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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

nach einem einheitlichen Plan geschieht, bei dem Rücksicht zu nehmen ist auf die natürliche Bodengestaltung, auf die Witterungsverhältnisse, auf die wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Bevölkerung, auf die Forderungen der Hygiene, ja endlich auch auf die Forderungen des guten Geschmacks. Aber es ist mit einer richtigen Anlegung der Strassen und Plätze allein nicht getan, vielmehr gehört notwendig zu einer planmässigen Besiedlung auch dieses, dass die zur Bebauung bestimmten Grundstücke in einer für die zweckmässige Bebauung geeigneten Weise geschnitten werden. Es gehört zu einer richtigen Besiedlung, dass diese Grundstücke so bebaut werden, dass den oben ausgesprochenen Forderungen nach allen Richtungen hin Rechnung getragen wird, dass also durch geeignete baupolizeiliche Vorschriften hingewirkt wird auf eine verständige Bebauung. Es gehört schliesslich dazu, dass dafür gesorgt wird, die zur Bebauung bestimmten Grundstücke auch wirklich der Bebauung entgegenzuführen. Denn die Besiedlung nach einheitlichem Plane kann aufs schwerste dadurch gefährdet werden, dass grössere Flächen baureifen Terrains unbebaut liegen bleiben. Von den Mitteln, die zu einer Gestaltung der Besiedlung in dem angegebenen Sinne führen, steht in erster Linie der Erwerb des Grundes und Bodens durch den Kommunalverband. Je mehr die Gemeinde von Privatrechts wegen Herr ihres Grundes und Bodens ist, um so besser kann sie ihren öffentlich-rechtlichen Pflichten hinsichtlich der Besiedlung genügen. Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Gemeinde diesen Grund und Boden selbst bebaut, vielmehr stehen ihr Rechtsformen zur Verfügung, die ihr den Grund und Boden erhalten unter Ueberlassung des Bebauungsrechts an den Einzelnen: Das Erbbaurecht, das Rentengüterrecht, das sogenannte Ulmer Wiederkaufsrecht. Wo der Absicht der Gemeinde, planmässige Besiedlung stattfinden zu lassen, Privateigentumsrechte sich entgegenstellen, muss ihr die Möglichkeit gegeben sein, im Wege der Enteignung den Widerstand zu brechen. Denn es gibt kein öffentliches Interesse, dass diese Bezeichnung so unzweifelhaft verdient wie das Interesse an der Besiedlung des Grundes und Bodens. Es soll, wie schon gesagt wurde, die Bebauung selbst keineswegs zur ausschliesslichen Kommunal-Angelegenheit gemacht werden; denn es besteht die Gefahr, dass bei einer Bebauung ausschliesslich durch die Gemeinden eine Gleichförmigkeit des Lebens der Erfolg sein würde, die vermieden werden muss, wenn überhaupt Neigungen und Wünsche des Einzelnen bei der Gestaltung seines Lebens noch Berücksichtigung verdienen. Bei der Gestaltung der Gebäude ist deswegen nur dafür zu sorgen, dass die Forderung der Volksgesundheitspflege und der Sicherheit des Lebens verwirklicht werden, wobei aber möglichste Bewegungsfreiheit zu lassen ist im Interesse freier Betätigung der Einzelkraft und des Einzelgeschmacks.

Mit der Bodenpolitik hängt aufs engste zusammen die Frage der Wohnungsfürsorge, d. h. die Tätigkeit der Gemeinden, die gerichtet ist auf die Beschaffung von Wohnungen in ausreichender Zahl und in ausreichender Gestalt, sowie auf eine Erhaltung der vorhandenen Wohnungen in bewohnbarem Zustande. Ist der Wohnungsbau nicht schlechthin Gemeindeaufgabe, wird sie dabei vielmehr immer noch die Tätigkeit des einzelnen gestatten und fordern müssen, so ist es doch ihre Aufgabe anzuregen zu einem Wohnungsbau, der die Bedürfnisse befriedigen und in richtiger Weise befriedigen kann. Sie wird daher Sorge tragen müssen, dass zunächst das vorhandene Bedürfnis festgestellt wird durch Wohnungsstatistik, sie wird ferner dafür sorgen müssen, dass die vorhandenen Wohnungen dem Bedürfnis zugeführt werden durch eine Wohnungsvermittlung, und sie wird endlich wenn die Wohnungen nicht ausreichen, für ihre Beschaffung sorgen müssen, indem sie den privaten Unternehmern bei der Herstellung Hilfe gewährt. Sie kann dieses in dem sie die Bildung von Baugenossenschaften fördert und den vorhandenen Baugenossenschaften Hilfe leistet, sie kann es ferner, indem sie dem einzelnen Unternehmer, soweit er dessen würdig ist, mit Kredit zur Hilfe kommt. Und wo die Wohnungen in befriedigendem Masse und in befriedigender Weise vorhanden sind, wird die Stadt weiter zu sorgen haben für eine Erhaltung der Wohnungen in ihrem Zustande, wo Wohnungen in ungenügendem Zustande sich befinden, für eine Besserung und Beseitigung durch eine ständige Wohnungsaufsicht.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/248&oldid=- (Version vom 30.7.2021)