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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

der gute Wille nur zu leicht erlahmt und das Ausscheiden eines einzigen leitenden und führenden Mitgliedes ein völliges Aufhören der Tätigkeit des Vereines herbeiführen kann. Dazu kommt die Gefahr der Kräfte-Zersplitterung, ja des Gegeneinanderarbeitens der Vereine.

Aber die Nachteile können wesentlich gemindert, ja behoben und somit die Vorteile dieser gemeinnützigen Organisation zur uneingeschränkten Geltung gebracht werden, indem eine Angliederung der Privatvereine an öffentlichrechtliche Körperschaften vorgenommen wird. Sie kann in doppelter Form erfolgen: durch Herstellung einer Personalunion oder durch Schaffung einer öffentlichen Zentralstelle. Kommt eine finanzielle Unterstützung hinzu, so ist damit eine besonders wirksame Grundlage für die Herstellung eines Einflusses auf die Verwaltung des Vereins gegeben.

Auf ähnlichen Gedankengängen beruht es, wenn in neuerer Zeit öffentliche Körperschaften, insbesondere Gemeinden, dazu übergegangen sind, ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse in der Weise zu befriedigen, dass sie sich durch Beteiligung einen massgebenden Einfluss auf Aktien-Gesellschaften sichern und auf diese Weise die Vorteile, die eine privatrechtliche Verwaltung von Strassenbahnen, Elektrizitätswerken, Bergwerken bietet, zu erhalten und die Nachteile auszuschliessen suchen. („Gemischt-öffentliche Betriebe“.)

Dass diese Verknüpfung privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Organisation und Autonomie in manchen Fällen zu empfehlen ist, dürfte aus dem Gesagten hervorgehen. Es darf aber nicht aus dem Auge gelassen werden, dass eine übermässige Benutzung dieser Rechtsform dieselbe Gefahr mit sich bringt wie eine übermässige Verselbständigung der im Staate lebenden Körperschaften öffentlichen Rechts: die Gefahr, dass die Dezentralisation zur Zerreissung führe. Alle Kraftentfaltung im Staate darf nur den Zwecke des Gemeinwohls der Staatsbürger dienen. Unter diesen Gesichtspunkt allein ist auch die Frage zu beantworten, wie die Selbstgesetzgebung und Selbstverwaltung der Körperschaften zweckmässig zu organisieren ist.





c) Kommunalpolitik.
Von
Dr. Wilhelm von Blume,
o. Professor der Rechte an der Universität Tübingen.


Literatur:

H. Lindemann, Städteverwaltung und Munizipalsozialismus in England, 1897.
K. Bücher, Die wirtschaftlichen Aufgaben der modernen Stadtgemeinde, 1898.
A. Damaschke, Aufgaben der Gemeindepolitik (6. Aufl.) 1913.
Adickes und Beutler, die sozialen Aufgaben der deutschen Städte, 1903.
H. Lindemann, Die deutsche Städteverwaltung (2. Aufl.) 1906.
K. v. Mangoldt, Die städtische Bodenfrage, 1907.
R. Eberstadt, Handbuch des Wohnungswesens und der Wohnungsfrage (2. Aufl.) 1910.
Pohle, Die Wohnungsfrage. 1910.
Thissen-Trimborn, Soziale Tätigkeit der Stadtgemeinden, 1910.
A. Riess, Kommunale Wirtschaftspflege, 1911.
Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd. 128, 129: Gemeindebetriebe.
Most, Die deutsche Stadt und ihre Verwaltung, 1913.


Kommunalverbände nennen wir Gemeinwesen auf territorialer Grundlage (Gebietskörperschaften) unter staatlicher Hoheit. Kommunalpolitik ist also Politik des kommunalen Gemeinwesens; sie sucht nach dessen Aufgaben und den Mitteln zu ihrer Verwirklichung. Die Aufgaben ergeben sich, wenn man die Stellung der kommunalen


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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/245&oldid=- (Version vom 30.7.2021)