Kommunalpolitik
Literatur:
Bearbeiten- H. Lindemann, Städteverwaltung und Munizipalsozialismus in England, 1897.
- K. Bücher, Die wirtschaftlichen Aufgaben der modernen Stadtgemeinde, 1898.
- A. Damaschke, Aufgaben der Gemeindepolitik (6. Aufl.) 1913.
- Adickes und Beutler, die sozialen Aufgaben der deutschen Städte, 1903.
- H. Lindemann, Die deutsche Städteverwaltung (2. Aufl.) 1906.
- K. v. Mangoldt, Die städtische Bodenfrage, 1907.
- R. Eberstadt, Handbuch des Wohnungswesens und der Wohnungsfrage (2. Aufl.) 1910.
- Pohle, Die Wohnungsfrage. 1910.
- Thissen-Trimborn, Soziale Tätigkeit der Stadtgemeinden, 1910.
- A. Riess, Kommunale Wirtschaftspflege, 1911.
- Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd. 128, 129: Gemeindebetriebe.
- Most, Die deutsche Stadt und ihre Verwaltung, 1913.
Kommunalverbände nennen wir Gemeinwesen auf territorialer Grundlage (Gebietskörperschaften) unter staatlicher Hoheit. Kommunalpolitik ist also Politik des kommunalen Gemeinwesens; sie sucht nach dessen Aufgaben und den Mitteln zu ihrer Verwirklichung. Die Aufgaben ergeben sich, wenn man die Stellung der kommunalen
[226] Gemeinwesen zu ihren Mitgliedern einerseits und andererseits gegenüber dem Staate ins Auge fasst. Als Urbild des kommunalen Gemeinwesens ist die Gemeinde zu bezeichnen, von ihr ist in erster Linie zu sprechen. Die Gemeinde führt ein Sonderdasein und zugleich ein Dasein für den Staat. Kommunalpolitik im engeren Sinne betrifft aber nur diejenigen Aufgaben, die die Gemeinde für sich erfüllt. Die Aufgaben der Landgemeinde werden dabei notwendig sich in manchen Einzelheiten von den Aufgaben der städtischen Gemeinden unterscheiden. Gemeinschaftlich aber ist ihnen das eine, dass Stadt und Land-Gemeinde als soziale Gebilde sich überall einschieben zwischen den Einzelnen und den Staat, und dass Aufgaben des Gemeinlebens von der Gemeinde übernommen werden.
In allen Kulturstaaten zeigt sich eine fortschreitende Kommunalisierung des Lebens, d. h. in zunehmendem Masse werden Aufgaben übertragen auf das Gemeinwesen, die bisher von den Einzelnen erfüllt wurden, und in zunehmendem Masse werden andere Gemeinwesen durch die Gemeinden von Aufgaben entlastet. Die erste Tatsache hängt aufs engste zusammen mit der Entwicklung der Niederlassungsbedingungen. Je enger sich die Menschen zusammendrängen, je schmaler der Raum wird, auf dem der Einzelne sich betätigen kann, umsomehr ist er angewiesen auf andere, um so zahlreicher werden die Aufgaben, die nicht mehr durch Einzel-, sondern durch Kommunalwirtschaft verwirklicht werden. Und neben die wirtschaftlichen Aufgaben treten die Aufgaben der Fürsorge für die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung des Einzelnen. Wo die Wohnungsverhältnisse so beengt sind, dass ein Raum zu gesunder, körperlicher und geistiger Entwicklung der Kinder nicht zur Verfügung steht, wo die Arbeitsverhältnisse so beschaffen sind, dass neben dem Manne die Frau an der erwerbenden Arbeit teilnehmen muss, da kann die Familie die Erziehung der Kinder nicht mehr in genügendem Masse auf sich nehmen. Es ergibt sich um des Gemeinwesens willen die Notwendigkeit, anderweit dafür zu sorgen, und diese Fürsorge fällt ganz von selbst der Gemeinde zu. Ja, auch die geistige und körperliche Pflege der Erwachsenen wird heute vielfach nur auf die Weise noch gefordert werden können, dass die Gemeinde selbst diese Aufgabe in die Hand nimmt, weil sie zu ihrer Erfüllung die Bereitstellung von Mitteln verlangt, die heute der Einzelne, die Familie, in weiten Kreisen des Volkes nicht mehr aufbringen kann. Zugleich ergibt die wirtschaftliche Entwicklung Bedürfnisse, die heute nur noch befriedigt werden können auf einer Grundlage, die weit hinausreicht über den Bezirk der Privatwirtschaft und für die sich privatrechtliche Verbände, wenn überhaupt, so doch häufig nicht unter hinreichender Wahrung der öffentliches Interessen bilden lassen. Die Aufgabe der Versorgung mit Wasser, mit Fleisch, mit Gas, mit Elektrizität wird heute mehr und mehr von den Gemeinden übernommen unter Beiseitedrängung des privaten Kapitals, und die Statistik ergibt, dass diese Kommunalisierung der wirtschaftlichen Betriebe noch lange nicht am Ende der Entwicklung angelangt ist.
Bei der Erfüllung dieser Aufgaben wird die Gemeinde besser befähigt sein als der Staat, das Einzelinteresse in Einklang zu bringen mit den Gemeininteressen und zwar um deswillen, weil der Einzelne der Gemeinde sich stärker verbunden fühlt als dem Staate, weil er in der Gemeinde sich als Mitglied betrachtet, weil er von der Gemeinde das, was er leistet, vor seinen Augen wieder zurückvergütet erhält in Vorteilen, die in dem Gemeinleben erwachsen. Die Unmittelbarkeit des Verhältnisses zwischen dem Einzelnen und der Gemeinde ist es auch, was die Gemeinden befähigt an der Stelle einzutreten, wo in früheren Zeiten die Familie oder die Kirche für den Einzelnen sorgte, heute aber nicht mehr imstande ist, diese Fürsorge zu übernehmen. Des ferneren spricht zu Gunsten der Gemeinde, dass sie besser als der Staat die Beteiligung des Einzelnen an der Befriedigung seiner Bedürfnisse ermöglicht. Die Aufgaben der Erziehung oder die Aufgaben der Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse auf den Staat ganz und gar übertragen, heisst den Einzelnen zum blossen Objekt aller wirtschaftlichen und aller erzieherischen Tätigkeit machen. Innerhalb der Gemeinden aber ist bei richtiger Gemeindeverfassung der Einzelne in der Lage selbst mitzuwirken an der Setzung des Ziels und an der Bereitstellung der Mittel, die zu seiner Erreichung erforderlich sind. In der Gemeinde verwirklicht sich am besten der Gedanke [227] der Selbstregierung der Regierten. Und so liegt die grosse Bedeutung der Gemeinde für die Zukunft des Gemeinwesens eben darin, dass sie in der Lage ist zu sozialisieren, ohne die einzelne Persönlichkeit auszuschalten, dass sie in der Lage ist, an die Stelle einer bürokratischen Regierungsmaschinerie eine lebendige Verwaltungstätigkeit zu setzen. Eine richtig orientierte Kommunalpolitik wird daher in erster Linie darauf sehen müssen, den Gedanken der Selbstverwaltung in dem eben angegebenen Sinne zu möglichster Vollendung zu bringen, aber auch weiterhin die Selbstverwaltung in dem anderen Sinne zu wahren, dass die Gemeinde in ihrer gesetzgeberischen und Verwaltungstätigkeit von der Staatsverwaltung nicht gegängelt oder gar unterdrückt werde. Die Kommunalpolitik wird zwar stets unter der Aufsicht der Staatsverwaltung in die Wirklichkeit umgesetzt werden müssen, aber die besondere Bedeutung der Kommunaltätigkeit würde mit dem Augenblick verschwinden, wo die Staatsaufsicht zu einer Bevormundung der Gemeinden würde. Denn dann würde eben jene besondere Stellung des Einzelnen zur Verwaltung beseitigt werden, kraft deren er in der Gemeinde seine eigenen Angelegenheiten selbst verwaltet.
Was die Aufgaben der Kommunalpolitik im einzelnen betrifft, so wird jeder der Kommunalverbände zunächst bestrebt sein müssen, das Gebiet richtig abzugrenzen, und zwar unter dem Gesichtspunkte, dass es sich um einen Verband handelt, der durch eine Interessengemeinschaft zusammengehalten wird. Diese Interessengemeinschaft wird zumeist historisch begründet sein und ihren Ausdruck in einer historischen Rechtsgemeinschaft gefunden haben; es können aber auch neue Interessengemeinschaften nach neuer Verbindung drängen und in einen Widerspruch treten zu historisch gewordenen Organisationen; es kann sich ergeben, dass ein grösserer Bezirk überwiegend landwirtschaftlicher Art sich isoliert findet in einem industriellen Kommunal-Verbande, während benachbart andere landwirtschaftliche Bezirke liegen, mit denen er sich näher verbunden fühlt als mit den Orten, die jetzt einen gemeinschaftlichen Bezirk mit ihm bilden. Häufig genug auch wird sich ergeben, und die riesenhafte Entwicklung unserer Grossstädte zeigt diese Erscheinung in immer neuen Formen, dass ländliche Bezirke von städtischen Bezirken wirtschaftlich aufgesogen werden, so dass notwendig der städtische Bezirk nach einer rechtlichen Vereinigung mit dem Vororte drängt. Häufig auch wird sich zeigen, dass kommunale Aufgaben, die von einem einzelnen Gemeinwesen nicht hinreichend erledigt werden können, erst in einem grösseren Verbande für mehrere gemeinschaftlich besorgt werden müssen. Die Entwicklung des Verkehrswesens, die Entwicklung des Beleuchtungswesens, ja sogar die Entwicklung der Hygiene können dahin führen, dass kommunale Verbände sich zweckmässig zu einem grösseren Verbande zusammenschliessen, um bestimmte Aufgaben zu erledigen. Ihnen diese Möglichkeit zu gewähren, ist eine Aufgabe der staatlichen Gesetzgebungspolitik, die gewährte Möglichkeit richtig zu benutzen, ist die Aufgabe einer richtig geleiteten Kommunalpolitik. Dabei darf aber nicht ausser Acht gelassen werden, dass eben der Gedanke, der überhaupt die Selbständigkeit der Gemeinden und anderer Kommunalverbände rechtfertigt, dahin führen muss, nach Möglichkeit die bestehenden Gemeinwesen in ihrer Selbständigkeit zu schonen, und dass nicht ein blindes Streben nach Schaffung möglichst grosser Verbände dahin führen darf, Werte zu vernichten, die in der kommunalen Organisation des einzelnen Gemeinwesens vorhanden sind.
Unter den Interessen, die zu einer kommunalen Vereinigung zwingen können, stehen im Vordergrunde solche der Bodenpolitik, d. h. die Interessen der Gestaltung des Verhältnisses der Gemeinde zu dem Grund und Boden, auf dem ihre Einwohner heimisch sind. Die Bodenpolitik der Gemeinden wird diktiert von zwei Rücksichten. Zunächst von der Rücksicht auf die Unterbringung ihrer Einwohner, die Wohnungsfrage, und sodann von der Rücksicht auf die Steuerkraft ihrer Einwohner, die Finanzfrage. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Aufgabe der Besiedlung des Grundes und Bodens, da es sich bei der Gemeinde um eine gemeinschaftliche Besiedlung handelt, schlechthin zu den Gemeindeaufgaben gehört. Die Besiedlung kann in einer den öffentlichen Interessen dienenden Art nur dann ausgeführt werden, wenn die Anlegung der erforderlichen Strassen und Plätze [228] nach einem einheitlichen Plan geschieht, bei dem Rücksicht zu nehmen ist auf die natürliche Bodengestaltung, auf die Witterungsverhältnisse, auf die wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Bevölkerung, auf die Forderungen der Hygiene, ja endlich auch auf die Forderungen des guten Geschmacks. Aber es ist mit einer richtigen Anlegung der Strassen und Plätze allein nicht getan, vielmehr gehört notwendig zu einer planmässigen Besiedlung auch dieses, dass die zur Bebauung bestimmten Grundstücke in einer für die zweckmässige Bebauung geeigneten Weise geschnitten werden. Es gehört zu einer richtigen Besiedlung, dass diese Grundstücke so bebaut werden, dass den oben ausgesprochenen Forderungen nach allen Richtungen hin Rechnung getragen wird, dass also durch geeignete baupolizeiliche Vorschriften hingewirkt wird auf eine verständige Bebauung. Es gehört schliesslich dazu, dass dafür gesorgt wird, die zur Bebauung bestimmten Grundstücke auch wirklich der Bebauung entgegenzuführen. Denn die Besiedlung nach einheitlichem Plane kann aufs schwerste dadurch gefährdet werden, dass grössere Flächen baureifen Terrains unbebaut liegen bleiben. Von den Mitteln, die zu einer Gestaltung der Besiedlung in dem angegebenen Sinne führen, steht in erster Linie der Erwerb des Grundes und Bodens durch den Kommunalverband. Je mehr die Gemeinde von Privatrechts wegen Herr ihres Grundes und Bodens ist, um so besser kann sie ihren öffentlich-rechtlichen Pflichten hinsichtlich der Besiedlung genügen. Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Gemeinde diesen Grund und Boden selbst bebaut, vielmehr stehen ihr Rechtsformen zur Verfügung, die ihr den Grund und Boden erhalten unter Ueberlassung des Bebauungsrechts an den Einzelnen: Das Erbbaurecht, das Rentengüterrecht, das sogenannte Ulmer Wiederkaufsrecht. Wo der Absicht der Gemeinde, planmässige Besiedlung stattfinden zu lassen, Privateigentumsrechte sich entgegenstellen, muss ihr die Möglichkeit gegeben sein, im Wege der Enteignung den Widerstand zu brechen. Denn es gibt kein öffentliches Interesse, dass diese Bezeichnung so unzweifelhaft verdient wie das Interesse an der Besiedlung des Grundes und Bodens. Es soll, wie schon gesagt wurde, die Bebauung selbst keineswegs zur ausschliesslichen Kommunal-Angelegenheit gemacht werden; denn es besteht die Gefahr, dass bei einer Bebauung ausschliesslich durch die Gemeinden eine Gleichförmigkeit des Lebens der Erfolg sein würde, die vermieden werden muss, wenn überhaupt Neigungen und Wünsche des Einzelnen bei der Gestaltung seines Lebens noch Berücksichtigung verdienen. Bei der Gestaltung der Gebäude ist deswegen nur dafür zu sorgen, dass die Forderung der Volksgesundheitspflege und der Sicherheit des Lebens verwirklicht werden, wobei aber möglichste Bewegungsfreiheit zu lassen ist im Interesse freier Betätigung der Einzelkraft und des Einzelgeschmacks.
Mit der Bodenpolitik hängt aufs engste zusammen die Frage der Wohnungsfürsorge, d. h. die Tätigkeit der Gemeinden, die gerichtet ist auf die Beschaffung von Wohnungen in ausreichender Zahl und in ausreichender Gestalt, sowie auf eine Erhaltung der vorhandenen Wohnungen in bewohnbarem Zustande. Ist der Wohnungsbau nicht schlechthin Gemeindeaufgabe, wird sie dabei vielmehr immer noch die Tätigkeit des einzelnen gestatten und fordern müssen, so ist es doch ihre Aufgabe anzuregen zu einem Wohnungsbau, der die Bedürfnisse befriedigen und in richtiger Weise befriedigen kann. Sie wird daher Sorge tragen müssen, dass zunächst das vorhandene Bedürfnis festgestellt wird durch Wohnungsstatistik, sie wird ferner dafür sorgen müssen, dass die vorhandenen Wohnungen dem Bedürfnis zugeführt werden durch eine Wohnungsvermittlung, und sie wird endlich wenn die Wohnungen nicht ausreichen, für ihre Beschaffung sorgen müssen, indem sie den privaten Unternehmern bei der Herstellung Hilfe gewährt. Sie kann dieses in dem sie die Bildung von Baugenossenschaften fördert und den vorhandenen Baugenossenschaften Hilfe leistet, sie kann es ferner, indem sie dem einzelnen Unternehmer, soweit er dessen würdig ist, mit Kredit zur Hilfe kommt. Und wo die Wohnungen in befriedigendem Masse und in befriedigender Weise vorhanden sind, wird die Stadt weiter zu sorgen haben für eine Erhaltung der Wohnungen in ihrem Zustande, wo Wohnungen in ungenügendem Zustande sich befinden, für eine Besserung und Beseitigung durch eine ständige Wohnungsaufsicht.
[229] Die Wohnungsfürsorge ist das wichtigste Mittel zur Pflege der körperlichen, geistigen und sittlichen Gesundheit der Bevölkerung. Die Körperpflege zumal ist, wie schon bemerkt wurde, mehr und mehr ein Gebiet der Gemeinde-Politik geworden. Die Fortschritte der Volkshygiene fordern Massnahmen der Gemeinden nach den verschiedensten Richtungen. Sie fordern zunächst, dass, wie die Wohnungen, so auch die Verkehrswege und Verkehrsmittel in gesundheitsgemässem Zustande sich befinden, sie fordern ferner, dass für die Pflege der Gesundheit des einzelnen die Gemeinden überall da eintreten, wo der Einzelhaushalt nicht mehr zu dieser Pflege ausreicht. Dass die Kindersterblichkeit und dass die Kinderkrankheiten mit durchgreifendem Erfolge nur bekämpft werden können im Wege einer allgemeinen Fürsorge, ist heute eine nicht mehr bestrittene Erkenntnis. Die Kinderpflege beginnt mit der Fürsorge für die Säuglinge und endigt mit der Fürsorge für die Erwachsenen. Auf diesem ganzen Entwicklungswege wird das Kind von der Fürsorgetätigkeit der Gemeinde begleitet. Die Fürsorge für die Gesundheit der Erwachsenen erschöpft sich heute keineswegs in vorbeugenden Massnahmen, sondern die Gemeinde muss notwendig den Mitgliedern die Lebensmittel zur Verfügung stellen, die heute in gesundheitsmässigem Zustande nur durch grössere Verbände beschafft werden können oder wenigstens durch Anstalten solcher Verbände zum Genuss vorbereitet werden können: Man denke an die Wasserversorgung und die Versorgung mit Fleisch; die Beschaffung von Badegelegenheit, von Gelegenheiten zur Erholung, zur körperlichen Kräftigung, reihen sich diesen Massnahmen an. Aelter als die vorbeugende Volksgesundheitspflege ist die Fürsorge im Falle der Krankheit. Sie ist aber durch die vorbeugende Gesundheitspflege keineswegs überflüssig geworden, sondern nach wie vor haben die Gemeinden zu sorgen für die Heilung der Kranken und erfüllen diese Pflicht nicht nur durch Erbauung von Krankenhäusern, sondern auch durch die Hergabe von Erholungsstätten für die Genesenden. Und über das Leben hinaus sorgt die Gemeinde auch für die abgeschiedenen Mitglieder, indem sie Friedhöfe bereit stellt und dazu übergeht, die Beerdigung auf diesen Friedhöfen in eigene Verwaltung zu nehmen, wie es denn auch die Gemeinden gewesen sind und sein werden, die die für die Feuerbestattung nötigen Anstalten besorgen.
Dass die Fürsorge für die geistige Ausbildung und Versorgung der Bevölkerung eine Gemeindeaufgabe sei, ist, seit die Schule eine öffentliche Anstalt geworden ist, ein feststehender Satz der Kommunalpolitik. Zwar ist in der deutschen Schulverfassung den Gemeinden die volle Verwaltung der Volksschule nicht belassen, sondern in ihrer Hand befindet sich nur die sogenannte äussere Schulverwaltung auf diesem Gebiete; uneingeschränkt aber hat sie die Fürsorge für diejenigen Schüler, die die Volksschule nicht besuchen. Die Errichtung von Mittelschulen, die Errichtung von höheren Schulen und die Organisation dieser Schulen gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Gemeinden. Es liegt auf der Hand, dass die Gemeinde für das Schulwesen insofern besonders befähigt ist, als eine gute Schulverwaltung fordert, dass die Eltern, die ihre Kinder der Schule anvertrauen, Vertrauen zu einer richtigen Schulpflege haben können, und dieses Vertrauen wesentlich dadurch gemehrt wird, dass die Organisation der Gemeinde Gelegenheit gibt auf die Schulverwaltung Einfluss zu üben. Wenn in neuerer Zeit die Gemeinden sogar dazu übergehen, dem Hochschulwesen sich zuzuwenden, so wird hierin nur das Streben zu erblicken sein, die besonderen Eigentümlichkeiten, die jede Gemeinde in sich ausbildet, nutzbar zu machen auch für die Spezialausbildung in den Berufen. Und vielleicht ist die Uebernahme dieser Pflichten durch die Gemeinde ein nicht zu unterschätzendes Mittel den zentralisierenden Bestrebungen auf dem Gebiete des Hochschulunterrichts eine gesunde Gegenwirkung entgegenzustellen.
Die Fürsorge für das geistige Wohl der Bevölkerung endigt mit der Schule nicht. Die Beschaffung von Volksbibliotheken, die Gründung von Museen, die Veranstaltung von Volksvorstellungen, volkstümlichen Musikaufführungen und dergleichen sind Mittel, auch der geistig reiferen Bevölkerung Anregung und Ausbildung zu gewähren. Auch das Theaterwesen wird je länger je mehr zu einer Aufgabe der Gemeinde nicht nur insofern, als sie [230] die Räumlichkeiten dafür herzugeben, sondern auch für eine würdige Benutzung dieser Räume Sorge zu tragen hat.
Während die bisher besprochenen Aufgaben der Gemeindepolitik allen Schichten der Bevölkerung zugute kommen, handelt es sich bei den Aufgaben, die man als solche der Sozialpolitik zu bezeichnen pflegt, um die Ausgleichung derjenigen Nachteile, die einzelnen Klassen der Bevölkerung durch die Entwicklung unserer Wirtschaft und unseres Privatrechts drohen und die im Sinne einer richtigen Gestaltung unseres Gemeinwesens auf Kosten der Gesamtheit gemindert, wenn nicht beseitigt werden müssen. Unter den Klassen, die hier in Betracht kommen, stehen für die Gemeinden wie für den Staat nach wie vor die Arbeiter im Vordergrund. Zwar hat sich die Arbeiterfürsorge der Gemeinde zunächst zu erstrecken auf die eigenen Arbeiter, die in den noch zu besprechenden Gemeindebetrieben angestellt sind, sodann aber auch darüber hinaus auf alle Arbeiter, die in der Gemeinde eine Wohnung haben. Die Arbeiterfürsorge, die die erstere Gruppe betrifft, ergibt sich als eine Pflicht von selbst aus dem Arbeitsverhältnis, und, dass dieses Arbeitsverhältnis von den Gemeinden mit besonderem Ernst aufzufassen ist, ergibt sich wiederum daraus, dass die Gemeinde eine Korporation des öffentlichen Rechts und als solche zum Ausgleich der einander entgegengesetzten Interessen berufen ist. So ist denn der Satz, dass die Gemeindebetriebe Musterbetriebe sein sollten, insbesondere gemünzt auf das Verhältnis der Gemeinde zu ihren Arbeitern. Nur bei weitester Auffassung ihrer eigenen Pflichten wird insbesondere die Gemeinde verlangen können, dass ihre Angestellten nicht rücksichtslos die Möglichkeit, ihre Lebensverhältnisse durch einen Streik zu verbessern, für sich ausnützen. Und sie wird den Gedanken der konstitutionellen Arbeitsorganisation um so mehr aufnehmen dürfen, als ihre eigene Organisation durchaus auf diesem Gedanken aufgebaut ist.
Die Fürsorge für die Arbeiter anderer Betriebe kann eine Notwendigkeit für die Gemeinden sein zunächst unter dem Gesichtspunkt, dass diese Arbeiter mittelbar für die Gemeinden beschäftigt werden, sofern sie bei Unternehmern in Arbeit stehen, die für die Gemeinden Lieferungen besorgen; für diese Arbeiter durch entsprechende Gestaltung der Lieferungsverträge einzutreten, ist Recht und Pflicht der Gemeinde, da diese Rücksichtnahme auf die mittelbar in ihrem Dienst beschäftigten Arbeiter das beste Mittel ist, um zu verhindern, dass durch Streiks oder ähnliche Kampfmassnahmen den Unternehmern die Erfüllung ihrer Verpflichtung unmöglich gemacht wird. Darüber hinaus ist die Beschaffung von Arbeitsgelegenheit eine Gemeindeaufgabe geworden, seit die Gestaltung des Arbeitsmarktes dahin geführt hat, dass immer wiederkehrend eine Ueberfüllung des Marktes Arbeitslosigkeit im Gefolge hat und damit die Stadt zwingt, im Wege der Armenpflege mit ihren Mitteln einzutreten. Die Organisation des Arbeitsnachweises vermag diesem Uebelstande zwar nicht ganz und gar vorzubeugen, aber vermag ihn doch wesentlich zu mildern. Andererseits ist es die Aufgabe der Gemeinde, vorsichtig zu erwägen, inwieweit die Fürsorge für die arbeitslosen Arbeiter anstatt in der Form der Armenpflege gewährt werden kann durch die Beschaffung von Arbeitsgelegenheit und durch die Form einer Versicherung, die der Gewährung von Geldmitteln den Stachel der Armenfürsorge nimmt.
Neben den Arbeitern haben in neuerer Zeit diejenigen Bevölkerungsgruppen, die unter der Bezeichnung des Mittelstandes zusammengefasst werden, mehr und mehr die Fürsorge der Gemeinden für sich in Anspruch genommen, und es ist keine Frage, dass die Gemeinden insbesondere durch die richtige Erziehung und fachliche Ausbildung der Gewerbetreibenden einen grossen Einfluss auf die Gestaltung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ausüben kann. Das gewerbliche Fortbildungswesen in allen seinen Schattierungen, dann aber auch die Organisation der Arbeit für die selbständigen Unternehmer, insbesondere durch zweckmässige Gestaltung des Submissionswesens, ist zweifellos geeignet manchen berechtigten Klagen dieser Bevölkerungskreise abzuhelfen. Auf der anderen Seite muss ihrem allzu lauten Hilferuf entgegengehalten werden, dass ihre besondere Aufgabe im wirtschaftlichen Leben gerade in ihrer Selbständigkeit beruht, und sie, wenn sie diese Selbständigkeit durch Einwirkung der Gemeindefürsorge sich verkürzen lassen, damit ihre Existenzberechtigung in Frage stellen.
[231] Dient die Sozialpolitik der Gemeinden der Hebung der minderbemittelten Volksklassen, so entlastet sie die Armenpflege, die eine der wichtigsten Aufgaben der Gemeinden ist seit dem Ausgange des Mittelalters. Wie auf allen Gebieten der öffentlichen Fürsorge hat auch auf diesem der Gedanken der Vorbeugung sich Geltung verschafft: Armenpflege heisst heute nicht nur Beseitigung eines zeitigen Notstandes, sondern Befreiung des Bedrängten aus der Lage, die die Not bedingt.
Eine besondere Aufmerksamkeit der an der Gemeindepolitik Beteiligten verlangt heute die Frage der Gemeindebetriebe. Während die Gemeinden noch vor nicht allzu langer Zeit, wenn sie wirtschaftliche Bedürfnisse befriedigen wollten, dazu allein die Rechtsform des Kauf- oder Werkvertrags benutzten, der mit einem Unternehmer oder Händler geschlossen wurde, gehen die Gemeinden, wie auch der Staat, jetzt dazu über, eine grosse Anzahl von wirtschaftlichen Gemeindebedürfnissen selbst zu befriedigen, überdies aber durch Gemeindebetriebe den einzelnen Mitgliedern der Gemeinde Lebensbedürfnisse aller Art zu beschaffen, so dass in gewissem Sinne eine Rückentwicklung stattfindet zu älteren Rechtszuständen, in denen die Gemeinde in der Hauptsache ein Wirtschaftsverband war. Allerdings handelt es sich hierbei nicht mehr wie in der Gemeinde älterer Art um landwirtschaftliche Gemeindebetriebe, sondern es handelt sich jetzt zumeist um industrielle und Verkehrs-Unternehmungen, und die Frage, wie weit die Gemeinde gehen darf in der eigenen Organisation solcher Unternehmungen, ist noch heute eine offene. Es mehren sich die Stimmen, die der Entwicklung ein Halt zurufen wollen, da sie für die weitere Gestaltung unserer Volkswirtschaft, wie auch unseres öffentlichen Rechts Gefahren in der Gemeinderegie sehen. Indessen wird man sagen müssen, dass bis heute die Entwicklung noch nicht den Punkt erreicht hat, wo ihr Einhalt geboten werden muss. Die Grenze für eine gesunde Ausbildung der Gemeindebetriebe wird erst dann gegeben sein, wenn die Gemeindebetriebe die organisatorischen Kräfte der Gemeinde zu übersteigen beginnen. Die Unentbehrlichkeit der Gemeindebetriebe überhaupt ist am deutlichsten zu erkennen einerseits in der Frage der Wasserversorgung, andererseits in der Frage der Entwicklung des Verkehrswesens. Eine zweckmässige Wasserversorgung kann heute im Wege des privaten Unternehmens einfach um deswillen nicht mehr durchgeführt werden, weil zu dieser Wasserversorgung die Herrschaft über ein grösseres Quellgebiet gehört, die oft nur im Wege der Enteignung zu erlangen und nur unter dem Gesichtspunkt des öffentliches Interesses richtig auszugestalten ist. Und was die Beschaffung von Verkehrsmitteln, den Bau von Strassenbahnen insbesondere betrifft, so wird das Privatunternehmen diese immer nur unter dem Gesichtspunkt der Erzielung möglichst grosser Einnahmen betreiben können und betreiben dürfen, für die Gemeinde aber kommen, wie für den Staat, hierbei ganz andere Erwägungen in Betracht. Wie für den Staat der Bahnbau eines der wichtigsten Kriegsmittel ist, und folglich nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität unternommen werden darf, so ist für die Gemeinde der Strassenbahnbau ein unentbehrliches Mittel für die richtige Ausgestaltung des Stadtgebiets und für eine zweckmässige Besiedelung. Nur eine Gemeinde, die die Herrschaft über ihre Strassen und über ihre Strassenbahnen besitzt, wird in der Lage sein, eine wirklich gesunde Boden- und Wohnungspolitik treiben zu können. Auf der anderen Seite darf natürlich nicht verkannt werden, dass die Vermehrung des Beamtenheeres der Gemeinden und die Bürokratisierung des Betriebes zu grossen Uebelständen führen kann. Die Mittel, dem entgegenzuwirken, sind aber vorhanden insofern, als die Gemeinde keineswegs gezwungen ist, die in ihren wirtschaftlichen Betrieben angestellten Personen in das Beamtenverhältnis überzuführen, und auf der anderen Seite gerade die Gemeinden in ihrer Organisation besonders wertvolle Mittel besitzen, um bürokratischen Neigungen entgegenzuwirken. Denn die Verwaltungsdeputationen, in denen neben den Berufsbeamten Stadtverordnete und Bürger mitwirken, sind wie kaum ein anderes Organ unserer gesamten Verwaltung geeignet, in die Verwaltung den Geist hineinzutragen, der in neuerer Zeit nicht selten für Staat und Gemeindebetriebe verlangt wird, den kaufmännischen Geist, und damit verbunden Freiheit und Entschlossenheit.
[232] Wie in der Finanzpolitik des Staates die allgemeine Richtung seiner Wirtschaftspolitik und seiner Sozialpolitik den kürzesten und schlagendsten Ausdruck findet, so ist auch die Finanzpolitik der Gemeinden der Mittelpunkt der Gesetzgebung und Verwaltung. Die Herstellung des Gleichgewichts zwischen Ausgaben und Einnahmen ist die Aufgabe aller Finanzpolitik, so auch der kommunalen. Die Erfüllung dieser Aufgabe wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Steigt die Bevölkerung, so steigen die Aufgaben und steigen die Aufgaben, so steigen die Ausgaben. Deren Zunahme aber entspricht nicht nur dem Wachsen der Bevölkerung, sondern übersteigt bei weitem die Bevölkerungsentwicklung. Die Gründe dafür sind nicht allzuschwer zu sehen. Sie liegen zunächst in der allgemeinen Staatspolitik. Seitdem der Staat bei der Bewilligung von Ausgaben für seine Zwecke häufig auf den Widerstand der Parlamente stösst, ist es ein häufig verwendetes Mittel der Staatspolitik geworden, Lasten, die ehedem der Staatsbürger als solcher trug, jetzt auf die Gemeinden und ihre Bürgerschaft abzuwälzen. Diese Staatspolitik kann vielleicht insofern auch aus Gründen der Billigkeit gerechtfertigt werden, als ja der Zuwachs der Bevölkerung in erster Linie den Städten zugute kommt und in ihnen auch das Wachstum des Reichtums am stärksten zutage tritt. Aber es ist selbstverständlich, dass diese Uebertragung von Staatsausgaben auf die Gemeinden in der Finanzpolitik der Gemeinden insofern ihre unerfreulichen Wirkungen äussern muss, als die Gemeinden hier einer Erhöhung ihrer Ausgaben sich gegenüber sehen, die von ihren eigenen Plänen ganz und gar unabhängig ist. Eine weitere Ursache der Steigerung der Ausgaben in den Gemeinden liegt in der Zunahme der Ausgaben der grösseren Kommunalverbände, die ihrerseits wieder gedeckt werden müssen in erster Linie von den kleineren Kommunalverbänden, insbesondere von den Städten. Und endlich sind, wie schon verschiedentlich hervorgehoben worden ist, die Aufgaben der Gemeinden selbst gewachsen an Zahl und an Umfang. Die meisten dieser Aufgaben sind nicht ohne Bereitstellung grosser Mittel durchzuführen. Es kann aber auch nicht verkannt werden, dass hier und da in den Gemeinden, wie übrigens auch im Staate, sich die Neigung zeigt Ausgaben zu machen, durch die die Gemeinde lediglich ihr äusseres Ansehen, nicht aber die Wohlfahrt ihrer Bürger fördert, ein Bestreben, das mit der allgemeinen Neigung zusammenhängt, die äussere Erscheinung über das Wesen der Dinge zu setzen. Auf der anderen Seite wird auch durch eine falsche Art von Sparsamkeit und durch eine falsche Zurückhaltung gegenüber den Bedürfnissen, zumal durch eine verfehlte Bodenpolitik, nicht selten eine Ausgabe verursacht, häufiger noch eine Ausgabe vermehrt, die bei schneller und richtiger Erfassung der Lage ganz oder wenigstens teilweise hätte erspart werden können. Es dürfte eine Binsenweisheit sein, dass Sparsamkeit am falschen Platze Verschwendung ist, dass, wer aus Sparsamkeit es versäumt das Dach zu flicken, schliesslich genötigt ist die Mauer von neuem aufzuführen. Und doch sind derartige Erfahrungen des täglichen Lebens in der Politik der grösseren Verbände keineswegs immer richtig beherzigt worden.
Wie die Gemeinde bei der Frage der zu deckenden Ausgaben nicht selten mit der Staatspolitik in Konflikt gerät, so ist sie auf der anderen Seite auch bei der Beschaffung der Deckungsmittel in engster Abhängigkeit von der Politik der Staatsverwaltung; eine Abhängigkeit, die zumal in den Bestimmungen zum Ausdruck kommt, die ihre finanziellen Massnahmen der Aufsicht der Staatsbehörde unterworfen. Staat und Gemeinden bewirtschaften ja beide dasselbe Feld, um von ihm Einnahmen zu erzielen, und die Auseinandersetzung zwischen dem engeren und dem weiteren Verbande wird notwendig gerade an dieser Stelle besonders schwierig sein. Da die Besteuerung des Einkommens und des Vermögens auf der einen Seite, die Besteuerung der Nahrungs- und Genussmittel auf der anderen Seite in erster Linie den Staatszwecken dient, in Deutschland die eine denen der Einzelstaaten die andere denen des Reichs, so bleibt für die Gemeinden nur ein verhältnismässig kleines Gebiet aus dem sie ausschliesslich ihre Einkünfte beziehen können. Hier sind von besonderer Wichtigkeit einerseits die Steuern auf das Gewerbe und andererseits die Steuern vom Grund und Boden, die zweckmässig deshalb den Gemeinden überwiesen werden, weil sowohl die Entwicklung der gewerblichen Verhältnisse wie die Gestaltung der [233] Bodenwerte von der Politik der Gemeinden in erster Linie abhängt. Die Besteuerung des Grundes und Bodens zeigt in besonderem Masse wie eng die Finanzpolitik der Gemeinden zusammenhängt mit ihren sonstigen Massnahmen; kann doch durch eine falsche Bodenbesteuerung eine erhebliche Erschwerung der Bebauung herbeigeführt werden, wie andererseits eine richtige Bodenbesteuerung zugleich im Dienst der allgemeinen Boden- und Wohnungspolitik steht. Die Besteuerung des Grundes und Bodens überhaupt rechtfertigt sich ja dadurch, dass in den Gemeinden mit Notwendigkeit die Entwicklung der Bevölkerung, des wirtschaftlichen Lebens und aller Bevölkerungsbedürfnisse eine Steigerung der Bodenwerte im Gefolge hat, eine Steigerung, die durch die Tätigkeit des Bodenbesitzers gar nicht oder nur in geringem Masse bedingt ist, sodass die Gemeinde, wenn sie den Grund und Boden besteuert, nur das sich zurückgewähren lässt, was sie selbst dem Bodenbesitzer gegeben hat. Das Ideal einer Bodenbesteuerung wäre also eine regelmässig wiederkehrende Besteuerung des steigenden Bodenwertes. Solange diese nicht durchgeführt ist, kann annähernd dasselbe Ziel erreicht werden, indem einerseits der Grund und Boden besteuert wird nach dem Werte, der ihm jeweilig zukommt, anderseits die Steigerung berücksichtigt wird bei einem eintretenden Eigentumswechsel. Bei der Besteuerung der letzten Art, der Wertzuwachssteuer, konkurriert allerdings, nach der neuesten Gesetzgebung im Reiche, dieses insofern mit den Gemeinden als es den Vermögenszuwachs besteuert. Indessen bleibt der oben ausgesprochene Gedanke, das grundsätzlich die Besteuerung des Bodens in erster Linie Gemeindesache sei, von dieser Gesetzgebung unberührt. In zunehmendem Masse haben die Gemeinden weiterhin die Besteuerung gewisser Luxusbedürfnisse neuerdings unternommen. Insbesondere ist die Besteuerung der Lustbarkeiten zu einer ergiebigen Einnahmequelle geworden, eine Besteuerung, die um deswillen eben nur von den Gemeinden durchgeführt werden kann, weil bei ihr die örtlichen Verhältnisse eine ausschlaggebende Rolle immer spielen werden. Die Besteuerung des Einkommens der Bürger ist den Gemeinden nicht ganz verschlossen, ja die Dinge haben sich in Preussen allmählich so gestaltet, dass der grössere Teil der Gemeinden mit seinen Zuschlägen zur Staatseinkommensteuer deren Satz überschreitet, in nicht seltenen Fällen das doppelte der Staatssteuer erreicht. Diese Erscheinung ist bedenklich für den Staat, der seine eigenen Steuerquellen von den Gemeinden auf diese Weise erschöpft sieht, sie ist aber auch bedenklich für die Gemeinden selbst, sofern eine Ueberlastung der Einkommen ihrer Bürger notwendig die Entwicklung der Gemeinde gefährdet, und sich der circulus vitiosus ergibt, dass die Gemeinde hohe Steuern hat, weil ihr die wohlhabenden Bürger fehlen und keine wohlhabenden Bürger hat, weil sie zu hohe Steuern erhebt. Um so mehr muss darauf gedrungen werden, dass die Gemeinden so viel als irgend möglich ihre Bedürfnisse aus den Quellen zu decken suchen, die ihnen ausschliesslich überlassen sind, sowie, dass sie bei ihrer gesamten Finanzgebarung es an der nötigen Rücksicht auf den Staat nicht fehlen lassen. Diese Forderung wird auch dann betont werden müssen, wenn die Beschaffung von Geldmitteln durch Anleihen in Frage steht. In dieser Hinsicht ist zweifellos stark gesündigt worden. Die Gemeinden haben häufig Ausgaben auf Anleihen übernommen, die richtiger durch zurückgelegte Mittel befriedigt worden wären. Die Gemeinden haben in dieser Hinsicht genau denselben Fehler begangen, den die Staaten in nur zu vielen Fällen sich haben zuschulden kommen lassen. Sie haben auch in dieser Beziehung die Erfahrungen, die in der Einzelwirtschaft gemacht werden, keineswegs genügend berücksichtigt. Denn wenn Ausgaben periodisch wiederkehren, so wird im Einzelhaushalt für diese Ausgaben eine Aufstellung gemacht, es wird ein Fonds angesammelt. In der Gemeindefinanzpolitik aber ist der Gedanke, durch Aufsammlung von Fonds für die Zukunft zu sorgen, überhaupt erst in neuerer Zeit zur Geltung gebracht und noch lange nicht in dem wünschenswerten Umfange. Es ist aber gerade durch diese Anleihewirtschaft der Gemeinden mitverursacht worden, dass der Geldmarkt durch öffentliche Anleihen allzusehr in Anspruch genommen und deren Kurs gedrückt worden ist. Und eine Gesundung dieser Verhältnisse wird durch die Staatspolitik allein niemals herbeigeführt werden können; die Kommunalpolitik muss zu ihrem Teil, ja an erster Stelle dazu beitragen.
[234] Allerdings hängt, wie überall in der Verwaltung, insbesondere in der Gemeindeverwaltung, das richtige Verfahren zunächst ab von der richtigen Organisation. Die Fehler unserer Staatswirtschaft, zumal der Staats-Geldwirtscliaft sind zu nicht geringen Teilen zurückzuführen auf bürokratische Massnahmen, die durch fehlerhafte Einwirkung der Parlamente gesteigert worden sind, während ein richtiges Zusammenwirken von Berufsbeamtentum und Vertretern der Selbstverwaltung dahin führen müsste und könnte, dass die richtigen Gedanken in der öffentlichen Wirtschaft genau so verwirklicht würden wie im Einzelhaushalt. Wenn in den Gemeinden trotz der im ganzen brauchbaren Organisation der Selbstverwaltung so viel finanzpolitische Fehler gemacht worden sind, so beruht das darauf, dass nur zu häufig nicht die richtigen Leute an die richtige Stelle gekommen sind, wobei manche veralteten Bestimmungen unserer Städte- und Gemeindeordnung, insbesondere die mit der Entwicklung der Wohnungsverhältnisse ganz und gar nicht mehr in Einklang stehende Bevorzugung der Hausbesitzer, einen recht ungünstigen Einfluss ausgeübt haben. Es muss durch die Gestaltung der Organisation darauf hingewirkt werden, dass das Verantwortlichkeitsgefühl des Beamten durch die Mitwirkung der Vertreter der Bürgerschaft nicht gelähmt, sondern gesteigert werde, und, dass ein vertrauensvolles Zusammenwirken beider Arten von Regierenden die in unserem Beamtentum wie die in unserer Bürgerschaft vorhandenen Kräfte zur richtigen Entfaltung bringe. Diejenige Organisationsform in der Kommunalverwaltung, in der dieses Ziel weitaus am besten erreicht worden ist, ist zweifellos die Verwaltungsdeputation, d. h. ein Organ, bei dem Beamte und Bürger in ständiger Wechselwirkung und gemeinsamer Verantwortung arbeiten. Eine weitere Entwicklung dieses Gedankens in unserer Gemeindeverwaltung wird auch den Gemeindefinanzen zugute kommen.