Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eisenbahnbau“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 448457
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Eisenbahnbau. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 448–457. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eisenbahnbau (Version vom 19.04.2021)

[448] Eisenbahnbau. Der Bau einer Eisenbahn beginnt mit der Projektierung der Bahntrace. Letztere liefert eine Darlegung aller durch die Terrainverhältnisse gebotenen Arbeiten und ermöglicht die Aufstellung von Kostenanschlägen. Auf Grund der Bahntrace schreitet man zur Herstellung des Bahnkörpers. Dieser besteht aus dem Ober- und dem Unterbau. Die Ausführung des letztern fordert zunächst die Ebnung des natürlichen Bodens. Denkt man sich in der Mitte der beiden Schienenstränge eines Bahngeleises eine Linie gezogen, so zeigt diese Bahnachse verschieden große Gefälle und im Grundriß gerade und gekrümmte Strecken. Es ist üblich, die gekrümmten Teile aus Kreisbogen zusammenzusetzen und nur die Übergänge in die Geraden durch anderweitige Kurven zu bewerkstelligen. Der kleinste als zulässig angenommene Kreishalbmesser und die größte gestattete Steigung sind für die Kosten des Unterbaues einer herzustellenden Bahn von größter Bedeutung, indem man sich der vorhandenen Bodenoberfläche desto besser anschmiegen kann, je schärfer man die Bogen krümmt, und je steiler man die Neigungen gestaltet. Anderseits verlangt die Leistungsfähigkeit, Sicherheit und Billigkeit des Betriebs möglichst flache Kurven und geringe Gefälle. Demgemäß setzen z. B. die technischen Vereinbarungen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen fest: „Die größten Längenneigungen der Hauptbahnen sollen in der Regel nicht mehr als 1 : 40 (d. h. 25 mm pro Meter) betragen“; ferner: „Halbmesser unter 300 m sind nur ausnahmsweise zulässig, Kurven von weniger als 180 m Halbmesser sind unzulässig“. Nachdem die Lage der zukünftigen Bahn auf der Erde durch Pflöcke und Stangen angemerkt ist, können die Unterbauarbeiten beginnen. Hierzu gehört die Herstellung der Einschnitte und Tunnels (s. Tunnel) sowie der Dämme und Brücken samt allen zugehörigen Bauten. Die Einschnittsböschungen darf man im Felsen sehr steil, selbst lotrecht ausführen, während in Erde eine flachere Neigung, etwa 1–1½füßige Anlage, zu wählen sein wird. Bei Erdeinschnitten werden zuweilen statt der flachen Böschungen steile Mauern, Futter- oder Stützmauern, ausgeführt, deren Kosten sich dadurch bezahlt machen, daß der Masseninhalt des Einschnitts und die anzukaufende Grundfläche verringert werden; bei Felseinschnitten dienen Futtermauern mehr zum Schutz des Felsens vor Verwitterung oder, wie in Fig. 1, zur Verkleidung weicherer Schichten. In wasserdurchtränkten Gebirgsbildungen ist eine sorgfältige Entwässerung der benachbarten Erdlagen notwendig, indem Abrutschungen, welche durch Einsickern von Wasser herbeigeführt werden, besonders in tiefen Einschnitten zu den verdrießlichsten und kostspieligsten Betriebsstörungen führen. Zur Abhaltung des an der Oberfläche abfließenden Wassers von den Böschungen genügen im allgemeinen kleine Schutzgräben oberhalb des Einschnitts. Zur Abführung des Wassers im Einschnitt selbst dienen endlich die beidseitig am Böschungsfuß liegenden Bahngräben (Einschnittsgräben). Dämme pflegt man aus den Erd- und Steinmassen anzuschütten, welche bei dem Ausgraben der Einschnitte gewonnen wurden, und man nimmt bei Ausmittelung der Bahntrace stets Rücksicht auf eine günstige „Massenverteilung“. Dammböschungen erhalten, wenn sie bloß besämt oder mit Rasen verkleidet werden, eine 1–1½fache Anlage; mit Rücksicht auf Hochwässer benachbarter Bäche oder Flüsse, um an Grundfläche zu sparen, oder um ein steileres Ansteigen zu ermöglichen, pflastert man sie häufig ab, oder man stellt Trockenmauern (Steinsätze) aus Bruchstein ohne Mörtel her, oder man errichtet endlich Stützmauern unter Anwendung von Mörtel. Manchmal kommen aus den Einschnitten Erdarten, welche nach einer Durchtränkung

Fig. 1.
Querprofil der Brennerbahn.

mit Wasser breiartig auseinander laufen. Ihre Verwendung im Damme macht eine Entwässerungsanlage, z. B. den gleichzeitigen Einbau von Steinpackungen (Steinschlichtungen), notwendig, welche bei Regen oder Tauwetter das eindringende Wasser aufnehmen und ablaufen lassen. Ist der Dammuntergrund nachgiebig oder schlüpfrig, so kann er mit dem Damm zur Seite rutschen, oder der Damm kann einsinken und der Untergrund auf einer oder zu beiden Seiten emporquellen, welche Bewegungen besonders gefährlich sind, wenn sie plötzlich und unerwartet erfolgen. Man verbessert entweder den Untergrund durch Entwässerung, zieht also z. B. Gräben, welche man mit Steinen ausfüllt (Sickerschlitze), oder man bewirkt durch Anwendung von Faschinen, Verbreiterung der Dammsohle u. dgl. eine gleichmäßigere Druckverteilung auf den Untergrund. Die höchsten Dämme, welche bisher geschüttet wurden, haben nur 25–30 m Höhe, da bei Überschreitung dieses Maßes die Erbauung eines Viadukts billiger zu stehen kommt. Wenn die Bahn unter einer Straße durchführen soll, so ist die Herstellung einer Wegebrücke notwendig; liegt die Bahn höher als die Straße, so veranlaßt dieses den Bau einer Durchfahrt (Brückthor) oder eines Durchganges; kreuzen sich Bahn und Straße in gleicher Höhe, so hat man es mit einem Planübergang (Kreuzung à niveau) zu thun. Zur Vermeidung zahlreicher Planübergänge, hoher Grundeinlösungskosten etc. führt man Bahnen in Städten als Untergrundbahnen aus, wie die Metropolitan- und [449] Metropolitan-Distriktbahn in London, oder als Hochbahnen, sei es auf gemauerten Bogenstellungen, wie die Berliner Stadtbahn, sei es auf eisernen, von Säulen unterstützten Trägern, wie in New York (Fig. 2). Bauten zur Übersetzung von Wasserläufen werden bei größerer Spannweite Brücken (s. d.), bei kleinern Spannweiten Durchlässe (s. d.) oder Dohlen genannt.

Bettung, Schwellen und Schienen.

Der Oberbau besteht aus der Bettung, den Schwellen und Schienen samt allem Zubehör an Nägeln, Bolzen, Schrauben, Schienenstühlen und Platten.

Fig. 2.
New Yorker Hochbahn.

Die Bettung (Schotterbett, Stein-, Kiesbettung) verteilt den Druck des fahrenden Eisenbahnzugs gleichmäßiger auf die obere Fläche des Unterbaues und verhindert dadurch ein starkes und ungleiches Einsinken der Schwellen, welches die Arbeit der Lokomotive vermehren würde und zu Entgleisungen Anlaß geben könnte. Zu einer solchen Druckverteilung sind Kies, Grand (Fluß-, Grubenschotter), bez. Steinschlag (Schlägelschotter), zerschlagene Schlacken, Klinker u. dgl. geeignet. Ein Kiesbett läßt ferner niedergeschlagenes Wasser durchlaufen, ohne sich zu erweichen, ist, da es das Wasser nicht zurückhält, der Zerstörung durch Frost nicht ausgesetzt und bewahrt aus dem nämlichen Grund hölzerne Schwellen vor rascher Fäulnis. Damit das Wasser nicht in den meist undurchlässigen Untergrund eintrete und ihn erweiche, gibt man der Schotterbettsohle ein Gefälle nach einer Seite oder von der Mitte aus nach beiden Seiten der Bahn oder sorgt sonstwie für raschen Ablauf. Der Kiesbettung gibt man bei Hauptbahnen eine Dicke von 35 cm und mehr an ihrer schwächsten Stelle, namentlich sind in England stärkere Schotterlagen üblich als bei uns. Zeigen sich Senkungen, so wird von dem zwischen den Schwellen liegenden Kies mittels gekrümmter, an den Enden hammerartiger Stopfhauen so viel unter die Schwellen geschlagen, daß diese wieder ihre frühere Höhenlage annehmen. Gewöhnlich hüllt man die Schwellen vollständig mit Kies ein, zuweilen läßt man jedoch in Deutschland ihre obere Fläche, in Amerika ihre Endflächen unbedeckt. Unter Umständen wird die Bettung durch Trockenmauern begrenzt u. eine untere Packlage aus größern Steinen angebracht (Fig. 1).

Die Schwellen des bei uns häufigsten Oberbaues sind Eichen-, Kiefern-, Tannen-, auch Lärchen- oder

Fig. 3.
Querschnitt der Schwellen.

Buchenhölzer von 15–20 cm Höhe, 20–25 cm Breite, etwa 2,5 m Länge und meistens viereckigem Querschnitt (Fig. 3). Die untere Fläche muß breit genug sein, um ein Eindrücken in die Bettung zu verhindern, die obere muß genügend Raum für eine sichere Schienenbefestigung bieten. Schwellen von gesundem, splintfreiem Eichenholz sind am dauerhaftesten; doch hat man solchen aus weichem Holz durch Imprägnierung mit verschiedenen Mitteln (s. Holz) größere Dauerhaftigkeit gegeben; manchmal begnügt man sich, diejenigen Stellen, wo das Holz zunächst leidet, d. h. wo die Schienen aufliegen, mit Teer zu bestreichen. Die Schienen stellt man nicht senkrecht auf die Schwellen, sondern mit Rücksicht auf die konische Form der Radreifen (s. unten) unter einer Neigung von 1/20. Es ist daher eine Bearbeitung des Holzes an den

Fig. 4.
Unterlagsplatte.

spätern Schienenauflagstellen nötig: man muß die Schwellen dechseln (kappen). Zur Vermeidung des Eindrückens der Schienen dienen Unterlagsplatten (Fig. 4), welche man in den Geraden bloß an den Stoßschwellen und auch da nicht immer, in den Bogen, da hier vermöge der Fliehkraft ein Bestreben nach seitlichem Ausweichen stattfindet, auch an Mittelschwellen anbringt. Überdies pflegt man in schärfern Bogen die einander gegenüberliegenden Schienen durch eiserne Stangen, Spurbolzen, zu verbinden. Die

Fig. 5.
Hakennagel.

Unterlagsplatten sind durchlocht, um eine Befestigung der Schienen an den Schwellen zu ermöglichen. Diese erfolgt durch Hakennägel (Fig. 5) oder Schrauben (tire-fonds). Früher wurde an der Nagelstelle der Schienenfuß ausgeklinkt; gegenwärtig vermeidet man gern diese schädliche Bearbeitung und treibt den Nagel hart an der Seite des Schienenfußes ein, wodurch ein seitliches Ausweichen der Schiene verhindert wird, und versieht, damit auch keine Längsverschiebung eintreten könne, je eine Stoßlasche eines Stoßes mit Ausklinkungen, in welche die dort befindlichen Nägel eingreifen. Die Schwellen liegen in der Regel in Entfernungen von 0,9–1 m von Mitte zu Mitte, und nur zu beiden Seiten eines schwebenden Stoßes kommen sie in geringern Abstand. Es kann nämlich der Stoß, d. h. die Stelle, wo eine Schiene aufhört und die nächste anfängt, unmittelbar über eine Schwelle oder auch in die Mitte zwischen zwei Schwellen gelegt werden. Erstern nennt man einen festen (ruhenden), letztern einen schwebenden Stoß. Zur Verbindung zweier aufeinander folgender Schienen dienen Eisenplatten,

Fig. 7. Fig. 6.
Fig. 6 starke, Fig. 7 schwache Laschen.

sogen. Laschen, mit welchen die Schienen verschraubt werden. Die Laschen wurden anfangs ziemlich schwach, später stärker gestaltet, und es hat in Deutschland der schwebende Stoß mit starken Laschen (Fig. 6), weil er ein ruhigeres Fahren bewirkt, den festen Stoß mit schwachen Laschen (Fig. 7) ziemlich verdrängt.

Die Schienen des deutschen Querschwellenoberbaues sind symmetrisch gestaltete, breitbasige (Vignoles-) Schienen, haben einen breiten Fuß, mit dem sie auf den Schwellen aufruhen, einen schmalen Steg und etwas breitern Kopf. Ihr Gewicht wählt man je nach dem Verkehr, namentlich der Größe der Maschinen, welche sie befahren sollen, zu 23–38 kg pro laufendes Meter. Der Kopf soll eine gerade oder nur schwach gewölbte Oberfläche besitzen, sonst findet ein Einschneiden in die Räder des Fahrzeugs statt; aus dem gleichen Grund sind die sich berührenden [450] Teile der Räder und Schienen bei allen deutschen Bahnen mit einem Bogen von demselben Halbmesser (14 mm) abgerundet. Für die Übergänge von Kopf und Fuß in den Steg ist die sichere Befestigung der Laschen maßgebend, welche sich am besten bei einer ebenen Anschlußfläche a a (Fig. 6) ermöglichen läßt. Die Gestalt wird ferner mit Rücksicht auf die leichte Erzeugung und auf die Festigkeit bestimmt, wobei zu bedenken ist, daß die Schiene, auch wenn ihr Kopf bereits etwas abgenutzt ist, noch genügende Tragfähigkeit besitzen muß. Die Länge der Schienen, heute etwa 7,5–9 m, ist in langsamem Wachsen begriffen, womit sich die Zahl der Stöße, also der wenn auch kleinen, doch ihrer Menge wegen sehr störenden Unebenheiten des Geleises vermindert. Bei der Verlegung wird auf die Ausdehnung des Eisens in der Wärme Rücksicht genommen, und man läßt je nach der Temperatur, während welcher man das Geleise legt, größere oder kleinere Räume zwischen den aufeinander folgenden Schienen. In den geraden Strecken liegen beide Schienen eines Geleises gleich hoch; in den Bogen könnte aber die Fliehkraft unter Umständen eine Entgleisung verursachen, wenn man nicht durch Schräglegung der Schwellen den äußern Strang höher stellen würde, wobei man auf die größte stattfindende Fahrgeschwindigkeit Rücksicht nimmt. Die Lichtweite zwischen den Schienenköpfen, d. h. die Spurweite, beträgt in den geraden Strecken der meisten Bahnen ca. 1,435 m (normale Spur). Ausnahmen bilden unter andern die russischen Bahnen mit 1,525, zahlreiche amerikanische mit allerlei Maßen, die englische Great Western-Bahn, welche ihre alte, lange Zeit der Ausbreitung der Normalspur gefährliche Geleiseweite von 2,135 noch auf einigen Strecken beibehalten hat, jedoch mit Einlegung eines dritten Schienenstranges, so daß diese Strecken auch für gewöhnliche Fahrzeuge fahrbar sind, und die Schmalspurbahnen, bezüglich welcher man sich in Deutschland auf 1 m oder 75 cm Spurweite geeinigt hat. Schmalspurbahnen werden da gebaut, wo es auf große Billigkeit der Herstellung ankommt, ein Durchgangsverkehr ausgeschlossen scheint und die Umladekosten bei den erwarteten Gütern voraussichtlich gering sein werden. Der Bau wird namentlich dadurch billig, daß sich mit der Spur auch der gestattete kleinste Bogenhalbmesser verringert, womit, wie bereits erwähnt, ein besseres Anschmiegen an die Bodenwellungen ermöglicht wird und sich verminderte Unterbaukosten ergeben. Hierzu kommt die Ersparnis durch kleinere Wagen, leichtere Lokomotiven und Schienen, kürzere Schwellen, schmälere Bettung, weniger Grundeinlösung. Damit sich in den Bogen die Wagen nicht klemmen, muß die Spurweite hier etwas vergrößert werden.

Bis vor etwa zehn Jahren wurden die Schienen aus verschiedenen Eisengattungen gewalzt, wobei man zum Fuß zähes, sehniges Eisen, zum Kopf härteres, feinkörniges Eisen oder auch Stahl nahm. Seit der Entwickelung des Bessemer- und neuerdings des Entphosphorungsverfahrens hat jedoch das derart gewonnene Erzeugnis (Bessemerstahl, Flußeisen, Flußstahl) das Schweißeisen verdrängt.

Von dem beschriebenen Oberbau weichen zahlreiche Ausführungen ab. Zunächst behielten alle englischen und etwa die Hälfte der französischen Bahnen eine ältere Schienenform, die Stuhlschiene, mit einem dem Kopf ähnlichen Fuß, bei, und es ist oft behauptet worden, daß sie sich für sehr starken Verkehr thatsächlich besser eigne als die breitbasige Schiene. Die Stuhlschienen können nicht unmittelbar auf den Schwellen sitzen, werden vielmehr in Schienenstühlen mittels Holzkeilen befestigt (Fig. 8).

Fig. 8.
Stuhlschiene. a Grundriß, b Querschnitt.

Hölzerne Langschwellen, welche die Schienen ihrer ganzen Länge nach unterstützen, haben sich nicht bewährt, indem sie sich leicht aufspalteten, mit der Zeit sich warfen und die Schienen aus ihrer richtigen Lage brachten. Ebensowenig gelangte die Unterstützung durch einzelne Eisenglocken, Steinwürfel etc. zu dauernder Bedeutung. Dagegen verspricht die Einführung eiserner, bez. flußstählerner Quer- und Langschwellen mit den Fortschritten in der Darstellung und Verarbeitung des Eisens sowie mit der zunehmenden Erkenntnis der in den Einzelteilen eines Oberbaues wirkenden Kräfte, also der besten Form, welche man den verschiedenen Bestandteilen zu geben hat, von Jahr zu Jahr vorteilhafter zu werden. Man unterscheidet einteilige, zweiteilige und dreiteilige eiserne Oberbausysteme. Bei den einteiligen

Fig. 9.
Hartwichs System.

ist die Schiene derart vergrößert und ausgebildet, daß sie einer weitern Unterstützung durch Schwellen nicht mehr bedarf; das hierher gehörende System Hartwich (Fig. 9; a Laschen, b Unterlagsplatten, c Klemmplatten) wurde auf einigen deutschen Strecken versucht. Die zweiteiligen Systeme schließen sich dem Holzschwellensystem unmittelbar an, indem sie einfach die hölzernen Schwellen durch eiserne ersetzen. Hier muß zunächst das System Vautherin (Fig. 10) hervorgehoben werden, dessen trapezförmige, unten offene Schwellen sich angenähert

Fig. 10.
Vautherinsches System.

bei andern Konstruktionen wiederfinden. Die Schienenbefestigung erfolgt durch Kramphaken (a b) und Keile (c). Von zweiteiligen Langschwellensystemen ist ein älteres das von Hilf (Fig. 11; a Klemmplatten, b Spurbolzen, d Schraubenbolzen), ein neueres ist das der Rheinischen Bahn (Fig. 12; die Stöße sind in 9 m Abstand, und zwischen zwei Stößen sind drei Spurbolzen), dessen laufendes Meter Geleise 115,29 kg wiegt. Haarmanns Oberbau (Fig. 13 u. 13 a), welcher bei der Berliner Stadtbahn angewendet wurde, [451] wiegt 128,32 kg pro laufendes Meter. Die Frage, ob eiserne Quer- oder Langschwellen den Vorzug verdienen, ist noch unentschieden; doch scheint das Urteil

Fig. 11.
Hilfs System.

der meisten Fachleute sich dahin zu neigen, daß sich zum Umbau einer ältern Strecke die eisernen Querschwellen

Fig. 12.
Oberbausystem der Rheinischen Bahn.
Fig. 13.
Haarmanns System.

besser eignen, indem man hierbei die Holzschwellen bloß in dem Maß, wie sie faulen, durch Eisenschwellen ersetzen kann, und daß auch in Bahnhöfen, wo häufige Umlegungen notwendig sind, der bessern Verschiebbarkeit wegen die Querschwellen den Vorzug verdienen, während für Neubauten die Langschwellen, welche eine gleichmäßige Druckübertragung auf die Bettung und ein sanftes Fahren, also Schonung der Betriebsmittel, bewirken, trotz des minder einfachen Baues u.

Fig. 13 a.
Haarmanns System.

der schwierigern Entwässerung zu wählen seien. Die dreiteiligen Systeme, welche meist einen von einer

Fig. 14.
Oberbau Battig-de Serres.

zweiteiligen Langschwelle getragenen Schienenkopf und als weitere Unterlage noch Querschwellen besitzen, sind wieder in den Hintergrund getreten, nachdem der Vorteil, daß man den Kopf aus besserm Eisen als die Unterlagen machen und, wenn abgenutzt, für sich allein auswechseln kann, seine frühere Bedeutung verloren hat. Der hierher gehörende Oberbau Battig-de Serres (Fig. 14) zeichnet sich durch das Fehlen allen Kleineisenzeugs, wie Klemmplatten, Schrauben, Keile u. dgl., aus.

Weichen, Schiebebühnen, Drehscheiben.

Die Vorrichtungen, durch welche ein Fahrzeug von einem Geleise auf das andre übergeführt werden kann, sind Weichen, Schiebebühnen und Drehscheiben. Bei

Fig. 15.
Endweiche.
Fig. 16.
Zwischenweiche.

den Weichen werden die zu verbindenden Geleise durch ein Ausweichgeleise in Zusammenhang gebracht, welches, je nachdem man es mit einer Endweiche (Fig. 15) oder einer Zwischenweiche (Fig. 16) zu thun hat, an einem Ende oder an beiden Enden bewegliche Schienen oder Zungen besitzt. Das Stück Oberbau mit den beweglichen Teilen heißt Wechsel. Übrigens wird auch statt Wechsel die Bezeichnung Weiche und dann statt Weiche das Wort Ausweiche oder Ausweichung gebraucht. Der einfachste Wechsel ist der Schleppwechsel (stumpfe Weiche) mit zwei um ihren Endpunkt drehbaren Schienen (Fig. 17). Das Hauptgeleise x y

Fig. 17.
Schleppwechsel.

kann mit dem Ausweichgeleise x y′ durch die mittels der Zugstange n o verbundenen Verschubschienen a c und b d in Verbindung gesetzt werden, wenn man die letztern um ihre befestigten Enden a und b so lange dreht, bis deren bewegliche Enden c und d nach c′ und d′ kommen. Da aber bei solchen Wechseln im Fall einer falschen Wechselstellung ein Zug einfach ins Freie fahren kann, wurden sie in Europa verlassen, während man in Amerika durch Hinzufügung von allerlei Sicherheitsvorkehrungen ihren fernern Gebrauch ermöglichte. Bei dem nunmehr üblichen, in Fig. 18 dargestellten Zungenwechsel

Fig. 18.
Vorrichtung mit Sicherheitsweichen.

(Zungenweiche, Sicherheitsweiche) läßt, wenn die in c drehbar befestigte, zugespitzte Zunge c n an dem Schienenstrang q bei a dicht anliegt, die in d drehbar befestigte, zugespitzte Zunge d o bei b zwischen sich und dem Strang s t einen Zwischenraum für den Spurkranz (s. unten) des Rades frei. Dann ist das Hauptgeleise offen, das Ausweichgeleise geschlossen, Wenn [452] man aber die Zunge o d bei b anlegt, so entsteht neben der Zunge n c ein ebenso großer Zwischenraum bei a. Solange das Ausweichgeleise geschlossen ist, kann zwar kein Wagen vom Hauptgeleise in dasselbe einfahren; wohl aber vermag der Spurkranz eines vom Ausweichgeleise kommenden Wagens die Zungenspitze b o so viel seitlich zu

Fig. 19.
Gleichzeitige Zungenbewegung durch Schubstangen.
Fig. 19 a.
Stellvorrichtung.

verschieben, daß der Wagen ins Hauptgeleise treten kann; ebenso drückt, wenn die Zungenspitze a n anliegt, ein von y herkommender Wagen dieselbe zur Seite; bei falscher Weichenstellung gelangen die Fahrzeuge also unter Umständen in ein unrichtiges Geleise, aber sie bleiben immer auf

Fig. 20.
Herzstücke aus Gußstahl zu Weichen.

den Schienen. Die gleichzeitige Zungenbewegung wird durch Zugstangen (Schubstangen, a a in Fig. 19) bewirkt. Die Zungen sind selten zugespitzte, gewöhnliche Schienen, häufiger erhalten sie einen abweichenden Querschnitt, z. B. wie in Fig. 19 einen L-förmigen; sie sind am festen Ende mit der letzten Schiene verlascht oder mit lotrechten Drehzapfen versehen oder auf beide Arten festgemacht. Die Stellvorrichtung in Fig. 19, ein Hebel, darf nur in den beiden Endlagen in Ruhe bleiben, damit die Zunge nie halb offen stehe, wobei der Spurkranz eines Wagens ihre Spitze treffen und der Wagen entgleisen könnte. In Fig. 19 u. 19 a verhindert dieses das Gewicht P, welches den Hebel stets in eine Endstellung, sei es rechts, sei es links unten, bringt. Um die Weichenbedienung zu erleichtern, werden neuerdings die Stellhebel gruppenweise an passenden Orten nebeneinander gestellt, und je eine längere oder kürzere, von kleinen Rollen unterstützte Stange überträgt die Bewegung jedes einzelnen Hebels bis zu seinem zugehörigen Wechsel. Wichtigere Wechsel sind, damit ihre Stellung leicht erkennbar sei, mit einem bei Tag und Nacht sichtbaren Weichensignal, z. B. einer flachen Laterne mit entsprechend gezeichneten Scheiben, versehen, welche sich bei einer Umstellung des Wechsels drehen muß.

Bei allen Weichen kommen Schienenkreuzungen vor; sie werden durch ein Herzstück vermittelt. Liegen, wie gewöhnlich, die betreffenden Schienen in gleicher Höhe, so müssen die beiden Stränge unterbrochen werden, damit die Spurkränze durchfahren können, und das Herzstück zeigt zwei sich kreuzende Rillen. Ältere Herzstücke wurden aus gewöhnlichen Schienen zusammengesetzt, während man sie heute aus Hartguß (Fig. 20) oder Flußstahl gießen läßt.

Eine Schiebebühne (Geleisekarren) ist ein Stück Bahngeleise, welches auf einem Gerüst ruht; dieses

Fig. 21.
Geleisekarren.

läuft mittels Rädern oder Rollen auf einem zweiten, das erste rechtwinkelig kreuzenden Geleise. Hat man mehrere parallele Geleise, so kann man mit einer Schiebebühne einen Wagen auf dem kürzesten Weg aus dem einen ins andre bringen. Man unterscheidet Schiebebühnen, deren Aufnahmegeleise c d (Fig. 21) in gleicher Höhe mit den übrigen Strängen bei a und b liegt, und die in vertieften Gruben rollen, und solche, bei denen das Gerüst höher liegt als a und b, so daß der Karren mit geneigten Auffahrten für die zu verschiebenden Wagen versehen sein muß. Erstere Bauweise ist einfacher, aber nur in Nebenanlagen vor Werkstätten u. dgl. zulässig, da bei unrichtiger Stellung der Schiebebühne ein Zug in die Grube stürzen kann.

Die Drehscheiben stellen kreisförmige Ausschnitte aus dem Oberbau dar, welche sich um ihren Mittelpunkt drehen lassen. Sie ersetzen einerseits die Weichen, indem sie den Übergang einzelner Fuhrwerke aus einem Geleise ins andre vermitteln, anderseits ermöglichen sie auch das Umwenden eines Wagens [453] oder einer Lokomotive, auch einer Lokomotive mit Tender, wenn diese ihre Fahrrichtung ändern sollen. In noch häufigerm Gebrauch als in Deutschland stehen sie in England, wo die Wagen kürzer sind und die Drehscheiben in ganzen Reihen bei gewöhnlicher Geleisentfernung nebeneinander Platz finden. Je nach

Fig. 22.
Drehscheibe der Österreichischen Südbahn.

der Länge der umzustellenden Fuhrwerke schwankt der Durchmesser der Drehscheiben von 4,4 bis etwa 13 m. Ihr Bau wechselt außerordentlich in Bezug auf Anordnung des mittlern Drehzapfens, der Herstellung des Scheibenkörpers aus Gußeisen, Schweißeisen oder Stahl, auch Holz, der Anzahl und der Anbringung der äußern Laufräder, Rollen oder selbst Kugeln, und Fig. 22 deutet nur eine der vielen Arten an.

Bahnhöfe, Wasserstationen.

Bahnhöfe sind zur Aufnahme und Abgabe von Personen und Gütern nötig. Die einfachsten derartigen Anlagen, die Haltestellen, dienen bloß dem Personenverkehr und unterscheiden sich von der laufenden Strecke etwa durch Vorhandensein eines Perrons, welcher das Besteigen des Zuges erleichtert, und einer Wartehalle. Wo Güter verladen werden sollen, muß schon ein Geleise hinzugefügt werden, in welchem der mitzunehmende Wagen wartet und der angekommene Wagen entladen wird. Eine weitere Entwickelung tritt ein, wenn die Station (Fig. 23) außer den Ladegeleisen, in denen die Wagen während des Befrachtens und Entladens stehen, Geleise enthält, welche zur Herstellung einer neuen Zugordnung (zum Rangieren) dienen und das Überholen eines Zuges gestatten. Bei einer zweigeleisigen Bahn ist es vorgeschrieben, ob die Züge rechts (Preußen) oder links (Österreich, Frankreich) fahren sollen. Damit nun der Verkehr der Personenzüge auf den durchgehenden Hauptgeleisen (I, II) nicht unterbrochen werde, stellen sich die umzurangierenden Güterzüge je nach ihrer (durch Pfeile angedeuteten) Fahrrichtung

Fig. 23.
Geleisesystem einer Station.

auf den Gütergeleisen III und IV auf. Soll ein von B nach A fahrender Güterzug umgeordnet werden, so hält er im Geleise III; seine Maschine fährt mit dem vordersten Wagen des Zuges, während die andern losgekuppelt sind, bis über die Weiche 3 ins Ausziehgeleise und schiebt dann den Wagen zurück, z. B. ins Geleise 8. Sie nimmt die nächsten Wagen und schiebt sie in 7, die folgenden in 6 u. s. f. Nun holt sie in geänderter Reihenfolge die Wagen wieder heraus, und der umrangierte Zug kann abfahren. Die Anzahl der Personengeleise und der Ladegeleise kann bei großem Ortsverkehr und der Rangiergeleise bei bedeutendem Bahnverkehr so sehr anwachsen, daß es bei der Schwierigkeit, im Innern großer Städte eine Fläche von genügender Ausdehnung zu erhalten, häufig vorteilhaft erscheint, Güterbahnhof, Personenbahnhof und Rangierbahnhof vollständig zu trennen. Die Personenbahnhöfe werden zuweilen als Kopfstation ausgebildet, so daß alle Geleise innerhalb der Bahnhofshalle enden und an einer Seite die Ankunftsperrons, an der andern die Abfahrtsperrons, Wartesäle, Schalter etc. liegen.

Zur Wasserbeschaffung für die Lokomotiven (s. d.) dienen Wasserstationen mit Brunnen, Pumpe, Wasserbehälter, Wasserleitung vom Behälter und Wasserkränen, aus deren Ausgußrohren das Wasser in die Tender läuft. Zur Abwägung der Eisenbahnwagen [454] und Frachtfuhrwerke dienen die Brückenwagen zur Verhinderung, daß Wagenladungen an Bauwerke etc. anstoßen, die Lademaße, welche mittels aus Winkeleisen gebogener Lehren die gestattete Ausdehnung der Ladung angeben. Alle normalspurigen Bahnen des Deutschen Reichs und Österreichs und viele benachbarte haben dasselbe Normalprofil des lichten Raums.

Signalwesen.

Eine Reihe von Signalen sorgt für die Aufrechthaltung des Verkehrs bei möglichster Sicherheit. Es sind die Stationen in der Regel in vollkommener telegraphischer Verbindung; bei Nebenstrecken genügen häufig Telephone. Von den Stationen aus werden den Bahnwärtern einzelne Mitteilungen signalisiert; der Bahnwärter zeigt dem Maschinenführer eines vorbeifahrenden Zuges durch Frontmachen gegen den Zug oder durch Schwingen irgend eines Gegenstandes, bei Nacht unter Benutzung einer Laterne mit farbloser, roter und grüner Scheibe, an, ob die Strecke befahrbar ist oder nicht; dieselben Nachrichten vermitteln, namentlich an Stationseinfahrten, auch Masten mit beweglichen Armen oder drehbaren Scheiben und mit Laternen; Knallsignale, die, auf die Schienen gelegt, unter den Rädern explodieren, warnen den Lokomotivführer, auch wenn Nebel andre Zeichen verdeckt; der Zug ist an seinen Enden mit Scheiben oder Laternen versehen, welche betreffenden Falls sagen, ob ein nicht fahrplanmäßiger Zug nachkommt oder entgegenkommt; fehlt jedes Zeichen am letzten Wagen, so erkennen die Bahnwärter, daß sich einzelne Wagen abgetrennt haben müssen; die Stellung der Weichen (s. oben) und der Wasserkräne ist durch Laternen gekennzeichnet; der Maschinenführer macht mit der Dampfpfeife auf das bevorstehende Abfahren aufmerksam und befiehlt während der Fahrt den längs des Zuges verteilten Bremsern, die Bremsen anzuziehen oder zu lüften; mit Hilfe der Zugleine, welche sich über den ganzen Zug erstreckt, kann der Maschinenführer durch das Zugspersonal, seltener durch die Reisenden, zum Halten veranlaßt werden; die Zugleine gibt ihm gleichzeitig das etwanige Abtrennen von Wagen zu erkennen; Horn- und Pfeifentöne und Armbewegungen bedeuten beim Rangieren halt, vorwärts oder rückwärts; endlich ertönt in Deutschland die Stationsglocke vor Abfahrt eines jeden Zuges. Bei dem in Deutschland ausgebildeten System der durchgehenden Streckensignale (durchlaufenden Liniensignale, Fahrsignale) werden von jeder Station die zwischen ihr und der benachbarten Station befindlichen Bahnwärter von dem Verkehr jedes Zuges unterrichtet. Eine bestimmte Anzahl auf elektrischem Weg bewirkter Glockenschläge sagt z. B.: der Zug geht von Bahnhof I in der Richtung nach II ab; zweimal dieselbe Anzahl verkündet, daß der Zug II verläßt, um nach I zu fahren; dreimal dieselbe Anzahl, daß die Bahn bis zum nächsten fahrplanmäßigen Zug nicht mehr benutzt wird. Hiernach hat der Bahnwärter seine Maßnahmen zu treffen und dem Zug, wenn nötig, langsame Fahrt oder Halt zu gebieten. Die Zugdeckungssignale verhüten, daß ein Zug zwischen zwei Bahnhöfen von einem nachfolgenden, also auf demselben Geleise fahrenden eingeholt werde. Das Zugdeckungssystem kann auf der Einhaltung von Zeitintervallen oder von Raumintervallen fußen. Bei erstern macht der Wärter, sobald ein Zug an ihm vorübergefahren ist, das Haltezeichen sichtbar, welches er während des vorgeschriebenen Zeitintervalls (etwa 5–10 Minuten) bestehen läßt. Bei regem Verkehr bleibt trotzdem, falls ein Zug sich zwischen zwei Wärtern um mehr als das Zeitintervall verspätet, ein Zusammenstoß durch Überholung möglich. Besser ist das auf Raumintervallen beruhende, in England entstandene Blocksystem. Bei diesem werden Signalzwischenstationen (Hilfsstationen, Blockstationen)

Fig. 24.
Blocksystem.

eingeschaltet (Fig. 24). Fährt ein vom Bahnhof I kommender Zug auf dem ersten Geleise bei der Blockstation A vorbei, so telegraphiert dies der Wärter in A dem Wärter in B durch ein hörbares Zeichen und stellt gleichzeitig das in A befindliche, für das Zugspersonal bestimmte große Semaphor auf „Halt“. Der Wärter in B beantwortet die empfangene Meldung dadurch, daß er an der Blocksignalvorrichtung im Wärterhaus A das Zeichen „Strecke besetzt“ hervorbringt, welches vermöge der Bauweise der Vorrichtung von A aus nicht geändert werden kann. Sobald der Zug in B angelangt ist, meldet dies der dortige Wärter nach C, stellt sein eignes Semaphor auf „Halt“, macht den Wärter in A durch elektrische Lärmerregung aufmerksam und deblockiert ihn, d. h. ändert das Zeichen der Blocksignalvorrichtung zu A in „Strecke frei“. Dieser Vorgang wiederholt sich in dem Maß, wie der Zug vorwärts fährt, an allen Punkten der Bahn, so daß es fast unmöglich wird, daß sich jemals auf dem nämlichen Geleise zwischen zwei Blockstationen mehr als ein Zug befindet. Irrtümer lassen sich dadurch vermeiden, daß ein mechanischer Zusammenhang zwischen Blocksignalvorrichtung und Semaphor den Wärter verhindert, letzteres auf „freie Fahrt“ zu stellen, ehe der folgende Wärter ihn deblockiert hat. Bei größern Bahnhöfen mit bedeutendem Verkehr wird manchmal von einem hoch liegenden Gang oder einem Aussichtsturm aus die Stellung der Weichen und Signale bewerkstelligt, und gleichzeitig sind diese Zentralweichen- u. Signalstellungen derart eingerichtet, daß es unmöglich ist, einander widersprechende Signal- und Weichenstellungen vorzunehmen. Das Signalwesen hat im letzten Jahrzehnt durch Einführung allgemeiner Signalordnungen in Österreich und im Deutschen Reich (Signalordnung vom 30. Nov. 1885, 1. April 1886 in Kraft tretend) einen namhaften Fortschritt gemacht.

Die Eisenbahnwagen.

Eisenbahnwagen unterscheiden sich von den auf gewöhnlichen Straßen laufenden Wagen dadurch, daß sie keine eigentliche Vorrichtung zum Lenken oder Umwenden haben, daß ihre Radreifen mit Spurkränzen (a b in Fig. 25) versehen sind, welche den Wagen zwingen, zwischen den Schienen zu bleiben, und daß die Räder mit ihren Achsen fest verbunden sind und sich nur mit ihnen drehen können, während bei dem Straßenfuhrwerk die Räder um die Achsen kreisen. Auch die Gestelle und Achsen sind mit wenig Ausnahmen unverrückbar in ihren Teilen und viel stärker als bei dem Straßenfuhrwerk gebaut. Damit sich die Wagen nicht in den Kurven trotz der Spurerweiterung klemmen, soll man die Radstände, d. h. die Entfernung der Radachsen, nicht zu groß machen. Die Radreifen sind als Kegel mit außen liegender Spitze geformt, wodurch ein zu starkes seitliches Schwanken vermieden wird. Auch kann dieses [455] zur bessern Durchfahrung der Kurven beitragen. In Bahnkrümmungen ist nämlich der Weg, den das äußere Rad durchlaufen muß, größer als der vom innern

Fig. 25.
Rad mit Spurkranz.

zu durchlaufende. Wird beim Befahren der Bogen die Fliehkraft thätig, so wird der Spurkranz (Fig. 25) des Außenrades gegen seinen Schienenstrang gerückt, und dieses Rad läuft auf dem größern Umfang e f, während das Innenrad sich auf dem kleinern Umfang c d bewegt. So gleichen sich die Längenunterschiede der Schienenstränge durch die Längenunterschiede der abgerollten Umfangskreise einigermaßen aus.

Räder wie das in Fig. 26 dargestellte heißen Speichenräder; sie bestehen aus der innern schmiede- oder gußeisernen Nabe A, den meistens schmiedeeisernen Speichen C und Felgen B und dem aus Feinkorn, Puddelstahl, Bessemerstahl oder Tiegelgußstahl hergestellten Radreifen D, welcher warm aufgezogen

Fig. 26.
Speichenrad und Achse.

wird, beim Erkalten schrumpft und dadurch fest aufsitzt. Damit die Radreifen, wenn sie springen, nicht herunterfallen, befestigt man sie durch Schrauben, Niete, Sprengringe etc. Zur Herstellung des genauen Profils dreht man den Radreifen ab. Scheibenräder zeigen eine volle Fläche und sind, wenn aus Schalenguß oder Gußstahl, samt dem Radreifen aus einem Stück gegossen. Um einen sanftern Gang zu erzielen (Schlafwagen, Postwagen), verwendet man zu den Scheiben Holz (Teakholz) und in Amerika, neuerdings auch in Deutschland, Papier. Die Achsen F ragen mit den Achsenschenkeln G aus den Radnaben A hervor

Fig. 27.
Feder.

und tragen mit diesen vorstehenden Teilen die Achsbuchsen, welche das dünnflüssige, seltener dickflüssige oder starre Schmiermittel enthalten und das Auflager für die Federn (Fig. 27) bilden. Diese sind endlich mit dem festen Unterbau des Wagenkastens, dem Rahmen, verbunden. Die Federn gestatten kleine lotrechte Schwankungen; damit wagerechte Rahmenbewegungen unmöglich seien, besitzt der Rahmen nach unten gehende sogen. Achsenhalter, welche in vertikale Nuten der Achsbuchsen eingreifen. Der Rahmen besteht im wesentlichen (Fig. 28) aus 2 Langschwellen L, 2 Querschwellen (Pufferbohlen) Q und der Zwischenverstrebung; er trägt an seinem Ende die Puffer B mit je einer platten und einer gewölbten Scheibe. Bei Berührung zweier Wagen trifft immer eine platte Seite eine gewölbte, so daß in Kurven die

Fig. 28.
Rahmen.
Fig. 29.
Puffer.

Berührung der Puffer nicht an den Kanten, sondern näher zur Mitte erfolgt. Die äußere Scheibe m (Fig. 29) ist mit einer innern e verbunden, welche den [456] Druck durch Kautschukringe n oder Stahlfedern auf den Rahmen überträgt. Infolge ihrer Elastizität nehmen die Ringe oder Federn einen Teil jedes Stoßes auf, so daß der Wagen weniger leidet. Die Zugstange Z pflanzt den von der Lokomotive ausgeübten Zug nach rückwärts fort; an jedem Ende derselben befinden sich ein Zughaken und eine Kuppelkette und gewöhnlich zu jeder Seite der letztern eine Notkette, welche zur Wirkung kommt, wenn die Kuppelkette reißt. Eine Schraube mit Gegengewinde erlaubt die Verkürzung oder Verlängerung der Kuppelkette, also der Wagenentfernung. Beim Ankuppeln muß der Arbeiter zwischen die Wagen treten und kann bei Bewegungen des Zuges von den Puffern gefaßt und verletzt werden; leider haben die Bestrebungen, ein gefahrloses Kuppeln zu ermöglichen, noch keinen rechten Erfolg gehabt. In jedem Zug muß ferner eine bestimmte Anzahl Wagen mit Bremsen (s. d.) versehen sein.

Der Bau der Wagenkasten ist je nach dem Zweck des Wagens sehr verschieden. In Europa sind kürzere Wagen mit vier, seltener sechs Rädern, in Amerika längere mit acht Rädern gebräuchlich, von denen je vier zu einem eignen drehbaren Gestell (Drehgestell, Truck) verbunden sind. Die europäischen Personenwagen besitzen im allgemeinen 3–6 Einzelabteilungen (Koupees) mit Seitenthüren; die amerikanischen bilden einen einzigen Raum (Durchgangswagen) mit Eingängen an den Enden. Außer den gewöhnlichen Personenwagen sind noch die Salon-, Schlaf- und Küchenwagen zu erwähnen, deren Zweck sich im Namen ausspricht, sowie Personenwagen, welche behufs Beförderung von Kranken und Verwundeten mit entsprechender Einrichtung versehen werden können; namentlich in Amerika, wo eine Klasseneinteilung fehlt und nur die Neger abgesondert von den Weißen befördert werden, haben die mit großem Aufwand eingerichteten Pullman Cars eine außerordentliche Verbreitung gefunden. Es gibt ferner Post- und Gepäckwagen, offene und bedeckte Viehwagen mit oder ohne Futterkasten (darunter Luxuspferdewagen mit gepolsterten Wänden, mehretagige Wagen für Kleinvieh), bedeckte Güterwagen (mit seitlichen Schiebethüren, Thüren an den Stirnenden, Eiswagen für Bier-, Fleischverfrachtung), offene Güterwagen mit hohen oder niedrigen, festen oder beweglichen Wänden oder ohne Wände (Wagen für Langholz und Langeisen, Kieswagen [Lowries] mit sehr niedrigen Seitenwänden), Geräte- und Hilfswagen zum Gebrauch bei Bahnunfällen.

Außergewöhnliche Bahnsysteme.

Die gewöhnlichen Lokomotiveisenbahnen überschreiten selten eine Steigung von 40 pro Mille, obwohl immerhin Abweichungen stattfanden und z. B. die größte bis jetzt angewendete Steigung, die der Ütlibergbahn bei Zürich, 70 pro Mille beträgt, d. h. 70 m Höhenunterschied auf 1000 m Horizontalentfernung. Mutet man nämlich einer Lokomotive eine größere Zugkraft zu, als die Reibung ihrer Triebräder an den Schienen beträgt, so drehen sich die Räder, ohne daß die Lokomotive vorwärts geht. Die Reibung der Triebräder wächst aber bloß mit dem auf ihnen lastenden Gewicht; bei großer Steigung müssen daher die Lokomotiven sehr schwer sein, und da jede Lokomotive nicht nur den angehängten Zug, sondern auch sich selbst den Berg hinauf schaffen muß, beeinträchtigt letztere Arbeit die Nutzleistung in hohem Grade. Dieser Umstand führte zu einer Reihe eigentümlicher Bergbahnanlagen. Fell erhöhte die Gesamtreibung zwischen Lokomotive und Schienen, indem er zwischen vier gewöhnlichen Lokomotivrädern noch vier wagerechte Triebräder mit lotrechten Achsen und zwischen den beiden Fahrschienen noch eine Mittelschiene anbrachte, gegen welche jene wagerechten Räder mit Hilfe von Preßvorrichtungen gedrückt wurden. Eine solche Bahn vermittelte den Verkehr über den Mont Cenis, als die Anschlußbahnen des bekannten Tunnels vollendet waren, der Tunnel selbst aber noch nicht. Auf Strecken der neuseeländischen Bahn von Wellington nach Woodville ist bei 66 pro Mille Steigung das System Fell im Betrieb. Bei den Zahnradbahnen befindet sich in der Mitte zwischen den Schienen, auf welchen die Wagenräder laufen, eine Zahnstange, in deren Zähne ein auf der Triebachse der Lokomotive sitzendes Zahnrad eingreift. Die ersten derartigen Bahnen erbauten in Amerika Marsh, darunter die auf den Mount Washington in New Hampshire mit 375 pro Mille Gefälle, und in Europa Riggenbach, nämlich die von Viznau auf den Rigi, welchen Bauten mehrere andre, z. B. auf den Kahlenberg bei Wien, neuerdings auf den Drachenfels, Niederwald etc. folgten. Wetlis System, bei dem eine Triebwalze mit schraubenartigen Felgen sich auf keilförmig aneinander stoßende Schienen stützt, wird infolge eines Unglücksfalls bei der Probefahrt auf der ersten derart gebauten Bahn nicht angewendet.

Der Ersatz der Lokomotive durch stehende Maschinen, welche den Zug mittels eines Seils in die Höhe schaffen, schließt sich an eine alte, in Bergwerken angewendete Förderweise an. Von wesentlichem Nutzen kann es bei Seilbahnen (Seilebenen) sein, wenn, wie bei Bremsbergen, an beiden Seilenden Wagen hängen und die beladenen Fahrzeuge die unbeladenen hinaufziehen, wobei zur Regelung der Geschwindigkeit gebremst wird. Zu diesem Behuf wird bei der Seilbahn am Gießbach der hinuntergehende Wagen mit Wasser beschwert, welches man, wenn der Wagen unten angelangt ist, wieder auslaufen läßt. Man kann auch der Lokomotive eines bergan fahrenden Zuges dadurch helfen, daß man sie, wie auf der Strecke Erkrath-Hochdahl (unweit Düsseldorf), an ein Ende eines um eine Trommel geschlungenen Seils hängt und eine zweite Lokomotive vor das andre Seilende spannt. Bei Anwendung einer stehenden Maschine kann man den Betrieb in die Hand eines mitfahrenden Führers legen, indem man ein Betriebseil ohne Ende fortwährend laufen und den zu befördernden Wagenzug mittels Zangen angreifen läßt, welche jeden Augenblick wieder abgehoben werden können. Diesen und andre Vorteile vereinigt Agudios Seilebene. Seilbahnen mit festen Fördermaschinen können bei steilen Bergbahnen und rein örtlichem Verkehr bessere Erträgnisse liefern als Lokomotivbahnen, und sie würden wohl häufiger gebaut werden, wenn nicht die Gefahren eines Seilbruches trotz aller Sicherheitsvorkehrungen sie zur Personenbeförderung weniger geeignet machen würden. Größere angewendete Neigungen sind 577 pro Mille bei der Ofener Seilbahn, 580 pro Mille in Pittsburg (Pennsylvanien).

Billigkeit der Anlage bezwecken die einschienigen Bahnen, zu denen auch die schwebenden Bahnen (fliegenden Bahnen, Luftbahnen), insbesondere die zur Förderung von Erzen, Kohlen u. dgl. dienenden Luftseilbahnen (Seilbahnen), gehören, bei welchen die Förderkörbe an schwebenden Seilen hängen.

Von historischer Bedeutung sind die atmosphärischen Bahnen, welche in den Jahren 1840–48 in Wettstreit mit den Lokomotivbahnen traten, aber dann vollkommen unterlagen. Fig. 30 zeigt die ihnen von Clegg gegebene Einrichtung. Es stellt aaa ein Rohr vor, in welchem sich ein dicht anschließender Kolben O [457] verschieben läßt. Zu diesem Behuf pumpt man an einem Rohrende die Luft aus, während das andre mit der äußern Luft in Verbindung steht. Der äußere Luftdruck treibt dann den Kolben vorwärts. Die

Fig. 30.
Atmosphärische Bahn.

Verbindung des Kolbens mit dem Bahnzug geschah folgendermaßen. Das Rohr aa hatte auf seiner obern Seite seiner ganzen Länge nach einen Spalt, durch welchen hindurch ein eiserner Arm b von einem der Wagen jedes Zuges bis zum Kolben hinabreichte. Der Spalt war seiner ganzen Länge nach mit einer elastischen Klappe T von Rindsleder geschlossen, die oben und unten mit Eisenstreifen benietet war. Um dieselbe für den Durchgang des Arms b zu öffnen, war am Kolben eine Stange befestigt, die in 1,5–1,8 m Entfernung vor letzterm eine Rolle herführte, welche über das Rohr aus dem Spalt emporragte und die Klappe in die in der Figur dargestellte Lage brachte. Hinter dem Arm lief ein am Wagen befestigtes Rad auf der obern Eisenschiene der Klappe hin, das sie wieder fest niederdrückte und luftdicht schloß, so daß immer nur die Stelle, wo der Arm passierte, offen stand. Das Rohr wurde durch große, von Dampfmaschinen in Bewegung gesetzte Luftpumpen luftleer gepumpt. Die Einrichtung litt an praktischen Mängeln, insbesondere an der Schwierigkeit, bei so häufigem Gebrauch das Rohr immer wieder luftdicht zu verschließen.

Bei den pneumatischen Bahnen ist das Rohr so groß, daß es den ganzen Wagen umschließt, der Wagen selbst also den Kolben bildet, den man durch Luftverdünnen (Saugen) oder durch Luftverdichten (Blasen) vorwärts treiben kann. Dieselben finden als Rohrpost (s. d.) zur Lokalbriefbeförderung heute noch Anwendung. – Einen neuen Nebenbuhler hat die Lokomotive in der elektrodynamischen Maschine der elektrischen Eisenbahnen (s. d.) erhalten.

[Litteratur.] Von zusammenfassenden Werken sind hervorzuheben: Winkler, Vorträge über E. (Prag 1867–74); v. Kaven, Vorträge über E. (Aachen 1874–80, 7 Bde.); Heusinger v. Waldegg, Handbuch für spezielle Eisenbahntechnik (Leipz. 1870–78, 5 Tle.); Derselbe, Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Bd. 1 (das. 1880); Woas, Encyklopädie der Eisenbahntechnik (Berl. 1881); Heyne, Das Tracieren von Eisenbahnen (Wien 1882); Manega, Anleitung zum Tracieren (Weim. 1882); Rziha, Eisenbahnober- und Unterbau (im offiziellen Wiener Ausstellungsbericht, Wien 1876, 3 Bde.); Paulus, Bau und Ausrüstung der Eisenbahnen (2. Aufl., Stuttg. 1882); Koch, Das Eisenbahnmaschinenwesen (Wiesb. 1879); Zur Nieden, Der Bau der Straßen und Eisenbahnen (Berl. 1878); Osthoff, Die Materialien, die Herstellung und Unterhaltung des Eisenbahnoberbaues (Oldenb. 1880); Lehwald, Der eiserne Oberbau (Berl. 1881); Schwartzkopff, Der eiserne Oberbau (das. 1882); Pollitzer, Die Bahnerhaltung (Brünn 1874–76, 2 Bde.); Schmitt, Bahnhöfe und Hochbauten (Leipz. 1873–82, 2 Bde.); Wulff, Das Eisenbahnempfangsgebäude (das. 1882); Flattich, Der Eisenbahnhochbau in seiner Durchführung auf den Linien der Südbahngesellschaft (Wien 1873); Goschler, Traité pratique de l’entretien et de l’exploitation des chemins de fer (Par. 1870–81, 5 Bde.); Lavoinne u. Pontzen, Les chemins de fer en Amérique (das. 1882); „Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens in technischer Beziehung“ (hrsg. von Heusinger v. Waldegg, Wiesb., seit 1845) und „Kalender für Eisenbahntechniker“ (hrsg. von Demselben, das., seit 1874); „Zeitschrift für das gesamte Lokal- und Straßenbahnwesen“ (Wiesb.); viele Artikel in „Zeitschrift für Bauwesen“, „Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins“, „Zeitschrift des Ingenieur- und Architektenvereins zu Hannover“, „Deutsche Bauzeitung“, „Zeitschrift für Baukunde“ (Münch. 1878–84). Weitere Litteratur über Geschichte, Verwaltung und Betrieb der Eisenbahnen, Maschinen- und Signalwesen etc. s. im Hauptartikel „Eisenbahnen“, S. 446.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 275277
korrigiert
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[275] Eisenbahnbau. Die Heizung der Eisenbahn-Personenwagen hat viel schwierigere Bedingungen zu erfüllen als diejenige in feststehenden Gebäuden. Ein fahrender Eisenbahnwagen ist von allen Seiten den Witterungseinflüssen, besonders dem durch die Fahrgeschwindigkeit entspringenden starken Zug, ausgesetzt, hat sehr dünne, Wärme durchlassende Wände und infolge der zahlreichen Fenster, Thüren und sonstigen Öffnungen unvermeidliche Undichtigkeiten und erleidet durch häufiges Öffnen der Thüren und Fenster beträchtliche und unregelmäßige Wärmeverluste, auch ist die Wartung der Heizung erschwert. Die Forderungen, die man an eine gute Wagenheizung stellen muß, sind: Herstellung einer gleichmäßigen Temperatur von etwa 10–12° C. und Innehaltung derselben gegenüber allen zufälligen Störungen, Vermeidung von Rauch, Ruß, Staub, schädlichen Dünsten u. schlechten Gerüchen, Gewährung vollständiger Feuersicherheit sowohl bei regulärem Betrieb als bei Eisenbahnunfällen, Vermeidung einer Erschwerung des Eisenbahnbetriebs. Eine allseitig befriedigende Lösung hat die Frage der Wagenheizung noch nicht gefunden. Folgende Arten derselben sind in Anwendung: Die Ofenheizung, in Anwendung bei großen, ungeteilten Räumen (Salonkoupees, Wagenräume vierter Klasse), benutzt meist in der Mitte des zu heizenden Raums oder in der Scheidewand zweier Räume aufgestellte gußeiserne Mantelfüllöfen für Koks-, Steinkohlen- oder Preßkohlenfeuerung. Ihre Vorzüge, Einfachheit und Billigkeit bezüglich Anlage, Unterhaltung und Bedienung, werden reichlich aufgewogen von den Mängeln, unvollkommene Regulierung der Erwärmung, Rauch- und Rußbildung, Feuergefährlichkeit, besonders bei Unfällen, und vor allem sehr ungleichmäßige Erwärmung sowohl in horizontaler als vertikaler Richtung. Dennoch ist diese Heizung nach einigen neuern Verbesserungen (Absaugen der kalten Luft vom Fußboden mittels besonderer Saugvorrichtungen, Zuführung frischer Luft zum Ofen mittels Luftfänger und Beschickung des Ofens von außen) für ungeteilte Wagenräume, insbesondere bei Nebenbahnen, wegen ihrer Billigkeit zu empfehlen. Eine gänzliche Beseitigung der Mängel erscheint unmöglich, weil diese im System begründet sind. Die Luftheizung ist gekennzeichnet durch einen unterhalb des Wagenfußbodens liegenden Heizkörper (Ofen), der mit Koks, Steinkohlen oder Kohlenziegeln [276] geheizt wird und mit geschlossenen Kanälen umgeben ist. Die diesen durch Luftfänger zugeführte Luft erhitzt sich an den Ofenwandungen und Rauchkanälen und steigt in besondern Leitungen in den Wagen auf, wobei die Ausströmung der warmen Luft unter den Bänken stattfindet. Die verbreitetste Heizung dieser Art ist die sogen. Schweizerheizung nach dem System Maey-Pape. Die Vorzüge der Luftheizung sind: stetiger Luftwechsel im Wagen, Regulierbarkeit des Zutritts der warmen Luft und Verminderung der Feuersgefahr infolge der geschütztern Lage der Öfen. Dagegen sind als schwer wiegende Fehler der bisherigen Konstruktionen zu nennen: ungenügende Erwärmung bei starkem Frost infolge unzulänglicher Größe der Rost- und Heizfläche, beträchtlicher Wärmeverluste und zu langsamer Bewegung in den Leitungen, ungleichmäßige Verteilung der Wärme in den einzelnen Koupees infolge des Bestrebens der Luft, möglichst senkrecht aufzusteigen. Zu erwarten ist eine Vervollkommnung der Luftheizung in dem Grade, daß ihre Anwendung für Nebenbahnen an Stelle der unvollkommenen Ofenheizung und der zwar befriedigend wirkenden, aber sehr teuern Preßkohlenheizung in Aussicht genommen werden kann. Die Preßkohlenheizung beruht auf der Erwärmung durch im Wageninnern (gewöhnlich unter den Sitzen) liegende und von außen zu beschickende eiserne Heizrohre, wobei als Heizmaterial eine besonders präparierte Preßkohle (ein durch ein organisches Bindemittel vereinigtes Gemisch von Holzkohlenpulver u. Salpeter) dient. Die Zuführung der Verbrennungsluft erfolgt durch die an der Außenseite des Wagens liegende Einschiebethür, die Abführung der Rauchgase entweder ebendaselbst oder durch ein besonderes Rauchrohr. Die Preßkohlenheizung eignet sich nur für Wagen mit querliegenden Sitzen. Sie gestattet, bei genügender Größe der Heizfläche eine für alle Fälle ausreichende Wärmemenge aufzuspeichern, und läßt die erwärmte Luft unmittelbar über dem Fußboden zwischen den Sitzen einströmen, während sie gegenüber der Dampfheizung den Vorteil der Einzelheizung hat. Dagegen bestehen ihre Schwächen im Vergleich zur Dampfheizung in geringerer Feuersicherheit, Mangel an Sicherheit gegen übermäßige Erhitzung der Heizkörper und deren Folgen (Ansengen der Sitze, Staubverbrennung, üble Gerüche), Schwierigkeit der Regulierung, im Vergleich zu allen übrigen Heizungsarten in dem Erfordernis eines besondern, mit gewissen Vorsichtsmaßregeln aufzubewahrenden und nur nach umständlichen Vorbereitungen zu verwendenden Brennmaterials und in den hohen Betriebskosten. Die Gasheizung ist nur vereinzelt und zwar als Zentralheizung durch den ganzen Zug ausgeführt. Dieselbe ist umständlich, kostspielig, nicht ungefährlich und erschwerend für den Betrieb, daher für allgemeine Verwendung nicht geeignet. Die Warmwasserheizung ist in Europa nur selten im Gebrauch, dagegen in Amerika sehr verbreitet, besonders nach Bakers System. Ein innerhalb oder außerhalb jedes Wagens untergebrachter Ofen enthält eine Wasserheizschlange, von welcher aus das Wasser in einem Rohr nach einem auf dem Wagendach liegenden Expansionsgefäß aufsteigt, um sich von da aus in die Heizrohre zu verteilen, deren Leitung mit stetigem Gefälle (eine Hauptbedingung für die regelmäßige Wasserzirkulation) nach dem Ofen zurückführt. Die Warmwasserheizung gibt eine hinreichende, gleichmäßige und angenehme Erwärmung ohne Luftverschlechterung, beansprucht jedoch bei großem Gewicht einen großen Raum für ihre Unterbringung und eine sehr aufmerksame Bedienung, ist auch ebenso feuergefährlich wie die Ofenheizung. Deshalb wird sie allmählich durch die Dampfheizung ersetzt. Die Dampfheizung ist die einzige bis jetzt mit Erfolg angewendete Form der Zentralheizung. Die Dampfentnahme findet jetzt allgemein von der Lokomotive statt, die Aufstellung besonderer Kessel in der Mitte des Zugs hat sich nicht bewährt. Der der Lokomotive entnommene Dampf wird, nachdem sein Druck durch ein Reduktionsventil oder einfacher durch einen Drosselhahn auf 2 bis höchstens 3 Atmosphären reduziert ist, durch eine unter dem ganzen Zug hingehende Leitung geführt, von welcher aus er in die unmittelbar über dem Fußboden der Wagen, und zwar bei Sitzwagen unter den Sitzen, angebrachten Heizkörper aus geschweißten oder gelöteten Rohren gelangt. Durch Hähne kann der Dampfzutritt zu den Heizkörpern, also auch die Temperatur im Wagen, geregelt werden. Die Kuppelung der Leitungsrohre von Wagen zu Wagen erfolgt meist durch Gummischläuche mittels einheitlich durchgeführter Verbindungsstücke. Das in den tiefsten Punkten dieser Verbindungsschläuche sich ansammelnde Kondensationswasser wird mittels gewöhnlicher Hähne oder selbstthätig wirkender Ventile abgelassen. Am Schluß des letzten Wagens wird ein Schlußhahn eingesetzt, welcher während der Fahrt so weit geöffnet bleibt, daß außer dem Kondensationswasser ein schwacher Dampfstrahl ausgeblasen wird, um einen regelmäßigen Dampfzufluß zu den Heizkörpern zu sichern. Die Dampfheizung hat schätzenswerte Vorzüge. Es läßt sich mit ihr bei nicht allzu langen Zügen eine durchweg gleichmäßige und auch bei starkem Frost vollkommen genügende Erwärmung der Wagenräume ohne Belästigung der Reisenden durch strahlende Wärme und übelriechende Dünste sowie ein rascher Ersatz bei starken Wärmeverlusten erzielen. Die ganze Heizeinrichtung läßt sich überall bequem einbauen und ist vor allen Dingen vollkommen feuersicher. Dagegen erfordert die Dampfheizung die möglichst einheitliche Durchführung dieses Heizsystems und eine sorgfältige Wartung und Instandhaltung, sie vermindert die Leistungsfähigkeit der Lokomotivkessel zu ungunsten ihrer eigentlichen Aufgabe, indem sie bis zu 10 Proz. seiner Gesamtleistung für Heizzwecke beansprucht, die Wärmeverluste durch Abkühlung in den Leitungen sind sehr beträchtlich, die ungeschützt liegenden Hähne und Ventile sind dem Einfrieren oder dem Festsetzen infolge von Kesselsteinansätzen ausgesetzt, das Anheizen geht, besonders bei langen Zügen, langsam vor sich. Das zuweilen vorkommende Platzen der Kuppelungsschläuche ist nicht von Belang, weil durch stets mitgeführte Reserveschläuche schnell Ersatz geschaffen werden kann. Zur Beseitigung der angeführten Mängel sind eine große Zahl von Vorschlägen aufgetaucht und zum Teil auch ausgeführt worden. Bei den meisten derselben ist jedoch die Beseitigung bestimmter Übelstände durch die Aufgabe gewisser Vorzüge der Dampfheizung erkauft worden. Deshalb sind z. B. die auf die Beschleunigung des Anheizens abzielenden selbstthätigen Vorrichtungen meist wieder abgeworfen worden. Bewährt hat sich für diesen Zweck nur die Anbringung einfacher, von Hand zu bewegender Hähne im höchsten Punkte der Heizkörper, welche beim Anheizen zwecks Entweichung der die Erwärmung verzögernden eingeschlossenen Luft so lange offen gehalten werden, bis Dampf ausströmt. Behufs Verminderung der Wärmeverluste sucht man die außerhalb der Wagen liegenden Leitungsrohre durch Umhüllung mit schlechten Wärmeleitern möglichst [277] zu schützen oder benutzt nach Art der schwedischen Dampfheizung die Leitungsrohre selbst als Heizkörper. Dieselben bestehen dann bei jedem Wagen aus drei unter dem Wagenfußboden in der Längsachse des Wagens nebeneinander liegenden, an beiden Wagenenden durch ein Querstück mit Schlauchanschlußstützen verbundenen Rohren, welche in einem gut schützenden Holzkasten eingeschlossen sind. Dieser dient als Heizkammer und ist mit Öffnungen durch den Fußboden nach den einzelnen Wagenabteilungen hin versehen. Die Dampfheizung gewinnt wegen ihrer Vorzüge, besonders ihrer absoluten Feuersicherheit, der gegenüber die Mängel als verschwindend anzusehen sind, immer mehr an Boden und scheint bestimmt zu sein, alle übrigen Heizmethoden bei Eisenbahnfahrzeugen zu verdrängen. Nachstehende Tabellen geben einen Überblick über die Kosten der verschiedenen Heizsysteme.

A. Kosten für die Anlage (Beschaffung und Einbau der Heizung).
1) Ofenheizung, für jeden Ofen 60–100 Mark,
2) Luftheizung, für einen Wagen zu 4 Abteilungen 750
3) Preßkohlenheizung, für einen Wagen zu 4 Abteilungen 320
4) Dampfheizung:
Lokomotiveinrichtung pro Stück 250
Wagen 1.–3. Klasse pro Stück 600–800
Wagen 4. Klasse pro Stück 250
Leitungswagen 120

Bei gleichzeitiger Ausführung von Lüftungseinrichtungen und Verbindung derselben mit der Dampfheizung erhöhen sich die Kosten pro Wagen um etwa 400 Mk., so daß die Gesamtkosten für einen Wagen 1.–3. Klasse etwa 1000–1200 Mk. betragen.

B. Betriebskosten.
1) Bei der Ofenheizung 1,5 Pfennig pro Stunde und Wagenabteilung.
2) „ „ Luftheizung 3,0
3) „ „ Preßkohlenheizung 5–6
4) „ „ Dampfheizung 5–6


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 223225
korrigiert
Indexseite

[223] Eisenbahnbau. Auf der Pariser Weltausstellung 1889 hat eine eigentümliche Eisenbahn ohne Räder Aufsehen erregt, welche als Girards Schlitteneisenbahn oder Gleiteisenbahn bezeichnet wird. Die Erfindung dieser Eisenbahn datiert aus dem Anfang der 60er Jahre. Die Ausführung einer geplanten Bahn dieses Systems von Paris nach Argenteuil

Fig. 1. Querschnitt.   Fig. 2. Längsschnitt.   Fig. 3. Grundriß.
Fig. 1, 2 und 3. Girards Gleitschuh.

wurde durch den Krieg 1870/71 verhindert. Nach dem Tode Girards wurde die Erfindung von Barre erworben und weiter ausgebildet. Die Erfindung zerfällt in zwei Teile, die sich nicht gegenseitig bedingen. Die Hauptsache an ihr ist die eigentümliche Gleitvorrichtung, erst in zweiter Linie kommt die Vorwärtsbewegung durch Wasserstrahlen, welche auch durch andre Betriebsmittel ersetzt werden kann. Die Gleitvorrichtung besteht aus Schuhen a, welche zu 4–6 unter jedem Wagen angebracht sind (Fig. 4). Sie haben die Form von nach unten offenen eisernen Kasten (Fig. 1–3) und laufen auf breiten, auf Langschwellen c gelagerten Schienen b von ebener Oberfläche, jedoch findet eine direkte Berührung von Schuh und Schiene nicht statt, vielmehr werden die Schuhe durch fortwährend in sie hineingedrücktes Preßwasser, welches sich langsam zwischen den breiten Auflagerrändern d der Schuhe und den Schienen b hindurchdrängt, ein wenig von der Schiene abgehoben, so daß sich zwischen Auflagerrändern und Schienen eine ganz dünne Wasserschicht befindet, auf welcher die Schuhe gewissermaßen schwimmen. Hierdurch wird eine außerordentliche Verminderung der Reibung herbeigeführt, da die Reibung zwischen Eisen und Wasser ganz bedeutend geringer ist als zwischen Eisen und Eisen, so daß der Kraftbedarf zur Fortbewegung ein geringer ist und große Fahrgeschwindigkeiten erreicht werden können (nach Barre bis 200 km pro Stunde, was aber wohl noch zu bezweifeln sein möchte). Die Auflagerränder sind behufs Verminderung der Durchtrittsgeschwindigkeit des Wassers, also zur Erzielung einer Ersparnis an Druckwasser, mit Nuten e versehen. Der Wagen f wird mittels Blattfedern g von senkrechten Stützen h getragen, welche in Vertiefungen i der obern Wandung der Schuhe ruhen. Damit die Schuhe nicht von den Schienen seitwärts hinablaufen, sind sie mit je 4 Führungsleisten k versehen. Der Wasserzufluß erfolgt durch ein vom ersten Wagen des Zuges ausgehendes Röhrensystem und zwar unter einem Drucke von 10 Atmosphären. Das abfließende Wasser gelangt in die Rinnen l und wird zum Wiedergebrauch aufgesammelt. Soll der in Bewegung befindliche Zug angehalten werden, so wird einfach der Wasserzufluß abgestellt, so daß durch die nunmehr zwischen Schuhen und Schienen auftretende bedeutende Reibung eine kräftige Bremsung erreicht wird, welche den Zug bald zum Stehen bringt. Der Betrieb soll vollkommen geräuschlos vor sich gehen. Die Vorwärtsbewegung wurde bei der in Paris ausgestellten Versuchsstrecke von 300 m Länge ebenfalls durch Wasser bewirkt, welches von feststehenden Leitschaufelapparaten aus in schrägem Strahle gegen Schaufelsysteme traf, die an den Wagen befestigt waren, und zwar waren für jede Bewegungsrichtung besondere Schaufelsysteme vorhanden. Das Wasser kommt dadurch zur Wirkung, daß der Wagen im Vorbeistreichen ein Ventil öffnet, welches dem Wasser den Durchgang durch den gerade dem betreffenden Schaufelsystem des Wagens gegenüberstehenden Leitschaufelapparat gestattet, so daß der Wagen durch den austretenden Wasserstrahl einen Antrieb erhält. Ist das Schaufelsystem des Wagens an diesem Leitschaufelapparat vorbeigegangen, so wird das Ventil zu letzterm wieder geschlossen und dasjenige des nächstfolgenden geöffnet etc. Als Vorzug dieses Eisenbahnsystems wird neben der außerordentlichen Geschwindigkeit, der ruhigen, gleichmäßigen und geräuschlosen Fahrt, dem Fortfallen von Dampf, Rauch u. dgl. auch

Fig. 4. Querschnitt.
Girards Gleiteisenbahn mit Wagen.

die Wohlfeilheit der Anlage und des Betriebs und eine große Betriebssicherheit geltend gemacht. Jedenfalls bedürfen diese Angaben der Bestätigung durch eine für den wirklichen praktischen Betrieb bestimmte Ausführung.

Radreifenbrüche. Vom deutschen Reichseisenbahnamt werden für jedes Betriebsjahr über die auf den Eisenbahnen Deutschlands vorgekommenen Radreifenbrüche Erhebungen angestellt und deren Ergebnisse den Eisenbahnverwaltungen mitgeteilt, um zur Vornahme von Verbesserungen und Schutzmaßregeln Anregung zu geben. Während der letzten Jahre läßt die Anzahl der in den Sommermonaten vorgekommenen Radreifenbrüche eine stetige Abnahme erkennen, dagegen zeigt die Gesamtzahl der Brüche ein wechselndes Sinken und Steigen, was auf die verschiedenen [224] Temperaturverhältnisse in den Wintermonaten der einzelnen Jahre, durch welche das Eintreten der Radreifenbrüche in hohem Maße beeinflußt wird, zurückzuführen ist. Im J. 1889 sind auf 41 selbständigen Bahnnetzen mit 39,682,89 km Betriebslänge 4187 Radreifenbrüche vorgekommen; auf je 1000 km einfachen Geleises entfielen 72 Reifenbrüche gegen 87 pro 1888 und auf je 100 Mill. der geförderten Achskilometer 35 Radreifenbrüche gegen 40 pro 1888. Auf die 3 Monate Januar bis März allein kamen im J. 1889 beinahe 64 Proz. aller Radreifenbrüche. Durch die Radreifenbrüche wurden 21 Entgleisungen und 171 Zugverspätungen herbeigeführt. An 320 Rädern wurden die Radreifenbrüche alsbald nach ihrer Entstehung bemerkt, während die Entdeckung des Bruches bei den übrigen erst erfolgte, nachdem die gebrochenen Reifen noch kürzere oder längere Strecken durchlaufen hatten. Auf Schnellzüge kamen 167, auf Personenzüge 461, auf gemischte Züge 229, auf Güter- und Arbeitszüge 2360, auf Rangierzüge 118 und auf leere Züge 87 Radreifenbrüche. In 765 Fällen war die Art des Zuges nicht festzustellen. Die Bruchfläche zeigte in 2656 Fällen (63,43 Proz.) gesundes, in 1095 Fällen (26,16 Proz.) fehlerhaftes und in 26 Fällen (0,62 Proz.) mangelhaft geschweißtes Material. Ursachen des Radreifenbruchs waren fehlerhaftes Material bei 1312 Radreifenbrüchen (31,34 Proz.), sprödes Material bei 796 (19,01 Proz.) und Temperatureinfluß bei 652 Radreifenbrüchen (15,57 Proz.). Auf je 10,000 Radreifen kamen an Radreifenbrüchen vor bei Lokomotiven 43, bei Tendern 41, bei Personenwagen 35, bei Postwagen 53, bei Gepäckwagen 35 und bei Güterwagen 25. Das Material der Radreifen ist von wesentlichem Einfluß auf die Häufigkeit der Radreifenbrüche. Bei Schweißstahl kamen 1889 auf je 10,000 Reifen 68 Brüche, bei Fluß- und Schweißschmiedeeisen 47, bei Flußstahl nur 27 Brüche vor. Sehr erheblich ist ferner der Einfluß der Art der Befestigung des Reifens am Rade.

Achsbuchsendichtungsring. Das Heißlaufen der Eisenbahnachsen, welches, wenn nicht rechtzeitig bemerkt, die schwersten Unfälle (Wagenbrand, Entgleisung) herbeiführen kann, wird verursacht durch Überladung der Wagen, gänzliche Vernachlässigung der Schmierung, unzweckmäßiges Material der Lagerschalen, mangelhaften Zustand der Schmiervorrichtungen, aber auch durch undichten Abschluß der Achsbuchsen. Ist das Lager gegen die Achse nicht vollständig abgeschlossen, so wird die Wirkung der besten Lager und Schmiervorrichtungen dadurch gestört, daß Öl herausgeschleudert wird und Sand und Staub eindringt, welcher sowohl ein die Abnutzung stark vermehrendes Schleifmittel bildet, als auch unmittelbar durch Vergrößerung der Reibung das Heißlaufen in hohem Grade begünstigt. Die gewöhnlichen Dichtungsringe bestehen in einem um die Achse gelegten, geschlossenen Filzring, welcher mit seinem äußern Umfang in einen hölzernen Rahmen eingelassen ist, der in eine ringsum laufende Nute des Lagerkastens eingreift. Diese Dichtungsringe wirken jedoch nur kurze Zeit und werden bald so stark ausgescheuert, daß dem Austritt von Öl, bez. Eintritt von Staub nichts im Wege steht (nach 30,000 km Fahrt zeigten sie 7–8 mm starke Spielräume). Nicht selten auch zerbrechen die Holzringe, wodurch noch größere Spielräume entstehen. Seit einigen Jahren ist der Lösewitzsche Achsbuchsendichtungsring versuchsweise auf mehreren Strecken eingeführt worden und hat sich da vollkommen bewährt. Derselbe besteht aus einem schräg aufgeschnittenen Filzring, welcher durch eine eingelegte kreisförmig gebogene Feder stets so zusammengedrückt wird, daß er die Achse dicht umschließt, wobei die schrägen Schnittflächen des Ringes übereinander greifen. Dieser Ring greift nicht in einen Holzrahmen, sondern direkt in die Lagerkastennute ein, in welcher die Abdichtung dadurch begünstigt wird, daß der Ring durch das aufgesaugte Öl aufquillt. Die Drehung des Ringes mit der Achse wird dadurch verhindert, daß die Enden der Kreisfeder in entsprechende Schlitze eingreifen. Auf der Außenseite des Ringes ist noch eine ebenfalls aufgeschnittene Ledermanschette aufgenäht, deren übereinander greifende Enden durch eine Spiralfeder zusammengehalten werden. Diese hat sich als außerordentlich wirksam gegen eindringenden Staub bewährt. Bei Wagen, die 30,000 km durchlaufen hatten, zeigte sich an der Innenfläche des Filzrings keine Spur von Staub, während die Manschette dick mit Staub bedeckt war. Ferner war bei Wagen, die 150,000 km durchlaufen hatten, der Schluß der Ringe noch völlig tadellos. Eine allgemeine Verbreitung der Lösewitzschen Dichtungsringe erscheint daher für den Eisenbahnbetrieb sehr empfehlenswert. G. Maaß in Duisburg liefert den einfachen Ring ohne Manschette für 0,60 Mk., den Ring mit Manschette für 1 Mk.

Um einerseits die Störungen der Eisenbahnreisenden zu vermeiden, welche durch Anzünden und Auslöschen der Gasflammen vom Wageninnern aus entstehen, anderseits zu vermeiden, daß die Arbeiter beim Anzünden und Auslöschen von außen auf die Wagen zu klettern und von einem Wagen zum andern zu springen brauchen, wodurch schon mehrfach Unfälle herbeigeführt worden sind, hat W. Schmid in München eine Vorrichtung zum Anzünden vorgeschlagen, welche vom Perron aus gehandhabt wird. Zulassen und Absperren des Gases, Anzünden und Löschen der Flammen geschieht, ohne daß der Wagen betreten zu werden braucht. Bei den bayrischen Staatseisenbahnen sollen einige Züge zu Versuchen mit diesem Apparat eingerichtet werden.

Eisenbahnschlafwagen laufen auf allen Hauptreisewegen in den Nachtzügen; sie werden teils von den Eisenbahnverwaltungen selbst, teils von der internationalen Schlafwagengesellschaft (Sitz in Brüssel) gestellt und unterhalten. Die Eisenbahnschlafwagen bestehen gewöhnlich aus mehreren Abteilungen erster und zweiter Klasse zu je 2 und 4 Plätzen, welche für die Nacht zu Betten hergerichtet werden. Die Eisenbahnschlafwagen stehen den Reisenden erster und zweiter Klasse gegen Zulösung entsprechender Schlafwagenkarten zur Verfügung. Vorausbestellung von Schlafwagenkarten kann auf allen Stationen gegen Zahlung einer bestimmten Gebühr, bez. der Depeschenkosten erfolgen. Erfrischungs- (Restaurations-) Wagen laufen auf einzelnen längern Reisewegen in bestimmten Zügen und haben den Zweck, den Reisenden die Einnahme von Mahlzeiten, bez. Erfrischungen zu ermöglichen, ohne daß es dazu eines längern Aufenthalts auf den Eisenbahnstationen bedarf. Diesem Vorteil, welcher eine Beschleunigung des Zugverkehrs gestattet, stehen die Nachteile einer stärkern Belastung der schnell fahrenden Züge durch die meist vierachsigen Restaurations- und die dazugehörigen Küchenwagen sowie der Inanspruchnahme doppelter Plätze durch einen Teil der die Restaurationswagen benutzenden Reisenden gegenüber. Die Benutzung der Restaurationswagen ist teils ohne Nachzahlung, teils gegen Zahlung einer geringen Gebühr gestattet. Aussichtswagen sind Wagen, welche gewöhnlich [225] nur aus 1–2 größern Räumen bestehen, deren Wände nach allen Seiten hin mit großen, herunterzulassenden Fenstern versehen sind. Solche Wagen werden auf Bahnstrecken, welche sich durch besondere Naturschönheit auszeichnen, an das Ende der Züge gestellt und stehen den Reisenden erster Klasse ohne Nachzahlung, den Reisenden zweiter Klasse gegen Zahlung einer Zuschlagsgebühr zur Verfügung.