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1724 in Jena erschienenen Akademischen Nebenstunden geliefert habe, die mir jedoch unzugänglich geblieben sind. Dadurch, daß 1718 Johann Bernhard Wiedeburg als Professor der Mathematik nach Jena berufen wurde, fühlte er sich vielleicht in eigenen Hoffnungen getäuscht; wenigstens ergeht er sich später in sehr heftigen Ausfällen gegen diesen Mann und seine Lehrart, und in einem weiteren Falle ähnlicher Art ergiebt sich ein solcher Erklärungsgrund ziemlich deutlich.

Glaser wandte sich weiterhin nach Halle, wo er am 2. April 1722 als Juris utriusque candidatus et matheseos cultor inscribirt ward. Nach dem Privilegien-Erlaß vom 4. September 1697 waren dort alle Graduirten, Doktoren, Licentiaten, Magister, ja selbst solche, die noch keinen Grad erlangt hatten, zur Haltung von Privatvorlesungen befugt, falls sie in die Universitätsmatrikel aufgenommen waren und ihr Vorhaben beim Dekan der Fakultät kein Bedenken erregte[1]. In der That erhielt Glaser unter dem 8. Juni 1726 auf sein Ansuchen von Universitätswegen bezeugt, daß er bisher mit Wissen und Erlaubniß der philosophischen Fakultät die studirende Jugend und noch kürzlich den Grafen Auersberg in studiis mathematicis tam theoreticis quam practicis publice et privatim fleißig und rühmlich unterwiesen habe. Seine Uebersiedelung war noch in die erste Periode von Chr. Wolffs Hallescher Thätigfeit gefallen, die auch diese Studien dort zu hohem Aufschwung gebracht hatte, freilich durch Wolffs bekannte Verweisung im Jahre 1723 ein so jähes Ende fand. Wolffs Nachfolger in der Professur für die Mathematik ward Joh. Joachim Lange, der ihn freilich nicht recht zu ersetzen vermochte (Schrader a. a. O., S. 142, 289). Für Glaser aber eröffnete sich bald darauf eine Aussicht, die immerhin beweist, daß sein Name bereits vortheilhaft bekannt war. Peter der Große suchte für die noch kurz vor seinem Tode 1725 gegründete Akademie der freien Künste und Wissenschaften zu Petersburg geschickte Subiecta zu gewinnen, und als ein solches ist auch Glaser ins Auge gefaßt worden. Wir finden in seinen Papieren den Entwurf eines mit dem russischen Gesandten in Berlin, Grafen Golowkin, abzuschließenden Vertrages, auf Grund dessen er sich für fünf Jahre verpflichten sollte, als Professor in Petersburg Mathesis mixta, insonderheit aber Architectura militaris et civilis zu lehren. Außer 200 Thalern Reisekosten sollte er jährlich 600 Rubel nebst freier Wohnung, Heizung und Beleuchtung erhalten; wolle er nicht über den bezeichneten Zeitraum hinaus dort bleiben, so solle ihm nach vorheriger einjähriger Kündigung der Abzug unweigerlich freistehen. Wirklich sind damals mehrere deutsche Gelehrte nach Petersburg gezogen und theils dort geblieben, theils nach fünf Jahren zurückgekehrt, nicht ohne auch dann noch eine russische Pension bis an ihr Ende zu genießen. Warum nun die Sache mit Glaser nicht zum Abschluß gelangt ist, läßt sich nicht ersehen. Vermuthen möchte ich, daß das vorliegende Bedürfniß durch die inzwischen erfolgte Gewinnung des hochangesehenen Mathematikers Jakob Hermann, damals in Frankfurt a. O., für gedeckt erachtet worden sei. Es führt mich darauf der Ton der bitterbösen Kritik, welche Glaser später an der Lehrweise dieses Mannes und insbesondere an seinem für Peter II. verfaßten Leitfaden der Mathematik (einschließlich der Fortifikationslehre) geübt hat.

Das erwähnte Hallesche Zeugniß von 1726 sollte wohl für Glaser den Weg zu irgendwelcher anderen Lebensstellung bahnen helfen. Ob nun zwischen ihm und der nächsten Urkunde, die wir finden, irgendwelcher Zusammenhang besteht, bleibt allerdings dunkel. Diese nächste Urkunde aber, zu Berlin den 6. Januar 1728 ausgestellt und von König Friedrich Wilhelm I. unterzeichnet, enthält die Begründung einer eigenen Professur der politisch-mathematischen Wissenschaften an der Universität Halle und deren Uebertragung an Glaser. Dieser soll hiernach die studirende Jugend in der Fortifikation, Artillerie, Architektur und Mathematik, sonderlich in den praktischen Theilen derselben, fleißig publice und privatim informiren, dafür selber seinerseits alle Privilegien und Vorrechte der anderen Professores ordinarii(Schrader S. 83 ff.) genießen und erhält für den Fall verspürten Fleißes die Bezeigung weiterer königlicher Gnade in Aussicht gestellt. Wenn also bei Adelung zu lesen steht, es sei von Einigen hintertrieben worden, daß Glaser in Halle Professor werde, und er sei deshalb nach Dresden gegangen, so trifft dies seinem ersten Theile nach buchstäblich nicht zu. Freilich war mit der Professur kein Gehalt verbunden, – eine Gepflogenheit, die damals überhaupt dort, nicht zum Vortheil der Universität, bei Berufungen und Ernennungen mehrfach geübt worden ist (Schrader S. 255, 283) – und einen einigermaßen bemerkenswerthen Wirkungskreis hat sich Glaser anscheinend auch so nicht schaffen können. Wird doch beispielsweise in W. Schraders Geschichte der Universität Halle nicht einmal sein Name genannt. Daß persönliche Gegnerschaften ihm hinderlich gewesen sind, ist immerhin möglich. Jedenfalls ist ihm der Uebergang in sächsische Dienste, zu dem sich zwei Jahre später Gelegenheit bot, aus mehrfachen Gründen nicht schwer geworden.

Inzwischen war noch im Jahre 1728 Glasers erste selbständige Schrift erschienen: Vernünfftiger Gedancken


  1. W. Schrader, Gesch. der Friedrichs-Universität zu Halle, Bd. 1 (Berlin 1894), S. 112. In das amtliche Verzeichniß, wie hier zugleich bemerkt wird, fanden die betreffenden Vorlesungen allerdings keine Aufnahme; es läßt sich daher nur wenig über die Thätigkeit derartiger Privatdozenten feststellen.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/49&oldid=- (Version vom 5.7.2024)