MKL1888:Handfeuerwaffen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Handfeuerwaffen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 102110
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Handfeuerwaffen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 102–110. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Handfeuerwaffen (Version vom 25.10.2024)

[102] Handfeuerwaffen (hierzu die Tafeln „Handfeuerwaffen I–III“), im Gegensatz zu den Geschützen diejenigen tragbaren Feuerwaffen, welche aus der Hand abgefeuert werden. Die H. mit langem Lauf werden schlechtweg Gewehr, die mit kürzerm Lauf Karabiner, mit noch kürzerm Pistolen, Revolver, ganz kleine Pistolen auch Terzerole genannt. Je nachdem die H. von der Mündung oder von hinten geladen werden, heißen sie Vorder-, resp. Hinter- oder Rückladegewehre etc. Muß das Hinterladungsgewehr zu jedem Schuß geladen werden, so ist es ein Einlader; hat dasselbe aber eine Einrichtung zur Aufnahme einer Anzahl von Patronen, welche durch den Mechanismus in den Lauf eingeführt werden, so heißt es Mehrlader, Magazin- oder Repetiergewehr und, wenn es nur die Größe einer Pistole besitzt, Revolver. Je nachdem die innern Laufwandungen glatt oder mit Zügen versehen sind, hat man glatte oder gezogene H.; die glatten Gewehre heißen Flinten, die gezogenen, mit außen kantigem Lauf, Büchsen, die entweder Jäger- oder Scheibenbüchsen sind. Jagdgewehre sind entweder ein- oder doppelläufig, im letztern Fall häufig mit einem glatten (Flinten-) und einem gezogenen (Büchsen-) Laufe versehen und werden dann Büchsflinte genannt.

Die H. bestehen in der Regel aus dem Lauf oder Rohr, Schloß, Schaft, der Garnitur und Zubehörstücken. Der Lauf ist aus Eisen oder Stahl gefertigt und oft damasziert. Die Höhlung des Laufs heißt Seele, deren Mittellinie die Seelenachse, die vordere Öffnung Mündung. Die Rohrwandungen nehmen in der Regel nach der Mündung zu an Stärke ab und haben ihre größte Stärke an der Kammer, wo die Patrone liegt. Das Schloß der Vorderlader umschließt den Mechanismus zum Abfeuern, bei den Hinterladern den zum Verschließen des Rohrs und zum Abfeuern des Gewehrs und ist meist aus Stahl oder auch aus Phosphorbronze, der Schaft aus Holz, vorzugsweise Nußbaum, gefertigt und mit dem Lauf durch Ringe verbunden. – Die ersten Anfänge der H. sind die kurz nach dem Bekanntwerden des Schießpulvers fast zugleich mit den Geschützen im 14. Jahrh. aufkommenden sogen. Donnerbüchsen, Stand-, Hand- (Textfig. 1) oder Faustrohre, aus denen sich die

Fig. 1.
Handrohr mit Streitaxt aus dem Jahr 1393.

Hakenbüchsen (s. d.) zu Anfang des 15. Jahrh. entwickelten. Der Lauf war aus Schmiedeeisen über einen Dorn geschweißt und in einem geraden Schaft befestigt. Sie wurden mit glühender Kohle oder Lunte abgefeuert. Zu Anfang des 15. Jahrh. versah man die Büchsen mit einem Hahn in Drachenform, in dessen Kopf die brennende Lunte geschraubt wurde, daher Luntenschloß (Textfig. 2). Durch einen Abzug

Fig. 2.
Luntenschloß.

wurde der Hahn auf die rechts am Lauf sitzende Zündpfanne geleitet. Die Büchsen erhielten um diese Zeit Visier und Korn, eine Ladestockrinne im Vorderschaft und die Kolbendünnung. 1429 fand zu Nürnberg bereits ein Scheibenschießen mit Handrohren statt. Ein wesentlicher Fortschritt war die Erfindung

Fig. 3.
Schnapphahnschloß.

des Radschlosses (s. d.) 1517 durch einen Uhrmacher in Nürnberg. Da dasselbe häufig versagte, blieb das Luntenschloß bis zum Ende des 17. Jahrh. noch im Gebrauch. In Frankreich wurden 1543 für Reiter und Mineure die ersten Karabiner eingeführt. Um dieselbe Zeit ward in München der Doppelabzug oder Stecher und in Spanien das Schnapphahnschloß (Textfig. 3) erfunden, aus welchem sich das Steinschloß entwickelte, das, um 1630 in Frankreich [103] erfunden, 1648 als fertiges Batterie- oder Steinschloß auftrat. Es bestand aus einem Hahn, in dessen Kopf ein Feuerstein durch eine Schraube eingeklemmt war. Er schlug gegen die aufrecht stehende Schlagfläche des stählernen Pfanndeckels, wodurch Funken erzeugt wurden, und da durch den Schlag gleichzeitig der Pfanndeckel zurückgeschlagen wurde, konnten die Funken das in der nun geöffneten Pfanne liegende Pulver entzünden. Der Schloßmechanismus war im Steinschloß von 1648 schon derselbe, wie er im Perkussionsschloß

Fig. 4.
Perkussionsschloß.

(Textfig. 4) gegenwärtig noch besteht. Letzterm liegt die Anwendung von Knallpräparaten (knallsaurem Quecksilberoxyd) zu Grunde. Die erste Anwendung desselben zur Entzündung von Gewehrladungen machte 1807 der Schotte Alexander Forsyth.

Als das Ritterwesen mit seinen Harnischen zu Falle gebracht war, konnte man mit Beginn des 17. Jahrh. eine Verminderung der Kaliber und somit auch des Gewichts der Waffe eintreten lassen. Die Muskete des Dreißigjährigen Kriegs hatte 18 mm Kaliber und wog 6 kg, die des Siebenjährigen Kriegs nur 4,75 kg. 1640 ward das Bajonett (s. d.), 1730 durch Leopold von Dessau der eiserne Ladestock erfunden; der Schaft erhielt eine für den Anschlag bequeme Krümmung, und die Feuergeschwindigkeit mit diesen Gewehren war so groß, daß Friedrich d. Gr. in einer Minute fünf Schuß abgeben ließ. Diese H. schossen bleierne Rundkugeln von 26–32 g mit 9–11 g Ladung. Die Kugeln mußten des leichten Ladens wegen mit bedeutendem Spielraum in den Lauf gehen; deshalb war trotz der bedeutenden Ladungsquotienten die Treffsicherheit und Tragweite derselben gering. Die Züge waren zwar längst bekannt, aber als solche noch nicht verstanden. Kaspar Zöllner in Wien gilt als Erfinder derselben. 1498 ward bereits in Leipzig ein Scheibenschießen mit gezogenen Gewehren abgehalten. Diese Züge waren noch gerade (Schmutzräume), die schraubenförmig gewundenen soll Augustin Kutter erfunden haben (gest. 1630 in Nürnberg). Aus diesen Büchsen wurden Rundkugeln geschossen, die, um den Spielraum aufzuheben, in gefettete Leinwand (Talgpflaster) gehüllt in den Lauf eingekeilt wurden. Die 1631 vom Landgrafen Wilhelm von Hessen, 1641 vom Kurfürsten Max von Bayern errichteten Scharfschützenkompanien sowie die preußischen freiwilligen Jäger von 1813 führten solche gezogene Büchsen. Eine größere Treffsicherheit (Präzision) konnte nur durch Aufhebung des Spielraums, durch Einpressung des Geschosses in die Züge und die dadurch herbeigeführte Rotation, die größere Tragweite (leichte Überwindung des Luftwiderstandes) aber nur durch eine bedeutende Länge und die ogivale (spitzbogenförmige) Zuspitzung des Geschosses erreicht werden. Das störende Einkeilen des Geschosses in die Züge vermieden Delvigne (1826) und Thouvenin (Auftreiben auf den Kammerrand oder einen Zapfen), erfolgreicher aber der französische Kapitän Minié 1849 durch die Erfindung der Expansionsgeschosse. Es waren dies lange Spitzgeschosse mit einem am Geschoßboden beginnenden Kanal (s. Geschoß, S. 214), in den ein eisernes Näpfchen (culot) eingesetzt wurde. Die Pulvergase trieben dasselbe bis zum Boden des Kanals, wodurch die Geschoßwandungen nach außen, also in die Züge eingedrückt wurden. In der Folge wurden zahlreiche Abänderungen und Verbesserungen dieses Geschosses angegeben.

Die ersten gezogenen Vorderlader hatten zumeist, wie die glatten Gewehre, ein Kaliber von 15–18 mm, das seiner Größe wegen für die letztern vorteilhaft, für erstere aber ein Hindernis zur Erreichung einer rasanten Flugbahn war, weil seine Langgeschosse zu schwer wurden. Dieserhalb mußte das Kaliber verringert werden. Für die Konstruktion der Gewehre wurden folgende Grundsätze aufgestellt: Das Gewehr darf mit Bajonett 5,3 kg, ohne 4,5–4,8 kg wiegen; um das Feuern in zwei Gliedern zu gestatten, muß es ohne Bajonett 1,3 m lang sein; da ferner eine Rasanz der Flugbahn nur mit wenigstens 2,5 Kaliber langen Geschossen bei einem Ladungsquotienten von 0,25–0,20 zu erreichen ist, so ergibt sich hieraus ein Kaliber von 10–11 mm, ein Geschoßgewicht von 22–25 g und eine Ladung von 4,5–5,5 g. Eine Vermehrung der Ladung oder Verringerung des Gewehrgewichts würde eine Verstärkung des Rückstoßes zur Folge haben, wie sie für die Schulter des Schützen auf die Dauer unerträglich wäre. Um aber einem so dünnen Lauf, wie ihn das Gewicht der Waffe bedingt, die erforderliche Biegungsfestigkeit für den Bajonettkampf zu geben, muß er aus Gußstahl gefertigt werden. Von allen Vorderladegewehren ist diesen Grundsätzen allein das 1851 eingeführte schweizerische Ordonnanzgewehr des Obersten Wurstemberger von 10,5 mm nahegekommen; vollständig konnten sie nur durch Anwendung der Hinterladung und der Einheitspatrone erfüllt werden.

Hinterladungsgewehre.

Versuche mit Hinterladungsgewehren traten schon früh, im 15. Jahrh., auf, wenn auch nicht so zahlreich wie

Fig. 5.
Revolverähnliches Gewehr aus dem 17. Jahrhundert.

mit solchen Geschützen. Textfigur 5 ist ein revolverähnliches Gewehr aus dem Anfang des 17. Jahrh. Chaumette konstruierte 1751 ein solches, das 1776 von Montalembert verbessert wurde. Der französische Gewehrfabrikdirektor Pauli erhielt 1812 ein Patent auf ein Hinterladungsgewehr, welches als der Vorläufer des Lefaucheux-Gewehrs (s. unten) anzusehen ist. Alle diese Versuche waren aber noch technisch unvollkommen, weil ihnen der gasdichte Verschluß fehlte. Die Erfindung der Patrone ist gleichfalls alt. Die Italiener verwendeten 1597 vor Neapel die seit längerer Zeit gebräuchliche Flintenpatrone, d. h. die Vereinigung von Geschoß und Ladung in einer Papierhülse. Die Erfindung der Einheitspatrone,

[Ξ]

Handfeuerwaffen I.
Fig. 1. System Snider (England).
Fig. 2. System Snider à la tabatière (Frankreich).
Fig. 5, 6. System Remington (Schweden, Norwegen, Dänemark, Spanien, Ägypten, Griechenland, Amerika).
Fig. 7. System Peabody (Amerika, Schweiz).
Fig. 8. System Peabody-Martini.
Fig. 9, 10. System Henry-Martini (England).
Fig. 16, 17. System Beaumont (Niederlande).
Fig. 18. System Vetterli (Italien).
Fig. 19. Vetterli-Repetiergewehr (Schweiz).
Fig. 22. System Werndl (Österreich).
Fig. 23, 24. Repetiergewehr von Spencer (Amerika).

[104] welche Geschoß, Ladung und Zündung verbindet, ist Dreyses Verdienst. Derselbe legte 1829 der preußischen Regierung ein Zündnadelgewehr vor, das ein glatter Vorderlader mit Rundkugel und Einheitspatrone unter Anwendung eines Zündspiegels war. 1836 trat er mit seinem Hinterladungs-Zündnadelgewehr hervor, das 1841 in Preußen eingeführt wurde und durch seine Erfolge im Krieg Preußens gegen Österreich 1866 eine vollständige Umwälzung in der Bewaffnung aller Armeen hervorrief. Wenn dieses Gewehr auch bei seinem großen Kaliber von 15,43 mm, dessen Nachteile durch den sinnreichen Notbehelf der Spiegelführung, um ein Geschoß (das Langblei, s. Geschoß, S. 214) von 13,6 mm größtem Durchmesser schießen zu können, nicht beseitigt werden konnten, in ballistischer Beziehung den gezogenen Vorderladungsgewehren nicht überlegen war, so bekundete es doch durch die Hinterladung einen taktischen Fortschritt von so eminenter Bedeutung, daß kein Staat sich gegen denselben mehr verschließen konnte. In kurzer Zeit traten zahllose Konstruktionen von Hinterladungsgewehren auf, die jahrelange Versuche zur Folge hatten. Die Gewehrfrage gliederte sich nach drei Hauptrichtungen: in die Konstruktion des Laufs, der Hinterladung und der Munition. Als die Versuche 1866 begannen, wurde bald erkannt, daß bis zu ihrem Abschluß Jahre vergehen müßten, wollte man nicht durch voreiligen Entschluß dem Staat unnützerweise ungeheure Geldopfer auferlegen. Aus militärisch-politischen Rücksichten war es aber unzulässig, die bisherigen gezogenen Vorderladungsgewehre bis dahin unverändert beizubehalten, und man griff deshalb zu dem Aushilfsmittel, diese Gewehre vorläufig in Hinterlader umzuändern, und sie erst später durch Gewehre einer Neukonstruktion zu ersetzen. Hieraus gingen eine Anzahl sogen. Transformationsverschlüsse hervor. Von diesen unabhängig wurden die Neukonstruktionen verfolgt. Während jene den alten Lauf von 14–18 mm Kaliber behielten, wurde für diese ein solcher von 10–11,5 mm festgesetzt, ebenso der Ladungsquotient von 1/41/5, weshalb sich jene Gewehre in ihrer ballistischen Leistung nahezu gleichen.

Die ersten Neukonstruktionen der Hinterladungsverschlüsse waren unvollkommen, weil sie noch nicht die Einheitspatrone zur Grundlage hatten und meist eines besondern Dichtungsmittels am Patronenboden bedurften. Es sind dies die Systeme von Westley-Richard, Green, Benjamin, Mont-Storm etc., deren

Fig. 6.
Peabody-Patrone.

Patrone eine Papierhülse und Filzplatte am Boden hat. Die Entzündung erfolgt durch Perkussionsschloß mit Zündhütchen. Diese Konstruktionen gestatten kein wesentlich schnelleres Feuern als die Vorderlader und sind daher wenig zur Anwendung gekommen. Die Lebensfähigkeit des Hinterladungsgewehrs wurde erst ermöglicht durch die Anwendung der Einheitspatrone u. die metallische Dichtung des Verschlusses. Den Amerikanern gebührt das Verdienst, die Metallpatronenhülsen erfunden zu haben, deren überstehender Bodenrand die Dichtung des Verschlusses, unabhängig von dem mechanischen Konstruktionssystem, bewirkt, während er es gleichzeitig ermöglicht, die abgefeuerte Hülse aus dem Lager herausziehen zu können. Die amerikanischen Patronenhülsen waren ursprünglich aus dünnem Kupferblech mit hohlem Boden (Textfig. 6) geprägt, welcher ein Knallpräparat als Zündsatz enthielt. Die englischen (Boxer-) Patronen (Textfig. 7) waren aus gewalztem Messingblech gerollt, mit Papier überklebt und in einer Bodenkappe mit eiserner Bodenplatte befestigt, in deren Mitte das Zündhütchen saß. Hieraus haben sich die

Fig. 7. Fig. 8.
Boxer-Patrone. Neue Pa­trone.

heutigen Patronenhülsen entwickelt, die aus Messingblech gezogen sind und am offenen Ende eine Verengerung als Geschoßraum haben (Textfig. 8). Durch den Boden der Zündglocke, in welche das Zündhütchen eingepreßt ist, gehen ein oder mehrere Löcher, durch welche sich das Feuer des Zündhütchens der Pulverladung mitteilt. Auf dem Boden der Zündglocke erhebt sich ein abgerundeter Kegel, der Amboß, gegen welchen das Zündhütchen durch den Schlagbolzen getrieben und zur Explosion gebracht wird. Das Geschoß, meist aus Weichblei, in England und Frankreich aus Hartblei, ist am untern cylindrischen Teil mit Papier umwickelt, wodurch dem leichten Verbleien der Züge vorgebeugt wird. Geschoß u. Ladung werden durch einen zwischen zwei Kartonblättchen liegenden Wachspfropfen getrennt, der zur Reinhaltung des Rohrs dient und verhüten soll, daß das Geschoß beim Eintreten in die Züge von Pulvergasen umspielt wird. Dem Konstruktionssystem nach unterscheidet man: 1) Scharnier- oder Klappenverschlüsse, 2) Blockverschlüsse, 3) Cylinder- oder Kolbenverschlüsse, 4) den Wellenverschluß. Haben die Gewehre noch ein zur Aufnahme von 7–13 Patronen dienendes Magazin, so werden sie Magazin- oder Repetiergewehre, auch Mehrlader, gegenüber den Einladern, genannt, die solche Einrichtung nicht besitzen.

1) Die Scharnier- oder Klappenverschlüsse. Die Erfahrungen des dänischen Kriegs veranlaßten England zur Umwandlung des Enfield- (Vorderlade-) Gewehrs in einen Hinterlader nach dem System Snider, welchem das in Frankreich mit geringer Abänderung nachgebildete System à la tabatière entspricht, das auf Tafel I, Fig. 1 u. 2, dargestellt ist. Das Gewehr wird durch eine nach der rechten Seite zu öffnende Klappe geschlossen, durch welche schräg ein Schlagstift geht, auf dessen Kopf ein Hahn schlägt. Das Ausziehen der Patronenhülse ist sehr mangelhaft; das Einsetzen der Patrone muß sehr sorgfältig mit der Hand geschehen. Von ähnlicher Konstruktion mit nach links zu öffnender Klappe ist das System Krnka (Rußland). In technischer Beziehung vollkommener sind die Scharnierverschlüsse mit nach vorn zu öffnender Klappe. Das Verschlußstück ist um ein auf dem Lauf, senkrecht zu seiner Achse sitzendes Scharnier drehbar, nach vorn aufzuklappen; durch dasselbe geht der Schlagstift, auf welchen ein Hahn schlägt. Die verschiedenen Systeme unterscheiden sich im wesentlichen durch die Art der Festhaltung des Verschlußstücks in der Kammer zur Verhütung des selbstthätigen Aufschlages beim Schießen. Beim System Milbank-Amsler dient hierzu ein Schließkeil, beim System Wänzl (Österreich) wird beim Abfeuern durch den Hahn selbst ein Keil in das Verschlußstück geschoben (Tafel II, Fig. 3). Ähnlich ist das System Albini-Brändlin, nach dem Belgien transformiert

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Handfeuerwaffen II.
Fig. 3. System Wänzl (Österreich).
Fig. 4. System Berdan I (Spanien).
Fig. 11, 12. System Werder (Bayern).
Fig. 13. System Dreyse (preußisches Zündnadelgewehr).
Fig. 14. System Chassepot (Frankreich).
Fig. 15. System Berdan II (Rußland).
Fig. 20, 21. System Mauser (deutsche Armee).
Fig. 25, 26. Österreichisches Repetiergewehr für die Gendarmerie (System Fruhwirth).

[105] hat. Spanien hat nach dem System I des amerikanischen Generals Berdan umgeändert (Tafel II, Fig. 4). Das Verschlußstück besteht aus zwei Teilen, von denen der vordere den Stoßboden bildet. Das Herausziehen der Patronenhülse geschieht bei diesen Systemen durch einen mit dem Scharnier verbundenen Extraktor beim Aufschlagen der Verschlußklappe. Die Hülse wird jedoch nur teilweise herausgezogen und muß durch eine ruckartige Bewegung des Gewehrs herausgeschleudert werden. Diese Scharnierverschlüsse eignen sich besonders zur Transformation, weil sie keine Durchbrechung oder Schwächung des Schafts erfordern. Für Neukonstruktionen eignen sich mehr die technisch vollkommnern

2) Blockverschlüsse, bei denen sich das Verschlußstück zum Öffnen um eine Achse nach hinten drehen läßt (System Remington), oder bei denen das um eine an seinem hintern Ende sitzende Achse drehbare Verschlußstück mit seinem vordern Teil, der den Stoßboden bildet, herunterfällt und so den Lauf öffnet, die sogen. Fallingblocks (Systeme Peabody, Martini-Henry, Werder). Ganz eigenartig ist das System des Amerikaners Remington (Tafel I, Fig. 5 u. 6). Es besteht aus zwei um starke Wellen drehbaren Hähnen B und C, von denen B das Verschlußstück, die Klappe C den Schlaghahn bildet, welcher mit seinem Kopf gegen den in der Klappe sitzenden Schlagstift schlägt und dadurch, daß er sich mit seiner obern kreisbogenförmigen Fläche unter die hintere Fläche der Klappe schiebt, das Zurückschlagen der letztern beim Abfeuern verhütet. Mit der Klappe ist ein Extraktionsschieber verbunden, welcher bei ihrem Zurückziehen die Patronenhülse ein wenig lüftet. Diese mangelhafte Extraktion ist eine Schwäche des sonst sehr soliden und einfachen Verschlusses. Die drei Griffe sind: 1) Aufziehen des Hahns: Spannen; 2) Aufziehen der Klappe: Öffnen und Ausziehen; 3) Vorziehen der Klappe: Schließen. Das in Schweden, Norwegen, Dänemark, Spanien, Ägypten, Griechenland und Amerika gebräuchliche System Remington ist wohl das verbreitetste aller Systeme. Für die eigentlichen Blockverschlüsse mit nach unten beweglichem Verschlußblock bildete das amerikanische Peabody-Gewehr den Ausgang. Tafel I, Fig. 7, zeigt das Gewehr geladen und fertig zum Abfeuern. Zum Öffnen wird der Bügel E nach unten und vorn bewegt, wodurch der Verschlußblock D nach unten gerissen wird. Hierbei schlägt er mit seinem Kopf auf den gabelförmigen Extraktor F, der die Patronenhülse aus dem Lager zieht und nach hinten wirft. Durch den Verschlußblock geht der Schlagstift, auf welchen der vom Verschlußmechanismus noch gesonderte Hahn schlägt. In dieser Trennung liegt die Schwäche des Systems. Es erfordert drei Griffe: 1) Aufziehen des Hahns: Spannen; 2) Vorstoßen des Bügels: Öffnen und Auswerfen; 3) Zurückziehen des Bügels: Schließen. Die Schweiz hat 15,000 Peabody-Gewehre beschafft. Der Verschlußblock mit der Drehachse an seinem hintern Ende und der mit dieser Konstruktion zusammenhängende, ausgezeichnet wirkende Extraktor sind das Bleibende für alle Blockverschlüsse geworden. Die Entwickelung dieses Systems mußte zunächst das Spannen des Hahns in den Verschlußmechanismus hineinziehen. Dies that Martini, Fabrikbesitzer zu Frauenfeld in der Schweiz (Tafel I, Fig. 8), der durch die mit dem Bügel verbundene Zugstange das Spannen des Hahns gleichzeitig beim Öffnen bewirken ließ. Da die hierzu erforderliche bedeutende Kraftanstrengung des Schützen das Gewehr zur Kriegswaffe ungeeignet machte, so verbesserte Martini sein System, indem er den Schlagstift in das Verschlußstück legte (Tafel I, Fig. 9 u. 10), so daß das Öffnen und Spannen Ein Griff wurde. Das Gewehr hat daher nur zwei Griffe: 1) Vorstoßen des Bügels: Öffnen, Auswerfen und Spannen; 2) Zurückziehen des Bügels: Schließen. Dieser Verschluß mit einem Lauf nach Henry ist unter dem Namen Henry-Martini-Gewehr in England eingeführt. – Der vollkommenste Verschluß dieses Systems wurde durch Werder, technischen Fabrikdirektor in Nürnberg konstruiert (Tafel II, Fig. 11 u. 12), indem er die weit ausgreifenden Bügelbewegungen des Henry-Martini-Gewehrs durch das Zurückziehen des hintern Abzugs ersetzte. Es sind also nur zwei Griffe erforderlich: 1) Vordrücken der Stütze: Öffnen und Auswerfen; 2) Aufziehen des Hahns: Spannen und Schließen. Dieses Gewehr, das sich im Krieg 1870/71 bewährte, ist, für die Anwendung der Patrone des deutschen Mauser-Gewehrs abgeändert, Waffe der bayrischen Landwehr.

3) Die Cylinder- oder Kolbenverschlüsse werden charakterisiert durch den in der Laufachse vor- und zurückbeweglichen Verschlußcylinder oder Verschlußkolben, welcher den Schloßmechanismus enthält. In dieser Systemsgruppe geschieht die Entzündung entweder durch eine Zündnadel oder durch einen Schlagbolzen, die in der Laufachse liegen und (ausgenommen das System Beaumont) auf ihrem Schaft von einer Spiralfeder umgeben sind, welche beim Spannen zusammengedrückt wird und beim Abfeuern Nadel oder Bolzen nach vorn schnellt und so durch Anstich oder Schlag die Entzündung bewirkt. Die verschiedenen Konstruktionen unterscheiden sich daher hauptsächlich durch den Mechanismus zum Spannen; bei den ältern sind hierzu ein oder mehrere besondere Griffe erforderlich, während bei den neuern das Spannen gleichzeitig mit dem Öffnen geschieht, daher Selbstspanner. Der Verschlußcylinder (Kammer) wird mittels der Kammerwarze, die als Handhabe dient, bewegt und beim Schließen nach rechts gedreht.

Alle Kolbenverschlüsse gehen von dem Dreyseschen Zündnadelgewehr aus, dem ersten wirklich kriegsbrauchbaren Hinterladungsgewehr. Obgleich es jetzt durch neuere Konstruktionen technisch weit überholt ist, wird ihm doch in der Geschichte des Waffenwesens für alle Zeit ein hervorragender Platz gewahrt bleiben (Tafel II, Fig. 13). Das Öffnen kann erst nach dem Zurückziehen des Schlößchens in der Kammer geschehen, das Spannen nach dem Schließen durch Vorschieben desselben. Der Verschluß des französischen Chassepot-Gewehrs (Tafel II, Fig. 14) ist nur eine Modifikation des Dreyseschen, darin bestehend, daß das Spannen dem Öffnen schon vorangeht. Die drei Griffe sind: 1) Zurückziehen des Nadelbolzens: Spannen; 2) Zurückziehen der Kammer: Öffnen; 3) Vorschieben derselben: Schließen. Aus ihm ist unter Anlehnung an das System Mauser (s. unten), namentlich in Bezug auf Einrichtung der Selbstspannung, das System Gras hervorgegangen, das als M/74 in Frankreich eingeführt wurde. Schon vor dem Krieg von 1870/71 beginnt die Übergangszeit von der Papier- zur Metallpatrone. Erstere hat den Vorzug größerer Einfachheit und der Billigkeit; sie wurde aber kompliziert, als man genötigt war, sie mit Liderungsmitteln zur Gasdichtmachung des Verschlusses zu verbinden, und erreichte den angestrebten Zweck dennoch nur unvollkommen. Zu dem Blockverschlußsystem war die Metallpatrone unentbehrlich, daher ging die Entwickelung beider Hand in Hand. Als man aber fand, daß die Metallpatrone [106] sich auch für die Kolbenverschlüsse eignet, wandte man sich mehr und mehr wieder ihrer Verbesserung zu. Die Schwierigkeit hierbei lag vor allem in der Konstruktion der Selbstspannung. Die Metallpatrone wurde für alle Konstruktionen als Grundlage angenommen und die Zündnadel durch den Schlagbolzen ersetzt. Der Auszieher (Extraktor) ist eine vorn mit Kralle versehene lange Feder, parallel der Laufachse außen in den Verschlußkolben eingelassen, welcher sich vor den Bodenrand der Patrone legt und diese daher beim Zurückziehen des Verschlußkolbens ganz aus dem Lauf herauszieht. Eigentümlich ist der eine Doppelfeder bildende Auszieher des französischen Gras-Gewehrs M/74, der in der Leitschiene der Kammerwarze sitzt. Häufig war, außer dem Auszieher, noch ein besonderer Auswerfer (Ejektor) angebracht, der den Zweck hatte, die Patronenhülse aus dem Lager herauszuschleudern. Er ist bei den meisten neuern Kolbenverschlüssen wieder weggelassen, weil er den Verschluß mehr kompliziert machte, als er nützte. Wirft der Auszieher nicht schon aus, so genügt hierzu ein kurzer Ruck mit dem Gewehr. – Es sei hier vor den Kolbenverschlüssen mit Metallpatronen noch des in Rußland eingeführten Gewehrs nach einem zweiten System des Generals Berdan gedacht. Seiner Konstruktion nach gehört es zu den Gewehren mit Scharnierverschlüssen. Die Verschlußklappe (Tafel II, Fig. 15) ist nach vorn aufzuschlagen, in ihrer Längenachse sitzt ein kurzer Zündstift. Der eigentliche Schlagbolzen, ähnlich wie bei den Kolbenverschlüssen, sitzt hinter der Klappe in einem Schloßgehäuse. Das unzeitige Aufschlagen der Klappe wird dadurch verhütet, daß der Schlagbolzen beim Abfeuern in dieselbe hineintritt; erst durch das Spannen wird er ganz aus ihr herausgezogen und gestattet nun das Öffnen der Klappe. Die drei Griffe sind mithin: 1) Zurückziehen des Schlagbolzens: Spannen; 2) Vorwärtsaufschlagen der Klappe: Öffnen und Auswerfen; 3) Zuschlagen der Klappe: Schließen. Wie bei allen Scharnierverschlüssen, ist auch bei diesem System der Auszieher mit dem Scharnier verbunden. Die Patrone des Gewehrs Berdan II wurde für das deutsche Mauser-Gewehr angenommen.

Den Übergang vom Chassepot-Gewehr zu den Kolbenverschlüssen neuerer Konstruktion mit Selbstspannung bildet das in den Niederlanden eingeführte Beaumont-Gewehr (Tafel I, Fig. 16 u. 17). Das Eigentümliche der Konstruktion ist die zweiarmige Schlagfeder in der Handhabe des Verschlußcylinders, welche den Schlagbolzen zum Abfeuern vorschnellt. Durch das Zurückziehen des letztern wird die Schlagfeder zusammengedrückt, mithin gespannt. Der sehr einfache Mechanismus bedingt nur zwei Griffe und zwar: 1) Linksdrehen und Zurückziehen der Handhabe: Spannen, Öffnen und Auswerfen; 2) Vorschieben und Rechtsdrehen der Handhabe: Schließen. Es sei erwähnt, daß die eigentümliche Schlagfeder dieses Gewehrs, das in Holland 1871 eingeführt wurde, schon bei dem 1865 von Mauser konstruierten Gewehr vorkommt. – Eine ausgezeichnete Konstruktion ist der Verschluß von Vetterli (Tafel I, Fig. 18 u. 19), technischem Fabrikdirektor zu Neuhausen. Das an den Lauf geschraubte Verschlußgehäuse bildet die Bahn für den in der Figur zum Laden herausgezogenen Verschlußcylinder. Er enthält den Schlagbolzen, der hinten noch heraussieht und vorn für die doppelte Randzündung (1872) eine Schlaggabel trägt. In dem Schlagbolzen sitzen fest die Schlagstiftflügel, deren unterer der Rastflügel heißt, weil er hinter den Abzugsstollen greift. Für den Gang dieser Flügel, hinter denen die spiralförmige Schlagfeder liegt, hat der Verschlußcylinder einen Schlitz, um das Drehen des Schlagstifts zu verhindern. Mit ihrer vordern Fläche laufen die Schlagstiftflügel an der schraubengangartigen Fläche der mit dem Verschlußcylinder drehbar verbundenen Nuß, auf welcher die Handhabe, der Nußhebel, steht. Wird nach dem Abfeuern die Handhabe nach links herumgedreht, so schieben sich die Schlagstiftflügel an die schrägen Flächen der Nuß, drücken den Schlagbolzen nach hinten, also die Schlagfeder zusammen und spannen somit. Hierbei sind auch gleichzeitig die Führungswarzen, die vor der Nuß auf dem Verschlußcylinder stehen, aus ihren Führungen, in denen sie gegen den Rückstoß den Widerstand bieten, herausgetreten, und der Verschluß kann geöffnet werden. Das Gewehr hat also nur zwei Griffe: 1) Linksaufstellen und Zurückziehen des Nußhebels: Spannen, Öffnen und Auswerfen; 2) Vorwärtsschieben und Rechtsdrehen des Nußhebels: Schließen. Das Vetterli-Gewehr wurde nach fünfjährigen Versuchen 1872 in Italien definitiv angenommen und wird in den Waffenfabriken von Brescia und Neapel gefertigt.

Eine den Systemen Dreyse, Chassepot, Beaumont, namentlich aber dem des Büchsenmachers Friedrich in Stettin in einzelnen Teilen ähnliche Konstruktion ist das als M/71 (Modell 1871) bei der deutschen Armee eingeführte Gewehr der Büchsenmacher Gebrüder Mauser in Oberndorf a. Neckar. In dem Verschlußcylinder, der Kammer, b (Tafel II, Fig. 20 u. 21) steckt der Schlagbolzen c mit darauf sitzendem Schlößchen k, Sicherung g, Schlagbolzenmutter d und Spiralfeder. Den eigentlichen Stoßboden bildet der bewegliche Kolben- oder Verschlußkopf h. Die Leitschiene f der Kammer, mit welcher die Handhabe l verbunden ist, greift mit ihrem vordern Ende über die Nase des Verschlußkopfes, so daß dieser allen Vor- und Rückwärtsbewegungen der Kammer folgen muß. Das Drehen des Kammerkopfes wird durch den Auszieher i verhindert, der in einer Nute der Verschlußhülse a läuft. Das auf den Schlagbolzen aufgeschobene Schlößchen k gleitet mit seiner Leitschiene e in einem Schlitz der Verschlußhülse und wird so an jeder Drehung verhindert. Da sich nun beim Abfeuern der nach vorn stehende Ansatz des Schlößchens, die Spannvorrichtung, in einen gleichen Ausschnitt der Kammer legt, so müssen, wenn zum Öffnen die Kammer nach links gedreht wird, die schrägen Flächen des Schlößchenansatzes und des Ausschnitts (der Ausfräsung) der Kammer aufeinander fortgleiten, bis sich das Schlößchen mit dem Ansatz hinter die gerade Bodenfläche der Kammer stellt. Durch diese Bewegung ist die Spiralfeder zusammengedrückt, also gespannt worden. Wird nun die Kammer zum Schließen wieder nach vorn geschoben und rechts gedreht, so verhindert der Abzugsfederstollen m das Vorschnellen des Schlagbolzens. Wird derselbe heruntergezogen, so muß die gespannte Spiralfeder den Schlagbolzen nach vorn schnellen und das Zündhütchen der Patrone zur Entzündung bringen. Mit dem Schlößchen ist die Sicherung g verbunden, welche, bei gespanntem Gewehr mit dem Flügel nach rechts gedreht, ein Abfeuern des Gewehrs nicht möglich macht. Die Halteschraube n verhindert das Herausziehen der Kammer aus der Verschlußhülse; wird dieselbe gelöst, die Scheibe gehoben und der Abzug angezogen, so kann das Schloß ganz aus dem Gewehr herausgezogen werden. Das Gewehr erfordert zwei Griffe: 1) Linksdrehen und Zurückziehen der Kammer: Spannen [107] und Öffnen; 2) Vorschieben und Rechtsdrehen der Kammer: Schließen. Der Lauf ist brüniert, die eisernen Gewehrringe sind blau angelassen. Die Jägerbüchse M/71 ist von der gleichen innern Lauf- und Verschlußkonstruktion wie das Gewehr M/71, nur ist der Lauf 13 cm kürzer. Noch kürzer ist der Karabiner, der aber die gleiche Patrone wie das Gewehr M/71 verfeuert. Auch die bayrische Armee ist mit diesen Waffen M/71 ausgerüstet.

Über die Frage, ob im Prinzip das Kolben- dem Blockverschlußsystem vorzuziehen sei oder umgekehrt, ist viel gestritten worden. Im speziellen sei erwähnt, daß die Blockverschlüsse ein vollständiges Einsetzen der Patrone mit der Hand erfordern, damit der Verschlußblock am Patronenboden vorbei kann; mit der zunehmenden Verschmutzung des Gewehrs beim Schießen wird dies schwieriger, es setzt überhaupt eine gewisse Geschicklichkeit der Hand voraus, die durch große Kälte nicht unbedenklich beeinträchtigt wird. Bei den Kolbenverschlüssen dagegen wird die Patrone nur in die Ladeöffnung gelegt, das Einführen in das Patronenlager geschieht durch den Verschlußkolben beim Vorschieben desselben. Diesen Nachteil teilt mit den Blockverschlüssen der bis jetzt einzige Wellenverschluß des in Österreich als M/67/73 eingeführten Gewehrs nach der Konstruktion des Fabrikanten Werndl zu Steier (Textfig. 9 und Tafel I, Fig. 22). Das Verschlußstück; die Welle, ist ein massiver Cylinder mit Laderinne, Handhabe, vorderm und hinterm Zapfen zur Lagerung und einem Schlagstift mit Spiralfeder zur Zentralzündung. Das Lager für den vordern Zapfen ist unter dem Laufmundstück, der hintere dreieckige Zapfen liegt auf einer Feder im Schweifstück; er wird durch einen von oben in das Gehäuse eingeschobenen Reiter, die Stoßplatte, gehalten. Die vordere Fläche der letztern, wie die hintere der Welle, ist eine Schraubenfläche. Beim Linksdrehen der Welle, also Schließen, gleiten dieselben aufeinander hin und pressen die Stirnfläche zum festen Verschluß gegen das hintere Rohrende. Der Auszieher ist ein doppelter Winkelhebel, der mit dem einen Arm hinter den Patronenrand greift; auf den andern, in der Gehäusewand

Fig. 9.
Wellenverschluß des österreichischen Werndl-Gewehrs.

liegenden Arm schlägt die Welle mit der Endfläche der vorn in Fig. 9 sichtbaren Rinne beim Rechtsdrehen, also Öffnen der Welle. Die Entzündung geschieht durch einen Hahn. Der Verschluß erfordert drei Griffe: 1) Aufziehen des Hahns; 2) Rechtsdrehen der Welle: Öffnen; 3) Linksdrehen der Welle: Schließen. Bei aller Solidität hat es den Nachteil, daß durch einen besonders aufzuziehenden Hahn abgefeuert wird, wodurch der dritte Griff so lange unvermeidlich bleibt, als das Spannen des Hahns nicht mit dem Öffnen vereinigt wird, wie beim Martini-Gewehr.

Magazin- oder Repetiergewehre.

Nach dem jetzigen Standpunkt der Technik ist anzunehmen, daß die zwei Griffe der Einlader: Öffnen und Schließen, sich nicht mehr vereinfachen lassen. Versuche, das Schließen und Abfeuern zu vereinigen, haben noch keinen günstigen Erfolg gehabt. Um an Schnellfeuer zu gewinnen, mußte daher das Laden vereinfacht werden. Dies geschah durch Konstruktion der Magazin- oder Repetiergewehre. Sie erfordern nur die Griffe der Einlader, von denen sich ihr Schloßmechanismus meist nur durch den hinzugetretenen Zubringer mit Federn, der die Patrone aus dem Magazin hinter den Lauf bringt, unterscheiden. Sie müssen auch jederzeit als Einlader oder Repetiergewehre verwendbar sein. Bei ihnen hat man es in der Hand, die Überlegenheit des Schnellfeuers im geeigneten Gefechtsmoment zur Geltung zu bringen und das Füllen des Magazins, während dessen der Schütze ohne Verteidigung ist, zu gelegener Zeit vorzunehmen. Das Magazin ist entweder fest mit dem Gewehr verbunden oder an dasselbe anhängbar. Erstere Magazine liegen entweder im Vorderschaft unter dem Lauf oder im Kolben und haben die Form eines Rohrs, welches bei einigen neuern Systemen aus einem kastenförmigen Magazin im Kolben austritt. Die Patronen werden entweder durch eine Spiralfeder oder durch Zugstangen dem Zubringer zugeführt. Das Magazingewehr des Amerikaners Spencer (Tafel I, Fig. 23 u. 24) ist das einzige, das sich im Feld (im amerikanischen Krieg) bewährt hat. Das im Kolben sitzende Magazin faßt sieben Patronen. Das Gewehr erfordert drei Griffe. Seine Vorteile den Einladern gegenüber sind gering. Tyler Henry aus New Haven verbesserte seinen Verschluß und legte das Magazin für 15 Patronen unter den Lauf. Eine wesentliche Verbesserung erhielt dieses Gewehr durch den Präsidenten der New Haven-Arms-Company, Winchester, der in der rechten Deckplatte des Verschlußgehäuses eine ovale Öffnung anbrachte, durch welche die Patronen direkt auf den Zubringer gelegt werden, so daß das Gewehr nunmehr auch als Einlader zu verwenden ist. Hierdurch wurde das Henry-Repetiergewehr erst wirklich feldtauglich. 1869 wurde in der Schweiz eine durch Vetterli verbesserte Konstruktion dieses Systems eingeführt, bei welchem aber noch der Schlaghahn beibehalten war. Aus ihm entwickelte sich nach und nach das jetzige eidgenössische Ordonnanzgewehr, Konstruktion Vetterli (Tafel I, Fig. 19). Der eigentliche Verschlußmechanismus ist derselbe wie beim Einlader von Vetterli (Tafel I, Fig. 18); es tritt nur noch der Kniehebel mit dem Patronenzubringer (Zuschieber) hinzu. Beim Schließen des Gewehrs schiebt der Verschlußcylinder die hinter den Rohrmund gehobene Patrone in den Lauf, worauf sich der Zuschieber wieder senkt und, in seiner untersten Lage angekommen, eine neue Patrone aus dem Magazin empfängt. Will man mit Einzelladung schießen, verschließt man das Magazinrohr durch eine Sperrvorrichtung. Das unter dem Lauf im Vorderschaft liegende Magazin faßt elf Patronen, außerdem noch eine auf dem Zubringer, eine im Lauf, so daß das Gewehr mit 13 Patronen geladen werden kann. – In Österreich ist 1872 für die

[Ξ]

Handfeuerwaffen III.
Fig. 27, 28. Repetiergewehr von Mannlicher.
Fig. 28. Querschnitt.
Fig. 29, 30. Repetiergewehr von Bornmüller Simson und Luck. M/82.
Fig. 30. Querschnitt.
Fig. 31, 32. Repetiergewehr von Spitalski.
Fig. 32. Querschnitt der Magazintrommel.
Fig. 33. Schnelllader von Krnka.
Fig. 34, 35. Anhängbares Magazin, System Lee.
Fig. 35. Magazin.
Fig. 36. Anhängbares Magazin, System Forsbery.

[108] Gendarmerie ein Repetiergewehr nach der Konstruktion des Wiener Gewehrfabrikanten Fruhwirth eingeführt worden (Tafel II, Fig. 25 u. 26). Der Kolbenverschluß dieses Gewehrs hat viel Ähnlichkeit mit dem des Chassepot-Gewehrs. Es wird mit acht Patronen geladen, von denen sechs im Magazin, eine auf dem Zubringer und eine im Lauf liegen, und erfordert zwei Griffe.

Auf Grund der Kriegserfahrungen gewann nach und nach die Ansicht an Geltung, daß das Repetiergewehr seiner Feuergeschwindigkeit wegen das Gewehr der Zukunft sei. Ihm wandten sich daher die Erfinder zu, und zahllose Systeme wurden bekannt, die meist vorhandene Einlader zur Grundlage hatten, so das französische Marinegewehr Gras-Kropatschek; ebenso ist das deutsche Gewehr M/71 durch Mauser, Bornmüller, Simson u. Luck u. a. umgewandelt worden. Die Nachteile des Vorderschaftmagazins (zeitraubende Einzelfüllung des Magazins, ungünstige Verschiebung des Schwerpunktes des Gewehrs nach vorn, Gefahr einer Explosion, bedingt durch die Berührung des Zündhütchens durch die Geschoßspitze der hinterliegenden Patrone, etc.) führten zum Kolbenmagazin zurück. Da die Länge des Kolbens aber nur ein kurzes Röhrenmagazin für wenige Patronen zuließ, so suchte man deren Zahl durch eine andre Form des Magazins zu erhöhen. Werndl und Mannlicher vereinigten drei und vier Rohre zu einem um eine gemeinschaftliche Achse drehbaren Bündel, welches 20 Patronen aufnimmt, die durch Spiralfedern dem Verschluß zugeführt werden. Die Spiralfedern bezeichnet Evans mit Recht als einen Nachteil. Er lagerte in einem Magazinrohr im Kolben eine Welle von kreuzförmigem Querschnitt, deren Winkel als Magazinröhren dienten. Um das Bündel ist ein Stahlband spiralförmig gewunden, welches eine eigentümliche Einrichtung hat, so daß bei jeder Vierteldrehung der Welle eine Patrone in den Verschluß (Fallblock) befördert wird. Das Magazin faßt 27 Patronen. Für den Feldgebrauch sind diese Gewehre durch ihre Magazinfüllung viel zu schwer. Eine andre Konstruktion Mannlichers zeigt Tafel III, Fig. 27, 28, und in der Folge ist eine ganze Anzahl Gewehre mit mehreren Magazinröhren bekannt geworden, so von Kullen, Elliot etc. Unter den Gewehren mit einfachem Magazinrohr im Kolben haben die von Hotchkiß, Chaffee-Reece (in Nordamerika angenommenen) Anerkennung gefunden. Die zeitraubende und darum sehr nachteilige Einzelfüllung dieser wie der Vorderschaftmagazine führte zu neuen Systemen. Man höhlte den Kolben zur Aufnahme eines Patronenreservoirs aus und leitete aus ihm die Patronen durch ein Rohr zum Verschluß. Hierbei war die Spiralfeder zum Vorschieben der Patronen nicht verwendbar, man brachte statt ihrer die Zugstangen in Anwendung, die durch den Verschlußmechanismus selbstthätig vor- und zurückgeschoben werden und hierbei mit ihren Ansätzen, die hinter den Böden der Patronen liegen, diese vorwärts und die vorderste auf den Zubringer ziehen (Tafel III, Fig. 29, 30). Das Füllen erfolgt durch Einschütten der Patronen durch die Klappe (Fig. 30). Ähnlich sind die Systeme von Schulhof und dem spanischen Hauptmann Mata. Ein andres System Schulhofs hat ein sehr großes Kolbenmagazin für 15 Patronen, welches mit einemmal aus einem Karton gefüllt werden kann. Spitalski übertrug das System der Revolver auf das Gewehr (Tafel III, Fig. 31, 32).

Die mancherlei Unbequemlichkeiten, die den Gewehren mit festem Magazin anhaften, führten zum Gelegenheitsrepetierer, zum anhängbaren Magazin, dessen man sich sogleich im Augenblick des Bedarfs bedienen kann, während sonst das Gewehr als Einlader konstruiert ist und gebraucht wird. Diese anhängbaren Magazine sind entweder Schnelllader (chargeurs rapides), d. h. Patronenbehälter, die neben der Ladeöffnung am Gewehr befestigt werden, ohne daß dieses hierzu einer besondern Einrichtung bedarf, und die dem Schützen die Patronen zum schnellen Laden nur bequem zur Hand halten sollen, oder die Magazine haben selbstthätige Patronenzuführung und setzen gewisse Einrichtungen hierfür am Gewehr voraus. Zu den erstern gehören der 1878 in Rußland eingeführte Schnelllader von Krnka (Tafel III, Fig. 33) und ähnliche andre anhängbare Schachteln oder Kartons. Anhängbare Magazine mit selbstthätiger Patronenzuführung wurden 1879 von Löwe in Berlin, U-förmig den Gewehrschaft umgebend, sowie von Vitali u. Schurda und dem Amerikaner Lee bekannt. Letzteres (Tafel III, Fig. 34, 35) ist eine Stahlblechkapsel mit fünf Patronen, welche in kurzem Griff in das Gewehr eingesteckt und ebenso leicht aus demselben entfernt werden kann. Die Öffnung im Gewehrschaft ist durch einen Schieber verschließbar, wenn man mit Einzelladung schießen will. Ein andres System ist vom Obersten Forsbery (Tafel III, Fig. 36), und noch andre sind von Jarmann, Mannlicher, Schurda, Winkler, Matkow-Patkin, Erzherzog Johann, Leutnant Krnka u. a. angegeben worden. Die an die Magazine gestellte Bedingung der leichten, griffartigen Anbringung schließt meist auch den Nachteil ein, daß sich das Magazin ebenso leicht und oft zur unrechten Zeit vom Gewehr ablöst. Man hat sich deshalb wieder mehr den festen Magazinen zugewendet und bemüht, auf sie den Hauptvorteil der anhängbaren Magazine, Vermeidung der Einzelfüllung, zu übertragen. Dies ist bei den Kolbenmagazinen nicht ohne Erfolg geblieben.

Inzwischen hat sich mehr und mehr die Überzeugung Bahn gebrochen, daß das Kaliber unsrer Kriegsgewehre zu groß ist. Professor Hebler und Major Rubin in der Schweiz haben durch verdienstvolle Versuche bewiesen, daß man bis auf 7,5 mm heruntergehen kann. Durch Verlängerung der Geschosse auf 3,8 Kaliber haben sie eine außerordentlich rasante Flugbahn und durch Umhüllung der Geschosse mit einem angelöteten Kupfer- oder Stahlmantel (nach Vorschlägen des preußischen Artillerieoberstleutnants Bode von Lorenz in Karlsruhe angefertigt) eine ebenso ausgezeichnete Durchschlagskraft derselben und eine Anfangsgeschwindigkeit bis zu 660 m erzielt. Solche Umhüllung ist notwendig, um dem übermäßigen Stauchen so langer und dünner Geschosse zu begegnen. Norwegen hat seinem 1882 angenommenen Magazingewehr von Jarmann ein Kaliber von 10,15 mm gegeben. Das gleiche Kaliber hat das in Serbien 1880 eingeführte System Mauser-Milowanowič; diese Gewehre verfeuern Hartbleigeschosse.

Von der Annahme des kleinen Kalibers wäre die Progressivpatrone (Thiel), die am Boden ein langsam und vorn ein schnell verbrennendes Pulver, also etwa Schießpulver und Schießbaumwolle, enthält, oder eine Patrone mit gepreßter und mit einem Längskanal versehener Füllung (Rubin) unzertrennlich gewesen. Major Thiel machte ferner den Vorschlag, dessen Ausführung Maxim in London mehrfach versuchte, den Rückstoß zum selbstthätigen Öffnen, Laden und Schließen des Gewehrs zu verwerten. Durch solche und in Rücksicht auf die Entwertung der vorhandenen großen Munitionsbestände mit außerordentlichen [109] Kosten verknüpften Veränderungen ist die Kaliberfrage wieder in den Hintergrund gedrängt worden, und es machte sich in allen größern Staaten die Ansicht geltend, die Annahme eines Repetiergewehrs vom Beibehalt der Munition des gegenwärtig im Gebrauch befindlichen Einladers abhängig zu machen.

Deutschland ist der erste Großstaat, welcher auf dieser Grundlage das Repetiergewehr als Infanteriewaffe unter der Bezeichnung „M/71.84“ (Fig. 10 u. 11) einführte. Kaliber und Munition des Gewehrs M/71 sind beibehalten, nur die Geschoßspitze ist, zur Beseitigung der Gefahr einer Entzündung der im Magazin vorliegenden Patrone durch die Geschoßspitze der hinterliegenden

Fig. 10.
Das gespannte Schloß, zum Magazinfeuer gestellt.
Fig. 11.
Das abgedrückte Schloß, zum Magazinfeuer gestellt.
Fig. 10 u. 11. Deutsches Infanteriegewehr M/71.84.

beim Rückstoß, abgeflacht. Auch das Schloß des Mausergewehrs ist beibehalten und nur so weit abgeändert worden, als es die Mehrladeeinrichtung bedingte. In dem unter dem Vorderschaft liegenden stählernen Magazinrohr a wird die letzte Patrone durch die Nase der Sperrklinke b, welche sich hinter den Patronenboden legt, zurückgehalten. Beim Heben des Löffels c wird durch dessen Schnabel d die Sperrklinke so weit seitwärts in ihr Lager hineingedrängt, daß der Rand des Patronenbodens an der Nase der Sperrklinke vorbei kann, worauf die Magazin- (Spiral-) Feder die Patrone gegen den Löffel drängt und auf diesen schnellt, sobald er beim Schließen des Gewehrs in seine tiefste Lage tritt. Wird nach dem Abfeuern die Kammer zurückgezogen, so nimmt der Auszieher k die Patronenhülse mit, die kurz vor Vollendung der Rückwärtsbewegung durch den Stoß des Auswerfers i nach rechts hinausgeworfen wird. Gleich darauf stößt die vordere Endfläche der Auswerfernute bei s an das Anschlagstück e und hebt den Löffel. Die auf dem letztern liegende Patrone wird beim Vorschieben der Kammer durch diese erfaßt, in den Lauf geschoben und der Löffel durch das Anstoßen des Anschlagstücks an die hintere Endfläche der Auswerfernute (Fig. 10) nach unten gedrückt. Soll das Gewehr als Einzellader gebraucht werden, so muß bei geöffneter Kammer und gehobenem Löffel der Stellhebel f mit seinem Griff g nach vorn gedrückt werden, dadurch wird der Löffel so weit gesenkt, daß das Anschlagstück aus der Auswerfernute heraustritt. Der Löffel ist jetzt unbeweglich. Durch die Stellfeder h (in Fig. 10 abgebrochen gezeichnet, um die Wirkung des Auswerfers auf das Anschlagstück sichtbar zu machen), welche bei abgestelltem Magazinfeuer auch beim Auswerfen der Patronenhülsen mitwirkt, wird der Stellhebel in seiner Lage erhalten. Das Gewehr kann 10 Patronen aufnehmen, davon 8 im Magazinrohr, 1 auf dem Löffel, 1 im Lauf. Das Gewehr ist ohne Seitengewehr 1,3 m lang, leer 4,6 und gefüllt 5 kg schwer. Das Klappenvisier reicht bis 1600 m.

In Österreich hat man sich nach langen Versuchen, namentlich mit dem Spitalskyschen verwandten Systemen für das System Mannlicher M/85 entschieden, bei welchem der Kolbenverschluß in der Weise abgeändert ist, daß das Öffnen und Schließen und hiermit gleichzeitig das Laden aus dem Magazin durch einfaches Vorschieben und Zurückziehen der Kammer ohne Seitwärtsdrehen derselben erfolgt, was sich ohne Absetzen des Gewehrs von der Schulter im Anschlag ausführen läßt. Das Magazin ist seitlich aufsteckbar, soll acht Patronen in der Verpackung aufnehmen, in der sie in der Patrontasche mitgeführt werden, Einrichtungen, die eine große Feuergeschwindigkeit ermöglichen. Nähere Einzelheiten über dieses Gewehr sind noch nicht (Anfang 1887) bekannt geworden. An Stelle des Gendarmerie-Repetiergewehrs, System Fruhwirth, ist ein Repetierkarabiner, System [110] Kropatschek, gleich dem französischen Marinegewehr, eingeführt worden.

Die in Frankreich seit Jahren thätige Gewehrversuchskommission soll zu einem bestimmten Entschluß noch nicht gekommen sein, indessen ist ein Gewehr, System Gras-Vetterli, das Einladergewehr Gras, von Vetterli mit Mehrladevorrichtung versehen, Truppen in Versuch gegeben. Ihm erwuchs ein Konkurrent in dem Châtellerault-Gewehr M/74.84, von der Staatsgewehrfabrik Châtellerault konstruiert, eine Verbesserung des Kropatschekschen Marinegewehrs, von welchem 24 Jägerbataillone je 100 Stück zum Versuch erhielten. Das Magazinrohr des Gewehrs faßt acht Patronen. Aber auch von dem Kropatschek-Gewehr sind 60,000 Stück beschafft und ausgegeben worden, doch wird dasselbe viel getadelt. Welches Gewehr zur Einführung kommen wird, läßt sich jetzt (Januar 1887) noch nicht sagen.

In England hat man sich in Anlehnung an die Versuche in den Vereinigten Staaten von Nordamerika entschieden, mit dem Spencer-Lee-Gewehr, einer vortrefflichen Verbindung des anhängbaren Magazins mit dem Fallblocksystem, einen ausgedehntern Versuch anzustellen, und es sollten 1886 bei der Marine 3000 Repetiergewehre dieses Systems erprobt werden. Die vielen Klagen über den starken Rückstoß des Henry-Martini-Gewehrs haben Ende 1885 zur Einführung des Martini-Enfield-Gewehrs von 10,16 mm Kaliber, dessen Geschoß 24,8, die Ladung 5,8 g, das Gewehr selbst 4,14 kg wiegt. Der Verschluß (Martini) ist fast derselbe geblieben, nur der Lauf verändert. Aber auch der Blockverschluß des neuen Gewehrs wird viel getadelt und ein Kolbenverschluß verlangt. Dadurch wurde die Wahl abermals erschwert.

Italien hat 1884 bei der Marine das Mehrladersystem Bertoldo eingeführt. Es hat den Vetterli-Lauf (10,4 mm Kaliber) und die Munition desselben behalten, nur das einfache Repetierwerk Bertoldo ist zugefügt. Die Armee erhält das Magazingewehr, System des Kapitäns Vitali.

Spanien steht im Begriff, für sein nicht mehr zeitgemäßes Remington-Gewehr ein neues mit Vetterli-Verschluß u. Hebler-Lauf von 8 oder 8,97 mm Kaliber mit 3,6 Kaliber langem Geschoß einzuführen.

Über die hauptsächlichsten Ordonnanzgewehre der Gegenwart vgl. nachstehende Tabelle:

[Hier folgt in der Vorlage die Tabelle, siehe unten.]

Über Jagdgewehre, Karabiner und Revolver s. diese Artikel.

Vgl. Weygand, Die technische Entwickelung der modernen Präzisionswaffen der Infanterie (2. Aufl., Leipz. 1878); R. Schmidt, Die Entwickelung der Feuerwaffen (Schaffh. 1868, 2 Bde.); Derselbe, Die H., ihre Entstehung und Entwickelung bis zur Gegenwart (Basel 1875–78); Hentsch, Ballistik der H. (Leipz. 1873); Derselbe, Die Entwickelungsgeschichte und Konstruktion sämtlicher Hinterladergewehre (das. 1873–79, 6 Tle.); Löbell, Des Zündnadelgewehrs Geschichte und Konkurrenten (Berl. 1867); Mattenheimer, Die Rückladungsgewehre (3. Abdr., Darmst. 1871–76); Plönnies, Neue Hinterladungsgewehre (das. 1867); Elgger, Kriegsfeuerwaffen der Gegenwart (Leipz. 1868); Meinecke, Das Chassepotgewehr der französischen Infanterie (Darmst. 1867); Tackels, Kriegsfeuerwaffen (a. d. Franz., Kassel 1869); Thiel, Das Infanteriegewehr (Bonn 1883); „Das Gewehr der Gegenwart und Zukunft“ (Hannov. 1883–86); „Die Repetiergewehre. Ihre Geschichte, Entwickelung, Einrichtung und Leistungsfähigkeit“ (Darmst. 1883 bis 1886, 2 Bde.); Mieg, Theoretische äußere Ballistik (Berl. 1884); Galand, Le revolvre de guerre en 1873 (2. Aufl. 1873); Neumann, Die wichtigsten Angaben über die H. aller Länder (3. Aufl., Kassel 1878); Brandeis, Die moderne Gewehrfabrikation (2. Aufl., Weim. 1886); Thierbach, Die geschichtliche Entwickelung der H. (Dresd. 1885); „Das Infanteriegewehr M/71.84“ (Hannov. 1887); „Instruktion über das Infanteriegewehr M/71.84“ (Berl. 1887). Eine Übersicht der Fortschritte auf dem Gebiet der H. geben v. Löbells „Jahresberichte über die Veränderungen etc. im Militärwesen“ (Berl., seit 1875).

  Deutsch­land: (Mauser) Infant.-Gewehr Belgien, Brasil.: Com­blain II-Gewehr Däne­mark: Re­ming­ton-G. Frankr.: aptiertes Chassep.- (Gras-) Gewehr Großbri­tannien: Henry-Martini-Gewehr Italien: Vetterli-Gewehr Nieder­lande: Beau­mont-Gewehr Öster­reich: Werndl-Gewehr Ruß­land: Ber­dan II-Gewehr Schweiz: Vetterli- (Repe­tier-) Gewehr Ver. St. N.-Am.: Spring­field-Gewehr Schwe­den: Jar­mann- (Repe­tier-) G.
Jahr der Konstruktion 1871 1871 1867 1874 1871 1872 1871 1867 u. 73 1872 1869 1873 1880
Kaliber Millim.
11 11 11,44 11 11,43 10,4 11 11 10,66 10 11,43 10,15
Gewicht des Gewehrs Kilogr.
4,5 4,3 4,125 4,2 4 4,2 4,35 (4,5) 4,2 4,35 4,7 4,42
Verschluß­system Cylinder Block Klappe Cylinder Fallblock Cylinder Cylinder Welle Cylinder Cylinder Klappe Kolben
Länge des Gewehrs Meter¹
1,33 1,21 1,282 1,305 1,18 1,345 1,32 1,3 1,36 1,3
Länge des Geschosses in Kalibern 2,6 2,27 2,2 2,5 2,7 2,4 2 (2) 2,3 2,5 2,4 2,5
Geschoß­gewicht Gr.
25 25 25 25 31,1 20,4 21,75 (20,27) 24 24 20,4 26,2 21,85
Pulver­ladung  
5 5 3,9 5,25 5,5 4 4,25 (4) 5 5,07 3,75 4,52 4,46
Ladungs­quotient
1:5 1:5 1:6,4 1:4,76 1:5,6 1:5,1 1:5,1 (1:5,07)
1:4,8
1:4,73 1:5,4 1:5,8 1:4,4
Anfangs­geschwin­digkeit Meter
440 400 381 440 416 430 425 430 436 435
Wirksame Schuß­weite Meter
1600 750 1600 1600 1000 750 (800)
1200
1600 900
Zahl der Ladegriffe inkl. Patronen­einlegen 3 3 4 3 3 3 3 4 3 2 4
Auf 3 Kilogr. gehen Patronen Stück
69 74 86 70 62 97 77 (93) 81 76 98 77
Gezielte Schüsse in 1 Minute 12 12 10 12 12 12 12 10 12 5–15 10
¹ Ohne Bajonett.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 416418
korrigiert
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[416] Handfeuerwaffen (hierzu Tafel „Handfeuerwaffen IV“). Die überraschende Einführung des Magazingewehrs M/71/84 in Deutschland brachte die allerorts noch lebhaft besprochene Frage, ob es sich empfiehlt, ein Repetiergewehr für die Infanterie einzuführen, zur Entscheidung und gab Anlaß zu einem ähnlichen Vorgehen in andern Staaten. In Deutschland war unter dem Druck politischer Verhältnisse, die zur Eile zwangen, das Kaliber von 11 mm beibehalten worden. Es konnte auch hier nicht zweifelhaft sein, daß abermals eine Neubewaffnung mit einem Gewehr kleinsten Kalibers und verbesserter Magazin- und Schloßeinrichtung in nicht zu ferner Zeit unabweislich sein würde. Inzwischen hat in Deutschland das Gewehr 88 diese Erwartung erfüllt (weiteres s. unten). Auch in den andern Staaten suchte man die neuesten Erfahrungen und Fortschritte mit der Entscheidung für ein bestimmtes System eines Repetiergewehrs zu vereinigen. Als Grundlage wurde das Kaliber von 8 mm mit 4 Kaliber langem Mantelgeschoß sowohl wegen seiner rasantern Flugbahn und größern Tragweite als der leichtern Munition, welche in Ansehung des größern Munitionsverbrauchs auch die Mitführung einer größern Anzahl Patronen ohne Mehrbelastung des Mannes gestattet, angenommen; damit war einem der schwerwiegendsten Bedenken gegen die Einführung von Repetiergewehren abgeholfen.

In Frankreich, wo man bereits 1854 beim „Mousqueton de cent-gardes“ ein Kaliber von 9 mm angenommen, war man beim Chassepotgewehr M/66 wieder auf 11 mm zurückgegangen und behielt dieses Kaliber bei, als man sich 1874 zur Beseitigung der Mängel des Chassepots, namentlich seiner Papierpatrone, für das Gras-Gewehr entschied. Die Strömung zu gunsten des Repetiergewehrs führte 1878 zur Annahme des Gras-Kropatschek-Marinegewehrs M/78, aus welchem die Umänderungsmodelle M/84 und M/85 mit 11 mm Kaliber hervorgingen. Im Mai 1884 hatten die Versuche mit kleinkalibrigen Gewehren begonnen, denen der Kriegsminister Boulanger 1886 durch Annahme des Systems Lebel M/86 ein Ende machte. Auch dieses lehnt sich mit seiner Verschlußeinrichtung an das Gras-Kropatschek-Gewehr an, hat jedoch 8 mm Kaliber. Das bei demselben verwendete Pikratpulver bewährte sich seiner chemischen Unbeständigkeit wegen nicht und wurde durch das von Vieille erfundene rauch- und knalllose Pulver ersetzt, dessen Zusammensetzung und Herstellung noch (Herbst 1889) Geheimnis ist. Sein Hauptbestandteil soll Schießwolle sein. Da dieses Pulver einen erheblich stärkern Gasdruck ausübt als das bisherige, so mußte zur Auffangung des Rückstoßes eine besondere Einrichtung getroffen werden. Man versah den Verschlußkopf k (Fig. 1 u. 2), wie beim Terrysystem, vorn mit zwei Nasen n (Fig. 3), welche sich beim Rechtsdrehen des Verschlusses zum Schließen in entsprechende Nuten des Schloßgehäuses legen und nun den Rückstoß auffangen. Der Verschlußkopf, welcher im Verschlußstück v (Fig. 1–3) durch die Halteschraube h gehalten wird, trägt an der rechten Seite den Auszieher a (Fig. 1), links sitzt ein Auswerfer. Das selbstthätige Spannen des Spannstücks s mit Schlagbolzen o geschieht wie beim deutschen Gewehr M/71/84. Der Repetiermechanismus besteht aus dem löffelartigen Zubringer z, welcher im Zubringergehäuse f Führung erhält und mit der auf ihm liegenden Patrone gehoben wird, sobald beim Zurückziehen des Verschlusses die untere Nase n des Verschlußkopfes gegen seine Nase e anstößt. Er wird in dieser Lage durch den Druck des hintern Hebelendes der Patronensperre p bei i gehalten; der vordere Schnabel der letztern wird hierbei gehoben und schiebt sich vor den Boden der letzten Patrone im Magazin, deren Austreten verhindernd. Beim Vorschieben des Verschlusses wird die auf dem Zubringer liegende Patrone mitgenommen und in den Lauf geschoben, das Spannstück wird durch den Abzugsstollen t zurückgehalten, und beim Rechtsdrehen der Handhabe b drückt das Ende der Führungsnute gegen das obere Ende des Anschlagstücks g und senkt dieses mitsamt dem Zubringer; hierbei senkt sich auch der vordere Schnabel der Patronensperre, und die Spiralfeder im Magazinrohr schiebt sofort eine neue Patrone auf den Zubringer. Ein Druck gegen den Abzug zieht den Abzugsstollen herunter, und das Spannstück mit Schlagbolzen schnellt vor und feuert ab. Das Absperren des Repetiermechanismus geschieht durch Vorschieben des Stellhebelknopfes l, dabei wird der Zubringer gehoben, während das Anschlagstück in gesenkter Lage bleibt; es kann nun mit Einzelladung gefeuert werden. Der Verschluß ist kein Geradezugverschluß, er zeichnet sich außerdem nicht durch Einfachheit aus und soll, namentlich beim Schießen, öftern Störungen ausgesetzt sein. Für den heutigen Stand der Gewehre kleinsten Kalibers ist das französische M/86 veraltet, sowohl hinsichtlich der Lage des Rohrmagazins im Vorderschaft mit der zeitraubenden Einzelfüllung als der Drehbewegung zum Öffnen und Schließen des Verschlusses. Das röhrenförmige Magazin liegt im Vorderschaft und faßt acht Patronen. Das Geschoß hat die große Länge von 35 mm (4,375 Kaliber), besteht aus einem Nickelmantel mit Hartbleikern und wiegt 15 g. Die Zusammensetzung des rauch- und knallschwachen Pulvers

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Handfeuerwaffen IV.
Fig. 1—4. Französisches Gewehr M/86. (Lebel-Gewehr, fusil M/86.)
Fig. 1. Verschluß geöffnet, Zubringer mit Patrone zum Laden gehoben.
Fig. 2. Verschluß geöffnet, Patronenhülse noch nicht ausgeworfen, Zubringer mit der letzten Patrone gesenkt, Schlagbolzen gespannt.
Fig. 3. Verschlußstück mit Verschlußkopf.
Fig. 4. Zubringer.
Fig. 5 u. 6. Österreichisches Repetiergewehr M/88. (Verbessertes Mannlicher-System.)
Fig. 5. Verschluß geöffnet und gespannt, volles Magazin, oberste Patrone zum Einführen in den Lauf bereit.
Fig. 6. Verschluß geschlossen u. zum Abfeuern bereit; das leere Magazin ist hinausgefallen.
Fig. 7–11. Das deutsche Gewehr und der Karabiner M/88.
Fig. 7. Lauf mit Laufmantel.
Fig. 8. Verschluß geöffnet und gespannt, ein voller Patronenrahmen eingesetzt.
Fig. 9. Verschluß geschlossen und abgefeuert.
Fig. 10. Kammer mit Schlößchen und Verschlußkopf.
Fig. 11. Die randlose Patrone 86.
Fig. 12 u. 13. Der deutsche Revolver M/83.
Fig. 12. Hahn gespannt.
Fig. 13. Die Kammerwalze zum Revolver 83.
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Zur Tafel ‚Handfeuerwaffen IV‘: Das deutsche Gewehr M/88.
Geschichtliche Entwickelung.

Das kleine Kaliber von 7,9 mm, der Laufmantel, das Kastenmagazin, die zentrale Auffangung des Rückstoßes, die randlose Patrone mit rauchlosem Pulver und das Stahlmantelgeschoß sind die wesentlichen, aber bedeutsamen Unterschiede, welche das Gewehr M/88 von allen Waffen unterscheiden, die bisher im deutschen Heer sich im Gebrauch befanden. Die überraschende Einführung des Gewehrs M/71.84 gegen Ende des Jahrs 1886 und seine sofortige Ausgabe an die Truppen in großer Anzahl war wohl eine große politische That, durch welche die Gewehrfrage, bezüglich Annahme der Mehrladung zwar gefördert wurde, aber nicht entschieden werden konnte. Die der Einführung dieses Gewehrs vorangegangenen Versuche hatten sich auch auf Gewehre des für den Armeegebrauch zulässig kleinsten Kalibers erstreckt und die mit demselben verbundenen ballistischen Vorteile erkennen lassen, die in der großen Tragweite und bestreichenden Flugbahn des Geschosses eine eminent praktische Bedeutung haben; denn sie erweitern nicht nur den Wirkungsbereich der Waffe erheblich, sie vermehren auch die Zahl der Gelegenheits- oder Gefechtstreffer bei gezielten Schüssen, welche das Ziel fehlten. Aus den Versuchen wurde aber auch die Überzeugung gewonnen, daß der Übergang zum kleinsten Kaliber bis zur Herstellung eines verbesserten Pulvers vertagt werden müsse, da das bisherige Schwarzpulver im kleinkalibrigen Gewehr nicht genügte. 1886 war es in Frankreich gelungen, ein rauchloses Pulver herzustellen und die Einführung des sogen. Lebel-Gewehrs, das „fusil M/86“ von 8 mm Kaliber mit Vorderschaftmagazin (Fig. 1–4 der Tafel), zu ermöglichen. Wenn jenes Pulver auch den Erwartungen nicht entsprach, wurde es doch bald durch ein andres ersetzt, als dessen Hauptbestandteil Schießwolle angesehen wird. Aber auch in Deutschland war es den Hamburg-Rottweiler Pulverfabriken gelungen, ein verbessertes Pulver mit verminderter Raucherscheinung der Gewehrprüfungskommission in Spandau zur Verfügung zu stellen, wo 28. Okt. 1887 eine besondere Kommission zur Prüfung und Herrichtung eines kriegsbrauchbaren Gewehrs von 8 mm Kaliber zusammentrat. Am 20. Okt. 1888 wurde von ihr ein vollständig durchgeprobtes Gewehr von 7,9 mm Kaliber vorgelegt, dessen Einführung der Kaiser 6. Nov. 1888 als Gewehr M/88 für die Armee befahl. Erst nachträglich gelang es der Pulverfabrik zu Spandau, ein Pulver von nahezu vollständiger Rauchfreiheit herzustellen, welches dem Geschoß eine Anfangsgeschwindigkeit von 620 m gab, und das als Gewehr-Blättchenpulver zur Einführung kam.

Lauf und Laufmantel.

Der Lauf l (s. Fig. 7–9 der Tafel) aus Gußstahl hat ein Kaliber (zwischen den Feldern) von 7,9 mm und vier flache Züge mit einem Drall von 24 cm (30 Kaliber Länge). Er ist mit einem leeren Zwischenraum von etwa 2 mm von einem Stahlrohr, dem Laufmantel m, umschlossen, dessen Wandstärke 1,7 mm beträgt. Er wird vor der Verschlußhülse h durch eine Schraubenmuffe auf dem Lauf festgehalten, während er vorn in den Mundring g endigt, in welchem der Lauf bei seiner Längenausdehnung sich verschieben kann. Die Gewehrringe zur Befestigung im Schaft berühren daher nur den Laufmantel, so daß der Lauf beim Schießen ungehindert schwingen und sich nach allen Richtungen ausdehnen kann, eine Einrichtung, welche die Erhaltung der Treffsicherheit bezweckt. Außerdem schützt der Laufmantel den Lauf vor äußern Beschädigungen und erleichtert die Handhabung des heißgeschossenen Gewehrs, da der Zwischenraum die Übertragung der Wärme vom Lauf auf den Mantel verlangsamt.

Der Patronenrahmen und der Zubringer.

Der aus dünnem Stahlblech gepreßte Patronenrahmen p ist aus dem Kastenmagazin des Systems Lee hervorgegangen. Seine Seitenränder (in den Abbildungen oben und unten) sind nach innen umgebogen, so daß die Patronen hier nicht hindurch können, sondern sich nur in der Richtung der Geschosse herausziehen lassen. Der Rahmen findet Schutz in dem vor dem Abzugsbügel angebrachten Kasten k, in welchem der um ein Gelenk drehbare Zubringer z sich auf und nieder bewegt, gehoben durch den Druckbolzen d mit Feder. Befindet sich kein Patronenrahmen im Gewehr, so schließt der Zubringer die Öffnung im Boden der Verschlußhülse, der aber beim Einsetzen eines gefüllten Patronenrahmens nach unten gedrückt wird. Das Hochheben des letztern durch den Zubringer verhindert der Rahmenhalter f.

Das Schloß.

Das Schloß (Fig. 8—10) gleicht im allgemeinen demjenigen des Gewehrs M/71 und unterscheidet sich von demjenigen M/71.84 durch das Fehlen der Repetiervorrichtung, welche durch den Zubringer z mit Druckbolzen ersetzt ist. Was ihn wesentlich vom Verschluß M/71 unterscheidet, ist die zentrale Auffangung des Rückstoßes. Zu diesem Zweck hat die Kammer a vorn diametral gegenüberstehende Nasen e, welche sich beim Rechtsdrehen der Kammer in die ringförmige Ausdrehung n der Verschlußhülse h legen und hier das Widerlager für den Rückstoß finden. Es ist demnach kein Geradezugverschluß wie der österreichische, nähert sich vielmehr dem französischen, nur daß bei letzterm die Nasen am Verschlußkopf sitzen. Letzterer v hat beim deutschen Gewehr eine tiefe Ausdrehung für die randlose Patrone, an der rechten Seite eine Längsnute für den Auszieher u und an der linken Seite eine Rinne für den Auswerfer w. Bei unsern bisherigen Gewehren wurde die Kammer zum Schließen rechts gedreht, hierbei legt sich die Kammerhandhabe in einen Ausschnitt der rechten Verschlußhülsenwand, welche demnach den ganzen Rückstoß auffängt. Mit der Länge des Hebelarmes von der Laufachse bis zum Widerlagerpunkt im Hülsenausschnitt wirkt der Rückstoß daher drehend auf die Waffe, woraus Nachteile für die Treffsicherheit und deren Erhaltung erwachsen, auf deren Beseitigung von Fachmännern großer Wert gelegt wird. Wenn diese Nachteile beim österreichischen Gewehr durch die Verlegung nach unten auch gemindert wurden, so sind sie doch nicht ganz beseitigt. Die Vereinigung der zentralen Rückstoßanffangung mit dem Geradezugverschluß ist einstweilen noch der Zukunft vorbehalten. Das der Société anonyme manufacture liégeoise d’armes à feu in Lüttich im Deutschen Reich unter Nr. 49,528 und 49,875 patentierte Gewehr mit Geradezugverschluß, bei welchem durch Vor- und Rückwärtsdrehung der Kammerhandhabe beim Schließen und Öffnen um etwa 45° zu beiden Seiten der Welle, um welche sich die Handhabe dabei dreht, sitzende Scheiben aus ihrem Lager heben oder in dasselbe legen, wodurch das Widerlager zu beiden Seiten der Laufachse, also eine zentrale Rückstoßauffangung gewonnen wird, ist für Kriegszwecke nicht geeignet. Bemerkenswert ist an demselben, daß das Schloß keine Schraube und keine Spiralfeder, nur winkelförmige Blattfedern, auch für den Schlagbolzen, hat. Das Spannen des Schlagbolzens geschieht wie beim Gewehr M/71, auch das Schlößchen s mit der Nase r, welche hinter die Abzugsfederstellen greift, gleicht demselben.

Gang des Verschlusses von Schuß zu Schuß.

In das geöffnete Gewehr wird ein mit 5 Patronen gefüllter Patronenrahmen unter Herunterdrücken des Zubringers von oben eingesetzt, bis der Rahmenhalter f [Ξ] einschnappt. Die oberste Patrone liegt nun so hoch, daß der Verschlußkopf beim Vorschieben der Kammer hinter ihren Boden greift, sie mitnimmt und in das Patronenlager des Laufes schiebt, wobei der Boden in die Aussenkung des Verschlußkopfes tritt. Die Nase des Schlößchens liegt hinter dem Abzugsstollen, durch einen Druck an den Abzug schnellt das Schlößchen mit dem Schlagbolzen vor, und der Schuß geht los. Sowie die oberste Patrone den Rahmen verließ, hob der Zubringer die übrigen Patronen hoch bis gegen die Kammer; wird diese nach links gedreht, so spannt sich das Schlößchen, die Nasen treten aus der Ausdrehung der Hülse, und das Zurückziehen kann beginnen. Hierbei nimmt der Auszieher die Hülse mit, bis der Knopf des Auswerfers gegen die Hülse stößt und der Stift in der Führungsrinne w sich vorschiebt, hinter den Boden der Hülse stößt und diese aus dem Gewehr wirft. Gleichzeitig haben sich die Patronen gehoben, so daß der Verschlußkopf wieder hinter den Boden der obersten stößt. Wird die letzte Patrone vorgeschoben, so fällt der Rahmen in dem Augenblick, in welchem sie aus diesem heraustritt, aus der Öffnung des Kastenbodens o von selbst aus dem Gewehr und gibt dem Schützen das Zeichen zum Einsetzen eines gefüllten Rahmens.

Die Munition.

Die Patronenhülse (Fig. 11) hat keinen Bodenrand; welchen Einfluß der Fortfall desselben auf die Lagerung im Magazin und die Form des letztern hat, zeigt ein Vergleich der Abbildungen des deutschen und österreichischen Gewehrs. Die Lagerung in den Packgefäßen ist fester und beansprucht wesentlich weniger Raum. Das 4 Kaliber oder 32 mm lange Geschoß hat einen Durchmesser von 8,1 mm und besteht aus dem Mantel von nickelplattiertem Stahlblech, in welchen ein Kern aus Hartblei eingepreßt ist. Durch Umbördelung des Mantels über den Boden des Korns wird das Lostrennen und Aufreißen des Mantels verhindert. Zwischen dem Geschoß und der Ladung aus 2,75 g Gewehr-Blättchen-Pulver liegt eine Pappscheibe. Das Geschoß bleibt ungefettet; es wiegt 14,7, die Hülse 9,8, die ganze Patrone 27,3 g, sie ist 82,5 mm lang. Ein Patronenrahmen mit 5 Patronen wiegt 154 g, drei Rahmen stecken in einer Packschachtel, 15 Packschachteln in einer Packhülse und 5 Packhülsen mit zusammen 1125 Patronen in einem Patronenkasten, welcher 42,7 kg[WS 1] wiegt.

  Deutsches Gewehr Öster­reich. Gewehr Fran­zös. Gewehr
M/71.84 88 80 M/86
Länge des Gewehrs (ohne Seitengewehr) m
1,8 1,245 1,281 1,307
Gewicht, ungeladen (ohne Seitengewehr) kg
4,6 3,8 4,4 4,18
Gewicht einer Patrone g
43 27,3 29,7 29
Kriegs­chargierung des Mannes Patronen
100 150 100 112
Gewicht derselben mit Pack­schachteln kg
4,396 5,03 3,53
Geschoß­anfangs­geschwindigkeit m
435 620 530 610
Das Visier reicht auf m
1600 2050 1875 1800
Bestrichener Raum bis auf Entfernung m
375 500 375 500

Das österreichische Gewehr, welches urspränglich eine Ladung von 4 g Stainer Pulver M/86 verwendete, ist jedoch vorbedachterweise für rauchfreies Pulver konstruiert worden, so daß dessen Annahme technische Änderungen des Gewehrs nicht erfordern sollte. Inzwischen soll solches Pulver eingeführt worden sein. Die Ladung des französischen Gewehrs M/86 beträgt 2,70 g, der Geschoßmantel ist aus Melchior-Metall hergestellt.

Der hohen Bedeutung des Fußgefechts der Kavallerie entsprechend, wird dieselbe, gleichwie in Frankreich, mit einem Karabiner bewaffnet werden, welcher dem Gewehr M/88 entspricht und sich nur äußerlich, soweit es die kavalleristische Gebrauchs- und Trageweise erfordert, von demselben unterscheidet.

Der Revolver M/83.

Der Revolver M/83 (Fig. 12 u. 13) ist die Handfeuerwaffe der Feldartillerie, aller Offiziere, der Krankenträger und derjenigen Unteroffiziere der Fußtruppen, welche eine andre Schußwaffe nicht tragen, also der Feldwebel, Vicefeldwebel, Stabshautboisten, Bataillons- und Regimentstamboure und der Fahnenträger. Er hat ein Kaliber von 10,6 mm und ist 25,8 cm lang. Die sechsschüssige Kammerwalze wird beim Aufziehen (Spannen) des Hahns dadurch gedreht, daß der Umsatzhebel in das an der hintern Fläche der Walze nahe der Achse liegende Zahnrad eingreift. Zum Festhalten der Walze beim Schuß dient der Arretierhebel, dessen Nase in eine der sechs Rasten auf der Mantelfläche der Walze (in der Abbildung sind zwei sichtbar) greift, welcher bei Stellung des Hahns auf Ruhrast (einmaliges Knacken beim Spannen) die Walze freigibt, so daß sie zum Laden und Ausstoßen der Hülsen mit der Hand gedreht werden kann. Zu diesem Zweck muß die Ladeklappe, welche die rechte Hälfte der Walze hinten bedeckt, nach rechts gedreht werden, damit in die freigewordene Kammer eine Patrone eingesetzt werden kann.


Italien hat sein Vetterli-Gewehr von 10,4 mm Kaliber nach der Konstruktion des Majors Vitali in ein Kastenmagazingewehr in der Weise umgeändert, daß unter dem Gewehr vor dem Verschlußgehäuse ein Kasten zur Aufnahme eines verbesserten Leeschen Kapselmagazins aus Stahlblech mit vier Patronen befestigt ist, welches die Zubringervorrichtung enthält. Durch Drehen eines Verschlußringes kann der Magazinmund abgesperrt werden, wenn mit Einzelfeuer geschossen werden soll. Beim Übergang zum Magazinfeuer muß der Verschlußring entfernt und ein Patronenpack eingesetzt werden. Dem entsprechend führt der Schütze in einer Patronentasche lose Patronen, in der andern 6 Pakete zu 4 Stück. Durch Anwendung eines rauchlosen Pulvers hofft man zwar die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses von 430 auf 600 m zu steigern und wird dadurch die Flugbahnverhältnisse verbessern, aber niemals diejenigen der kleinkalibrigen Gewehre erreichen können. Italien wird sich deshalb mit dem Vitali-Vetterli-Gewehr nicht zufrieden geben können, sondern zu einem kleinsten Kaliber übergehen müssen. Wie es heißt, soll die Fabrik von Löwe in Berlin, welche für Deutschland die Gewehre M/88 fertigt, einen Vertrag auf Lieferung der gleichen Gewehre mit Italien abgeschlossen haben.




[417] und Gewicht der Ladung sind unbekannt. Die Ladung gibt dem Geschoß die große Anfangsgeschwindigkeit von 630 m. Die Patrone wiegt 29 g. Eine Patrone, deren Hülse nicht aus Metall gefertigt ist, soll sich in der Einführung befinden; das Geschoß derselben soll größere Durchschlagskraft besitzen als das alte, hat also wahrscheinlich statt des Nickel- einen Stahlmantel erhalten. Der Lauf hat vier Züge von 24 cm Dralllänge. Das Gewehr mit vollem Magazin wiegt 4,415 kg, das Seitengewehr 0,4 kg, das Gewehr ohne letzteres ist 1,307, mit Bajonett 1,825 m lang. Die Visiereinteilung reicht bis 2000 m, der bestrichene Raum gegen Infanterie ist 400 m. Dieses Gewehr, welches ohne Grund den Namen des Direktors der Schießschule in Châlons sur Marne, Oberst Lebel, führt, trägt die Zeichen übereilter Einführung, Magazin und Verschluß sind veraltet. Die Kavallerie soll mit einem Karabiner gleichen Systems bewaffnet werden. Die gesamte Infanterie sollte 1. April 1889 mit Lebel-Gewehren bewaffnet sein.

England hat ein Gewehr von 7,6 mm Kaliber mit Kapselmagazin, welches aus dem Magazin Lees (s. Bd. 8, S. 108) hervorging, aber acht Patronen in zwei Reihen nebeneinander aufnimmt, eingeführt. Italien hat 1887 die Umänderung des Vetterli-Einladers von 10,4 mm Kaliber in ein Repetiergewehr nach der Konstruktion des Majors Vitali begonnen. Vor dem Abzugsbügel ist unter dem Gewehr ein Kapselmagazin für vier Patronen befestigt, in welches zum Magazinfeuer die Patronenpakete eingesetzt werden. Für gewöhnlich braucht man Einzelladung. Versuche mit Gewehren von 8 mm Kaliber sind gegenwärtig im Gang.

In Österreich wurde 1886 ein Repetiergewehr von 11 mm Kaliber nach dem System Mannlicher eingeführt, aber bald durch das Repetiergewehr M/88 von 8 mm Kaliber des verbesserten Mannlicher-Systems ersetzt. Es hat einen Geradezugverschluß und ein anhängbares Kapselmagazin für fünf Patronen, welches aus dem Magazin Lees hervorgegangen ist. In dem Verschlußgehäuse g (Fig. 5 u. 6) ist das cylindrische Verschlußstück a vor- und zurückschiebbar; in letzteres ist vorn der Verschlußkopf b eingeschraubt, hinten das Griffstück d eingeschoben, an dessen rechter Seite hinten die Handhabe mit Kugelknopf k sitzt. Im Verschluß- und Griffstück liegt der Schlagbolzen, auf den hinten die Schlagbolzenmutter h mit Flügelansatz aufgeschraubt ist. An der rechten Seite des Verschlußstücks sitzt außen der Auszieher s, er gleitet in einer Nute des Verschlußgehäuses. Der Riegel c, um ein Gelenk am Verschlußstück drehbar, hat an der innern Fläche einen Einschnitt, in welchen der Keil i des Griffstücks mit seinen keilförmigen Seitenflächen derart eingreift, daß er den Riegel mit seinem hintern Ende immer tiefer nach unten drückt, je weiter er in denselben hineintritt (Fig. 6). Hierbei senkt er sich in einen Ausschnitt des Verschlußgehäuses und stemmt sich gegen den Ansatz w des Widerlagers, wenn der Verschluß vollständig geschlossen ist. Beim Öffnen des Gewehrs zieht sich zunächst das Griffstück aus dem Verschlußstück und hierbei der Keil aus dem Riegel, letztern so weit hebend, daß er über das Widerlager w hinweggleiten kann. Auf dem Boden des am Gewehr vor dem Abzugsbügel befestigten Magazinkastens e liegt der Zubringer z mit Zubringerplatte p, deren Wirkungsweise aus den Figuren ersichtlich ist. Das Magazin m umfaßt die Patronen nur bis zur halben Höhe der Hülsen und wird mit seinen fünf Patronen von obenher eingesetzt und durch den Magazinhalter q gehalten. Der Zubringer drückt die Patronen so weit nach oben, daß beim Vorschieben des Verschlußstücks eine Patrone durch letzteres in den Lauf geschoben wird. Hierbei werden die Flügel der Verschlußschraube vom Abzugsfederstollen l aufgehalten (Fig. 6) und dadurch die Schlagfeder gespannt. Ein Druck gegen den Abzug zieht den Stollen nach unten, der Schlagbolzen wird frei und schnellt nach vorn. Beim Öffnen reißt der Auszieher s die Patronenhülse aus dem Lauf. In dem Augenblick, in dem die letzte Patrone in den Lauf geschoben wird, verliert das Magazin seinen Halt und fällt selbstthätig durch die Ausfallöffnung o im Boden des Magazinkastens aus dem Gewehr. Jetzt kann letzteres auch mit einzelnen Patronen geladen werden; da dies ebensoviel Zeit erfordert wie das Einsetzen eines Magazins, so ist das Magazinfeuer die Regel. Der Schütze braucht also nach dem Schuß nur den Verschluß geradlinig zurückzuziehen und sofort wieder vorzuschieben, um sogleich den nächsten Schuß abgeben zu können. Das 32 mm (4 Kaliber) lange Geschoß, aus dem Stahlmantel und Hartbleikern bestehend, wiegt 15,8 g und erhält durch die Ladung von 4 g Gewehrpulver M/86 eine Anfangsgeschwindigkeit von 530 m. Eine Patrone wiegt 29,7, ein Magazin mit fünf Patronen 179 g, zwei Magazine stecken in einem Pappkästchen. Der Lauf hat vier Züge von 25 cm Dralllänge. Das Gewehr wiegt 4,4 kg und ist ohne Bajonett 1,281 m lang. Als Bajonett dient das dolchartige Seitengewehr, dessen Klinge 25 cm lang ist. An Stelle des bisherigen Gewehrpulvers soll demnächst ein rauchloses Pulver treten.

Über das in Deutschland eingeführte und demnächst zur Ausgabe gelangende Gewehr M/88 vgl. die Beschreibung auf dem besondern Textblatt zur Tafel. Anzeichen sprechen dafür, daß Italien auch das deutsche Gewehr M/88 angenommen hat. Dasselbe erreicht bei 32° Erhöhung seine größte Schußweite von 3800 m, das Visier reicht bis 2050 m. In der außerordentlich gestreckten Flugbahn, welche sich bis 500 m noch nicht über Mannshöhe von der Erdoberfläche erhebt (keinen unbestrichenen Raum hat), liegt die Bedingung für eine große Zahl von Zufallstreffern. Die Geschoßgeschwindigkeit auf 25 m vor der Mündung beträgt 620 m. Daher gelten nach der Schießvorschrift für die Infanterie vom 21. Nov. 1889 Entfernungen bis zu 600 m als nahe, von 600–1000 m als mittlere, darüber hinaus als weite. Es kann von jedem Schuß ein Treffer erwartet werden bis 250 m gegen alle Ziele, bis 350 m gegen einzelne knieende Gegner, bis 500 m gegen eine knieende Rotte, bis 600 m gegen eine stehende Rotte und einzelne Reiter. Über 1000 m darf das Feuer nur gegen solche Ziele angewendet werden, welche hinreichende Ausdehnung in der Höhe, Breite und Tiefe haben. Vermöge seiner großen lebendigen Kraft und Formfestigkeit ist die Durchschlagsfähigkeit des Geschosses sehr groß; auf 100 m Entfernung werden 80, auf 400 m 45, auf 800 m 25, auf 1800 m noch 5 cm dickes, trocknes Tannenholz, auf 300 mmm dicke Eisenplatten, auf 100 m 4–5 hintereinander stehende Leute, auf 400 m 3–4 und auf 800–1200 m noch 2–3 durchschlagen; diese Schußwirkung wird selbst dann erzielt, wenn die stärksten Knochen getroffen werden. Schießversuche gegen Schädel auf 600 m ergaben ganz reine Lochschüsse ohne Spuren einer Pressung von Gehirnteilen. Da bei kleiner Eingangsöffnung des Schußkanals in den menschlichen Körper und fast schlitzartiger Auszugsöffnung alle gefährlichen Zerreißungen, Verschmutzungen und Knochenzersplitterungen unterbleiben, so werden die Verwundungen im allgemeinen [418] leichter sein, der Heilungsprozeß wird sich günstiger gestalten. Verstümmelungen und Verkrüppelungen werden häufiger vermieden werden als bisher. Dünne Ziegelmauern schützen gegen diese Geschosse nur unvollständig; treffen mehrere Geschosse dieselbe Stelle, so dringen sie durch; Erdbrustwehren bedürfen einer Stärke von mindestens 75 cm. Rußland, welches bisher eine abweisende Haltung gegen die Einführung eines Repetiergewehrs kleinsten Kalibers bewahrte, soll das französische Gewehr M/86 angenommen und Lieferungsverträge mit französischen Fabriken abgeschlossen haben.

Belgien soll im Begriff stehen, das Repetiergewehr des Leutnants Marga einzuführen; es hat 8 mm Kaliber, wiegt 3,5 kg, hat 2,8 g Ladung Wetterenpulver (Papierpulver in Körnerform) und soll sich durch große Feuerschnelligkeit und Einfachheit des Verschlusses auszeichnen. Dänemark hat nach langjährigen Versuchen ein Magazingewehr von 8 mm Kaliber und Kapselmagazin für 5 Patronen System Lee mit Kupfermantelgeschoß angenommen. In Frankreich ist für Kavallerie ein Karabiner von 8 mm eingeführt, welcher die Patrone des Infanteriegewehrs M/86 verfeuert und nur 3,6 kg wiegt. In den Niederlanden folgt man einstweilen dem Beispiel Italiens und gibt dem Beaumont-Gewehr von 11 mm Kaliber vor dem Verschlußgehäuse ein Kapselmagazin für Einzel- und Packfüllung. Zum kleinsten Kaliber will man erst dann übergehen, wenn die Pulverversuche Erfolg haben. Die Schweiz hatte sich für das Rubin-Gewehr von 7,5 mm Kaliber entschieden, die Versuche sind aber wieder aufgenommen, deren Ergebnisse geheimgehalten werden. Spanien hat eine Abänderung seines Gewehrs M/71 nach dem System Freyre-Brull mit einem Mantelgeschoß angenommen. Portugal hat als Gewehr M/86 System Kropatschek von 8 mm Kaliber mit festem Rohrmagazin im Vorderschaft und Kupfermantelgeschossen eingeführt. Die Türkei hat das deutsche Gewehr M/71/84 als M/87 mit 9,5 mm Kaliber und Hartbleigeschossen (ohne Mantel) und Rottweiler Pulver angenommen. Man betrachtet heute, nachdem die verschiedenen technischen Schwierigkeiten überwunden sind, das zulässig kleinste Kaliber von 7,5–8 mm wegen seiner rasanten Flugbahn und daraus hervorgehenden Steigerung der zufälligen oder Gefechtstreffleistung der ungezielten Schüsse als das der Zukunft. Sowohl das Magazin im Vorderschaft, wegen seiner zeitraubenden Patroneneinzelfüllung wie der wechselnden Schwerpunktslage der Waffe, als die Magazine im Kolben mit Einzel- oder Packfüllung, wegen der schwerfälligen Patronenzubringung mittels Zugstangen, gelten als veraltet; man glaubt, daß den einsteckbaren Kastenmagazinen, wie beim österreichischen Mannlicher-Gewehr, die Zukunft gehört. Alle andern Verschlußarten sind durch den Cylinderverschluß mit geradliniger Vor- und Rückbewegung (Geradzugverschluß) an Einfachheit und Schnelligkeit der Handhabung überholt. Als Geschoß hat sich das 4 Kaliber lange Mantelgeschoß, dessen Mantel aus vernickeltem Stahl oder einer harten Nickellegierung durch Umbärtelung über die Bodenfläche des nicht eingelöteten Kerns aus Hartblei diesen festhält, bezüglich seiner Formfestigkeit beim Eindringen in das Ziel und Führungsfestigkeit im Gewehrlauf befriedigend bewährt. Nach Professor Bruns Versuchen ist die Durchschlagsfähigkeit die größte und die Schußverletzung in humanitär-chirurgischer Beziehung die günstigste, je härter und zäher der Mantel des Geschosses ist, und in dieser Beziehung übertrifft der Stahlmantel alle bisher versuchten aus anderm Metall. Für die Patronenhülse sucht man noch immer nach einem leichtern Material als Metall, welches entweder durch die Ladung vollständig ohne Rückstand verbrannt wird, oder welches gar nicht verbrennt und verkohlt und wie die Metallhülse ausgezogen werden kann, aber wertlos ist, und welches gegen die Pulverladung sich vollkommen chemisch indifferent verhält. Die Patronenhülsen ohne überstehenden Bodenrand, statt dessen mit eingedrehter Auszieherrinne zum Eingreifen des Ausziehers werden wegen ihres vorteilhaftern Verpackens wahrscheinlich in kurzer Zeit die bisherigen Hülsen verdrängen. England soll sie angenommen haben, und sie soll auch zum deutschen Gewehr M/88 gehören. Die bisherigen Versuche mit rauchlosem Pulver haben befriedigt, der Mangel des Pulverrauchs beim Schießen hat jedoch auf die Fechtweise einen so tiefgreifenden Einfluß, daß die Einführung dieses Pulvers noch auf viel Widerstand stößt; ihm gehört aber doch nach heutiger Anschauung die Zukunft. Paul Gissard in Paris will ein Gewehr, das er „Ballistique“ nennt, erfunden haben, welches dem Anschein nach die Geschosse durch verdichtete Luft forttreibt, und dessen Verschluß durch Elektrizität in Thätigkeit gesetzt wird. Sicheres ist nicht bekannt. Vgl. Holzner, Ausländische Versuche zur Schaffung von Gewehren mit verkleinertem Kaliber („Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens“, Wien 1887, Heft 4 u. 5); Rud. Schmidt, Allgemeine Waffenkunde der Infanterie (Bern 1888, mit Atlas); Capitaine und v. Hertling, Die Kriegswaffen (Rathenow 1887–88, 2 Bde.); Weygand, Die neue deutsche Gewehrfrage (Darmst. 1888); „Die Entwickelung der Gewehrfrage in Frankreich“ (2. Aufl., Hannov. 1888); Bruns, Die Geschoßwirkungen der neuen Kleinkalibergewehre (Tübing. 1889).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 398400
korrigiert
Indexseite

[398] Handfeuerwaffen. Nachdem Österreich und Deutschland Schnellfeuergewehre kleinsten Kalibers eingeführt haben, sind die bezüglichen Versuche in den meisten Ländern so weit zum Abschluß gekommen, daß man sich über die Wahl eines Systems schlüssig machen konnte; selbst Rußland soll, nachdem langjährige Versuche mit den verschiedensten Systemen von Magazingewehren die Entscheidung nicht zu reifen vermochten, weil man das Berdan-Gewehr für vollkommen ausreichend hielt, sich schließlich für Annahme des französischen Lebel-Gewehrs entschieden und der französischen Regierung die Anfertigung von 1,5 Mill. dieser Gewehre übertragen haben. Da aber bereits darauf hingewiesen wurde, daß das Lebel-Gewehr veraltet sein wird, noch bevor die angeblich von Rußland bestellten Gewehre geliefert sind, so sind Zweifel um so mehr berechtigt, als von vielen das Lebel-Gewehr schon jetzt als veraltet betrachtet wird, zu welchem Urteil das Röhrenmagazin im Vorderschaft mit Einzelfüllung der Patronen und die Patronenhülsen mit überstehendem Auszieherrand berechtigen. Anderseits verlautet, daß Frankreich das Geheimnis seines rauchlosen Pulvers von Vieille an Rußland mitgeteilt habe und letzteres sich vorläufig auf die Verwendung dieses Pulvers beim Berdan-Gewehr beschränken wolle. Nach einem Vortrag des Obersten Patocki sei ein kleinkaliberiges Repetiergewehr für Rußland angenommen, bei welchem die Mängel des Lebel- wie des deutschen und österreichischen Gewehrs vermieden seien. Vom deutschen Karabiner 88 ist bekannt geworden, daß er die Munition des Gewehrs 88 verschießt; das Geschoß hat aber 25 m von der Mündung nur eine Geschwindigkeit von 570 m, die Gesamtschußweite von 3200 m wird bei einer Erhöhung von etwa 35° erreicht. Die Schußleistungen entsprechen denen des Gewehrs 88. In Österreich hat man Anfang 1890 Versuche mit dem in der Preßburger Dynamitfabrik hergestellten rauchlosen Kornpulver des Majors Schwab begonnen, bei welchem man mit einer Ladung von 2,75 g dem 15,8 g schweren, dünn gefetteten Stahlmantelgeschoß 600 m Anfangsgeschwindigkeit gab. Bulgarien hat 60,000 Gewehre des österreichischen Modells 88 in Steier bestellt. Belgien hat 1889 ein Gewehr System Mauser von 7,65 mm Kaliber mit 4 Zügen von 25 cm Dralllänge eingeführt. Die randlose Patrone gleicht der deutschen, sie ist 78 mm lang, das 14 g schwere Geschoß besteht aus einem Nickel-Kupfermantel mit Weichbleikern. Die Ladung von 3,05 g rauchlosem Wetterenpulver gibt dem Geschoß 615 m Geschwindigkeit. Hinter dem Laufe befindet sich ein unten geschlossener Magazinkasten, in welchen die 5 Patronen aus dem Patronenhalter abgeschoben werden. Dieser Halter ist ein Stahlbandstreifen von -form, in welchem die Patronen durch eine Plattenfeder so gehalten werden, daß sie sich leicht abstreifen lassen. Lauf mit Laufmantel und Kolbenverschluß mit Drehbewegung und gegenüberstehenden Nasen am Kammerknopf zum Auffangen des Rückstoßes sind dem deutschen Gewehr nachgebildet. Eine Repetiersperre hat das Gewehr nicht. Letzteres ist (ohne Säbelbajonett) 1,275 m lang, wiegt leer 3,9, mit vollem Magazin 4,043 kg. 120 Patronen mit Patronenrahmen wiegen 3,576 kg, ein Rahmen wiegt 6 g. Dänemark hat Anfang 1890 nach vielen Versuchen das Repetiergewehr „Krag- (norwegischer Kapitän, Direktor der Gewehrfabrik zu Kongsberg und Erfinder des norwegischen Marinerepetiergewehrs M/77) Jörgensen“ angenommen. Der ummantelte Lauf von 8 mm Kaliber mit sechs bogenförmigen Zügen (Madsen-Rasmussen) von 30 cm Dralllänge und 0,14 m Tiefe ist aus verdichtetem Stahl (Daelens Erfindung, verwertet von Marcotty in Berlin) gefertigt. Der Kolbenverschluß hat die allgemeinen Einrichtungen zum Selbstspannen, Auswerfen und Abfeuern, der Schlagbolzen ist jedoch mit dem eigentlichen Schlagstift durch eine Art Kugelgelenk verbunden, so daß der letztere nach Abnutzung der Spitze ersetzt werden kann. Der Kammerkopf bildet gleichzeitig den Verschlußkopf mit Lager für den Patronenboden, er trägt eine starke Nase (Stützwarze) a (Fig. 1), welche sich beim Rechtsdrehen der Kammer

Fig. 1. Verschluß und Magazinthür halb geöffnet.
Fig. 2. Wagerechter Durchschnitt durch die Verschlußhülse und die Magazinthür.
Fig. 3. Senkrechter Durchschnitt durch das gefüllte Magazin.
Dänisches Repetiergewehr „Krag-Jörgensen“.

zum Schließen in eine Ausdrehung b (Fig. 2) der Verschlußhülse c legt und hier, senkrecht unter der Laufachse, den Rückstoß auffängt. Das Magazin d (Fig. 3) hat unter der Forderung, daß das Gewehr keine hervorstehenden, die gewohnte Handhabung störenden Teile besitzen solle, die Form eines flachen, unter der Verschlußhülse liegenden Kastens erhalten, der rechts die durch eine Thür e verschließbare Füllöffnung und links in einer Aufwärtsbiegung eine schlitzartige Öffnung f hat, durch welche die Patronen in den Lauf fallen. Diese Öffnung verengert sich [399] nach hinten jedoch so weit, daß der Patronenboden nur ein wenig vor den Kammerkopf tritt. Wird nun die Kammer g vorgeschoben, so nimmt sie die Patrone mit, deren Geschoßspitze, an der gewölbten Fläche bei h entlang gleitend, durch die Öffnung in den Lauf tritt, und sobald der Boden an der Erweiterung der Ausfallöffnung bei i ankommt, fällt sie herunter und wird nun ganz in den Lauf geschoben. Der Zubringerhebel k, um l drehbar, trägt an seinem schaufelartig gebildeten Ende m, um n drehbar, den Zubringerlöffel o und wird durch die an der Magazinthür e sitzende Zubringerfeder p nach dem Innern des Magazins gedrückt, wobei er die Patronen der Magazinöffnung q zudrängt; der am Magazin angebrachte Daumen r läßt die Magazinfeder p jedoch nur bei geschlossener Magazinthür zur Wirksamkeit kommen. Zum Füllen des Magazins wird die letztere durch einen Druck gegen den Knopf s geöffnet, aus dem vor die Öffnung gehaltenen Patronenrahmen rollen dann die fünf Patronen desselben in das Magazin. Das Füllen kann demnach bei geschlossenem Gewehr geschehen. Nach Herunterdrücken einer federnden Magazinsperre t mit einem nach außen vorstehenden Knopfe (in der Figur nicht sichtbar) wird mit Einzelladen geschossen. Das Kupfermantelgeschoß wiegt 15,4, die gepreßte Ladung 5, die randlose Patrone 33 g, das Gewehr 4,25 kg. Das Geschoß hat 560 m Anfangsgeschwindigkeit, mit einem im Versuch befindlichen rauchlosen Pulver 640 m. Das in England eingeführte Gewehr (System Lee-Metford) hat 7,7 mm Kaliber und ein Kastenmagazin nach Lee, welches erst im entscheidenden Moment in das Gewehr eingesetzt und bis dahin in der Patronentasche bereit gehalten wird. Der Soldat führt 2 solche mit je 8 in zwei Reihen nebeneinander liegender Patronen gefüllte Magazine bei sich. Für gewöhnlich feuert das Gewehr nach Einstellen der Magazinsperre als Einlader. Die Zubringervorrichtung sitzt daher auch nicht im Gewehr, sondern im Magazin. Der Verschluß ist ein abgeändertes Mannlicher-System mit Drehbewegung der Kammer, aber Gradzugsbewegung des Verschlußkopfes und Spannstückes. Der Lauf hat sieben bogenförmige Metfordzüge von 0,1 mm Tiefe, 0,5 mm Breite und 25,4 cm Dralllänge. Diese Züge haben vor den sonst gebräuchlichen keine nachweisbaren Vorzüge, sind aber sehr viel schwieriger herzustellen. Das Stahlmantelgeschoß wiegt 14 g. Man erreichte früher mit gepreßtem Schwarzpulver (Rubinpatrone) 564 m Anfangsgeschwindigkeit, sodann mit einem Kordite genannten rauchlosen Pulver 685 m, will aber diese Geschwindigkeit unter Anwendung des Nobelschen Pulvers auf 670 m beschränken. Italien setzt die Umänderung seines Vetterli-Gewehrs nach dem System Vitali bis zu 1,5 Mill. Gewehren fort; die Versuche mit Gewehren kleinsten Kalibers für eine künftige Neubewaffnung werden deshalb jedoch nicht unterbrochen. In dem Magazinkasten der nach Vitali umgeänderten Gewehre liegt eine Zubringerplatte, welche durch eine Spiralfeder gehoben wird. Die durch einen Klapprahmen zusammengehaltenen vier Patronen werden in das Magazin eingesetzt und dann der leere Rahmen nach seiner Auslösung herausgezogen. Die Patronenpakete werden für das Schnellfeuer aufgespart, inzwischen wird mit Einzelladen gefeuert. Durch Einführung einer neuen Patrone mit Kupfermantelgeschoß und einer Ladung von 4 g verbesserten Fossanopulvers erreichte man 490 m Anfangsgeschwindigkeit, hat dieselbe aber durch Annahme des Nobelschen Ballistit auf 620 m gesteigert. Das Beaumont-Gewehr der Niederlande ist nach dem System Vitali, gleich dem italienischen, umgeändert worden. In Schweden hat die Militärverwaltung endlich einen Ausgleich mit der Landesvertretung, welche die Geldbewilligung für eine Neubewaffnung beharrlich ablehnte, gefunden und zwar derart, daß der Lauf des Remington-Gewehrs gegen einen solchen von 8 mm Kaliber ausgewechselt wird und an dem Remingtonverschluß einige kleine zweckmäßige Änderungen vorgenommen werden. Dieses Gewehr gelangte Ende 1889 zur Annahme. Die anfänglich mit 4,7 g Schwarzpulver gefüllte Patrone wurde schließlich doch durch eine andre ersetzt, nachdem sich das von Skoglund erfundene Graupulver bewährt und 605 m Geschoßgeschwindigkeit ergeben hatte. Der Reichstag bewilligte die Umänderung von 100,000 Gewehren. In der Schweiz ist nunmehr das Gewehr des Obersten R. Schmidt, Direktors der eidgenössischen Waffenfabrik in Bern, als Repetiergewehr M/89 zur Einführung gelangt. Dasselbe hat 7,5 mm Kaliber, 3 Züge von 0,1 mm Tiefe und 27 cm Dralllänge, einen Gradezugverschluß mit Drehbewegung der Verriegelung, und ist für die Paketfüllung von 12 randlosen Patronen eingerichtet. Um die zum Spannen und Verriegeln des Verschlusses erforderliche Achsendrehung bei geradlinigem Vorschieben und Zurückziehen (Schließen und Öffnen) des Verschlußcylinders zu bewirken, hat der Verschluß ein rechtsseitlich des Verschlußcylinders

Fig. 4. Verschluß des schweizerischen Repetiergewehrs M/89, System Schmidt.

a (Fig. 4) in einer besondern Abteilung der Verschlußhülse gelagertes Griffstück g erhalten, an welchem ein Spannsteller e sitzt, der in eine spiralförmig in den Verschlußcylinder eingeschnittene Nute c eingreift. Hinter derselben trägt der Verschlußcylinder zwei diametral gegenüberstehende Stützwarzen w, deren Kanten gleichfalls spiralförmig laufen und die in entsprechende Ausschnitte der Verschlußhülse eingreifen. Durch das Vor- und Zurückschieben des Griffstückes muß daher der Verschlußcylinder eine Drehbewegung ausführen; beim Zurückziehen treten hierbei die Stützwarzen aus ihren als Widerlager dienenden Nuten heraus und wird der Schlagbolzen r mit Spiralfeder gespannt. Beim Vorschieben nimmt der Verschlußcylinder eine Patrone aus dem Magazin mit und treten die Stützwarzen zur Verriegelung in ihre Nuten. Das Magazin ist ein unter dem Verschluß angebrachter Blechkasten für 12 Patronen in zwei Reihen nebeneinander, welcher leicht abgenommen und eingefügt werden kann. In denselben werden die Patronenpakete aus Karton entleert, eine 13. Patrone wird in den Lauf gelegt. Das Füllen dauert 8 Sekunden. Weil das Gewehr in der Regel als Einlader benutzt und die Magazinfüllung für entscheidende Momente aufgehoben werden soll, so ist eine Magazinsperre angebracht. Die Patrone ist 78,5 mm lang und wiegt 36 g. Das 14 g schwere Kupfermantelgeschoß erhält durch 1,9 g hellbraunen Blättchenpulvers 590 m Geschwindigkeit.

Das Gasgewehr des Franzosen Paul Giffard benutzt als Triebkraft flüssige Kohlensäure, von welcher in einem Magazin des Gewehrs ein Vorrat für [400] angeblich 300 Schuß sich befindet. Durch Öffnen eines Ventils mittels des Abzugs tritt ein Tropfen Kohlensäure hinter das Geschoß, verwandelt sich in Gas und treibt das Geschoß aus dem Laufe, welches durch einen Hinterladverschluß eingesetzt wird. Bei einem von der Pariser Handelskammer veranstalteten Schießversuch wurde eine Schußweite von 30 m erzielt. Eine englische Militärkommission hat das Gasgewehr nach stattgehabten Versuchen als ungeeignet für Kriegszwecke befunden. Oberst R. Wille führt in seiner Druckschrift „Wolfram-Geschosse“ (Berl. 1890) den Nachweis, daß in Zukunft unter das jetzt kleinste Kaliber von 7,5 mm aus technischen Gründen noch heruntergegangen werden kann und aus ballistischen Gründen bis auf etwa 6 mm heruntergegangen werden muß, unter der Voraussetzung, daß man ein spezifisch schwereres Metall als Blei verwendet. Vom Major Meng ist seiner Zeit Wolfram (spez. Gew. 19,129, Blei 11,25–11,39) hierfür vorgeschlagen worden, durch das schwerere Metall wird eine größere Querschnittsbelastung bei kürzerm Geschoß, also ein ballistischer Vorteil gewonnen, den Wille durch Schießversuche nachgewiesen hat. In gleicher Weise hat er die Formfestigkeit und Durchschlagskraft der Wolframgeschosse festgestellt. Wille sagt: „Gewiß gibt es eine unterste Kalibergrenze, deren Überschreitung nicht möglich ist, ohne die Wirkung der Waffe zu verschlechtern, statt zu verbessern. Welcher kleinste Seelendurchmesser aber diese Grenze bildet, wissen wir noch nicht.“ Oberst Wille, nacheinander Direktor der Pulver- und Schießwollfabrik Hanau und der Artilleriewerkstatt Spandau, behauptet, daß technische Schwierigkeiten der Verwendung des Wolframs zu diesem Zwecke nicht entgegenstehen, und daß sein hoher Preis herabsinken wird, sobald die Nachfrage steigt. Vgl. Holzner, Moderne Kriegsgewehre (in „Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens“, Heft 3–5, Wien 1890); Weigener, Die 8 mm-Handfeuerwaffen in Österreich (ebenda 1889, auch Sonderausgabe); v. Loebells „Jahresberichte über die Veränderungen etc. des Militärwesens“, 1890.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 429430
korrigiert
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[429] Handfeuerwaffen. Dem Leeschen System des Kastenmagazins, sei es nun in dieser oder jener Form und Einrichtung, scheint die Zukunft zu gehören; mit Ausnahme des dänischen Gewehrs Krag-Jörgensen (Bd. 18, S. 398) ist es bei allen neuern Gewehren angewendet worden. Seine Einrichtung ist aber eine andre, je nachdem das Gewehr nur ein Gelegenheitsrepetierer sein soll, oder ob grundsätzlich nur aus dem Magazin gefeuert wird. Zu den Gewehren [430] letzterer Art gehören das deutsche und österreichische. Bei ihnen sitzt der Patronenzubringer auf dem Boden des Kastens, in welchen das eigentliche Patronenmagazin, der Patronenrahmen, eingesetzt wird. Bei den Gelegenheitsrepetierern ist man von dem Grundsatz ausgegangen, daß nur in den entscheidenden Gefechtsmomenten, die in der Regel von kurzer Dauer sein werden, in denen aber das Schnellfeuer ausschlaggebend mitwirkt, aus dem Magazin gefeuert wird, daß es dann aber darauf ankommt, ununterbrochen eine größere Anzahl Patronen zu verfeuern. Man hat deshalb einige dieser Magazine zum Abnehmen eingerichtet und ihnen den Zubringer gegeben; sie werden mit losen Patronen gefüllt. Zur Beschleunigung des Einfüllens dienen Lader, das sind 4–6 Patronen haltende Rahmen, aus denen die Patronen nach dem Auslösen einer Haltevorrichtung in das Magazin fallen. Das in England eingeführte Gewehr M/89, System Lee-Metford (s. Abbildung),

Englisches Gewehr M/89, System Lee-Metford. Geschlossen und abgefeuert.

hat einen Lauf, Konstruktion Metford, von 7,7 mm Kaliber und mit 7 bogenförmigen Zügen. Der Verschluß, Konstruktion Lee, ist ein Kolbenverschluß mit Drehbewegung; sowohl die Leitschiene an der Kammer, welche sich in einen Ausschnitt des Verschlußgehäuses legt, als eine ihr gegenübersitzende Warze, welche beim Drehen der Kammer in eine Ausfräsung des Verschlußgehäuses tritt, fangen den Rückstoß auf. Der Magazinkasten kann abgenommen werden und hängt dann an einem Kettchen unter dem Schafte. Er ist für 10 Patronen eingerichtet, welche über- und nebeneinander liegen. Das Stahlmantelgeschoß mit Hartbleikern wiegt 13,76 g und erhielt durch 4,16 g Schwarzpulver 564 m Mündungsgeschwindigkeit. Nach Einführung eines rauchlosen Pulvers soll letztere auf 670 m gesteigert worden sein. Das Visier reicht auf 1740 m. Die Presse griff das Gewehr wegen verschiedener Mängel heftig an. Es sollen dann einige Änderungen vorgenommen und das Magazin von 8 auf 10 Patronen gebracht worden sein. Das ältere Gewehr, von dem 120,000 Stück gefertigt wurden, erhielt die Bezeichnung M/I, das neue M/II. Ob mit dieser Änderung auch eine randlose Patrone angenommen wurde, ist nicht bekannt. Die Schweiz hat bei ihrem Gewehr M/89 eine Ladung von 2 g rauchlosen Pulvers eingeführt. Das 13,7 g schwere Geschoß mit Hartbleikern hat keinen Mantel, sondern nur eine Stahlkappe (Panzer), welche das Geschoß von der Spitze bis auf etwa ein Drittel seiner Länge umgibt (Rubinsches Panzergeschoß) und durch Einbiegung mit dem Kern fest verbunden ist. Der freie Teil des Geschosses ist mit Papier besonderer Fertigung umwickelt und mit Vaselin gefettet. Dieses Geschoß soll den Lauf weniger angreifen als das Stahlmantelgeschoß. Die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses ist 600 m. Aus dem Magazin sollen in der Minute 20 gezielte und 40 Schüsse im Schnellfeuer abzugeben sein. In Belgien ist das Gewehr M/89, System Mauser, von 7,65 mm Kaliber, in seiner Verschluß- und Magazineinrichtung dem deutschen Gewehr ähnlich, eingeführt worden. Die 5 Patronen stecken in einem Ladestreifen, dessen umgebogene Ränder der beiden Längsseiten in die Auszieherrille der Patronen greifen und so die letztern festhalten. Das 14,2 g schwere Geschoß hat jedoch einen Weichbleikern mit Nickelmantel. Italien, welches die Umänderung seines Vetterli-Gewehrs nach dem System Vitali (Bd. 18, S. 399) vollendet, hat ein Gewehr von 6,5 mm Kaliber zur Neueinführung angenommen und damit gezeigt, daß mit 7,5–8 mm die unterste Kalibergrenze noch nicht erreicht ist. Nähere Angaben über die Einrichtung des Gewehrs sind noch nicht bekannt. Rußland hat im April 1891 ein Dreiliniengewehr (7,62 mm Kaliber) mit Packfüllung wie beim belgischen Gewehr angenommen. Der Cylinderverschluß hat Drehbewegung, das Magazin 5 Patronen mit überstehendem Bodenrand, das 13,5 g schwere Geschoß mit Kupfernickelmantel und Expansionshöhlung 620 m Mündungsgeschwindigkeit. Die Gewehre sollen in den Fabriken von Tula, Ssestrorjäzk und Ischew sowie in der Stahlfabrik am letztern Orte, deren Arbeiterzahl beträchtlich verstärkt wurde, angefertigt werden. In Österreich ist ein Karabiner M/89, System Mannlicher, von 3,15 kgGewicht und 500 mm Lauflänge eingeführt worden, dessen Verschluß mehrfache Änderungen gegenüber dem des Gewehrs zeigt, unter denen die der Verriegelung durch zwei Warzen am Kammerkopf, wie beim deutschen Gewehr, die wesentlichste ist. Auch der Zubringer ist vereinfacht. Er verfeuert die Randpatrone M/88 des Gewehrs. Der in Frankreich eingeführte Karabiner M/90 verschießt die Munition des Gewehrs M/86, hat aber nicht das röhrenförmige Magazin im Vorderschafte dieses Gewehrs erhalten, sondern ist in ähnlicher Weise für die Packladung eingerichtet wie das deutsche Gewehr; der Patronenrahmen nimmt jedoch nur drei Patronen auf. Der Zubringer ist dem des österreichischen Gewehrs ähnlich, der Verschluß gleicht dem des französischen Gewehrs M/86. Der Lauf aus gehärtetem Gußstahl hat vier linksgängige Züge von 0,15 mm Tiefe und ist 453,4 mm, der Karabiner 945 mm lang und wiegt 3 kg. Ein mit 3 Patronen gefüllter Patronenrahmen wiegt 95 g Das Visier reicht von 200–2000 m. Die Patrone M/86 mit überstehendem Bodenrand hat jetzt 2,8 g Ladung rauchfreien Pulvers M/BF, das Geschoß mit Nickelmantel wiegt 15 g und hat 632 m Mündungsgeschwindigkeit, die Patrone wiegt 25 g; 8 Patronen, zu einem Paket vereinigt, wiegen 235–240 g, 8 Pakete kommen in ein Bündel von 1,92–1,93 kg, 30 solcher Bündel in einen mit Zink ausgeschlagenen Patronenkasten, der mit 1920 Patronen 80 kg wiegt. Vgl. Schmidt, Allgemeine Waffenkunde für die Infanterie, neue Folge (Bern 1891).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 42,7 g