Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Helm“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 363365
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Helm. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 363–365. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Helm (Version vom 20.10.2024)

[363] Helm, Ausrüstungsstück, neben dem Schilde die älteste Schutzwaffe, welche bereits bei Ägyptern und Assyrern in Gebrauch war, ursprünglich aus starkem Zeug und Leder, dann aus Metall gefertigt. Die ältesten aufgefundenen Metallhelme sind assyrische aus dem 8. Jahrh. v. Chr. Die Homerischen Helden trugen eherne Helme mit Haarbusch, Kinnriemen und Platten, welche Genick, Ohren und Wangen schützten (Fig. 1). In historischer Zeit unterschied man lakedämonische, attische, korinthische und böotische Helme, die zum Teil mit unbeweglichen Visieren versehen waren, in welchen sich Öffnungen zum Durchsehen befanden (Fig. 2 u. 3). Die römischen Helme waren ursprünglich ebenfalls aus Leder, wurden aber noch in der Blütezeit der Republik durch eherne Helme (cassis) ersetzt, die halbkugelförmig und mit einem Knopf oder mit einer Helmzierde aus Federn (crista) versehen waren (Fig. 4–6). Für das Fußvolk waren noch bis in die mittlere Kaiserzeit lederne Helmkappen mit Metallbeschlägen in Gebrauch. Visierhelme (Fig. 7) mit geflochtenem Drahtgitter waren anfangs nur Schutzwaffen der Gladiatoren (s. d.), wurden zur Kaiserzeit aber auch bei der Reiterei eingeführt. Der Lederhelme mit metallenen Bügeln bedienten sich auch die Völker des Mittelalters bis zum 8. Jahrh. Um diese Zeit kommen schon eiserne Helme vor, die immer mehr zugespitzt und mit Genickschutz versehen wurden. Im 11. Jahrh. trat zu dem hohen kegel- oder niedrigen

Fig. 1. Fig. 2 u. 3.
Griechische Helme.
Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6.
Römische Helme.

walzenförmigen H. ein von der Mitte des Stirnrandes über die Nase vorspringender Metallstreifen, der Nasenschutz (nasal), hinzu. Daraus entwickelte sich im 12. Jahrh. ein vollständiger, unbeweglicher Gesichtsschutz. Unter dem H. trug man, um das Scheuern zu vermeiden und die Heftigkeit der Schläge abzuschwächen, eine Kappe von dickem Zeug (Harnaschkappe). Zugleich kam auch der Helmschmuck (cimier) in Form von Kronen, Federn, Wappentieren und symbolischen Abzeichen auf. Die ersten spezifisch mittelalterlichen Helme sind die seit dem Ende des 12. Jahrh. übliche visierlose Becken- oder Kesselhaube (bassinet) und der Kübel- oder Topfhelm, welcher über der erstern getragen und wegen seiner Schwere bis zum Augenblick des Gebrauchs am Gürtel befestigt oder von einem Knappen nachgetragen wurde (Fig. 8). Unter dem eisernen H. oder ohne diesen trug man auch eine mit der Halsberge zusammenhängende Ringhaube, Helmbrünne genannt. Im 14. Jahrh. wurde der Topfhelm auf die Turnierrüstung beschränkt und erhielt zu diesem Zweck vorn eine Vergitterung (Spangenhelm), [364] oder er wurde so geschlossen (Stechhelm), daß nur ein Spalt zum Durchsehen übrigblieb (Fig. 9). Für das 14. Jahrh. ist die große Kesselhaube charakteristisch, aus der sich unter Zusatz eines beweglichen Kinn- und Wangenschutzes im 15. Jahrh. die Salade (Schale, Schaller), eine eiserne runde Haube, entwickelte, die nach hinten zur Sicherung des Genicks spitz zulief (Fig. 10). Gegen Ende des 15. Jahrh. schloß sich die Eisenkappe mit stets beweglichem Visier immer enger um den Kopf zusammen, bis die von den Burgundern erfundene und daher Bourguignotte genannte

Fig. 10. Fig. 8.
Salade. Topfhelm.
Fig. 12. Fig. 7.
Morion. Gladiatoren-Visierhelm.
Fig. 11. Fig. 9.
Visierhelm. Stechhelm.

Form des Helms daraus entstand (s. Tafel „Rüstungen“). Im Turnier blieb der Spangen- oder Rosthelm in Gebrauch. Die Bourguignotte erhielt sich bis zur Mitte des 16. Jahrh. Sie bestand in ihrer höchsten Ausbildung aus vier beweglichen Teilen, die sich um ein knopfförmiges Scharnier, die Helmrose, drehten, dem Scheitelstück, dem Stirnstück, dem Visier und dem Kinnreff. Aus der Bourguignotte entwickelte sich dann der vollständige Visierhelm mit aus Schienen bestehendem Hals- und Genickschutz und einem hohen Kamm auf dem Scheitelstück zur Abwehr gegen die Schwerthiebe (Fig. 11). Zu gleicher Zeit vereinfachte sich der H. unter Fortlassung des Visiers zur Sturmhaube mit festem Stirn- und Genickschirm und beweglichen Backenstücken, welche namentlich in den großen Feldschlachten des 16. Jahrh. beim Fußvolk zur allgemeinen Anwendung kam, während der H. den Reitern blieb. Eine Abart der Sturmhaube ist der von Spanien seit der Mitte des 16. Jahrh. ausgegangene Morion (Maurenkappe), welcher die Form eines halben Eies hatte und mit einem nach vorn und hinten schnabelförmig emporgebogenen Rand und beweglichen Backenstücken versehen war. Später fielen die letztern fort, und es trat auf dem Scheitel ein hoher Kamm hinzu (Fig. 12). Im 17. Jahrh. verflachte sich der Morion wieder zur Haube mit Stirnstulp, Naseneisen und Genickschutz, der bisweilen auf den Rücken herabreichte.

In der Heraldik spielte zuerst (seit Ende des 12. Jahrh.) der Topfhelm eine Rolle, an welchem das plastisch gearbeitete Wappenbild oder Helmkleinod (Zimier, cimier) an der Seite festgebunden wurde. Seit etwa 1360 fand der Topf- oder Stechhelm nur noch bei Turnieren (hier auch von Leder) Verwendung. Neben demselben kam unter der Regierung des Kaisers Friedrich III. (1440–93) der Spangenhelm (für das Schwert- und Kolbenturnier) auf, seitdem „Turnierhelm“ im engern Sinn genannt, den nur turnierfähige Geschlechter zu führen berechtigt waren, und der von vornherein nur diesen Geschlechtern diplommäßig zuerkannt wurde. Inzwischen blieb bis Mitte des 16. Jahrh. der Stechhelm auch für Personen höchsten Standes gangbar; von da ab war in Deutschland der Stechhelm der ausschließlich bürgerliche, der Spangen- oder Turnierhelm der ausschließlich adlige Wappenhelm. Nur die Doktoren waren ausnahmsweise berechtigt, den Spangenhelm ohne besondere kaiserliche Bewilligung in ihren Wappen zu führen. Die französische Heraldik erfand eine Skala von Ranghelmen, von denen der königliche ganz offenes Visier hatte, während die Herzöge, Grafen, Barone etc. eine absteigende Zahl von Spangen führen sollten. Von der deutschen Heraldik wurde der Ranghelm nicht adoptiert. Nur der offene königliche H. wurde vom König Friedrich I. von Preußen eingebürgert. Die moderne Heraldik hat auch den Unterschied zwischen adligem und bürgerlichem H. beseitigt. Die Stellung des Helms richtet sich nach der des Schildes. Ein nach rechts geneigter Schild kann keinen nach links gewendeten H. tragen. Die Fütterung der Helme ist in der Heraldik rot. Das Halskleinod ist eine unwesentliche, wenngleich in den spätern Diplomen regelmäßig erwähnte Zugabe des Helms, ein an einer Kette um das Halsstück gelegtes Medaillon, wohl ein Zeichen der Turniergesellschaften oder eins jener Turnierkleinode, die der Preis des Siegers im Einzelkampf waren. Hinten über dem H., lediglich zur Verkleidung der kahlen Fläche, hing ein Tuch, die Helmdecke, herab. In dieselbe wurden mit Seide mancherlei Bilder gestickt, unten hingen goldene Fransen herab. Bald wurde die Helmdecke ein immer reicher sich entfaltendes Ornament, durch das ganze 14. Jahrh. überwiegend einfarbig, später zwei- und mehrfarbig und in der Regel die Wappenfarben zeigend. Gegen Ende des 16. Jahrh. kam die Mode auf, die Helmdecke als Mantel zu zeichnen, woraus sich der sogen. Pavillon oder Wappenmantel entwickelte. Bei den Turnierhelmen wurden die Helmkleinode, um welche gekämpft wurde, oben befestigt. Dieselben bestanden aus Metall, Leder, Holz, Tuch, Filz, Flechtwerk, ausgestopften Tierbälgen, Hörnern, Flügeln, Federn, Hüten, Mützen u. dgl., welche im Zusammenhang mit dem Wappen [365] des Trägers standen. Sie wurden durch die Helmkrone oder den Helmwulst gehalten. Letzterer, in ältern Diplomen auch Sendel- (Zindel-) Binde, türkischer Bund oder Bausch genannt, war in der Ritterzeit der Schapel, meist ein Geschenk der Damen oder Turnierdank, eine aus mehrfarbigem Zeug (zindâl) gewundene Binde, mit welcher das Helmkleinod unterbunden wurde, so daß die Bänder hinten abflatterten. Auch als Blumenkranz kommt der Schapel häufig vor. Seit Mitte des 16. Jahrh. wurde die Sendelbinde in der Regel den bürgerlichen Geschlechtern an Stelle der Helmkrone verliehen. Vgl. Suttner, Der H. von seinem Ursprung bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts (Wien 1878, mit 48 Tafeln); Warnecke, Heraldisches Handbuch (3. Aufl., Frankf. 1883).

Helm, in der Technik der Stiel oder das Heft an Hämmern, Äxten, Beilen; auch der Aufsatz auf der Destillierblase, welcher die Dämpfe aufnimmt und weiterleitet.

Helm, 1) Theodor, Musikschriftsteller, geb. 9. April 1843 zu Wien als Sohn eines Universitätsprofessors, studierte daselbst Rechtswissenschaft und trat 1866 als Gerichtspraktikant in den Staatsdienst. Von Jugend auf mit Leidenschaft Musik treibend und gründlich darin unterrichtet, übernahm er 1867 nebenbei die Musikberichte für das „Neue Fremdenblatt“ und war bald auch als Mitarbeiter an der Leipziger Musikzeitung „Tonhalle“ sowie später am „Musikalischen Wochenblatt“ beteiligt. 1870 gab er den Staatsdienst auf, um der Musikkritik und Musiklehre seine ganze Thätigkeit zu widmen, und übernahm 1874 eine Lehrerstelle an der Horakschen Musikschule zu Wien. Am bekanntesten wurde Helms Name wohl durch seine seit 1868 im „Pester Lloyd“ regelmäßig erscheinenden „Wiener Musikbriefe“. Von seinen wissenschaftlichen Aufsätzen erschienen die über „Beethovens Streichquartette“ (Leipz. 1885) auch selbständig.

2) Klementine, Schriftstellerin, s. Beyrich.