte zugespitzte Unterschenkelknochen großer Säugetiere als Stichwaffen, Unterkiefer von Höhlenbär und Höhlenlöwe als Haubeil. Aus Steinen, die beim Zersplittern scharfen Bruch geben (Feuerstein, Obsidian etc.) wurden Messer, Dolche, Lanzenspitzen, aus zähen, festen Gesteinen Äxte, Spitzhacken, Hämmer etc. geschlagen, die später mit Fellstreifen oder Sehnen an Stielen befestigt wurden. Auch Bogen und Pfeil mit steinerner oder knöcherner Spitze waren bekannt, ebenso der Lasso. Die jüngere Steinzeit hatte dieselben W., aber in mannigfaltigern Formen und von besserer Technik. Einen bedeutenden Fortschritt zeigt die Metallzeit. Schwerter, Dolche, Schilde, Celte, Streitäxte etc. wurden aus Bronze hergestellt und imponieren zum Teil durch schöne Form. Hallstatt lieferte bereits eiserne Schwerter mit Bronzegriff, Dolche in Scheiden von getriebenem Bronzeblech. Helme aus Bronze oder einem mit Leder bezogenen und mit Bronzeplatten belegten Holzgeflecht fand man in Krain. Die La Tène-Periode besaß hölzerne, mit Eisenplatten belegte Schilde (vgl. Metallzeit). Alle Kulturvölker des Altertums legten neben den Trutzwaffen ein besonderes Gewicht auf die Schutzwaffen, welche in der Eisenrüstung der Ritterzeit ihre höchste Blüte erreichten, um dann mit der zunehmenden Einführung und Entwickelung der Feuerwaffen ganz zu verschwinden. Die Ägypter trugen als Kopfbedeckung mit Metallplättchen benietete Lederkappen, nur die Könige trugen einen Metallhelm, einen mit Lederstreifen besetzten Rock, auch Panzerhemden von Krokodilhaut oder Lederhemden, dachziegelförmig mit Bronzeplatten besetzt, einen großen, rechteckigen oder ovalen Schild mit Augenloch; das schwere Fußvolk einen kurzen Speer, Stabkeule, Streitaxt, ein dolchartiges Schwert, einen sichelartigen Krummsäbel (Khops), das leichte Fußvolk den Bogen; im sehr beliebten Kriegswagen standen zwei Mann, ein Bogenschütze und ein Wagenlenker, zugleich Schildträger. Bei den Assyrern, Persern, Medern etc. war der Streitwagen die vornehmste Waffe, von dem auch die Könige mit Pfeil und Bogen kämpften, später traten Wurfspieß und Streitaxt hinzu. Sie trugen, wie alle Krieger, einen Metallhelm oder Lederkappe, Linnenpanzer, später mit (sogar tauschierten) Eisenplatten benäht (Schuppenpanzer), auch stählerne Panzerhemden und -Hosen, kleine, runde Schilde mit Stoßspitzen. Sie führten Schwerter aus Bronze, Eisen, auch Stahl (Damaszener Arbeit), Lanzen, Streitkolben, Stachelkeule (Morgenstern), Streitäxte mit Doppelschneide, Schleudern. Berühmt war die babylonische Reiterei; die leichten Reiter trugen Linnenpanzer und führten den Bogen, die schweren Metallhelme, mit dem Eisenpanzer durch die Halsberge verbunden, Beinschienen, führten Schwert und Stoßlanze; auch die Pferde waren gepanzert. Die Perser hatten auch eine Art Feldgeschütze, fahrbare Wurfmaschinen, und vorzügliches Belagerungsgerät an Wurfmaschinen, Sturmböcken (Widder), Sturmleitern, hohe Wandeltürme, sogar einen vorzüglichen Brückentrain.

Bei den Griechen vervollkommten sich alle W., die Panzer zur wirklichen Plattenrüstung, Brust- und Rückenpanzer durch Schnallriemen verbunden, den Unterleib deckten Panzerflügel, die Schultern Schulterstücke; es wurden auch Lederkoller, Schuppen- und Ringpanzer getragen. An den Unterschenkeln saßen Beinschienen. Der Helm (s. d.) war vielgestaltig. Der Schild war anfänglich rund, später oval, erzumrandet, mit Schildnabel, auch Schildsprüchen. Hauptwaffe war der Speer, bis 2,5 m lang, als Stoß-, Wurf- und Riemenspeer; der um den Speer gewickelte Riemen versetzte letztern beim Wurf in Drehung. Später erreichte der Spieß gegen 5 m Länge und wurde mit zwei Händen geführt; das zweischneidige Schwert war etwa 0,50 m lang. Der Bogen aus Tiergehörn (Doppelbogen) war sehr beliebt. Das Geschützwesen war hoch entwickelt, man hatte Horizontal- und Wurfgeschütze in verschiedenen Kalibern, erstere (Euthytona) schossen Pfeile, letztere (Palintona) warfen Steine; die Gastaphreten, eine Art großer Armbrust, dienten als Wallbüchsen, eine größere Art als Gebirgsgeschütze; auch war ein Schnellgeschütz bekannt. Für den Belagerungskrieg waren Kriegsmaschinen (s. d.) in vollendeter Technik im Gebrauch. Die W. der Römer in der Kaiserzeit sind denen der Griechen ähnlich. Als Schutzrüstung diente ein Gurtpanzer aus Metallstreifen (lorica segmentata), Offiziere, Principes und asiatische Hilfsvölker dagegen Schuppen- oder Kettenpanzer (s. Kataphrakten), der lederne Waffenrock wurde auf dem Rücken geschnürt. Der lederne, eng beschlagene (galea) wie der metallene (cassis) Helm hatte nicht, wie der griechische, ein Visier, dagegen Stirn- und Nackenschiene und Backenstücke. Den rechten Unterschenkel deckten Beinschienen, später Lederstrümpfe, dann Bundschuhe und Hosen. Der Schild (s. d.). Hauptwaffe ist das Schwert (gladius), seit Hadrian bedeutend länger, spatha genannt, bis ins 1. Jahrh. aus Bronze, dann aus Eisen. Nächst dem Schwert ist die charakteristische Waffe der Römer das Pilum, der Wurfspeer. Bogen und Pfeil und die Schleuder wurden nur von Hilfstruppen (Kretern und Balearen) geführt. Die Reiterei führte Schwert und Lanze. Die Geschütze haben die Römer ganz von den Griechen entlehnt.

Die Urwaffe der Germanen war die Framea (Celt), zum Wurf, Stoß und Hieb in gleicher Weise geeignet; aus ihr entwickelte sich nach einer Richtung die Streitaxt zum Schlag und Wurf, bei den Franken das Kriegsbeil, die Franziska, während bei den Skandinaviern und in Norddeutschland der Streithammer vorherrschte. Die Wurfkeule, die Teutona oder Cateja der Goten, ist später als Morgenstern bei den Schweizern und Süddeutschen weitverbreitet. In der andern Richtung gingen aus der Framea der Speer, Angon (Angelhakenspeer, Wurfspeer mit Widerhaken), Ger, Spieß, Pike, Lanze, die eigentlichen Stoßwaffen, hervor, die auch geworfen wurden (Wurfspieß). Hierher gehört die Ritterlanze für den Kampf und das Turnier; die langgestielte Pike wird, zum Hieb geeignet, zur Hellebarde, sie ist eine langgestielte Streitaxt, die als Sponton bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrh. im Gebrauch blieb; Abarten sind die Partisane, Korseke, Gleve etc. Der Streithammer erhielt dann später noch eine Spitze, als Panzerbrecher; der Streitkolben diente mit seinen scharfkantigen Platten oder Stacheln gleichem Zweck. Das Schwert, nachmals die Hauptwaffe der Deutschen, wurde zu Tacitus’ Zeiten nur von den westlichen und nördlichen Völkern geführt und war ein zweischneidiges, spitzeloses Hiebschwert (sine mucrone) aus Eisen, Stahl, aus welchem dann die Spatha, ähnlich dem römischen Schwert (gladius), nur sehr viel länger, hervorging; schilfblattförmig, 1,0–1,4 m lang, war es dieses Schwert, welches in Italien und Palästina den Namen der Deutschen schreckenvoll verbreitete. Auch das Schwert Karls d. Gr. war dieser Art, und wie Cäsar und Tacitus erzählen, sprangen auch noch während der Kreuzzüge [314] Heerführer und Ritter vor oder in der Schlacht vom Pferd und kämpften mit dem Langschwert, der Spatha, zu Fuß; im 15. Jahrh. wurde daraus der Zweihänder, der Flamberg (s. d.). Neben dem zweischneidigen wurde auch das einschneidige Hieb- und Stoßschwert, das lange Saxschwert, und der Sachs (Sax, Skramasax) Lieblingswaffe der Sachsen, ein Kurzschwert oder Kampfmesser; ersteres bis 1,5 m lang und gegen 2,5 kg schwer, letzteres 0,5–0,8 m lang, ward in ältern Zeiten neben der Spatha geführt und bei weiterer Verkürzung zum Messer und Dolch (s. d.), die gleichfalls neben dem Schwert geführt wurden, erstere ein-, letztere zwei- und mehrschneidig. Bogen und Pfeil, seit Urzeiten im Gebrauch, erhielten sich bis ins Mittelalter, doch wurde der Bogen nie Kriegswaffe der Ritter, diese benutzten ihn nur zur Jagd; er war in Deutschland mehr Volkswaffe, in Franken und Bayern waren im 6. Jahrh. auch Giftpfeile im Gebrauch (s. Pfeilgift); in Frankreich war der Bogen beliebter, aber besondern Ruf hatten die englischen Bogenschützen. Anfang des 13. Jahrh. kam in Frankreich die Armbrust als Kriegswaffe in Aufnahme, etwas später in Deutschland und zwar zunächst bei den Städten in ihren Kämpfen gegen den Adel. Die erste Wandlung der alten W. beginnt etwa im 5. Jahrh. Das Fußvolk erscheint mit Schild, Speer, Bogen und zwölf Pfeilen, der Unfreie durfte den Speer nicht führen. Die Reiter mußten mit Schild, Lanze, Lang- und Kurzschwert, Bogen und Pfeilen versehen sein. An die Stelle der Framea tritt der Speer, für das Kampfbeil und Franziska das Schwert und das Kurzschwert (Skramasax); die Bronze tritt gegen Eisen zurück und ist gegen Ende des 8. Jahrh. ganz verschwunden. Zu dieser Zeit trugen nur wohlhabende Krieger die Ringbrünne, die Krieger noch im 10. Jahrh. den Schuppenpanzer (lorica), ein Lederwams, dachziegelförmig mit Schuppen benäht, aber es war das gegitterte und geringelte Panzerhemd schon in Gebrauch gekommen (s. Rüstung), beide waren pfeilfest; auch bekettete kommen auf, und erst im 12. Jahrh. wird das Ringhemd gebräuchlicher. Mitte des 13. Jahrh. traten Eisenplatten auf den Schultern, die Anfänge des Plattenharnisches, hinzu; an die Stelle des Glockenhelms trat der Topfhelm. Die nächste Wandlung in den W. vollzieht sich nach den Kreuzzügen. Der Panzer wird fester, und mit der Kunst des Eisentreibens treten in Deutschland um 1370 die Plattenharnische auf, die um 1500 ihre höchste Blüte erreichen. Die große Festigkeit der Schutzwaffen fordert wirksamere Trutzwaffen, es treten nun zum großen Schwerte der Streitkolben, Streithammer, Hellebarde, Lanze und die Armbrust (s. d.); aber gegen die Mitte des 14. Jahrh. treten auch schon die Feuerwaffen auf, die dann nach und nach alle Schutzwaffen von Mann und Pferd zu Falle bringen, alle Fernwaffen (Bogen, Armbrust und die Kriegsmaschinen, s. d.) verdrängen und die Nahwaffen auf Schwert, Säbel und Lanze beschränken (vgl. Geschütz und Handfeuerwaffen).

Von den Urzeiten an hat man die W. geschmückt, künstlerisch verziert und die höchsten Leistungen der Technik auf ihre Herstellung verwendet. Für das spätere Mittelalter und in der Renaissancezeit bilden die W. aller Art eine reiche Fundgrube für das Studium des Kunstgewerbes. Wenn zu jener Zeit die einzelne Waffe als Individuum auftritt und als solches auch häufig einen Namen erhält, so betrachtet es die Neuzeit als höchste Aufgabe der Waffentechnik, daß sämtliche W. derselben Art vollkommen gleich sind. Da die W. zu allen Zeiten als Ehrenschmuck des Kriegers wie jedes waffenfähigen, unbescholtenen Mannes galten, ihr Verlust daher als Schmach oder wohl auch gleich dem Verlust der Ehre angesehen wurde, hat sich bei den alten Völkern, namentlich den Germanen, eine Symbolik der W. entwickelt, die tief in das Volksleben eingriff. Die Hasta (Speer) diente den Königen alter Zeit als Zepter, Zeichen der Herrschergewalt, der Braut wurde bei der Vermählung mit der Hasta das Haar gescheitelt. Die Zusendung eines zerschnittenen Pfeils galt bei den Schweden (noch im 8. Jahrh.) als Kriegserklärung und Einberufung der streitbaren Mannschaft (Heerpfeil), bei den Bayern das Hineinschießen eines Pfeils in ein Gehöft als Fehdeerklärung. Vor allen W. ist das Schwert reich mit Symbolik umwoben, die auch durch die Kreuzform der Parierstange religiösen Charakter erhielt, daher bei der Eidesleistung das Schwert gleich dem Evangelium galt. Bei den alten Germanen war die Verleihung der W. ein feierlicher Akt, wodurch der herangewachsene Knabe in die Reihe der wehrhaften Jünglinge aufgenommen ward. Hin und wieder war es auch Sitte, dem gefallenen Krieger die W. mit ins Grab zu geben oder sie mit ihm zu verbrennen, während anderwärts die W. der Väter auf die Söhne forterbten, um diese zur Nachahmung der väterlichen Tugenden anzuspornen. W. dienten auch oft zur Aufrichtung von Siegeszeichen (Trophäen, s. d.); bei den Römern wurden insbesondere die W. feindlicher Feldherren in den Tempeln aufgehängt.

W. werden auch die verschiedenen Truppengattungen genannt (s. Truppen); in diesem Sinn sind Hauptwaffen: Infanterie, Kavallerie, Feldartillerie; Spezialwaffen: Fußartillerie, Pioniere, Train etc.; Ordonnanzwaffen heißen die vom Staat zur Bewaffnung des Heers eingeführten W. Vgl. Schott, Grundriß der Waffenlehre (2. Aufl., Darmst. 1876); Neumann, Leitfaden für den Unterricht in der Waffenlehre (3. Aufl., Berl. 1885); Witte, Gemeinfaßliche Waffenlehre (das. 1887); Specht, Geschichte der W. (das. 1869–76, 2 Abtlgn.); Demmin, Die Kriegswaffen in ihrer historischen Entwickelung (2. Aufl., Leipz. 1886); Jähns, Handbuch zur Geschichte des Kriegswesens (mit Atlas, das. 1878–80); Capitaine und v. Hertling, Die Kriegswaffen (Rathenow 1887 ff.), und Litteratur bei Art. Handfeuerwaffen.