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einst in Aussicht gestellten Gehalt. Nach dem Tode eines Kondukteurs, d. i. Ingenieurs von niederem Rang, der dort elementare Mathematik gelehrt hatte, wurde durch Befehl vom 8. Juni 1735 dessen Monatsgehalt von 20 Thlrn. (thatsächlich 18 1/3 Thlr.) ihm zugelegt, und er konnte sich nun bezeichnen als Professor der mathematischen, militärischen und ökonomischen Wissenschaften beim genannten Korps, wie er dies auch in aller Förmlichkeit und mit sichtlicher Genugthuung auf dem Titel seiner bald darauf erschienenen Streitschrift thut. Mit dieser aber hatte es folgende Bewandtniß.

Wir erfahren durch Adelung, daß wider Glasers „Vernünfftige Gedancken“ etc. im Jahre 1729 (Helmstädt, 8°) von Fr. W. Grützmann eine Gegenschrift unter dem Titel „Drey wichtige Fehler“ etc. herausgegeben worden sei. Diese habe ich nicht erlangen können, weiß auch nicht, ob Glaser etwa in Zeitschriften dagegen aufgetreten ist. Jedenfalls finde ich sonst nirgends bei ihm Bezug darauf genommen, und er pflegt wahrlich nicht schweigsam zu sein, wo es sich um gegnerische Ansichten handelt. Der angedeutete Federkrieg hatte denn auch einen ganz anderen Anlaß.

Der damalige preußische Ingenieurkapitän Abraham Humbert – er ist 1761 als ein Mann von bedeutendem Rufe gestorben – veröffentlichte 1734 eine dem preußischen Kronprinzen gewidmete Schrift unter dem Titel Lettres d'un officier ingénieur sur quelques sujets de fortification et de géometrie pratique[1]. In dem ersten dieser Briefe nun – der zweite berührt uns nicht weiter – sucht er nach einem Überblick über die Entwickelung der Befestigungskunst das vielumstrittene System Georg Rimplers, der 1683 in dem belagerten Wien seinen Tod fand, aufzuklären und zu rechtfertigen. Daran schließt sich ein Ausfall gegen die bloßen Theoretiker, wenigstens ihrer Mehrzahl nach, die allein mit Geometrie oder gar mit Algebra der Aufgabe des Festungsingenieurs genügen zu können meinen. Hierbei wird in einer Anmerkung auch Glasers Schrift angeführt, und dadurch eben fühlte sich dieser empfindlich verletzt.

Seinem Zorne machte er Luft in der 1736 erschienenen Lettre à trois demandes du comte d’A.[2] etc.; mit dem letzteren ist der von ihm in Halle unterwiesene Graf Auersberg gemeint, dessen Hereinziehung in die Sache übrigens selbstverständlich nur als Vorwand dient. Wie der Preuße, so schreibt auch Glaser diesmal französisch, nicht ohne sich wegen etwaiger Fehler, die ihm in dem ungewohnten Idiom zustoßen sollten, im Voraus zu entschuldigen. Und bezeichnend, wenn auch nicht in erfreulichem Sinne, ist es ja für die Zeit, daß der Streit so durchgeführt wird. Denn wenn auch Beide immer wieder einmal das Lob der deutschen Leistungen auf ihrem Gebiete anstimmen, wenn Beide wetteifernd gegen den berüchtigten Ausspruch von Bonhours protestiren, daß den Deutschen der bel esprit abgehe, so rufen sie doch in gleichem Maße die Franzosen, in letzter Instanz die französische Akademie zu Richtern an. Glaser beschwert sich nun zunächst überhaupt über die bei seinen Berufsgenossen verbreitete Unsitte, das geistige Eigenthum Anderer widerrechtlich an sich zu ziehen, und bestrebt sich insbesondere, an einer Reihe von Fällen nachzuweisen, daß Humbert ihn wie auch Andere schamlos geplündert habe, ohne ihn anders als an der einen Stelle tadelnd zu nennen. Sodann giebt Glaser eine recht herabsetzende Kritik des Rimpler’schen Systems, das keineswegs leiste, was es verspreche, auch selbst nicht einmal ganz originell sei; daran knüpfen sich scharfe Angriffe auf die bloßen Praktiker, obwohl zugestanden wird, daß auch an der Hand der bloßen Mathematik mitunter schwere Fehlgriffe gemacht worden seien. Merkwürdigerweise wird die Antwort auf die dritte angebliche Frage des Grafen – sur l’utilité de l’analyse dans le génie – trotz ihrer Ankündigung auf dem Titelblatt unter einem recht dürftigen Vorwande nicht gegeben, sondern einer künftigen Veröffentlichung vorbehalten.

Humbert antwortete darauf 1737 mit einer Schrift: Réflexions sur un écrit de M. le capitaine Glaser intitulé Lettre à trois demandes[3] etc. Ihr Inhalt ist ziemlich dürftig im Verhältniß zum Umfang. Glasers Französisch giebt dem Verfasser Stoff zu starkem Spott. Weiter führt Humbert aus, er habe ja nur gegen die Ueberschätzung des Werths der Mathematik für die Befestigungskunst Einspruch erheben wollen. Glaser thue dies übrigens selbst hier und da, widerspreche damit allerdings anderweitigen eigenen Aeußerungen, wie dies auch hinsichtlich seiner neuesten Würdigung Rimplers gesagt werden müsse. Daß Glaser seinem ganzen Stande die Neigung zum Plagiat vorwerfe, sei nicht schön, auch bei Weitem nicht in dem behaupteten Umfange wahr, und schließlich sei Glaser selbst von dem Vorwurfe nicht ganz freizusprechen. Was freilich die Hauptsache anlangt, so ist die Vertheidigung doch recht schwach. Für mehrere Fälle muß Humbert in der That die ihm zur Last gelegte Benutzung Glasers eingestehen, muß auch ein schlimmes Mißverständniß zugeben, das ihm gerade auf diesem Wege untergelaufen war; und mag man einräumen, daß der eine Hinweis auf Glaser in Humberts erster Schrift nicht so ehrenrührig sei, wie jener ihn aufgefaßt hatte, so wird man doch gegenüber der daran geknüpften Versicherung Humberts seine eigenen Gedanken


  1. Berlin. 4°. [X u.] 76 S. m. 2 Tfln.
  2. Dresden u. Leipzig, Fr. Hekel. 4°. [II u.] 108 S. m. 2 Tfln.
  3. Stettin. 4°. [XVI u.] 132 S.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/51&oldid=- (Version vom 6.7.2024)