Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Katapult“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 605607
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Katapult. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 605–607. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Katapult (Version vom 15.11.2024)

[605] Katapult (lat., griech. Katapeltes), armbrustähnliches Torsionsgeschütz der Alten. Seine Konstruktion war im wesentlichen folgende: zwei Bündel von starken Sehnen waren in mäßiger Entfernung voneinander

Fig. 1.
Spannkasten der Wurfgeschütze.

in einen aufrecht stehenden Rahmen aus festem Holz so eingespannt, daß sie durch Öffnungen in den beiden horizontalen Leisten (also in der obern und untern) hindurch gingen und oberhalb und unterhalb [606] derselben durch mitten hindurch gesteckte Buchsen und eiserne Spannbolzen gehalten und durch Drehungen derselben in starke Torsion gebracht werden konnten (Fig. 1). Aus der Mitte jedes Bündels ragte seitwärts, wie bei einer Armbrust, ein starker Balken, der durch den straffen Zug jener Sehnen in wagerechter Stellung gehalten wurde; die freien Enden

Fig. 2.
Katapult.

dieser beiden Holzarme waren durch eine starke Sehne miteinander verbunden. Beim Gebrauch der Wurfmaschinen wurden zunächst durch die Spannbolzen die Sehnenbündel angezogen und dann mittels Winden oder eines Flaschenzugs die Schußsehne nach hinten gezogen. Beim Loslassen derselben schnellten die hierdurch aufs äußerste gespannten Sehnenbündel die Arme der Maschine zurück und trieben mittels der Sehne das Geschoß hinaus (Fig. 2). Hinsichtlich der Geschosse und der hiernach eingerichteten Bauart der Geschütze unterschied man zwei Arten von Katapulten: entweder wurden 1/2–11/2 m lange eisenbeschlagene Pfeile geschossen, wobei diese in einer zwischen den beiden Sehnenbündeln liegenden Rinne liefen und von runden Sehnen getrieben wurden, oder man schleuderte Steine, Bleikugeln oder Balken, wobei die Sehne ihrem Zweck entsprechend bandförmig war. In jenem Fall war die Richtung der Spannung und demgemäß auch des Schusses die horizontale und die hierzu gebrauchten Geschütze hießen Gradspanner (griech. Euthytona); im andern Fall geschah die Spannung in einem Winkel von 45°, so daß auch die Flugbahn der Steine diesen Elevationswinkel hatte, und hierzu gebrauchte man die Winkelspanner (griech. Palintona). Bei den Griechen ist also K. der gemeinschaftliche Name für beide Arten der Geschütze; die Römer gebrauchten dieses Wort nur für die erstere Art (neben der Bezeichnung Skorpion) und nannten die zweite Art der griechischen Katapulte Ballisten (s. d.). Die Wirkung dieser Geschütze, wenn sie auch nicht ganz unbedeutend war, läßt sich gleichwohl mit der der unsrigen nicht vergleichen. Die Euthytona größten Kalibers schossen einen Pfeil bis 600 m und trieben ihn dann noch einige Zoll in eine Holzwand ein, die Palintona vermochten einen 75 kg schweren Stein bis 400 m weit zu werfen. Von Archimedes wird freilich erzählt, daß er bei der Belagerung von Syrakus auf die römische Flotte Massen von 1200 Pfund schleuderte, und Philipp von Makedonien stellte bei der Belagerung von Ägina drei Batterien von Palintonen auf, welche Steinmassen von 1–8 Ztr. schossen. – Die erste Anwendung der Katapulte finden wir um 400 v. Chr. in dem Krieg, welchen Dionysios von Syrakus mit den Karthagern führte; hierher, in das Vaterland des Archimedes, wird wohl auch ihre Entstehung zu setzen sein. Von hier verbreitete sich die Erfindung nach Griechenland, wo die makedonischen Könige Philipp und Alexander umfassenden Gebrauch von derselben machten. Wie überhaupt die Euthytona stets in überwiegend größerer Menge vorhanden waren als die Palintona, so hatte Philipp in seinem Heer 25 Geschütze von dieser und 150 von jener Konstruktion, deren er sich namentlich bei Flußübergängen, Uferverteidigungen u. Angriffen auf Defilees bediente. Alexander ließ bei der Belagerung von Tyrus die Katapulte in großartige Wirksamkeit treten. Viele Verbesserungen wurden an den Katapulten in der Diadochenzeit vorgenommen, wo sie durch Demetrios Poliorketes die ausgedehnteste Verwendung fanden. Die Römer lernten sie zu ihrem großen Schaden bei der Belagerung von Syrakus kennen und bedienten sich derselben seit dem zweiten Punischen Krieg.

Im Prinzip mit dem K. verwandt, in seinen Wirkungen aber wohl noch stärker ist der in der spätern Kaiserzeit aufgekommene einarmige K. (Tormentum, „Torsionsgeschütz“), wegen seiner Bauart auch Skorpion genannt (Fig. 3). Bei demselben ist nur

Fig. 3.
Einarmiger Katapult (Tormentum, Onager).

ein (ebenso wie beim zweiarmigen K. konstruiertes) Sehnenbündel vorhanden, welches in einem Kasten oder zwischen zwei auf der Erde liegenden starken Bäumen horizontal ausgespannt ist, und aus dessen Mitte senkrecht nach oben ein langer, starker Balken ragt. Derselbe trägt an seinem obern Ende eiserne Haken, an denen eine Schleuder befestigt ist, die das Geschoß aufnimmt. Um zu schießen, wird der Baum mittels einer Winde hinterwärts in eine horizontale Lage gebracht und durch einen eisernen Bolzen in derselben erhalten. Nach geschehener Ladung und Wegschlagung des Bolzens schnellt der Baum nach [607] vorn; sobald er aber wieder in die senkrechte Lage gekommen ist, schlägt sein unteres Ende an ein Polster an, wodurch die Bewegung plötzlich gehemmt und die Steine aus der Schleuder geworfen werden. Der verbreitetste Name für dieses Geschütz war Onager („Waldesel“). Vgl. Köchly und Rüstow, Griechische Kriegsschriftsteller (Bd. 1, Leipz. 1853); Marquardt und Mommsen, Handbuch der römischen Altertümer, Bd. 5 (das. 1878).