Gustav Adolfs Feldlager bey Burgfarrenbach in Oberfranken, verwandelt in einen großen Fischweiher

Textdaten
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Autor: Anonym
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Titel: Gustav Adolfs Feldlager bey Burgfarrenbach in Oberfranken, verwandelt in einen großen Fischweiher
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 4, S. 496–507
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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V.
Gustav Adolfs Feldlager bey Burgfarrenbach in Oberfranken, verwandelt in einen großen Fischweiher.

Die seit einigen Jahren so stark befahrene Landstraße von Wien nach Brüssel und von Brüssel nach Wien, führt, unter andern anmuthigen Naturscenen, über eine fruchtbare Ebene hin, die auf der westlichen Seite des Orts Burgfarrenbach anfängt, im Abhange liegt, und unter einem spitzigen Neigungswinkel nach dem benachbarten Dorfe Veitsbrunn sich hinziehet.

Mitten auf dieser Ebene befindet sich ein großer Weiher, der hundert Morgen im Grunde haben mag, und mitten durch diesen| Weiher gehet die Straße, die ihn in zwey kleinere theilt, und mit steinernen Seitendämmen, welche dem Zusammentritte des Wassers wehren sollen, versehen ist. –

Wenn man diese Gegend um und um betrachtet, so drängt sich die Frage gleichsam von selbst auf: Woher dieser Weiher? – Mitten auf einer beynahe vollkommen ebenen Fläche, die in augenscheinlicher Abdachung hingestreckt ist; gerade auf dem fruchtbarsten Theil der Flur, eine so beträchtliche Wassersammlung! Schon die bloße Wahrnehmung der äussern Sinne zeigt, daß sie die Natur nicht hervorbringen konnte: kein Eimer Wasser würde hier eine bleibende Stätte finden, wenn nicht ein starker Wall, der die Weiher auf der abhangenden westlichen Seit einschließt, den Abfluß hemmte. Dieses wird von der Erfahrung auf eine ihr ganz eigene Art bestättigt. Denn, wenn die Weiher einige Jahre den Fischen Nahrung und Aufenthalt gewährt haben, so wird eine, in dem gedachten Walle, unter dem darauf stehenden Weiherhause, angebrachte Schleuse geöffnet, der große Wasserbehälter ausgeleert, und der Boden in einigen folgenden Jahren zum Ackerbau angewendet.

| Dieses ist gegenwärtig wirklich der Fall. Der forschende Blick des aufmerksamen Reisenden hat die Weiher in diesem Sommer (1791) vergebens gesucht, an deren Stelle aber eine fruchtreiche Flur gefunden.
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Der auf der Abendseite sichtbare grüne Wall macht also die Weiher; wer hat aber diesen Wall gemacht? – Die Hand des Landmanns so wenig, als die Natur. Letztere müßte die ihr vorgezeichneten Gesetze übertreten, wenn sie auf ebenem Boden solche Figuren bilden wollte. Der Landmann müßte seinen Vortheil verkennen, wenn er ein so kostbares Werk in der Absicht aufführen wollte, um gerade den fruchtbarsten Boden in der Gemarkung unter Wasser zu setzen. Nichts als die Gewalt des Krieges, welcher die Gesetze weichen, und der die Natur selbst nicht immer wiederstehen kann, hat diesen Wall aufgeworfen! – Der Mann hohen Geistes, lautern Herzens, weisen Raths und felsenvesten Entschlusses, der helldenkende, duldend ausharrende, sanft- und heldenmüthige Christ: Gustav Adolf, hat hier sein Feldlager gehalten, und dieser ungefähr tausend Schritt lange Wall ist ein| Überrest von Verschanzungen, die seinen Kriegern zur Schutzwehr dienten.

Erwiesen muß also noch werden: daß dieser Wall wirklich ein militärisches Product sey, und daß es Gustav Adolfs Miliz war, die ihn errichtet hat.

Das Erste ist nicht bloß aus dem Umstande klar, daß weder die Kräfte der Natur, noch die des Landmanns, mitten auf fruchtbaren Ebenen jemahls solche Hügel hervorzutreiben pflegen, sondern es ist dieses auch noch aus einem andern Grunde evident: der gedachte Wall ist, ausser andern kriegerischen Anzeigen, mit Faschinen und Schanzkörben angefüllt. Dasselbe Geschick, das ein dummes Vieh Salzquellen aufgraben, und den Hahn eine Perle aufscharren läßt, hat auch diese im Eingeweide des Walles modernden Materialien der Kriegsbaukunst aufgedeckt. Wasserfluthen hatten schon mehrmahlen den Wall an verschiedenen Theilen zerrissen, und jedesmahl sahe man in dem Riß unzählige Bündel Reiser auf- und nebeneinander hingereihet liegen. Hier und da nahm man große aus Weiden kunstlos geflochtene, mit Stein und Sand angefüllte Körbe wahr, die mehr oder weniger verwest, aber noch völlig kennbar waren.| Ausserdem hat man bey ähnlichen Vorfällen Schaufel, Spaten, Flinten- und Säbelschafte und mehrere andere Trümmer des Kriegesfeldzeuges ausgegraben, und zum Theil bis jetzt aufbewahrt. – Der Landbauer wird weder seine noch seines Gehülfen Schüppe und Spaten verschütten. Kein Ackersmann mähet den Anflug ab, um Reiser zu gewinnen. Kein friedlicher Bürger hauet die Schläge um, um Wälle auszufüllen. Nur die dringende Noth des Krieges kann Handlungen dieser Art anrathen und entschuldigen. – Hiezu kommen noch viele andere Spuren von Verschanzungen, welche die Gegend aufzuweisen hat. Auf der Abendseite des Walles, dem Weiherhause gegenüber, sind die Reste von einer Zirkel- oder Sternschanze zu sehen. Ähnliche Rudera sind auf einem etwas entfernten Hügel (der Braumeister-Acker genannt) welcher die Pläne dominirt, sichtbar u. d. m. –
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Ob es aber Schweden waren, ob es Gustav Adolfs Heer war, das hier sein Lager gehalten, und diese Denkmähler uns hinterlassen hat? Dieses scheint zweifelhaft, ist es aber nicht, so bald man folgende Umstände in Erwägung ziehet. Die Weiher, von welchen hier die Rede ist, werden seit| dem Anfange dieses Jahrhunderts von den Herren Grafen von Pückler als Lehen besessen. Die ältesten Lehenbriefe erwähnen ihrer in Absicht auf Lage und Größe, als einer bekannten Sache, umständlich. Andern Nachrichten zufolge waren sie wenigstens ein halbes Jahrhundert vorher schon bekannt, und von den Herren von Kresser besessen. Der vorzüglichste Gebrauch derselben bestand in Befriedigung der Jagdlust, welche das wilde Geflügel, das sich hier in großer Menge befand, und zum Theil sich noch befindet, begünstigte. Erst im zweyten Viertel des laufenden Jahrhunderts suchte man die Fläche besser zu benützen, und wechselweise zur Fischerey und zum Ackerbau anzuwenden. So lange also die Weihe bestehen, und sie bestehen schon über 150 Jahre, – so lange war es unmöglich, hier ein Lager aufzuschlagen.
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Aber vielleicht gehen die militärischen Denkmähler noch weiter in das Alterthum hinauf? Vielleicht waren es andere Völker, vielleicht Römer und Hunnen, die sie uns hinterließen? – Ich antworte hierauf zweyerley: Erstlich schließen die bezeichneten Überreste die Vermuthung eines höhern Alters sichtbarlich aus. Schon 150 Jahre| würden für sie zu viel scheinen, wenn man nicht versichert wäre, daß sie in spätern Zeiten hier nicht entstehen konnten. Denn ist auch von irgend einem andern Kriegsheer, das in dieser Gegend jemahls gerastet hätte (die Reichsarmee im siebenjährigen Kriege stand auf der sogenannten Fürther Ebene, eine Stunde ostwärts) nicht das mindeste bekannt; wohl aber wissen wir dieses von Gustav Adolf und seinen tapfern Schweden zuverlässig.
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Dreymahl ist das Schwedische Hauptheer von seinem großen Anführer in diese Gegend geführt worden: das erstemahl nach der Schlacht bey Leipzig, als der König die Fränkischen Bisthümer visitirte, – und zu Schweinfurth ein akademisches Gymnasium stiftete. Das zweytemahl im Frühjahr 1632. Der König ging über Nürnberg nach Baiern, und ließ unter dem Zeughause zu München die Kanonenläufte aufgraben, welche die stehengebliebene leere Lavetten verrathen hatten, und die, wenn Rainbach über Bongeant richtig gezählt hat – mit 300000 Stück Ducaten angefüllt waren.[1] Von| diesen beyden Durchmärschen ist weder bekannt, noch wahrscheinlich, daß die Schweden in der beschriebenen Gegend sich förmlich gelagert, und Werke aufgeworfen hätten, die dem Zahn der Zeit nach 160 Jahren hätten widerstehen können. Im Junii desselben Jahres, als der Oberbefehl über die Kaiserliche Armee dem General Wallenstein wieder gegeben war, und dieser die Baierischen Völker an sich gezogen hatte, fand der König für gut Baiern zu verlassen, und der ihm so wehrten Stadt Nürnberg den verheissenen Schutz zu leihen. Die Stadt wurde im Mittelpuncte des Schwedischen Heers, das an ihren Ringmauern umher sich verschanzte, eingeschlossen. Mehrere Werke von diesem Lager; z. B. die große Schanze | bey St. Johannis etc. bestehen noch jetzt, und werden von der Reichsstadt Nürnberg in ziemlich brauchbarem Stande erhalten. Dieses ist das erste veste Lager, welches die Schwedische Hauptarmee, unter der Anführung ihres großen Königs auf Teutschem Grund und Boden bezogen hatte. Feldmarschall Wallenstein that mit einem zahlreichen Heer dasselbe. Er verschanzte sich auf den Anhöhen von Stein, Zürndorf und der sogenannten Veste, einem damahls vesten Ansbachischen Schlosse, den Schweden gegenüber. Der König, welcher vor Begierde brannte, sich mit diesem berühmten General zu messen, fand sein Heer zum Angriff zu schwach. Er zog daher die in Sachsen und am Rhein detaschirten Corps an sich. Diese zogen theils über Bamberg und Forcheim, theils über Windsheim und Langenzenn herbey, und trafen im August in der Gegend von Kadolzburg, Burgfarrenbach, Fach, Bruck etc. zusammen.
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Und dieses Heer, etwa 26000 Mann stark, oder doch der größte Theil desselben, hielte gerade auf der oben bezeichneten Ebene, eine Stunde hinter dem linken Flügel mehrere Rasttage. Die Nachbarschaft eines der Anzahl nach so sehr überlegenen Feindes| machte Vorsicht nöthig. Man warf Werke auf und errichtete Batterien, um den Marsch hinter den feindlichen Linien zu decken. Wallensteins ruhiges Betragen machte diese Fürsorge überflüssig, und die Schweden wurden von ihrem gekrönten Feldherrn, nachdem er sie hier empfangen und gemustert hatte, am hellen Tage unter klingendem Spiele, in das veste Lager bey Nürnberg geführt.

Die natürliche Wirkung einer so engen Friction zweyer so schwerer Wetterwolken war ein Ungewitter: die in der Geschichte sogenannte „Action bey Nürnberg“ welche aber hauptsächlich bey dem erwähnten alten Schloß, der Veste, zwey Stunden von Nürnberg, vorfiel; – und die nicht minder natürliche Folgen von jener Verschanzung sind die Fischweiher, welche auf beyden Seiten der Landstraße gegenüber liegen, und den Reisenden bekannt sind.

Der beym Abzug der Schweden stehen gebliebene Wall hemmte den Ablauf des Wassers. Nach Jahren fand man hier einen kleinen Ocean, wo sonst trockenes Land war. Man suchte den Zufall so gut als möglich zu benutzen, und erst nach mehreren Versuchen| ward die Fläche abwechselnd zum Wasser- und Fruchtbau bestimmt. Diese Bestimmung macht die Ausbesserung und Erhaltung des Walles nothwendig. Und diese Erhaltung erhält und vervielfältigt zugleich das Andenken von Begebenheiten, die selbst in jenen thatenreichen Zeiten zu den unwichtigsten keinesweges gerechnet wurden, und von Personen, die zu allen Zeiten zu den merkwürdigsten gezählt werden müssen.
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Anderer Spuren von der ehemahligen Anwesenheit eines Schwedischen Heers auf der beschriebenen Ebene; z. B. Münzen, Gewehre etc. mit Schwedischen Wappen etc. welche in ältern Zeiten oft, und zuweilen noch in unsern Tagen, beym Feldbau gefunden wurden, will ich nicht gedenken, weil diese Pläne sie mit der ganzen Gegend gemein hat. Vor etwa 20 Jahren ward, ungefähr einen Büchsenschuß von dem gedachten Wall entfernt, ein Schwedischer Reiter in voller Rüstung ausgegraben. Das Landvolk staunte die erhaltenen Waffen als ein Wunderwerk an, und es sind zur Zeit noch viele Augenzeugen dieses Vorgangs am Leben. Dergleichen finden sich natürlicherweise auch anderswo, und es hat in jenen stürmischen Zeiten,| um Nürnberg der Anlässe nur zu viel gegeben, wobey ein Reisiger in das Gras beißen mußte. Aber eine Tradition, die in der Gegend herrscht und die ehemahlige Existenz des Schwedischen Lagers auf der beschriebenen Ebene mit vielen Umständen angibt, darf hier nicht ganz unberührt bleiben. Diese sagt unter andern, daß Gustav Adolf während der Zeit, daß die zu seinem Vorhaben nöthigen und sehnlich erwarteten Völker sich hier aufhielten, beständig in ihrer Mitte verweilt, und zu Kadolzburg sein Hauptquartier gehalten habe, welche damahls beträchtliche Stadt nachher von den Baiern aus Rache verwüstet worden wäre; so wie dieselbe Sage das Ansbachische Schloß, die Veste, dem General Wallenstein zur Wohnung anweist.

Wir gönnen dem Oberförster, dem jetzigen Bewohner der Veste, das Vergnügen, sich seines ehemahligen Hausherrn beym Purschen zu erinnern, und theilen mit dem benachbarten Städtchen Kadolzburg die Ehre, einen der größten Helden, der würdigsten Regenten, und der besten Menschen in seinen Mauern gesehen und bewirthet zu haben.



  1. Die orthodoxen Tabacksraucher im Baierlande haben diese erzketzerische That zur Stunde noch nicht vergessen, und die so heilige als morgenländische [503] Könige, welche aus ihrem Mittel jährlich um die Fastenzeit nach Oberfranken wandern, und zum Zeichen ihrer himmlischen Sendung Kron und Zepter und den Morgenstern von Goldpapier an einer erhabenen Stange tragen, und zum Beweise ihres majestätischen Ursprungs entsoolt, und in Hemden von Seegeltuch, die ihre durchlauchtigen Lumpen decken, vor allen Thüren betteln gehen; – diese h. drey Könige singen uns, unter andern, auch über diese Schatzgräberey des Schwedenvolks eine solche Verselast, in so herzbrechender Melodie vor, die des Componisten, des Poeten, und der Sänger würdig ist. –