Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Kaiser Karl IV. in Lübeck
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 141–144
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Quelle: Google, Commons
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76. Kaiser Karl IV. in Lübeck.

1375. Nachdem Kaiser Carolus sonst alle Örter und Enden des Römischen Reichs durchzogen, hat er beschlossen, auch der Wenden Land und vornehmlich die Reichsstadt Lübeck zu besuchen. Darum nahm er zu sich den Erzbischof Friedrich von Cöln, den Herzog von Lothringen, den Markgrafen Otto von Brandenburg, Herzog Albrecht von Meklenburg, Herzog Albrecht zu Lüneburg, Wilhelm Markgrafen zu Meißen, Jost Markgrafen zu Mähren, Hinrich und Nicolaus Grafen zu Holstein, Grafen Günter von Ruppin, nebst vielen andern Prälaten, Freiherrn und Rittern; vor allen aber die Kaiserin mit ihrem Gesinde. Da sie nun der Stadt Lübeck genaht, ist ihnen alle junge Mannschaft, sowohl von den Junkern als andere, in schönster Ordnung und bester Zierrath entgegengezogen mit der Stadt Schlüsseln. Als die kaiserliche Majestät was näher gerückt, ist sie nebst der Kaiserin in die S. Gertruden Kapelle vor dem Burgthor getreten, allwo sich beide mit dem kaiserlichen Geschmuck auf das herrlichste bekrönt und beziert, und sich auf schöne Rosse gesetzt. Da nun haben 4 von den vornehmsten jungen Gesellen einen Himmel, von Sammit und Goldstoff wohlgeschmückt, über dem Kaiser getragen; die ältesten Burgemeister [142] aber haben mit großer Reverenz des Rosses Zaum ergriffen, das der Kaiser ritt. Zwei andere Herren des Raths hielten den Zaum an der Kaiserin Roß, über welcher auch 4 der Vornehmsten den Himmel getragen. Vorauf aber ritt ein Herr des Raths und trug der Stadt Schlüssel auf einer silbernen Gabel, welches ein Zeichen der Herrschaft des Reichs über die Stadt gewesen; dann kamen die Reichsfürsten in ihrer Ordnung. Der Markgraf Otto hat das goldne Zepter geführt; der Markgraf Albrecht anstatt seines Vaters das Schwert vorgetragen; darauf folgte kaiserliche Majestät; danach trug der Erzbischof von Cöln vor der Kaiserin den goldenen Apfel, und ihr folgten die anderen Fürsten nach der Reihe. Am Burgthor sind sie von den Mönchen empfangen; die hatten das Heiligthum bei sich und ein Stück vom heiligen Kreuz, das der Kaiser und die Kaiserin mit großer Ehrfurcht begrüßt und geküßt. Dann stunden beiderseits durch die Stadt die vornehmsten Frauen und Jungfern der Stadt in Perlen und Geschmeide und Seidenröcken; auch kam die Klerisei vom Dom mit Psalmen und Gesang, und führte den Zug durch die Breitenstraße nach der Stiftskirche. Da ist ihnen der Gesang gesungen: „Siehe der König und Herrscher aller Herren ist eingezogen,“ mit dem Versikel: „Herr, gieb Verstand dem Könige.“ Inmittels haben Kaiser und Kaiserin allein und abgesondert in ihrem Gebet verharret. Danach ist die Majestät [143] durch die Königstraße mit herrlichem Pomp zurückgezogen, und in ihre Herberge gegangen, darin alles auf das prächtigste zugerichtet war. Es wohnte der Kaiser aber in dem Eckhause an der Johannisstraße (die jetzige Harmonie), und die Kaiserin in dem Eckhause gegenüber, und es war ein köstlicher bedeckter Gang von dem einen Hause zum andern quer über die Gasse aus dem Fenster gemacht, damit beide zu einander gehen könnten, wann sie wollten. Und alle Straßen waren aufs beste gereinigt und ausgeziert, und sobald es dunkel ward, mußten aus allen Fenstern Laternen ausgesteckt werden, daß es so hell war wie am lichten Tage.

Wie nun der Kaiser in seine Herberge kam, ward er aufs ehrfürchtigste von dem ganzen Rath empfangen, der in seinem ordentlichen Habit vor ihm stand; zu dem sagte er: „Wir danken Euch höchlich, Ihr Herren Unserer Stadt, daß Ihr Uns mit gebührenden kaiserlichen Ehren so stattlich empfangen habt.“ Da antwortete der älteste Burgemeister, Herr Jacob Pleskow: „Durchlauchtigster Kaiser! wollet uns nicht Herren nennen, sondern Ew. Majestät gehorsamste und unterthänigste Leute und Diener.“ Worauf der Kaiser erwiederte und sprach: „Die alten Verzeichnisse Unserer Tresekammer, von Unseren in Gott ruhenden Vorfahren her, weisen auf, daß diese Stadt eine von den fünf Herrenstädten des Reichs ist, und daß ihre Rathspersonen zu den Schöffen und [144] Räthen des Kaisers gehören, die zu Ihm eingehen mögen, wann es ihnen gefällig; wie auch Eure Vorfahren gepflegt haben.“

Zehn ganzer Tage lang blieb der Kaiser mit seinem Gefolge in dieser Stadt; die war Trommelns und Pfeifens und Posaunens voll, und alle Tage gab es Stechspiele und Tanz und allerlei Kurzweil, daß es sich gar nicht beschreiben läßt.

Da nun der Kaiser zum Mühlenthor hinaus geritten, welches damals unter dem Pulverthurm (Navigationsschule) am Wall lag, hat er befohlen, dasselbige hinter ihm zu vermauern. Dieses ist freilich von den Kapitelsherren gar ungern gesehn; denn dadurch minderte sich ihr Zank mit dem Rath wegen des Zolles und der Mühlen, was sie für das Ihre verbitten wollten. Sie mußten es indeß geschehen lassen.

Das Mühlenthor ward aber dahin gelegt, wo es noch jetzt ist, und stand lange Zeit das kaiserliche Gnadenhandzeichen oberhalb des inneren Thores zwischen dem Wall zu sehen.

Bemerkungen

[392] S. 143 Tresekammer heißt hier noch das Geheimarchiv.

Anmerkungen (Wikisource)

Commons: Kaiser Karl IV. in Lübeck – Bilder, Videos und/oder Audiodateien