Johann Christoph Glaser, Kurfürstl. Sächs. Kriegsrath und Professor beim adeligen Kadettenkorps

Eine Hinrichtung 1548 Johann Christoph Glaser, Kurfürstl. Sächs. Kriegsrath und Professor beim adeligen Kadettenkorps (1897) von Otto Meltzer
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900)
Kosten einer Reise von Leipzig nach Heidelberg im Jahre 1573
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Johann Christoph Glaser,
Kurfürstl. Sächs. Kriegsrath und Professor beim
adeligen Kadettenkorps († 1773).
Vortrag, gehalten von Rektor Dr. Otto Meltzer.

Für das Rathsarchiv ist unlängst eine Sammlung von Papieren aus dem Nachlaß des im Jahre 1773 hier verstorbenen vormaligen Kriegsraths und Professors beim Kadettenkorps Johann Christoph Glaser erworben worden.[1] Der Mann hat für seine Zeit eine gewisse Bedeutung gehabt, und so mag der Versuch wohl angebracht sein, auf Grund dieser Unterlagen, zu denen sich in Akten des Königlichen Hauptstaatsarchivs[2] mancherlei Ergänzungen finden, sowie seiner gedruckten Schriften ein Bild von seinem Lebensgang und seiner Wirksamkeit zu entwerfen.

Geboren war er zu Breslau den 5. Dezember 1690. Sein Vater starb dort im Jahre 1728 als Erbsaß und chymischer Laborant auf der Freiheit der Malteser-Commende Corporis Christi und war, wie sein uns erhaltenes Testament zeigt, nicht ganz unvermögend. Aus seiner ersten Ehe mit Barbara Scheibel stammte außer unserem Johann Christoph noch ein jüngerer Sohn Namens Johann Christian, der 1753 als Dr. med. und praktischer Arzt in Breslau verstorben ist. Ueber einen unmündigen Sohn zweiter Ehe, der beim Tode des Vaters noch vorhanden war, erfahren wir nichts Weiteres; jedenfalls ist er vor 1766 und, gleich dem zuvor Genannten, ohne Nachkommenschaft gestorben. Die Familie war evangelischen Bekenntnisses.

Vorgebildet auf dem Magdalenengymnasium seiner Vaterstadt, bezog Johann Christoph Glaser im Jahre 1713 die Universität Jena, um Rechtswissenschaft zu studiren. Betreffs seiner Ausbildung in denjenigen Wissenschaften, die ihn besonders anzogen und in denen er seine Bedeutung gewinnen sollte, sagt er, er habe im 9. Jahre durch einen Lehrmeister in öffentlichen Stunden rein mechanisch die Anfangsgründe des Zahlenrechnens gelernt, im 16. und 17. Jahre in entsprechender Weise „von einem sonst nachforschenden Manne in allerhand Wissenschaften, der zum Zeitvertreib von der Ingenieurkunst Profession machte“, etwas Geometrie nebst Feldmessen und etwas Trigonometrie. Auch einiges von der Fortifikation habe er sich zuerst auf diesem Wege angeeignet. Im Uebrigen habe er Niemandes mündlichen Unterricht in der theoretischen oder praktischen Mathematik empfangen, sondern sich alles Weitere durch eigene Bemühung erworben; und er gedenkt dabei mit besonderem Danke der Schriften Chr. Wolffs und Leonhard Christoph Sturms. In Jena hat er, wie es in einem ihm später zu Halle ausgestellten Zeugnisse heißt, in die neun Jahr denen Studiis obgelegen, worunter wir allerdings zugleich zu verstehen haben, daß er mit der Zeit auch als Informator gewirkt und private Vorlesungen gehalten hat. In Adelungs Fortsetzung zu Jöchers Gelehrtenlexikon wird berichtet, daß er Beiträge zu den [46] 1724 in Jena erschienenen Akademischen Nebenstunden geliefert habe, die mir jedoch unzugänglich geblieben sind. Dadurch, daß 1718 Johann Bernhard Wiedeburg als Professor der Mathematik nach Jena berufen wurde, fühlte er sich vielleicht in eigenen Hoffnungen getäuscht; wenigstens ergeht er sich später in sehr heftigen Ausfällen gegen diesen Mann und seine Lehrart, und in einem weiteren Falle ähnlicher Art ergiebt sich ein solcher Erklärungsgrund ziemlich deutlich.

Glaser wandte sich weiterhin nach Halle, wo er am 2. April 1722 als Juris utriusque candidatus et matheseos cultor inscribirt ward. Nach dem Privilegien-Erlaß vom 4. September 1697 waren dort alle Graduirten, Doktoren, Licentiaten, Magister, ja selbst solche, die noch keinen Grad erlangt hatten, zur Haltung von Privatvorlesungen befugt, falls sie in die Universitätsmatrikel aufgenommen waren und ihr Vorhaben beim Dekan der Fakultät kein Bedenken erregte[3]. In der That erhielt Glaser unter dem 8. Juni 1726 auf sein Ansuchen von Universitätswegen bezeugt, daß er bisher mit Wissen und Erlaubniß der philosophischen Fakultät die studirende Jugend und noch kürzlich den Grafen Auersberg in studiis mathematicis tam theoreticis quam practicis publice et privatim fleißig und rühmlich unterwiesen habe. Seine Uebersiedelung war noch in die erste Periode von Chr. Wolffs Hallescher Thätigfeit gefallen, die auch diese Studien dort zu hohem Aufschwung gebracht hatte, freilich durch Wolffs bekannte Verweisung im Jahre 1723 ein so jähes Ende fand. Wolffs Nachfolger in der Professur für die Mathematik ward Joh. Joachim Lange, der ihn freilich nicht recht zu ersetzen vermochte (Schrader a. a. O., S. 142, 289). Für Glaser aber eröffnete sich bald darauf eine Aussicht, die immerhin beweist, daß sein Name bereits vortheilhaft bekannt war. Peter der Große suchte für die noch kurz vor seinem Tode 1725 gegründete Akademie der freien Künste und Wissenschaften zu Petersburg geschickte Subiecta zu gewinnen, und als ein solches ist auch Glaser ins Auge gefaßt worden. Wir finden in seinen Papieren den Entwurf eines mit dem russischen Gesandten in Berlin, Grafen Golowkin, abzuschließenden Vertrages, auf Grund dessen er sich für fünf Jahre verpflichten sollte, als Professor in Petersburg Mathesis mixta, insonderheit aber Architectura militaris et civilis zu lehren. Außer 200 Thalern Reisekosten sollte er jährlich 600 Rubel nebst freier Wohnung, Heizung und Beleuchtung erhalten; wolle er nicht über den bezeichneten Zeitraum hinaus dort bleiben, so solle ihm nach vorheriger einjähriger Kündigung der Abzug unweigerlich freistehen. Wirklich sind damals mehrere deutsche Gelehrte nach Petersburg gezogen und theils dort geblieben, theils nach fünf Jahren zurückgekehrt, nicht ohne auch dann noch eine russische Pension bis an ihr Ende zu genießen. Warum nun die Sache mit Glaser nicht zum Abschluß gelangt ist, läßt sich nicht ersehen. Vermuthen möchte ich, daß das vorliegende Bedürfniß durch die inzwischen erfolgte Gewinnung des hochangesehenen Mathematikers Jakob Hermann, damals in Frankfurt a. O., für gedeckt erachtet worden sei. Es führt mich darauf der Ton der bitterbösen Kritik, welche Glaser später an der Lehrweise dieses Mannes und insbesondere an seinem für Peter II. verfaßten Leitfaden der Mathematik (einschließlich der Fortifikationslehre) geübt hat.

Das erwähnte Hallesche Zeugniß von 1726 sollte wohl für Glaser den Weg zu irgendwelcher anderen Lebensstellung bahnen helfen. Ob nun zwischen ihm und der nächsten Urkunde, die wir finden, irgendwelcher Zusammenhang besteht, bleibt allerdings dunkel. Diese nächste Urkunde aber, zu Berlin den 6. Januar 1728 ausgestellt und von König Friedrich Wilhelm I. unterzeichnet, enthält die Begründung einer eigenen Professur der politisch-mathematischen Wissenschaften an der Universität Halle und deren Uebertragung an Glaser. Dieser soll hiernach die studirende Jugend in der Fortifikation, Artillerie, Architektur und Mathematik, sonderlich in den praktischen Theilen derselben, fleißig publice und privatim informiren, dafür selber seinerseits alle Privilegien und Vorrechte der anderen Professores ordinarii(Schrader S. 83 ff.) genießen und erhält für den Fall verspürten Fleißes die Bezeigung weiterer königlicher Gnade in Aussicht gestellt. Wenn also bei Adelung zu lesen steht, es sei von Einigen hintertrieben worden, daß Glaser in Halle Professor werde, und er sei deshalb nach Dresden gegangen, so trifft dies seinem ersten Theile nach buchstäblich nicht zu. Freilich war mit der Professur kein Gehalt verbunden, – eine Gepflogenheit, die damals überhaupt dort, nicht zum Vortheil der Universität, bei Berufungen und Ernennungen mehrfach geübt worden ist (Schrader S. 255, 283) – und einen einigermaßen bemerkenswerthen Wirkungskreis hat sich Glaser anscheinend auch so nicht schaffen können. Wird doch beispielsweise in W. Schraders Geschichte der Universität Halle nicht einmal sein Name genannt. Daß persönliche Gegnerschaften ihm hinderlich gewesen sind, ist immerhin möglich. Jedenfalls ist ihm der Uebergang in sächsische Dienste, zu dem sich zwei Jahre später Gelegenheit bot, aus mehrfachen Gründen nicht schwer geworden.

Inzwischen war noch im Jahre 1728 Glasers erste selbständige Schrift erschienen: Vernünfftiger Gedancken [47] von der Kriegs-Bau-Kunst erste Probe etc.[4]. Sie beschäftigt sich vor Allem sehr eingehend mit einer Kritik der Befestigungssysteme, wie sie sich seit der Verwendung des Schießpulvers im Kriege entwickelt hatten, unter dem einen Gesichtspunkte der Vertheidigung des Grabens, insbesondere des Hauptgrabens. In dieser Hinsicht nun sei äußerst mangelhaft die altitalienische und die altholländische Art, desgleichen die französische, höchstens zum Theil ausgenommen in der Gestalt, die ihr Vauban auf seiner letzten Entwickelungsstufe gegeben habe, endlich auch diejenige Gruppe von Festungen, die aus Plätzen mit veralteter einfacher Umwallung zum Schutz gegen die neuere Art des Angriffs durch Vorschiebung von Außenwerken nach den vorgenannten Systemen geschaffen worden sei. Meist frei von dem gerügten Fehler, überhaupt durchgängig besser seien dagegen die neuerdings nach eklektischen Grundsätzen besonders in Deutschland[5], sowie nach ihrem Muster von deutschen Ingenieuren in Ungarn und Rußland erbauten Festungen. Im Allgemeinen ist es interessant zu sehen, wie der Verfasser sich bemüht, die Verdienste der Deutschen (Speckle, Dilich, Rusenstein, Rimpler, Coehorn, Wertmüller, Sturm u. A.) auf diesem Gebiete in ein möglichst helles Licht zu stellen. Wären Grundsätze, wie sie in diesem Kreise schon früh aufgestellt worden waren, vernünftig weitergebildet worden, so hätte der deutschen Nation manche Demüthigung durch Ludwig XIV. erspart, hätte dessen Heeren das Schicksal des Quinctilius Varus bereitet werden können. Neben diesen Erörterungen tritt übrigens stark auch die Abwägung der Vortheile vorwiegend theoretischer oder praktischer Ausbildung zum Ingenieur hervor, wobei sich eine etwas einseitige Vorliebe für die erstere bemerklich macht. Weiterhin giebt Glaser den Abriß eines eigenen Befestigungssystems, durch welches eine ungenügende Grabenvertheidigung vollkommen vermieden werde, und zwar nach einer einfacheren und einer kostspieligeren Bauart. Dabei bekundet er sich, wie später immer von Neuem, namentlich auch als entschiedener Verfechter eines Befestigungselements, das gerade durch die französische Art aus der Mode gekommen war: des Vor- oder Unterwalles, der sogenannten Faussebraye; auch möchte er seine Idealfestung am Liebsten mit doppelter Contreescarpe umgeben sehen. Was sie in vollkommenster Ausführung mehr koste, werde sie durch ihre erhöhte Haltbarkeit reichlich ersetzen. Im letzten Abschnitt giebt Glaser noch eine neue – wie er sie bezeichnet – vollkommene und leichte, durch Algebra erfundene allgemeine Festungskonstruktion nebst den dazu gehörigen Ausrechnungen, und stellt eine künftige weitere Ausführung seiner Gedanken in Aussicht.

In Sachsen bereitete sich um diese Zeit einerseits eine weitere Ausgestaltung des adeligen Kadettenkorps und seines Unterrichts vor, andererseits sollte das Ingenieurkorps, an dessen Spitze seit Oktober 1728 aus preußischen Diensten der nunmehrige Generallieutenant Joh. von Bodt getreten war, eine beträchtliche Verstärkung erfahren. War doch obendrein das bekannte Lustlager bei Zeithain in Sicht. Und unter den neuangenommenen Persönlichkeiten befindet sich auch unser Glaser. Sein Patent als Ingenieurkapitän ist gleich zahlreichen anderen Ernennungen und Beförderungen unter dem 30. Mai 1730 im Campement bei Zeithayn ausgefertigt, übrigens die Anstellung auf den 2. März datirt. August der Starke, durch seine Schrift auf ihn aufmerksam geworden, hatte ihn nach Dresden vor sich beschieden und daraufhin für seinen Dienst gewonnen. Unter dem 28. März hat Glaser auf 14 Tage Urlaub nach Halle erhalten, um seine Sachen von dort zu holen. Bei dem Lustlager hat er übrigens für seine Person keine Verwendung gefunden.

Die Stellung als einfacher Ingenieurkapitän mit einem thatsächlichen monatlichen Einkommen von 27 1/2 Thaler – denn jedesmal der zwölfte Theil des nominellen Gehalts entfiel auf den sogenannten Invalidenrabatt – sollte nur eine vorläufige sein, wie ihm in Aussicht gestellt ward. Der König-Kurfürst, so erfahren wir, habe die Absicht zu erkennen gegeben, ihm weiterhin den Unterricht in der Mathematik beim Kadettenkorps zu übertragen und ihn auf 600 Thaler Jahresgehalt zu bringen. Glaser habe denn auch an den Grafen Wackerbarth ein Gutachten darüber eingereicht, wie die Lehrart in seinem Fach bei den Kadetten mit Nutzen anzustellen sei; doch sei die Sache zunächst wieder in Vergessenheit gerathen.

Nach dem mittlerweile eingetretenen Regierungswechsel sollte Glaser auch wenigstens eine Gelegenheit gewinnen, einen Einblick in den wirklichen Krieg zu thun. Unter dem 5. Juni 1734 erhielten einige Mitglieder des Ingenieurkorps Befehl, schleunigst mit Extrapost zu der seit dem Februar im Gang befindlichen Belagerung von Danzig abzugehen, dem wichtigsten Ereigniß auf dem östlichen Schauplatze des polnischen Thronfolgekrieges, und durch einen Nachtrag vom 6. Juni wurde er jenen noch beigesellt. Freilich war die Sendung nur von kurzer Dauer: Danzig fiel bereits im ersten Drittel des Juli, und wenigstens Glaser ist schon im August wieder in Dresden gewesen.

Im nächsten Jahre kam er nun aber doch zu einer Lehrthätigkeit am Kadettenkorps und auch zu dem ihm [48] einst in Aussicht gestellten Gehalt. Nach dem Tode eines Kondukteurs, d. i. Ingenieurs von niederem Rang, der dort elementare Mathematik gelehrt hatte, wurde durch Befehl vom 8. Juni 1735 dessen Monatsgehalt von 20 Thlrn. (thatsächlich 18 1/3 Thlr.) ihm zugelegt, und er konnte sich nun bezeichnen als Professor der mathematischen, militärischen und ökonomischen Wissenschaften beim genannten Korps, wie er dies auch in aller Förmlichkeit und mit sichtlicher Genugthuung auf dem Titel seiner bald darauf erschienenen Streitschrift thut. Mit dieser aber hatte es folgende Bewandtniß.

Wir erfahren durch Adelung, daß wider Glasers „Vernünfftige Gedancken“ etc. im Jahre 1729 (Helmstädt, 8°) von Fr. W. Grützmann eine Gegenschrift unter dem Titel „Drey wichtige Fehler“ etc. herausgegeben worden sei. Diese habe ich nicht erlangen können, weiß auch nicht, ob Glaser etwa in Zeitschriften dagegen aufgetreten ist. Jedenfalls finde ich sonst nirgends bei ihm Bezug darauf genommen, und er pflegt wahrlich nicht schweigsam zu sein, wo es sich um gegnerische Ansichten handelt. Der angedeutete Federkrieg hatte denn auch einen ganz anderen Anlaß.

Der damalige preußische Ingenieurkapitän Abraham Humbert – er ist 1761 als ein Mann von bedeutendem Rufe gestorben – veröffentlichte 1734 eine dem preußischen Kronprinzen gewidmete Schrift unter dem Titel Lettres d'un officier ingénieur sur quelques sujets de fortification et de géometrie pratique[6]. In dem ersten dieser Briefe nun – der zweite berührt uns nicht weiter – sucht er nach einem Überblick über die Entwickelung der Befestigungskunst das vielumstrittene System Georg Rimplers, der 1683 in dem belagerten Wien seinen Tod fand, aufzuklären und zu rechtfertigen. Daran schließt sich ein Ausfall gegen die bloßen Theoretiker, wenigstens ihrer Mehrzahl nach, die allein mit Geometrie oder gar mit Algebra der Aufgabe des Festungsingenieurs genügen zu können meinen. Hierbei wird in einer Anmerkung auch Glasers Schrift angeführt, und dadurch eben fühlte sich dieser empfindlich verletzt.

Seinem Zorne machte er Luft in der 1736 erschienenen Lettre à trois demandes du comte d’A.[7] etc.; mit dem letzteren ist der von ihm in Halle unterwiesene Graf Auersberg gemeint, dessen Hereinziehung in die Sache übrigens selbstverständlich nur als Vorwand dient. Wie der Preuße, so schreibt auch Glaser diesmal französisch, nicht ohne sich wegen etwaiger Fehler, die ihm in dem ungewohnten Idiom zustoßen sollten, im Voraus zu entschuldigen. Und bezeichnend, wenn auch nicht in erfreulichem Sinne, ist es ja für die Zeit, daß der Streit so durchgeführt wird. Denn wenn auch Beide immer wieder einmal das Lob der deutschen Leistungen auf ihrem Gebiete anstimmen, wenn Beide wetteifernd gegen den berüchtigten Ausspruch von Bonhours protestiren, daß den Deutschen der bel esprit abgehe, so rufen sie doch in gleichem Maße die Franzosen, in letzter Instanz die französische Akademie zu Richtern an. Glaser beschwert sich nun zunächst überhaupt über die bei seinen Berufsgenossen verbreitete Unsitte, das geistige Eigenthum Anderer widerrechtlich an sich zu ziehen, und bestrebt sich insbesondere, an einer Reihe von Fällen nachzuweisen, daß Humbert ihn wie auch Andere schamlos geplündert habe, ohne ihn anders als an der einen Stelle tadelnd zu nennen. Sodann giebt Glaser eine recht herabsetzende Kritik des Rimpler’schen Systems, das keineswegs leiste, was es verspreche, auch selbst nicht einmal ganz originell sei; daran knüpfen sich scharfe Angriffe auf die bloßen Praktiker, obwohl zugestanden wird, daß auch an der Hand der bloßen Mathematik mitunter schwere Fehlgriffe gemacht worden seien. Merkwürdigerweise wird die Antwort auf die dritte angebliche Frage des Grafen – sur l’utilité de l’analyse dans le génie – trotz ihrer Ankündigung auf dem Titelblatt unter einem recht dürftigen Vorwande nicht gegeben, sondern einer künftigen Veröffentlichung vorbehalten.

Humbert antwortete darauf 1737 mit einer Schrift: Réflexions sur un écrit de M. le capitaine Glaser intitulé Lettre à trois demandes[8] etc. Ihr Inhalt ist ziemlich dürftig im Verhältniß zum Umfang. Glasers Französisch giebt dem Verfasser Stoff zu starkem Spott. Weiter führt Humbert aus, er habe ja nur gegen die Ueberschätzung des Werths der Mathematik für die Befestigungskunst Einspruch erheben wollen. Glaser thue dies übrigens selbst hier und da, widerspreche damit allerdings anderweitigen eigenen Aeußerungen, wie dies auch hinsichtlich seiner neuesten Würdigung Rimplers gesagt werden müsse. Daß Glaser seinem ganzen Stande die Neigung zum Plagiat vorwerfe, sei nicht schön, auch bei Weitem nicht in dem behaupteten Umfange wahr, und schließlich sei Glaser selbst von dem Vorwurfe nicht ganz freizusprechen. Was freilich die Hauptsache anlangt, so ist die Vertheidigung doch recht schwach. Für mehrere Fälle muß Humbert in der That die ihm zur Last gelegte Benutzung Glasers eingestehen, muß auch ein schlimmes Mißverständniß zugeben, das ihm gerade auf diesem Wege untergelaufen war; und mag man einräumen, daß der eine Hinweis auf Glaser in Humberts erster Schrift nicht so ehrenrührig sei, wie jener ihn aufgefaßt hatte, so wird man doch gegenüber der daran geknüpften Versicherung Humberts seine eigenen Gedanken [49] haben dürfen. Glaser hatte erklärt, er würde befriedigt gewesen sein, würde kein Wort verloren haben, wenn Humbert ihn auch nur ein einziges Mal an einer früheren Stelle seiner ersten Schrift als Gewährsmann angeführt hätte. Und eben dies, so versichert Humbert, habe er an einer passenden Stelle seines – inzwischen vernichteten – Manuscripts wirklich gethan gehabt, nur sei leider gerade die betreffende Anmerkung durch Schuld des Druckers ausgefallen und dies dann bei der Korrektur übersehen worden.

Der Streit ist glücklicherweise nicht fortgesetzt worden. Glaser aber hat zwar in seiner Wissenschaft fleißig weiter gearbeitet, jedoch bei seinen Lebzeiten keine selbständige Schrift mehr veröffentlicht.

Durch Patent vom 27. Januar 1741 erhielt er „in Ansehung seiner besonderen Geschicklichkeit“ den Titel Kriegsrath und eine weitere monatliche Zulage von 30 Thlrn, so daß er sich nunmehr auf nominell 960 Thlr. jährlich stand. Dem gegenüber hatte er unter dem 10. Februar 1741 einen Revers auszustellen, in welchem er sich verpflichtete, niemals in auswärtige Dienste zu treten, auch die Information in den mathematischen Wissenschaften bei der adeligen Kompagnie Cadets nach wie vor zu kontinuiren. Ob etwa, wie dies zu vermuthen nahe liegt, ein an ihn ergangener Antrag von auswärts den Anstoß zu dieser Beförderung gegeben hat, darüber habe ich keine Andeutung finden können.

Zwei vorhandene Briefe, die er gegen Ende dieses Jahres von Offizieren aus dem Lager vor Prag und aus Prag erhalten hat, ergeben ebensowenig, wie ein ähnlicher vom September 1735 aus dem kursächsischen Lager bei Mainz, etwas Wesentliches für die dortigen Ereignisse. Bemerkenswerth ist immerhin die Mittheilung, daß den Sachsen in der unter ihrer hervorragenden Mitwirkung eingenommenen Hauptstadt Böhmens einmal vergönnt wurde, ihren evangelischen Gottesdienst nicht privatim in einem Saale abzuhalten.

Eine weitere Beförderung wurde Glaser durch Erlaß vom 1. März 1749 zu Theil. Der Ingenieurmajor Ludwig Andreas Herlin war gestorben, der bisher beim Kadettenkorps die Befestigungskunst gelehrt, übrigens sich auf diesem Gebiete auch schriftstellerisch bethätigt hatte. Dessen Lehrfach erhielt jetzt Glaser als alleiniger Direktor der Fortifikation, wie der Ausdruck lautet, gleichfalls zugewiesen, dazu trat, allerdings ohne Erhöhung seines Ranges, eine abermalige Erhöhung seiner Bezüge, so daß er auf den für jene Zeit bemerkenswerth hohen Jahresgehalt von nominell 1326, thatsächlich 1221  Thlrn. kam.

Nun aber kam doch noch einmal ein höchst ehrenvoller Ruf nach auswärts. Im September 1749 war in Göttingen der Professor der Mathematik Joh. Friedr. Penther gestorben. Unter der besonderen Fürsorge des Hannöverschen Ministers Freiherrn von Münchhausen, dessen rechte Hand dabei der berühmte Philolog Johann Matthias Gesner war, hatte sich diese im Jahre 1734 gegründete Universität rasch zu hoher Blüthe entwickelt, und für sie sollte jetzt Glaser gewonnen werden. Aus dem Februar und März 1750 finden wir mehrere Zuschriften Gesners, verbunden mit Auszügen aus Mittheilungen Münchhausens an diesen, aus denen der dringende Wunsch hervorgeht, Glaser womöglich schon zu Anfang des bevorstehenden Sommerhalbjahres das betreffende Lehramt übernehmen zu sehen. An festen Einkünften wurden zunächst ja nur 400 Thlr. Gehalt und 40 Thlr. Licenzäquivalentgeld nebst Umzugskosten geboten. Aber es wird weiterhin unter verschiedenen Titeln bis zu 600, zuletzt sogar 700 Thlr. hinaufgegangen, allerdings mit der Bitte, um der etwaigen Konsequenzen willen von diesen Erhöhungen ja Niemandem, insbesondere keinem der künftigen Amtsgenossen, etwas zu sagen. Um Glaser davon zu überzeugen, daß er sich so gewiß noch besser stehen werde als in Dresden, giebt Gesner eine Reihe ganz interessanter Angaben über die Preise in Göttingen. Die Regierung, fügt er hinzu, zahle stets pünktlich und ohne Abzug bis an den Tod der Professoren und sei in allem überaus entgegenkommend. Die Stellung Glasers werde unvergleichlich viel unabhängiger sein als in Dresden. Auch der Hofrathstitel wird ihm noch angeboten. Glaser hat den Ruf aber doch ausgeschlagen, was sich aus mehr als einem Grunde verstehen läßt, auch wenn nicht etwa auf den von ihm ausgestellten Revers zurückgegriffen wurde. Er klagt zehn Jahre später einmal dem Kurprinzen gegenüber, er habe damals auf die Begleichung gewisser ihm noch zustehender Forderungen hoffen zu dürfen geglaubt, sei aber nicht einmal zur Hälfte befriedigt worden. Worum es sich dabei gehandelt hat, ist nicht ganz deutlich zu erkennen[9]. Seine dienstlichen Verhältnisse und Bezüge hier sind, bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand so geblieben, wie sie kurz zuvor geordnet worden waren.

Oder wenigstens blieben sie der Form nach dieselben. Thatsächlich brachte freilich der siebenjährige Krieg eine ganz wesentliche Verminderung der Einkünfte. Glaser blieb in Dresden, während das Kadettenkorps im Angesicht des drohenden preußischen Einfalls nach dem Königstein abrückte und schließlich durch die bekannte Kapitulation vom 16. Oktober 1756 gleichfalls kriegsgefangen ward. Lange Ferien hatte somit der Professor; aber wenn ihm auch sein Gehalt in dieser Eigenschaft weitergezahlt wurde, so erhielt er doch seit [50] Ende 1756 statt der 60 (55) Thlr. monatlich, die ihm als Ingenieurkapitän und als Kriegsrath zukamen, nur noch 8 Thlr. ausgezahlt, und seit Ende Juli 1758 geschah auch dies nicht mehr.

Gerade damals schien sich ja nun eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen anzubahnen. Im Spätsommer 1758 begannen die Operationen, durch welche Daun in Verbindung mit der Reichsarmee unter dem Herzog von Pfalz-Zweibrücken die Preußen aus Dresden hinauszudrängen versuchte, und als sie sich der Stadt näherten, wurde Glaser vom Kurprinzen, der bekanntlich mit seiner Gemahlin, gleich der Königin, von Anfang an hier zurückgeblieben war, am 3. September zu ihnen hinausgesandt. Natürlich mußte die Sendung eine durchaus geheime sein; so lassen sich denn auch an der Hand der mir vorliegenden Schriftstücke über die dabei befolgte Absicht nur Vermuthungen anstellen. Zunächst wird ja Glaser der Heeresleitung der Verbündeten hier in der Gegend mit seiner Sach- und Ortskenntniß haben zur Hand gehen sollen. Was er aber weiterhin so lange Zeit hindurch in Prag etwa vermitteln oder beobachten sollte, während ihm doch die Rückkehr nach Dresden schon seit dessen Verlust durch die Preußen im September 1759 offen gestanden hätte, läßt sich nicht erkennen.

Was seine Erlebnisse in diesem Zeitraum anlangt, so erfahren wir, daß er sich vorerst theils im Lager, theils in Pirna und Königstein, gegen Ende des Feldzugs auch in Nöthnitz und Leubnitz beim Generallieutenant von Lascy aufgehalten habe. Als sich dann gegen Ende des Novembers 1758 die verbündeten Heere, ohne ihren Zweck erreicht zu haben, aus Sachsen zurückzogen, suchte er Unterkunft auf dem Königstein. Doch wollte ihn der Kommandant der Festung, die bekanntlich im Anschluß an die Kapitulation vom 16. Oktober 1756 für neutral erklärt worden war, nicht länger behalten, da sein Aufenthalt daselbst den Preußen verrathen sei und deshalb Ungelegenheiten zu fürchten seien. So begab er sich denn nach Prag, wo ihn dann, wie wir nach unseren Vorlagen schließen müssen, der Wille des Kurprinzen bis gegen Ende Mai 1760 zurückhielt. Wiederholt bittet er diesen um Ersatz für die mit der Sendung verbundenen erhöhten Ausgaben, zu deren Bestreitung er u. a. auf dem Königstein und in Prag Darlehen hatte aufnehmen müssen.

Eine Schenkung von 60 Thlrn. ist ihm einmal im Jahre 1764 vom Prinzen Albert zugekommen, dem späteren Herzog von Sachsen-Teschen; dieser ist jedenfalls einer von den beiden Prinzen des regierenden Hauses gewesen, die Glaser, wie wir aus dem noch zu erwähnenden gedruckten Nachruf erfahren, unterrichtet hatte.

Erst nach dem Hubertusburger Frieden wurde das Kadettenkorps wieder errichtet, und die Dinge kamen allmählich auf den alten Fuß zurück. Glaser hat noch bis tief in sein 78. Lebensjahr mitgewirkt, dann wurde er im Zusammenhang mit einer unter dem 13. September 1768 angeordneten Reorganisation des Ingenieurkorps mit 50 Thlr. monatlich pensionirt. Sein Leben beschlossen hat er am 4. September 1773 – im Thiermannschen Hause auf der Rähnitzgasse, eine Treppe hoch – und ist in der Gruft bei der Dreikönigskirche begraben worden.

Seine Hinterlassenschaft sollte nach ihrem materiellen Theile noch den Anlaß zu einem ebenso unerquicklichen wie langwierigen Streit geben. Ihr Werth betrug nach gerichtlicher Feststellung annähernd 14 000 Thlr., einschließlich einer Bibliothek, deren Reichhaltigkeit wir von ihm selbst wiederholt betont finden, nebst Karten, Instrumenten etc.

Glaser war unverheirathet geblieben, auch sonst fehlten ihm unmittelbar Erbberechtigte gänzlich. Als nun der alternde Mann allmählich daran dachte, sein Haus zu bestellen, beabsichtigte er einerseits, schlesische Seitenverwandte zu bedenken, die von Geschwistern seiner Eltern abstammten und durch den Krieg zum Theil in mißliche Verhältnisse gekommen waren. Unter denselben war ihm besonders werth Johann Ephraim Scheibel (geb. 1736), der 1759 Professor der Mathematik und Physik am Elisabethgymnasium in Breslau geworden war, später in gleicher Eigenschaft an das Friedrichsgymnasium daselbst überging und 1788 Leiter dieser Anstalt, sowie Inspektor der evangelischen Schulen der Stadt wurde, ein Mann von gutem Namen in seiner Wissenschaft. Ins Widerspiel zu dieser Neigung traten aber Beziehungen zu einem andern Kreise, der leider nicht in allen seinen Gliedern ganz sauber geblieben ist. Glaser hatte 1734 eine in ziemlich dürftigen Umständen lebende Offizierswittwe zu sich genommen und sie, sowie Angehörige von ihr, gegen Führung seiner Wirthschaft fortan im Wesentlichen unterhalten.

Dem Wunsche nun, auch nach dieser Seite hin die gehegten, vielleicht durch ihn selbst hie und da bekräftigten Erwartungen zu befriedigen, suchte er zunächst durch Anbahnung einer Ehe zwischen Scheibel und einer unter zwei Enkelinnen jener Wittwe, die wir 1766 in seinem Hause vorfinden, gerecht zu werden. Wirklich spann sich das gewünschte Verhältniß an, als Scheibel damals auf Einladung zum Besuch hierher kam[10], und ein daraufhin abgefaßter Testamentsentwurf bedachte beide – wie es schien – künftigen Gatten neben den sonstigen schlesischen Verwandten besonders reichlich. Aber das [51] schöne Zukunftsbild zerrann nach einiger Zeit: die junge Dame hier ließ sich wenig erbauliche Dinge zu schulden kommen, und Scheibel, dem dies nicht verborgen blieb, verheirathete sich in Breslau anderweit. Der Schuldigen entzog nun zwar Glaser seine Gunst. Aber als bald darauf an Stelle der verstorbenen Großmutter die andere Enkelin die Führung seines Haushalts übernahm, gerieth er anscheinend völlig in deren Netze, und wie er sie schon einmal mit 4000 Thlrn. beschenkt hatte, so bedachte er sie auch in ganz hervorragendem Maße vor den schlesischen Verwandten, als er 1771 zum ersten Male ein wirkliches Testament an Gerichtsstelle hinterlegte. Als sie nach einiger Zeit starb, fand er freilich die Beweise dafür, daß die – wie er selbst nunmehr sagt – „erzböse Kreatur und Antipode von Verstand und Tugend“ ihn hintergangen, namentlich auch seit mehreren Jahren die Briefe Scheibels unterschlagen hatte, in denen dieser ihn immer von Neuem vor seiner eigennützigen Umgebung warnte und um Verwirklichung seiner guten Absichten gegen die Verwandten bat. So errichtete er denn noch auf seinem letzten Krankenlager ein neues Testament, durch welches Scheibel zum Haupterben eingesetzt wurde mit der Verpflichtung, die kleinere Hälfte des Vermögens an die andern Verwandten, sowie in einigen kleinen Legaten an hiesige Persönlichkeiten auszufolgen.

Scheibel war voll dankbarer Rührung und ließ einen längeren rühmenden Nachruf für den Verstorbenen drucken, der in Breslau nach Ortssitte in der Kirche verlesen, auch an Bekannte versandt wurde. Seine Freude sollte jedoch nur kurz sein; denn die noch lebenden Nachkommen der verstorbenen Offizierswittwe, unter ihnen die ihm einst zugedachte Enkelin, beanspruchten nunmehr unter Berufung auf mündliche Vereinbarungen, die Glaser einst mit jener getroffen, bez. auf Verpflichtungen, die er ihr gegenüber gehabt habe, nahezu 6/7 des Nachlasses, und es begann ein Prozeß, der sich bis zum Jahre 1792 hinzog. Wiederholt verwandte sich seit 1780 auf Scheibels Ansuchen die preußische Regierung um Beschleunigung der Sache und erbat Auskunft über ihren Stand. Wir erfahren bei einem solchen Anlaß im Jahre 1785, daß die Angelegenheit damals auch schon den Juristenfakultäten in Leipzig und Wittenberg vorgelegen hatte, daß die Akten bereits auf 74 Bände angeschwollen waren, und daß Scheibel unter Voraussetzung zweier von den Klägern zu leistenden Eide für schuldig erkannt werden sollte, in der einen Sache 2768 Thlr. nebst Zinsen seit 1773, in der andern 6000 Thlr. zu zahlen. Und die betreffenden Eide sind augenscheinlich geleistet worden. Der Prozeß hat einen für Scheibel nachtheiligen Ausgang genommen, bei dem es auch blieb, nachdem die Regierung ihn, um den preußischen Wünschen entgegenzukommen, noch dem Appellationsgericht vorgelegt hatte. Waren sonach schließlich aus dem unter Beschlag verbliebenen Nachlaß die Forderungen der Kläger nach dem soeben mitgetheilten Ansatz zu befriedigen, so steht zu vermuthen, daß der einst so beglückte Scheibel sammt den übrigen Legataren nicht nur nichts erhielt, sondern leicht noch zu den Kosten zulegen mußte. Jedenfalls waren Glasers letzte Absichten in dieser Hinsicht in ihr völliges Gegentheil verkehrt.

Erfreulicheres läßt sich von seiner geistigen Hinterlassenschaft melden. Glaser hatte, wie früher angedeutet wurde, in seiner Wissenschaft fleißig weitergearbeitet, wenn auch ohne zu einer zusammenfassenden Veröffentlichung seiner Ergebnisse zu kommen. Insbesondere hatte er gesucht, „diejenige allgemeine Konstruktion zu entdecken, vermittelst welcher bei regulären sowohl als irregulären Vielecken von innen auswärts und von außen einwärts, mit oder ohne Faussebraye, dergestalt fortifizirt werden könnte, daß alle Hauptflanken einerlei Länge und auf der Defens-Linie rechtwinklige Stellung erhielten“, – also eine Universalformel für Herstellung vollkommener Befestigungen im Sinne der Zeit. Und in der That glaubte er diese noch kurz vor seinem Tode gefunden zu haben, nur daß seine Kräfte nicht mehr zur vollständigen Ausarbeitung hinreichten. Jedenfalls legte er Werth darauf, daß die Frucht seiner langjährigen Bemühungen nicht verloren gehe, und so bestimmte das Testament, das wenigstens in diesem Punkte zur alsbaldigen Ausführung gekommen ist, daß der Ingenieurhauptmann Aster ein vorhandenes, noch unvollendetes Manuskript zur Veröffentlichung übernehme. Dafür sollte ihm das zu erwartende Honorar, sowie ein kleines Legat an Geld und Büchern zufallen.

Friedrich Ludwig Aster, Glasers dankbarer und ohne Zweifel bedeutendster Schüler, der 1804 als Generalmajor und Chef des Ingenieurkorps gestorben ist, war 1732 in Dresden geboren [11]. Er wurde durch Privatunterricht zum Eintritt in das Korps vorbereitet, dem er bereits 1750 als aggregirter Sous-Lieutenant zugeschrieben ward. Von Glaser empfing er Unterricht in der Mathematik und den übrigen Ingenieurwissenschaften vom Jahre 1746 an bis zum Ausbruch des siebenjährigen Krieges. Aus diesem Kriege als Hauptmann zurückgekehrt, stand er dann mit seinem ehemaligen Lehrer bis zu dessen Tode, wie er selbst sagt, in fast täglichem Verkehr. Weiteren Kreisen geläufig ist sein Name besonders durch die von ihm veranlaßte und geleitete neue Landesvermessung, und von seinen Söhnen sind zwei zu anerkannter Bedeutung gelangt – sie [52] starben beide im Jahre 1855 –: Ernst Ludwig, der preußische General, und Karl Heinrich, der sächsische Oberst.

Aster fand von dem, was er aus dem Nachlasse überkam, nicht allzuviel in druckfertigem Zustande vor und mußte dies noch mehrfach durch Zusätze abrunden. Er veröffentlichte es unter dem Titel „Hrn. Joh. Chr. Glasers... Hinterlassener Gedanken von der Kriegs-Baukunst erste Sammlung“ etc. im Jahre 1776[12]. Mir als Laien wenigstens will diese Schrift allerdings keinen recht bedeutenden Eindruck machen. Ihr reichliches erstes Drittel handelt nach einer Auseinandersetzung über die Ursachen des langsamen Wachsthums der Fortifikation in merklicher Breite von dem Unterschied zwischen Theorie und Praxis, sogenannter theoretischer und praktischer Lehrart, unter scharfen Ausfällen nach verschiedenen Seiten hin und mit mancherlei Anzeichen dafür, als habe den Verfasser mit der Zeit eine gewisse Verbitterung übermannt. Hier kommt vor allem die „muntere“ Schreibart zur Geltung, die Aster in seinen Zusätzen nicht nachahmen kann – wie er sagt – oder nicht nachahmen will. Das zweite Drittel der Schrift behandelt die Historie der alten Befestigungskunst von der Urzeit an bis zu den Veränderungen, welche die Erfindung des Schießpulvers nach sich gezogen hat. Hier werden in ziemlich doktrinär-schematischer Weise die einzelnen Entwickelungsstufen dargelegt und aus einander abgeleitet. Betont wird dabei, daß schon sehr früh der Werth der horizontalen Vertheidigung und dessen, was jetzt die Faussebraye leisten solle, erkannt worden sei. Das letzte Drittel endlich beleuchtet speziell die Entwickelung der Faussebraye, deren Anfänge bis auf Albrecht Dürer zurückgeführt werden, und ihre Zweckmäßigkeit.

Ungleich bedeutsamer ist, was Aster auf den anderweitigen ihm überwiesenen Unterlagen aufbaute: sein bekannter „Unterricht in der Festungsbaukunst“, der in fünf Heften 1787–93 erschien[13]. Das obwaltende Verhältniß wird auf dem Titel bezeichnet durch die Angabe, daß das Werk nach Glasers erwiesenen Grundsätzen aus der Kriegskunst, Natur- und Größenlehre zum praktischen Gebrauch von Aster ausgearbeitet sei. Den Tafeln liegen nach ausdrücklicher Bezeichnung fast durchgängig Entwürfe von Glaser zu Grunde, während von dem Text nur sehr wenig unmittelbar auf Niederschriften von ihm zurückgeht; häufig aber sind Berufungen auf ihn. Indem ich dies nun hervorhebe, soll keineswegs Asters Verdienst geschmälert werden. Das Werk, eine wohlabgewogene und wohlgegliederte Zusammenfassung alles dessen, was für den Festungsbau jener Zeit als maßgebend in Betracht kam, trägt bei alledem den Stempel seines Geistes an sich und geht mit Recht unter seinem Namen. Ebendeswegen würde es allerdings schon an sich zum guten Theil aus dem Rahmen dieser Darlegung fallen, sollte hier näher auf seinen Inhalt eingegangen werden, und ohnedies ist ihm, soviel mir bekannt, in den Kreisen, auf die es berechnet war, die gebührende Würdigung nicht versagt geblieben. Wenn aber ein Mann wie Friedrich Ludwig Aster, dessen klarer Geist und gründliche methodische Schulung auch für den Laien im Fach überall erkennbar ist, – wenn ein solcher Mann sein Urtheil dahin zusammenfaßt, daß Glaser seinerzeit die Bahn zu systematischem Denken über den Festungsbau gebrochen habe, so werden wir es immerhin gerechtfertigt finden dürfen, uns hier auch einmal in unserer Weise eine Stunde mit diesem seinem Lehrer beschäftigt zu haben.


  1. Geschenk des Herrn Dr. von Bötticher in Bautzen.
  2. Dergl. besonders: Das Ingenieurkorps betreffend, Vol. I (Loc. 1080), Bl. 121–154; Vol. 2, Bl. 113 f., 145 f.; Vol. 3, Bl. 209 f; Vol. 6 (Loc. 1081), Bl. 69–79, 149 ff. – Die Adel. Compagnie Cadets betreffend, Vol. 4a (Loc. 1069), Bl. 8; Vol. 4b (Loc. 1070), Nr. 35 – Verwendungen, Requisitiones etc. betreffend, Vol. 2 (Loc. 2975), Bl. 50–55, 76–90; Vol. 12 (Loc. 2976), Bl. 27 f., 86 f. – Die dem Ober-Consistorio anbefohlene Communication gewisser.... Acten betreffend (Loc. 6404), durchgängig.
  3. W. Schrader, Gesch. der Friedrichs-Universität zu Halle, Bd. 1 (Berlin 1894), S. 112. In das amtliche Verzeichniß, wie hier zugleich bemerkt wird, fanden die betreffenden Vorlesungen allerdings keine Aufnahme; es läßt sich daher nur wenig über die Thätigkeit derartiger Privatdozenten feststellen.
  4. Halle, Renger. 4°. VI und 191 S. mit 6 Tafeln.
  5. Unter den Beispielen wird auch die nach Klengels Plänen errichtete Befestigung von Alt-Dresden (Dr.-Neustadt) als besonders bemerkenswerth angeführt, wenngleich sie in ihrer derzeitigen Ausführung noch mit einigen Unvollkommenheiten behaftet sei.
  6. Berlin. 4°. [X u.] 76 S. m. 2 Tfln.
  7. Dresden u. Leipzig, Fr. Hekel. 4°. [II u.] 108 S. m. 2 Tfln.
  8. Stettin. 4°. [XVI u.] 132 S.
  9. Um ehesten möchte man an Rückstände der Art denken, wie sie bei Böttiger-Flathe, Gesch. der Kurft. u. Königr. Sachsen, Bd. 2, S. 463 erwähnt werden.
  10. Aus dem Bericht über seine Rückreise ergiebt sich u. a., daß man damals in die Lage kommen konnte, in Bautzen 20 Stunden warten zu müssen, wenn die Post von Leipzig sich verspätet hatte.
  11. Vergl. den zum größten Theile von ihm selbst herstammenden Lebensabriß i. d. Zeitschr. f. Kunst, Wissensch. u. Gesch. d. Krieges, Jahrg. 1858, Heft 8, S. 150-158.
  12. Dresden, Hilscher. 4°. [VI u.] 208 S. m. 4 Tfln.
  13. Dresden, bez. Dresden u. Leipzig, Hilscher. 4o. 381 u. X S. m. 5 Bl. Tabellen u. 33 Tfln.