Textdaten
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Autor: Overbeck
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Titel: Hermann Knaur
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aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 496–499
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Hermann Knaur.

Die Statuette Gellert’s, von der wir unsern Lesern eine Abbildung vorlegen und auf die wir weiterhin zurückkommen werden, gehört zu den verhältnißmäßig bekanntesten Werken eines gar wackern Meisters, der im Uebrigen die ihm gebührende öffentliche Anerkennung bisher noch nicht gefunden hat, und der auch in seiner Vaterstadt Leipzig, obgleich diese Ursach hätte, sich ihres Sohnes zu freuen, nicht so bekannt ist, wie er es wohl verdient, was übrigens aus mehren Gründen unschwer zu erklären ist. Zunächst nämlich ist Hermann Knaur eine der schlichtesten und anspruchslosesten Persönlichkeiten, denen ich in Künstlerkreisen begegnet zu sein mich erinnere, ein Mann, der, so oft ich ihn in seiner bescheidenen Werkstatt aufgesucht habe, mir immer wieder den Eindruck eines jener tüchtigen und einfachen Meister unseres deutschen Mittelalters, eines Adam Kraft oder Peter Vischer gemacht hat, jener alten Meister, welche, aus den Kreisen des zünftigen Handwerks hervorgegangen und sich des unlöslichen Zusammenhanges ihrer Kunst mit dem Handwerk vollkommen bewußt, im Leben nur als schlichte Werkleute auftraten und nur als solche gelten wollten, ohne daß deswegen der göttliche Funke der höheren künstlerischen Schöpferkraft minder klar und rein in ihrem Gemüthe geleuchtet hätte, und ohne daß ihren Werken die Bedeutung geistig tiefer Erfindungen abgegangen wäre, weil sie ihre Arbeiten, in was immer für Stoffen es sein mochte, auch technisch materiell im Schweiße ihres Angesichts mit eigener Hand zu vollenden hatten.

Nun ist freilich die Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit für Jedermann eine gar schöne Tugend, und sie macht den Künstler doppelt liebenswürdig, wie sie und eine mit kräftiger Männlichkeit sehr wohl verträgliche kindliche Naivetät, die wir Anderen uns schwer zu bewahren vermögen, denn auch des echten Künstlergemüths beneidenswerthes Erbtheil und sicherstes Kennzeichen ist, deswegen, weil der echte Künstler es bei seinem Schaffen wieder und immer wieder unmittelbar empfindet, daß ihm die besten Gedanken und die schönsten Ideen durch die Eingebung des Genius zu Theil werden, des Genius, der, um mit Platen zu reden, als göttlicher Gast in seinem Gemüthe wohnt, – es ist, sage ich, die Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit eine schöne und eine echte Künstlertugend, aber der Welt gegenüber, wie diese nun einmal ist, hat sie auch ihr Bedenkliches, Denn unsere rasch und geräuschvoll lebende und wenig innige Gesellschaft ist eben nicht dazu angethan, das stille Verdienst aufzusuchen, zu würdigen und an’s Licht zu ziehen, sie sucht höhere künstlerische Fähigkeit weit eher in einer für genial geltenden Arroganz und Zerfahrenheit oder Nonchalance, als in der stillen und ernsten Kraft, welche schon die Persönlichkeit unseres Knaur charakterisirt, und sie erwartet vor allen Dingen, daß, wer Tüchtiges zu leisten vermag, es auch verstehe, dies in tönenden Reclamen der Welt zu verkündigen. Und das hat freilich unser Meister nicht verstanden. Ferner, und das hängt mit dem eben Gesagten wenigstens zum Theil zusammen, ist ihm bisher nicht das Glück einer jener großen monumentalen Aufgaben geworden, die einerseits die materiellen Mittel gewähren, welche den Künstler in den Stand setzen, unbedroht von irdischen Sorgen und unbeengt von äußerlichen Rücksichten seine Kräfte auf ein Werk zu concentriren, einen Plan zu voller Reife auszutragen, und bei seinem Schaffen nur den Eingebungen seines Genius zu lauschen, während ihre glückliche Lösung andererseits den Meister mit einem Schlage auf die Höhe nationalen Ruhmes zu erheben vermag. Im Gegentheil hat unser Knaur nur zu lange und nur zu viel mit den Schwierigkeiten der materiellen Existenz zu ringen gehabt, hat nur zu oft seine Kräfte an Aufgaben verschwenden müssen, die dürftig honorirt, meistens geringfügigen Gegenstandes, zu allerlei decorativen Zwecken bestimmt, mit allerlei, zum Theil recht unkünstlerischen Bedingungen der Auftraggeber verclausulirt, um des täglichen Brodes willen übernommen und thunlichst rasch von der Hand gearbeitet werden mußten, wenn der Künstler ihnen gegenüber nicht sein bürgerliches Dasein in die Schanze schlagen wollte, Aufgaben, die in den wenigsten Fällen geeignet oder im Stande waren, künstlerische Begeisterung zu wecken, Aufgaben, deren Lösung wesentlich nicht mehr als technische Routine erforderte, und die nach dem Allen begreiflicher Weise nicht im Stande waren, des Künstlers Ruhm in weiten Kreisen zu verbreiten, und seine Würdigkeit und Fähigkeit zu höheren Leistungen zu erweisen.

So vielfach aber unser Knaur sich auch mit solchen Arbeiten hat befassen, so oft er seinen Pegasus hat in’s Joch spannen müssen, dennoch sind seine Hervorbringungen nicht auf den bezeichneten Kreis beschränkt geblieben, immerhin ist ihm mehr als einmal die Gelegenheit geworden, Aufgaben zu bearbeiten, die, wenngleich ihrer kaum eine auf der Höhe dessen steht, was unsere Zeit dem Bildner als Gegenstand zu bieten vermag, dennoch weit über das erhaben waren, was auch der gediegenste Routinist zu leisten vermag, Aufgaben wirklich künstlerischen Gehalts und nur mit wirklicher Künstlerkraft zu bewältigen. An diese Arbeiten und nur an sie haben wir uns zu halten, wenn wir über den Mann und seine Fähigkeiten ein Urtheil gewinnen wollen, und eben diese Arbeiten oder von ihnen eine Auswahl derjenigen, die nach meiner Einsicht unsers Künstlers Wissen und Können am sichersten darthun, wollen Wir in den folgenden Zeilen etwas näher betrachten, indem wir uns zugleich über die äußeren Lebensumstände desselben eine Uebersicht verschaffen, zu der wir die Daten dem bei N. Weigel in Leipzig 1858 erschienen „Leipziger Künstleralbum“ (erstes Heft, S. 16 f.) entnehmen.

Immanuel August Hermann Knaur ist 1811 zu Leipzig geboren, der Sohn eines 1820 als Oberlehrer nach Grimma versetzten und in eben diesem Jahre verstorbenen, bis dahin in Leipzig lebenden Gymnasiallehrers. Nach dem Tode seines Vaters fand Knaur in einer Leipziger Familie Aufnahme und in der Rathsfreischule Unterricht, während er von seinem 12. Jahre an auch die Leipziger Kunstakademie besuchte. Schon in dem Knaben erwachte, namentlich durch den Anblick des Apollo von Belvedere angeregt, die Neigung zu bildnerischer Thätigkeit, welcher derselbe jedoch so wenig nachzugeben Gelegenheit fand, daß er vielmehr nach erfolgter Confirmation zu einem Leipziger Töpfermeister in die Lehre kam, bei dem er nach vierjähriger Lehrzeit noch bis 1831 als Geselle arbeitete. In diesem Jahre wurde er zum Militair ausgehoben und hantierte demnach einstweilen als wohlbestallter Schütze mit der Kugelbüchse. Soweit er aber hierdurch auch seinem Beruf entfremdet scheinen mochte, wurde er demselben unerwartet dadurch näher geführt, daß er die viele freie Zeit, welche das Soldatenleben im Frieden gewährt, dazu benutzen konnte, seinen Neigungen zu folgen. So begann er denn damit, seine Cameraden, wenn auch nur zeichnend, zu portraitiren, bald aber wurde ihm die Gelegenheit, auch seine Uebungen in der plastischen Kunst zu erneuern, indem er während eines Urlaubs einige angesehene Personen Leipzigs als Büsten nach dem Leben modellirte und auf diese Art für Gönner und Wohlwollende wenigstens die Art seines innerlichen Berufs, seine Bestimmung für die Kunst erwies. Dieser sollte Knaur in nachhaltiger Weise nahe treten, als seine sechsjährige Dienstzeit zur Hälfte abgelaufen war. Damals, 1834, kam Prof. Rietschel von Dresden nach Leipzig, um an Ort und Stelle die letzte Hand an das von ihm verfertigte Relief im Giebel des Universitätsgebäudes zu legen. Von Knaur’s künstlerischem Streben unterrichtet, erbot sich Rietschel, denselben in sein Atelier aufzunehmen, angesehene Leipziger Familien verschafften dem angehenden Kunstjünger die nöthigen, sehr bescheidenen Geldmittel, die militairischen Oberen gewährten in liberalster Weise den nöthigen Urlaub, und Knaur wurde Rietschel’s Schüler.

Schon nach zwei Jahren konnte er seinem Meister als Gehülfe zur Seite treten, und im dritten seiner Lehrzeit modellirte er in Rietschel’s Auftrage selbstständig drei der zwölf Reliefs, welche als ein auf die Hauptmomente der Culturgeschichte bezüglicher Cyklus die Universitätsaula schmücken: das römische Reich – Ritterthum und Minnesang – und Welthandel. Es folgte dann eine nach eigener Idee unternommene Statue, vom Künstler „der Wanderer mit dem Hunde“ genannt, welche, an den Dresdner Kunstverein verkauft, in vielen Abgüssen, namentlich im Auslande verbreitet wurde.

Nach Vollendung dieser Arbeiten trat Knaur in Verbindung mit dem Prof. Hänel, welcher damals mit der Ausführung eines Bacchusfrieses für das Dresdner Theater beauftragt war, und zwar verfertigte Knaur, mit Ausnahme der mittleren Gruppe, das ganze Modell, wozu er zwei Jahre gebrauchte. Dem nun in dem Künstler immer lebhafter werdenden Wunsche nach der Ausführung durchaus selbstständiger Arbeiten entsprach nach seiner Rückkehr nach Leipzig [497] zunächst ein Auftrag des Herrn von Quandt, in allegorischen Figuren die Erfindung des Spitzbogenstyls darzustellen. Diesem Auftrage folgte derjenige, für den Hofrath Keil die fünf kolossalen Büsten Goethe’s Schiller’s, Shakespeare’s, Tasso’s und Cervantes’ zu modelliren, welche den bekannten Keil’schen (Löhr’schen) Garten zieren. Wir übergehen andere Privataufträge, welche theils statuarische Werke, theils Reliefs betrafen, und erwähnen nur noch, daß Knaur in der von Rom aus ausgeschriebenen Concurrenz zur Einsendung von Skizzen für ein Beethovenmonument mit seinem Modell den zweiten Preis errang. Hänel’s Beethoven wurde bekanntlich ausgeführt. Auf Veranlassung dieser Preisgewinnung beschloß der akademische Rath in Dresden, Knaur das zur Ausbildung auf Reisen bestimmte Stipendium von 400 Thalern auf drei Jahre zu gewähren. Formelle Hindernisse aber verzögerten die Auszahlung des Stipendiums um ein halbes Jahr, welches Knaur dazu benutzte, um nach seiner Wiederaufnahme in die Dresdner Akademie zwei Statuen (Shakespeare und Molière) für die Façade des Dresdner Theaters zu modelliren, sowie als Probearbeit eine Statue des Täufers Johannes zu arbeiten, nach deren Vollendung Knaur definitiv das Reisestipendium nach Italien zugesprochen wurde.

Statuette Gellerts von H. Knaur.

Durch die Uebernahme der Modellirung von Bach’s Büste und der Reliefs für dessen Denkmal in Leipzig, sowie die Ausführung einiger anderen, von Privaten in Auftrag gegebenen Arbeiten verzögerte sich die Abreise trotzdem bis 1843. Ende März dieses Jahres ging’s endlich denn in der That nach Italien und zwar über München, Verona, Venedig, Bologna, Florenz nach Rom. Hier errichtete Knaur ein eigenes Atelier, in welchem unter andern Arbeiten zwei Büsten (Portraits), eine Marmorstatue: Mädchen Tauben fütternd, und eine lebensgroße, im Original nur im Gypsmodell ausgeführte, neuerlich aber in Verkleinerung in Zink gegossene Gruppe, Kains Brudermord darstellend, vollendet wurden. Wenn man in dem ersteren dieser Werke, bei aller Anerkennung einer dem Gegenstände angemessenen anmuthigen Auffassung und einer correcten und sorgfältigen Formgebung, einen gewissen Mangel an Frische und an jener naiven Heiterkeit, welche derartige Genrebilder der Alten auszeichnet, sowie einige durch das Material, wenn nicht bedingte, so doch vielleicht mit veranlaßte Gebundenheit der Composition nicht wird wegleugnen können, so verdient dagegen die Gruppe in ihrer energischen Auffassung des Gegenstandes, in ihrer wohlgeordneten, eben so frei und kräftig bewegten wie gefälligen Composition und in ihrer wohlverstandenen und markigen Formgebung volles Lob, und nur gegen den Gegenstand an sich könnte man den Einwand erheben, daß ihm der tiefere ideelle Gehalt und jene befriedigende und erhebende Wirkung auf das Gemüth des Beschauers abgeht, welche die Griechen, in der Plastik unsere unbedingten Meister und Muster, erst in der sinkenden Zeit ihrer Kunst aufgaben und, wie im Laokoon, gegen einen blos pathetischen Gehalt vertauschten.

Im Jahre 1845 nach Leipzig zurückgekehrt, begann Knaur seine Thätigkeit in seinem neu gegründeten Atelier mit der Modellirung einer in der Universitäts-Aula in Leipzig aufgestellten Kolossalbüste Leibnitz’s, einem Werke, dem vor allen bisher besprochenen der unbedingte Vorzug gebühren dürfte, und welches, voll Würde und Klarheit in der Auffassung, höchst charakteristisch und dabei großartig in der Formgebung, im besten und eigentlichsten Sinne monumental genannt zu werden verdient, und das seines Meisters Beruf für die höheren Aufgaben der Kunst Jedem, der sehen will und zu sehen weiß, unwiderruflich erweis’t. Der Büste Leibnitz’s folgte dessen Statuette als Entwurf zu einem in Lebensgröße auszuführenden Denkmal, ein Werk, welches dem Künstler von Seiten des Königs von Hannover die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft und vom König von Sachsen einen Brillantring eintrug, über welches ich aber mein Urtheil weniger rückhaltlos auszusprechen wage, weil es schwer ist, aus einem in kleinen Dimensionen ausgeführten Modell auf die Wirkung zu schließen, welche ein solches Werk, in Lebensgröße vollendet, zu machen im Stande ist. Eine höchst sinnige und für das Auge wohlgefällige Composition, und eine ebenso charakteristische wie natürliche und frische Auffassung geht gleichwohl auch aus dem kleinen Modell hervor. Ich übergehe ein paar kleinere im Auftrag übernommene Arbeiten verschiedener Art, und muß gleicher Weise von zwei Reliefs, „Christi Geburt“ und „Christi Auferstehung“, die für die Kirche in Haardorf bei Naumburg ausgeführt wurden, schweigen, weil ich dieselben nicht kenne. Im Jahre 1849 fertigte Knaur im Auftrage der Universität Leipzig die Statue des Kurfürsten Moritz, die, 1851 vollendet, jetzt in der Aula aufgestellt ist, charaktervoll portraitähnlich nach einem im Senatssaale hängenden Gemälde, aber meinem Gefühl nach etwas glatt und leer in der Formgebung. Ganz vortrefflich dagegen scheinen mir zwei demnächst gearbeitete Statuetten Goethe’s und Schiller’s, welche, lebensgroß oder kolossal ausgeführt, den Preis über manches sehr berühmte Standbild der beiden großen Dichter davontragen dürften.

In diese Zeit (1849) fällt denn auch die Statuette Gellert’s, welche wir an der Spitze dieses Artikels mitgetheilt haben. Es wird sich allerdings vom allgemeinen ästhetischen Standpunkte und namentlich, wenn wir die Werke der Blüthezeit der griechischen Kunst zum Maßstäbe nehmen, fragen lassen, ob für das statuarische Portrait die Darstellung einer Situation, in der sich das Wesen des Dargestellten symbolisirt, oder diejenige einer bestimmten Handlung rechtfertigen läßt, oder ob nicht vielmehr diese Darstellungsweise zu einer Vermischung des Styls der monumentalen Portraitbildnerei und desjenigen des Genre führen müsse und geführt habe; aber wir haben diese allgemeine Frage hier nicht zu behandeln: es ist bekannte Thatsache, daß die antike Portraitbildnerei in ihrer spätem Periode uns mit der bezeichneten Darstellungsart vorangegangen, und daß diese in unserer Zeit fast allgemein angenommen ist und angewendet wird. Ist diese Manier demgemäß fehlerhaft, so trifft der Tadel, sie angewendet zu haben, nicht sowohl unsern Knaur, als vielmehr die gesammte moderne Kunst; erklärt man sich dagegen mit der Manier im Allgemeinen einverstanden, so wird [498] man gestehen müssen, daß Knaur dieselbe in seiner Gellertstatuette mit entschiedenem Geschick und Glück in Anwendung gebracht hat. Die Statuette vergegenwärtigt uns nicht allein den frommen Gellert, wie ihm, der in stille religiöse Betrachtung mehr noch als in Gebet versunken scheint, etwa sein schönes: „Wie groß ist des Allmächt’gen Güte“ durch die Seele klingt, sie vergegenwärtigt uns auch diesen ganzen mehr innigen als großartigen, mehr weichen als kräftigen, mehr weiblich hingegebenen als männlich schöpferischen Charakter, und sie vergegenwärtigt ihn uns in einer äußeren Erscheinungsform, welche nicht allein im Gesichte die überlieferten Züge des edlen Menschen getreulich wiedergibt, sondern in seiner ganzen etwas hageren und schwankenden Gestalt und Haltung uns an den etwas kümmerlichen und timiden Professor erinnert, ohne gleichwohl in den Formen unschön zu werden.

Monumental ist das nicht und zu lebensgroßer Ausführung würde sich dies Bildwerk allerdings nicht eignen, aber darauf ist es eben auch nicht angelegt und dazu ist es nicht erfunden, während es als Statuette gedacht einen durchaus erfreulichen Eindruck macht.

Ein in neuerer Zeit in Lauchhammer in Erz gegossenes Relief, „die Grablegung Christi“ darstellend, ist ganz im Geiste unserer mittelalterlichen Kunst in ihrer besten Entwickelung gedacht und ausgeführt, ernst und einfach gehalten, in der Anlage klar und gefällig componirt, wirkungsvoll und correct modellirt. Getreulich in demselben Styl, aber ohne zu weit gehendes Hasten an dessen Formeneigenthümlichkeit gestaltet ist ein ebenfalls in Erz gegossenes zehn Zoll hohes Crucifix, welches später entstand.

Nach Beendigung der genannten Werke wurde des Künstlers Thätigkeit auf längere Zeit durch die Aufgabe in Anspruch genommen, die Entwickelung der italienischen Malerei vom 12. bis 16. Jahrhunderte in Relieffiguren eines 112 Fuß langen, für das Dresdner Museum bestimmten Frieses darzustellen.

Die Aufgabe an sich ist keine günstige zu nennen; denn erstens, um nur einige Hauptbedenken anzudeuten, widerspricht dieselbe in ihrer einzigen möglichen Lösung, durch eine Folge aneinander gereihter auf die Hauptträger der Entwickelung bezüglichen Gruppen, einem der obersten Gesetze der Friesreliefbildnerei, welche vor Allem eine formelle wie ideelle, äußere wie innere Einheit der Composition unausweichlich fordert. Zweitens geht den hier von Knaur geforderten Darstellungen größtentheils der Reiz höherer Formenschönheit ab, und schon deshalb ist der Gegenstand zu plastischer Darstellung ungeeignet; noch mehr aber erweist er sich drittens als verfehlt dadurch, daß es absolut unmöglich ist, das, was die Aufgabe eigentlich fordert oder fordern sollte, die „Entwickelung der Malerei“, plastisch darzustellen, d.h. innerlich darzustellen, so daß nichts übrig blieb, als die einzelnen großen Künstler als die Träger dieser Entwickelung in ihrer Persönlichkeit und in ihrer verschiedenen Thätigkeit zu schildern, und in dieser letzteren die Verschiedenheit ihrer künstlerischen Bestrebungen und Richtungen anzudeuten. So allein konnte diese unkünstlerische und besonders unplastische Aufgabe, die besten Falls zu einer Folge aneinander gereihter Illustrationen zu etwaigen Lebensbeschreibungen der Künstler, nie aber zu einem monumentalen Kunstwerke werden konnte, gefaßt werden, und so ist sie von unserem Knaur gefaßt worden. Und was er leisten konnte, das hat er ohne Zweifel geleistet, die, einzelnen Meister sind in der Art ihrer Wirksamkeit recht brav charakterisirt, die Composition der einzelnen Gruppen ist thunlichst gefällig und das Ganze so harmonisch, wie es eben sein kann.

Nach diesem Friese sind sodann aus der Werkstatt unseres Meisters noch eine bedeutende Anzahl von Arbeiten hervorgegangen, Statuen sowohl, die theils in Sandstein, theils in gebranntem Thon, theils in Zinkguß ausgeführt sind, wie Statuetten, Büsten, Hochreliefs (sogen. Reliefstatuen) und Medaillons, welche ich hier nicht alle im Einzelnen besprechen kann, aus denen ich vielmehr nur diejenigen heraushebe, die mir aus dem einen oder dem anderen Grunde eine vorzügliche Auszeichnung zu verdienen scheinen, um schließlich noch ein Wort über die neuesten Arbeiten Knaur’s, die vier vom Erzherzog Ferdinand Max für seine Villa in Miramare bestellten Marmorbüsten des Homer und Dante, Shakespeare und Goethe hinzuzufügen. Die meisten Statuen Knaur’s sind Portraits, von denjenigen idealen Gegenstandes glaube ich den für ein Grab auf dem neuen Friedhofe zu Leipzig bestimmten „Christus mit den Marterwerkzeugen“ hervorheben zu müssen. Aus diesem Titel kann man sich freilich kaum eine Vorstellung von dem Werke machen. Der Heiland steht im reichfaltigen Gewände ruhig aufrecht da, das große Kreuz, an dem Dornenkrone, Geißel etc. befestigt sind, mit dem linken Arm umfassend, während er rechts hinblickend mit der rechten Hand auf das Kreuz hinweist, so das für Alle mit dem Tode besiegelte Erlösungswerk verkündigend. Die Haltung ist durchaus würdig, fest und klar, ohne den geringsten Anflug von theatralischer Action, der Ausdruck des Antlitzes ruhig und milde, doch geistig erregt und wie von dem Schimmer der Verklärung überflogen. Die Formen, in denen das Ganze gehalten ist, stehen jenen krankhaften, schwächlichen, magern und gezerrten Formen, welche das Nazarenerthum unserer Kunst für den Heiland fast zu den classischen gemacht hat, in glücklichster Weise entgegen; die Gestalt hat die nöthige Kraft und Breite, um plastisch an und für sich schön zu sein und um uns nicht nur jenen Christus zu vergegenwärtigen, der still duldend am Kreuze zu Tode gemartert wurde, sondern auch jenen, der in heiligem Eifer erglühend die Verkäufer aus dem Tempel trieb, und der mit ruhiger Festigkeit der Gleißnerei und Heuchelei die Larve vom Antlitz zu reißen wußte. Wenn namentlich die große Büste Leibnitz’s Knaur’s Beruf für die monumentale Kunst darthut, so legt uns diese Christusstatue den Wunsch nahe, daß es unserem Meister öfter vergönnt sein möchte, Werke idealen Gegenstandes zu schaffen und zwar unter günstigeren Bedingungen, als die waren, unter denen er seinen Johannes den Täufer verfertigte, der zur Decorationsfigur eines – Eiskellers bestimmt, nicht füglich etwas Anderes werden konnte, als eben eine ganz leidliche Decorationsfigur.

Viel höher vermag ich auch die drei zusammengehörigen, zur Decoration eines Speisesaales bestimmten Statuetten der Eva, Noah’s und David’s nicht zu stellen, in denen die Dreiheit: Weib, Wein und Gesang dargestellt werden sollte; meinem Gefühle nach würde der Künstler sein Thema glücklicher in den Formen der Antike durch eine Darstellung von Venus, Bacchus und Apollo haben lösen können; die Nacktheit der Eva, die in venusartigen Formen erscheint, löset diese Statue von den beiden anderen reich gewandeten so ab, daß man ihre Zusammengehörigkeit nicht sofort empfindet, also über den Sinn dieser Dreiheit nicht zur Klarheit kommt, und die beiden männlichen Statuen sind, abgesehen davon, daß es sich fragt, ob man so schlechthin Noah als Vertreter des Weines wie Bacchus und David als den des Gesanges wie Apollo hinstellen darf, da Beide doch noch eine ganz andere Bedeutung haben und David einen Gesang vertritt, den man im Speisesaal am wenigsten erwartet, ziemlich typisch ausgefallen.

Unter den Portraitstatuen und Statuetten ist besonders diejenige Hutten’s hervorzuheben, deren Auffassung und Ausführung im geraden Gegensätze zu dem Typischen der eben besprochenen Figuren in hohem Grade individuell erscheint, und bei der dieser Individualismus in der Persönlichkeit und im Costüm augenscheinlich das Hauptaugenmerk des Künstlers gebildet hat, der ihm zu Liebe auf einen streng monumentalen Charakter verzichtete, den er leicht hätte wahren können, wenn er gewollt hätte. Das zeigen uns die Statuetten Luther’s und Melanchthon’s, die sich wie kleine Copien großer Monumente ausnehmen, während andererseits wieder die Statuette Mendelssohn’s, welche den Meister im Acte des Dirigirens eines Musikstückes zeigt, mehr in dem in dieser kleinen Ausführung gewiß berechtigten Charakter des Genre gehalten ist.

Die Suite von Büsten berühmter Componisten: Haydn, Händel, Bach, Beethoven, Mozart, Weber, Mendelssohn und Schumann sind zu bekannt und in Gypsabgüssen zu weit verbreitet, als daß ich es nöthig finden könnte, über dieselben im Einzelnen zu reden. Die nach dem Leben modellirten Büsten Großmann’s und A. Böttcher's verbinden eine treue und liebevolle Auffassung des Individuellen mit würdiger Haltung, und namentlich ist der wundervolle und mildkräftige Kopf Großmann’s (neben Thorwaldsen und Rauch einer der imposantesten Greisenköpfe, die ich gesehen habe) bei aller Treue der Portraitähnlichkeit im Sinne der antiken Kunst in’s Monumentale gesteigert.

Was denn nun endlich die neuen Marmorbüsten Goethe’s, Shakespeare’s, Dante’s und Homer’s anlangt, an welcher letzteren Knaur gegenwärtig arbeitet, so können wir denselben einen völlig gleichen Werth nicht zugestehen. Die geringste eigene Schöpferkraft unseres Dichters dürfte sich in der Büste Goethe’s offenbaren, welche eben so gut für eine Copie der mannichfachen unter uns verbreiteten Portraits unseres Dichterheros, wie für ein Originalwerk gelten darf. Der Shakespeare ist eine wohlempfundene Umgestaltung des Kopfes von dem Westminsterdenkmal des großen Briten, welche gleichwohl [499] sich von dem ungünstigen Einflüsse dieses Vorbildes nicht ganz zu befreien vermocht hat. Dies Vorbild, über dessen Portraittreue ich kein Urtheil habe, wirkt unseren, wenn ich so sagen darf, idealen Vorstellungen von Shakespeare gegenüber in hohem Grade herabstimmend, es fehlt dem auf etwas vorhängendem Halse getragenen Kopf an geistiger Kraft und Energie, und derselbe hat namentlich in den unteren Partien, in dem weichlichen Mund und dem kleinlichen Kinn etwas geradezu Läppisches. Diese Anstöße hat nun unser Knaur allerdings beseitigt, er hat den Kopf gerade emporgerichtet, dem Auge einen freieren Blick, der Stirn größere Klarheit, dem Munde und Kinn mehr Festigkeit verliehen, aber es ist auch in seine Büste etwas Weichliches und Unbestimmtes in den Formen hinübergekommen, welches ihr den Monumentalcharakter benimmt. Ganz und gar vortrefflich dagegen ist der Dante, welcher wesentlich nach der Todtenmaske im Besitze des Königs von Sachsen gearbeitet ist, vortrefflich namentlich im Modell. Denn die Ausführung in Marmor zeigt eine gewisse Befangenheit und Aengstlichkeit des Künstlers gegenüber dem preciösen Material, welche bei der seltenen Gelegenheit, in solch schönem cararischen Marmor zu arbeiten, nur zu erklärlich ist und ihm gewiß nicht zum Vorwurf gereichen kann. Ich bin überzeugt, daß bei einer Ausführung etwa in Sandstein der Dante noch ungleich vollendeter geworden wäre, denn Sandstein ist ein Material, bei dem ein Block, sollte der Meister bei etwas kühnem Draufgehen mit Meißel und Bohrer ja einmal einen unverbesserlichen Fehler machen (sich verhauen, wie man es nennt), für einige Thaler wieder zu beschaffen wäre; an einen solchen Block cararischen Statuenmarmors Nr. 1. aber tritt man mit einem gewissen Respect und einer gewissen Scheu heran. Und diese Scheu unsers Künstlers ist in der Dantebüste fühlbar, welche bei weitem nicht die Schärfe und Entschiedenheit, nicht die Frische und Markigkeit aller Formen besitzt, welche das kostbare Modell zeigt, und welche nur durch vollendete Rücksichtslosigkeit in der Arbeit zu erreichen ist. Und doch hat unsers Meisters Sicherheit und Kühnheit in der technischen Bearbeitung des Marmors schon während der Herstellung der vier Büsten augenscheinlich zugenommen, und die in Arbeit befindliche vierte des Homer verspricht abermals einen Fortschritt gegen den Dante, so daß man getrost behaupten darf, daß Knaur, wenn er eben so oft in Marmor zu arbeiten hätte, wie er in Sandstein und Thon arbeitet, gar bald es den besten, mit Ausnahme vielleicht der römischen Routiniers, gleichthun würde. Was aber die geistige Schöpferkraft, die feine Formempfindung, die Fähigkeit einer durchaus charaktervollen und bedeutenden Behandlung eines interessanten Antlitzes und seiner Steigerung im Sinne des Ideals anlangt, vergleiche man das Modell des Dante und des Homer, und man wird mit Freuden einräumen, daß hier Knaur durchaus auf der Höhe unserer Kunst steht.

Wollte Gott, daß ihm recht bald und recht oft Aufträge zu Theil würden, bei denen er sein ganzes schönes und ernstes Talent zu entfalten die Gelegenheit und die Möglichkeit hätte!

Overbeck.