Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Lorenzo Matielli

Friedrich Wilhelm I. Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen (1918) von Adolf Hantzsch
Lorenzo Matielli
Ismael Mengs
Wikipedia: Lorenzo Mattielli
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[57] Nr. 67. Matielli, Lorenzo, 1688–1748. Wahrscheinlich ist dieser berühmte Bildhauer, der bereits in Italien, mehr noch in Wien, herrliche Kunstwerke geschaffen hat, ehe er in unsere Stadt kam, auf Chiaveris Empfehlung 1738 nach Dresden berufen worden. Hier sollte er für den geplanten Bau der katholischen Hofkirche sämtliche Bildsäulen und den übrigen bildnerischen Schmuck anfertigen. M., Hofbildhauer, bekleidete seit 1742 auch das Amt als Inspektor über die Antiken und die anderen Standbilder. Von seinen in Dresden geschaffenen Werken seien zunächst erwähnt die zwei weit überlebensgroßen Figuren der Weisheit und der Wachsamkeit vor dem Eingange des 1900 abgebrochenen Brühl'schen Palais an der Augustusstraße, jetzt in der Kunstgewerbeschule aufgestellt, dann ein Apoll und eine Diana, die den Garten der Gräfin Moczynska schmückten, und schließlich der großartige Neptunbrunnen. M. hat ihn in den Jahren 1741–1744 für den Minister Brühl geschaffen, der ihn mit anderen herrlichen Steinbildwerken in dem hinter seinem Friedrichstädter Palais gelegenen umfangreichen Garten aufstellen ließ. Leider verfiel das Kunstwerk zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, erfuhr jedoch 1874 bis 1875 auf Kosten der Stadt eine gründliche Wiederherstellung und ist mit seinen Wasserkünsten seitdem während des Sommerhalbjahrs an einigen Tagen der Woche zu besichtigen. M's. Hauptschöpfung sind die 78 Sandsteinfiguren in doppelter Lebensgröße für die katholische Hofkirche. Die in Büchern wiederholt ausgesprochene Behauptung, der Maler Torelli habe für diese Bildwerke die Entwürfe geliefert, ist auf Grund neuer Forschungen nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Seine Wohnung und seine Arbeitsstätte hatte M. anfangs in der Neustadt. Hasche berichtet I, Seite 542, wörtlich darüber: „Die Pfarrgasse (jetzt Heinrichstraße) geht von der Allee oder Hauptstraße bis auf den freien Platz an der Königstraße, wo rechts das letzte Haus linker Hand . . . das beste Haus der Gasse ist. Gehört Oberrechnungsrat Thielemann. Ursprünglich baute dieses Haus der italienische Bildhauer Matielli, daher auch, um mehr freies Licht zu haben, das kleinere Vordergebäude, seine Werkstatt, vor dem Hause liegt. Hier hat er die meisten Statuen für die katholische Hofkapelle gearbeitet. Als er starb, verkaufte der König dieses Haus an Brühl, durch den es wenige Jahre darauf an [58] den Oberrechnungsrat Thieleman kam.“ Auf Seite 538 bestimmt Hasche die Lage dieses Hauses noch etwas genauer, indem er bei der Königstraße schreibt: „Am Eingange 2 auf beiden Seiten vorliegende Gebäude, das eine links am Tore der Adler, 1733 erbaut, 20 Fenster Fassade, das andere rechts auch von 1733, hat gleiche Fensterbreite und 2 kleinere Eingänge. Jenes ist das Thielemannsche Haus.“ Auch Forwerk, vielleicht auf Hasche fußend, gibt in seiner Geschichte und Beschreibung der königl. kath. Hof- und Pfarrkirche zu Dresden, Seite 38, in einer Anmerkung an, das erwähnte Eckgebäude der Pfarrgasse und Königstraße in der Neustadt „habe M. überwiesen erhalten“.

Darf man auch annehmen, daß diese von den genannten beiden Verfassern gemachte Angabe auf Wahrheit beruht, so können doch zwei Irrtümer nicht unerwähnt bleiben, die Hasche in seinen Mitteilungen über das Haus mit unterlaufen sind. Wie schon angegeben, berichtet er ausdrücklich, der Bau erfolgte 1733, daher kann er nicht durch M. ausgeführt worden sein, weil dieser erst fünf Jahre später nach Dresden kam. Ebenso unrichtig erscheint die Angabe Hasches und Forwerks zu sein, daß M. gewissermaßen nur Nutznießer des Hauses gewesen wäre, da es angeblich dem Könige gehörte, der es nach seines Hofbildhauers Tode an Brühl verkauft habe. In dem Adreßbuche von 1740 wird Seite 89 nun mitgeteilt, daß in jenem Jahre Lorenzo Matielli „in Neustadt bei Kästnern“, also im einem Privathause wohnte, das sehr wahrscheinlich jenes am Anfange der Königstraße an deren linker Seite stehende Eckgebäude, jetzt Kaiser-Wilhelm-Platz 3 (O.-Nr. 170) gewesen ist. Leider läßt sich diese Angelegenheit nicht einwandfrei klarstellen, so lange es zu den im Neustädter Königl. Amtsgericht aufbewahrten und nur bis 1738 zurückreichenden Grundbüchern für die Neustadt noch kein alphabetisches Verzeichnis sämtlicher darin eingetragener Hausbesitzer gibt, das zur Feststellung von Gebäuden unerläßlich notwendig ist. – Das Wohnhaus M.'s befand sich am Ausgange des 18. Jahrhunderts noch im Besitze der Thielemann'schen Erben, ging aber später durch Kauf an den Staat über. Dieser verlegte zunächst die Artillerieschule hinein, verwendete es aber weiterhin lange Zeit als Kaserne. Nachdem das umfangreiche Haus 1881 von der Landes-Brandversicherungsanstalt angekauft worden war, erhielt es durch einen gründlichen Umbau die Gestalt, in der wir es heute noch sehen.

Nicht alle der von M. für die katholische Hofkirche gearbeiteten Figuren sind in der bei seinem Neustädter Wohngebäude gelegenen Werkstatt entstanden; eine Anzahl derselben schuf der große Künstler auf dem im März 1745 von ihm angekauften sogenannten Plantagengute in Hosterwitz, das er mit seiner Familie nun dauernd bewohnte. Auf dem zum Gute gehörigen Wiesengelände, dessen Raum jetzt von unserem Wasserwerk eingenommen wird, errichtete der Künstler seine Werkhütte, in der er nun noch drei Jahre fleißig arbeitete. Hier schuf er außer verschiedenen Standbildern von Heiligen für die katholische Hofkirche 1747 auch jene drei prächtigen Sandsteingruppen, die früher in dem Brühl'schen Schlosse Pförten die Brunnen [59] schmückten, neuerdings aber dem größeren Schmuckhofe des Gebäudes für das Kunstgewerbemuseum zur Zierde gereichen.

Man kann die Annahme kaum von der Hand weisen, daß M. seine in der Neustadt innegehabte Wohnung beibehalten hat, da er wohl aus Geschäftsrücksichten in Verbindung mit Dresden bleiben mußte. Hierher mag er, vielleicht wegen ernster Erkrankung, mit den Seinen zurückgekehrt sein, wohl weil sich in der Stadt leichter ein Arzt herbeiziehen ließ, als in dem kleinen Dorfe Hosterwitz. Augenscheinlich ist M. in unserer Stadt gestorben. Wäre sein Tod auf seinem Landgute erfolgt, so würde diese Tatsache wohl nicht in einem Dresdner Kirchenbuche vermerkt worden sein. Nun enthält aber nicht bloß das Totenbuch der Dreikönigskirche, sondern auch der Kirchenzettel im Kreuzkirchenarchiv aus der 18. Woche 1748 folgenden Eintrag: „Herr Lorenz Matthielli, Königl. Erster Hoffbildhauer, seines Alters 60 Jahre, an Stick- und Schlagfluß, aufm Römisch Catol. Kirchhoff.“ – Nach M's. Tode ging seine Hosterwitzer Besitzung als Erbgut an die Witwe und die fünf Kinder des berühmten Künstlers über.