MKL1888:Kriegsmaschinen

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kriegsmaschinen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 215
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Kriegsmaschinen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 215. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kriegsmaschinen (Version vom 07.10.2023)

[215] Kriegsmaschinen, bei den Alten, insbesondere den Griechen, Makedoniern und Römern, Hilfsmittel im Krieg, die teils im offenen Felde, teils bei Belagerungen zur Offensive und Defensive gebraucht wurden. Auf griechische Erfindung gehen von denselben zurück die Katapulte (s. d.), die wir um 400 v. Chr. zum erstenmal angewandt finden. Dieselben waren teils kleinern Kalibers, so daß sie von einem Soldaten mit der Kraft seines Arms bedient werden konnten und in der offenen Schlacht bei der Verteidigung fester Positionen Verwendung fanden, teils von bedeutenden Dimensionen, so daß sie schwere Balken, große Steine und Brandpfeile schossen und hierdurch vorzugsweise bei Belagerungen wirkungsreich wurden. Bei den vielen Belagerungen der Diadochenkämpfe steigerte man ihre Größe und Wirkung, und wie man sie im Seekrieg zur Armierung von Schiffen verwandte, so besetzte man mit denselben auch mehrere Stockwerke von hohen Türmen, die dann an die Mauern der feindlichen Stadt herangeschoben wurden. Die Bedeutung dieser Maschinen im Festungskrieg ist daraus ersichtlich, daß Scipio nach der Eroberung von Neukarthago 210 v. Chr. in dieser Stadt 476 Stück größern und kleinern Kalibers erbeutete, und daß die Juden ihre Hauptstadt gegen die Römer mit 340 Geschützen verteidigten. Wenn auch die Wirkung jener Geschütze auf die Steinmauern und Palissaden der alten Zeit verhältnismäßig nicht unbedeutend war, so wurde ihre Brauchbarkeit doch durch verschiedene Umstände sehr vermindert. Ihrer Größe wegen boten sie den feindlichen Geschossen günstige Ziele; ihre Wirkung, die vorzugsweise auf der Elastizität von Sehnen beruhte, wurde durch längern Gebrauch und feuchtes Wetter sehr beeinträchtigt, und ihre komplizierte Konstruktion machte häufige und langwierige Reparaturen notwendig. Deshalb fand der griechische Katapult bei den für den Festungskrieg überhaupt weniger beanlagten Römern erst spät allgemeine Aufnahme, und noch Cäsar bediente sich bei seinen Kämpfen in Gallien mehr des altrömischen Mauerbrechers (s. Aries), des Hebekastens oder Schwengels (Tolleno), der mit 12–20 Kriegern besetzt war und mittels eines Krans auf die Mauer gebracht wurde, und des Wandelturms (s. d.) samt den damit verbundenen Hilfsmitteln. Erst in der Kaiserzeit kam der Katapult in allgemeine Aufnahme. Im 4. Jahrh. n. Chr. finden wir im römischen Heer zwei neue Geschütze, den Onager, einen einarmigen Katapult, und ein eisernes Bogengeschütz, die Balliste (s. d.). Diese K. nebst den Wandeltürmen (in Deutschland Ebenhöch genannt) waren auch im Mittelalter bis zur Erfindung des Schießpulvers allgemein in Gebrauch (vgl. Antwerke und Festungskrieg). Eingehende, aber doch zuweilen dunkle Beschreibungen der alten Geschützkonstruktionen haben sich zahlreich erhalten und sind übersetzt und erläutert von Köchly und Rüstow in „Griechische Kriegsschriftsteller“, Bd. 1 (Leipz. 1853).