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Einsegnungsunterricht 1912
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1. Stunde.
Freitag 25. Okt., vorm.
Lied. 152, 1–4.
Schluß: Ps. 51, 1–14.
Kollekte S. 219, Nr. 38.[1] Ps. 100.
Lied 152, V. 11 u. 12.

 Zum dritten Male sehe ich einzusegnende Schwestern hier versammelt, zum dritten Mal ist es mir vergönnt, einen Höhepunkt des Diakonissenweges nicht nur sondern des gesamten Diakonissen-Werkes mit erleben zu dürfen. Ich habe gestern, da ich Sie begrüßte, Ihnen gewünscht, daß dieser Höhepunkt Ihres äußeren Lebens, dieser Höhepunkt Ihres Berufslebens, auch ein rechter Höhepunkt des inneren Lebens bei Ihnen werden möchte, daß Sie sich in diesen Tagen und Stunden besonders möchten gehoben fühlen von der Fürbitte der Genossenschaft, gehoben fühlen durch den Gedanken an den großen und schönen Ihnen gewordenen Beruf, gehoben fühlen durch die Gewißheit Ihres Gnadenstandes und durch das Erleben des Beistandes des heiligen Geistes. Jeder Christ erfährt es, daß wir nicht immer auch im Glaubens- und Christenleben auf der Höhe bleiben dürfen, daß es vielmehr aufwärts und wieder abwärts geht oder soll ich lieber sagen, abwärts und wieder auswärts? Weiß ich also, daß Sie nicht immer auf der Höhe bleiben werden, auf welche Sie diese Tage stellen, so möchte ich doch wünschen, daß Sie auf diesen Höhepunkt Ihres Lebens, den die Einsegnung bezeichnet, künftig zurückblicken möchten nicht wie auf ein verlorenes Paradies: „Wie waret ihr dazumal so selig“, sondern darauf zurückschauen können als auf einen Besitz, der zwar für einen Augenblick im Empfinden und Erleben zurücktreten kann, der aber dennoch unverloren bleibt. So haben die heiligen Apostel auf solches zurückgeblickt, was sie auch nicht wieder in dem Maß erleben durften, woran sie aber zehren konnten ihr Leben lang, wie St. Johannes sagt: „Wir sahen Seine Herrlichkeit“ oder St. Petrus: „Wir haben Seine Herrlichkeit selbst gesehen.“

 Es ist zum dritten Mal, sagte ich, daß es mir vergönnt ist, einen Einsegnungsunterricht zu bieten und eine Einsegnung mit abhalten zu dürfen. Es reicht da immer ein Geschlecht dem andern die Hand. Wie im Schwesternberuf rasch die Geschlechter, die Jahrgänge, aufeinander folgen, ist mir diesmal besonders entgegengetreten. Eben als wir uns schlüssig gemacht hatten, über die Auswahl der zur Einsegnung Einzuberufenden, traf es sich, daß mit der| Vervielfältigung des vorigen Einsegnungsunterrichtes begonnen wurde und so kam es, daß der Gedanke auftauchte, die einleitenden Worte des vorjährigen Unterrichts in der Vervielfältigung Ihnen gleichsam zur Vorbereitung auf das Ihnen Bevorstehende zu überschicken. So bin ich für dieses Mal dessen überhoben, noch ausführlicher über die Einsegnung selbst und deren Bedeutung mich hier auszusprechen. Ich suchte im vorigen Jahr in den einleitenden Worten besonders zu zeigen, daß der Diakonissenberuf, obwohl in Form einer privaten Veranstaltung wieder aufgelebt, doch ein kirchlicher Beruf mit Fug und Recht genannt werden darf und daß auch die Einsegnung sich die gottesdienstliche Form nicht anmaßt, sondern volles gutes Recht darauf besitzt. Ich wiederhole demnach jetzt nur das Nötigste.

 Die Einsegnung der Schwestern ist zunächst die Aufnahme in den Verband der Genossenschaft der Diakonissen dieses Hauses und insofern sind mit Recht die Schwestern selbst bei dieser Einsegnungsfeier beteiligt; Schwestern sind es, die Ihnen segnend die Hände auflegen. Weiter ist die Einsegnung die Einsetzung in den Beruf, der als ein kirchlicher Beruf angesehen werden darf, wenn er auch noch so sehr in privater Form sich vollzieht. Mit Rücksicht auf diese Seite der Sache hat sie durch den, der das kirchliche Amt trägt, zu geschehen und es ist darum die Einsegnung eine durch den Dienst des verordneten Predigtamts geschehene Ausrüstung und Mitgabe für den Beruf. Wie diese Ausrüstung und Mitgabe bei der Einsegnung zu denken sei, darüber nur eine kurze Andeutung. Es wird diese Ausrüstung und Mitgabe zunächst zu denken sein als eine Erneuerung und Vermehrung der Gnadengabe des hl. Geistes überhaupt. So sehen wir es auch nach richtiger Auffassung bei der Konfirmation an; nicht eine an sich neue Gnade wird mitgeteilt, denn die Konfirmation ist kein Sakrament, aber die in der Taufe schon geschenkte Gnade wird erneuert und vermehrt.

 Wir werden weiter sagen können: durch die Einsegnung werden die natürlichen Gaben, die den Einzelnen verliehen sind, geheiligt und in den höheren Dienst eines Berufes gestellt, der dem HErrn zu Ehren geschieht. Und umgekehrt geistliche Gaben, die dem Einzelnen in seinem Maße verliehen sind, Gaben der Treue, des Eifers werden gleichsam dadurch erstreckt auch auf das äußere Berufsleben, wie ganz gewiß solche, die innerlich Treue zu halten gewillt sind, in die Möglichkeit versetzt werden, auch äußerlich durch die Kraft der Gnade zu erlangen, was ihnen vielleicht von Natur versagt ist. Es ist die Einsegnung sicherlich kein Sakrament, aber zu den sakramentalen Handlungen gehört sie. Man unterscheidet im Gottesdienst sakrifizielle Bestandteile, solche, die Opfer der Gemeinde Gott gegenüber darstellen – Sünden- und Glaubensbekenntnis, überhaupt das Gebet – und sakramentale Bestandteile, welche die Mitteilung göttlicher Gaben und Gnaden an die Gemeinde in sich| schließen, sei es durchs Wort oder durch das Sakrament im eigentlichen Sinn. In diesem weiteren Sinn ist die Einsegnung zwar keine sakramentliche, aber doch eine sakramentale Handlung zu nennen. Das heißt: es wird in dieser Handlung etwas wirklicher göttlicher Gabe und Gnade dargeboten. Allerdings hängt der Empfang dieser Gabe und Gnade, weil eben die Einsegnung kein Sakrament ist, völlig davon ab, daß das Herz offen stehe für die göttliche Gnade und sich nicht gegen dieselbe verschließt. Und was in diesen Tagen der Vorbereitung auf die Einsegnung nicht nur hier an dieser Stätte, sondern auch sonst an Ihnen, verehrte Schwestern, geschieht, das soll eben dazu dienen, Ihnen Herz und Sinn für dies alles recht zu öffnen, damit bei der Einsegnung die göttliche Gabe Ihnen zuteil werden könne. In ähnlichem Sinn hat auch der Apostel dem Timotheus 2. Tim. 1, 6 gesagt: „Er solle erwecken die Gabe, die in ihm ist durch Auflegung der Hände.“ Da ist es deutlich gesagt, daß selbst etwas geschehen muß seitens derer, die auf göttliche Gaben rechnen, damit die Gaben, die in ihnen sind und sein können, nun auch wirksam werden. In diesem Sinn soll auch das, was Ihnen durch die Einsegnung zuteil wird an Gnadenwirkung des göttlichen Geistes in Ihnen kräftig verbleiben und Sie sollen sich immer wieder an das zurück erinnern können und immer von neuem das zu erfassen vermögen, was Ihnen geschenkt und dargeboten ist. Nur das sei noch besonders hervorgehoben: Der Diakonissenberuf und der allgemeine Christenberuf liegen nicht etwa auseinander, sondern ineinander. Der allgemeine Christenberuf schließt den Diakonissenberuf mit ein; denn ein Christ will und muß eine Arbeit haben und Ihnen ist sie auf diesem Wege zuteil geworden. Umgekehrt, der Diakonissenberuf läßt sich nur erfüllen, wenn man den allgemeinen Christenberuf zu erfüllen gewillt ist. Sie werden immer wieder zurückgreifen können auf das, was Ihnen die Einsegnung und der auf sie vorbereitende Unterricht bieten wollte und ich möchte in diesem Einsegnungsunterricht zeigen dürfen:


Die Gnaden- und Kraftquellen
für den Christenstand und für den Diakonissenberuf.

 Das ist das Thema der diesmaligen Einsegnungsvorträge.

 Ich spreche von Gnadenquellen und von Kraftquellen. Gnade ist jedesmal und auch hier verstanden als eine von Gott uns dargereichte Gabe irgendwelcher Art. Kraft ist etwas, das durch die Gnade in uns selber gewirkt werden kann und soll. Wir dürfen hier wohl die verschiedenen in der Schrift, zumal von Paulus, öfter gebrauchten Ausdrücke an uns vorübergehen lassen: „Gewalt, Macht, Stärke, Kraft.“ Gewalt ist ein Einfluß, den jemand ausüben kann kraft einer ihm erteilten Befugnis. So spricht man im Rechtsleben von der „elterlichen Gewalt.“ Es ist der Einfluß, zu dem die Eltern kraft des Gesetzes befugt sind. So hat der HErr gesagt, daß Ihm alle Gewalt gegeben sei im Himmel und auf Erden, weil er ausdrücken wollte, daß| Ihm, dem erhöhten Menschensohn, vom Vater die Einwirkungsmöglichkeit übertragen ist – dem erhöhten Menschensohn die sonderliche Herrschaft über die erlöste Menschheit.

 Macht ist ein Einfluß, den jemand zu üben imstande ist aus sich selbst heraus. In diesem Sinn spricht man von der Macht einer Persönlichkeit, von der Macht über die Gemüter, die Manchen zu Gebote steht. In diesem Sinn konnte der HErr Seinen Jüngern Gewalt geben über Dämonen oder Macht erteilen über sie; „Gewalt“, weil Er sie ihnen gab, „Macht“, weil der Einfluß, den sie sollten wirken können über die Geister, von ihnen selbst und ihrer Glaubens- und Geisteskraft ausgehen sollte. Das ist der Unterschied von Gewalt und Macht.

 „Stärke“, ist die Möglichkeit und das Maß des Einflusses nach außen oder der Einwirkung auf andere, die irgend einem zu Gebote steht.

 „Kraft“ bezeichnet das Innerste, den innersten Grund der Möglichkeit von Einwirkung auf andere oder der Betätigung nach außen.

 So verstehen wir unter Gnadenquellen die von Gott uns selbst zur Verfügung gestellten Möglichkeiten oder eröffneten Wege immer wieder Leben zu schöpfen von oben und Kraft ist das, was durch die uns von Gott geschenkte Gnad ein uns selbst gewirkt werden will zur Ermöglichung unserer Betätigung.

 Wenn wir von den Gnaden- und Kraftquellen für den Christenstand und Diakonissenberuf reden, womit anders könnten wir hier beginnen als mit der Gnadenquelle, aus der uns von Anfang an das geistliche Leben erstmals zuströmte, um dauernd in uns zu wirken, womit anders könnten wir beginnen als mit der heiligen Taufe, die auch ihrerseits eine Kraft in uns wirken will.

 Wir reden also heute:

 Von der Taufe und der aus ihr sich ergebenden Kraft neuen Lebens, ja täglicher Erneuerung.

 Daß die heilige Taufe eine grundlegende Bedeutung haben soll für das ganze Christenleben, auch für den Bestand der Kirche Gottes in der Welt, das ist leicht aus der Schrift zu erweisen. An der Schwelle des neuen Testamentes steht die Gestalt Johannes des Täufers, der sein vorbereitendes Werk mit einer Taufe beginnen sollte welche, wie er selbst deutlich sagt, Hinweis auf eine andere höhere Taufe – nicht nur mit Wasser, sondern mit dem heiligem Geist – gewesen ist. Der Anfang des Werkes Christi ist bezeichnet durch Seine Taufe, der Er sich selbst untergab und die dann für Ihn eine Geistestaufe geworden ist, eine Ausrüstung mit dem Geist im vollen Maß, den er dann wieder durch die von Ihm eingesetzte Taufe anderen, den Gläubigen, ermöglichen wollte. Der Anfang des Zeugnisses Christi, das erste eingehende Gespräch, das wir von Ihm besitzen durch das 4. Evangelium, ist das Gespräch mit Nikodemus bei seinem ersten Aufenthalt in Jerusalem nach Antritt Seines Amtes: Wovon handelt es| wovon spricht der Herr? Von der Taufe, von der Wiedergeburt durch Wasser und Geist. Und wiederum: als der HErr nach Vollendung Seines Werkes sich anschickte, Sein Reich auf Erden zu begründen, was war es, das Er hier zuerst ordnete und einsetzte in dem großen Reichsbefehl? Die Taufe. Und wiederum: Der Anfang der Wirksamkeit der heiligen Apostel geht in ein Zeugnis von der Taufe aus. Als Petrus am Pfingstfest in ausführlicher Rede dargelegt hatte, was dies Wunder bedeute, ist das Letzte, was er sagt und bezeugt: „Tut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden.“ Ebenso beweist, wie die Schrift selbst so auch die Praxis der Kirche von Anfang an, daß die Taufe je und je angesehen worden ist als die grundlegende Tat, wodurch das neue Leben in den Christen ermöglicht wird, daß die Taufe wirklich, wie man sagen kann, eine reale, d.  h. in sich selbst kräftige Wirkung übt und nicht nur – wie die reformierte und von da her die sektiererische Auffassung ist – ein Sinnbild bezeichnet. Das ist aus der Schrift nicht schwer zu erweisen. Der Apostel sagt: Galater 3 „Soviele euer getauft sind, die haben Christum angezogen.“ Sie sind gleichsam in Christo eingekleidet, es ist ihnen etwas ganz Bestimmtes zuteil geworden. 1. Kor. 6, wo die Taufe nicht genannt aber gemeint ist, ist es ähnlich so vom Apostel ausgedrückt. Es ist etwas an den getauften Christen geschehen: Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht worden durch den Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unseres Gottes. Ganz besonders wichtig ist Römer 6. An dieser Stelle will der Apostel denen gegenüber treten, die seine Rechtfertigungslehre so umdeuteten und mißbrauchten, als ob man in der Sünde beharren dürfe, damit die Gnade um so mächtiger werde. Daß das unmöglich von einem Christen gedacht werden kann, das beweist der Apostel durch den Hinweis aus die Taufe und stellt es als etwas ganz Zweifelloses, Feststehendes hin, daß in der Taufe wirklich an den Christen etwas geschehen, gewirkt ist, daß ein neues Verhältnis zu Gott in Christo damit beginnt. „Wisset ihr nicht“, d. h. ihr wißt doch, „daß so viele ihrer in Christum Jesum hinein getauft sind, die sind in Seinen Tod getauft? Wir sind samt ihm gepflanzt zu gleichem Tod, auf daß, gleichwie Christus ist auferstanden von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln.“ Und was von den Einzelnen gilt, das gilt von der Gemeinde und Kirche Christi im ganzen. So sagt wiederum der Apostel Epheser 5. „Er hat sie gereinigt (nämlich die Gemeinde) und hat sie geheiligt durchs Wasserbad im Wort.“

 So ist aus der Schrift zu erweisen, daß die Taufe eine reale Wirkung übt, nicht nur ein Sinnbild, sondern etwas an den Menschen Geschehendes ist und so ist die Taufe eine reiche Segensquelle.

 Ich berühre nur vorübergehend das Wesen der Sakramente überhaupt. Dieselben geben an sich keine anderen Gnaden als das Gnadenmittel des| Wortes, aber sie bieten sie auf einem ganz andern Weg, eben nicht nur wortweise sondern durch ein sichtbares Zeichen. Der HErr hat den Seinen diese sonderliche Gnade und Gabe neben dem Werke geschenkt, damit wir dadurch der Gnade recht gewiß werden können. Durchs Wort erfaßt nur der die göttliche Gabe, der es gläubig ergreift, an andern geht sie völlig vorüber. Durch die Sakramente wird allen, welche das äußere Zeichen empfangen, die unsichtbare himmlische Gnade zuteil, so daß von jedem Getauften der Apostel sagen kann. „Er hat Christum angezogen.“

 So sollen die Sakramente besonders der Versicherung und der Gewißheit des Gnadenstandes dienen, also besondere Quellen göttlicher Gnade sein.

 Worin besteht nun, können wir weiter fragen, die Gnade, die uns in der Taufe zuteil wird? Wir werden auszugehen haben vom Taufbefehl Christi selber: „Taufet sie in den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“ Was soll das anders heißen als: bringt sie durch die Taufe in die Beziehung zu Gott, die in dem Namen Vater, Sohn und heiliger Geist ausgesprochen ist. Oder: nehmt sie auf in das Gnadenverhältnis zum dreieinigen Gott, der in diesem Namen uns Menschen offenbar, geworden ist, ja sich uns geschenkt hat. Oder: Pflanzet sie ein in die Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, nehmet sie auf in seinen Gnadenbund. Wie das Verhältnis, die Gemeinschaft zwischen Gott und Menschen im alten Testament die Form eines Bundes trug, weil dadurch das Volk dieses Verhältnisses zu seinem Gott recht gewiß gemacht werden sollte, – da sich Gott herabließ auf Menschenweise mit seinem Volk zu handeln, wie Menschen Bündnisse schließen – so hat Er im neuen Testament in den Sakramenten sich herabgelassen durch ein sichtbares Zeichen uns ein ganz bestimmtes himmlisches Heilsgut darzubieten und mitzuteilen, in der Taufe die Ausnahme in die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes. Daß der ewige Vater, der in Christo unser Vater werden wollte, nun zu jedem Einzelnen in dieses Vaterverhältnis tritt, daß der ewig vom Vater Geborene als der Abglanz Seiner Herrlichkeit, der nun auch in die Welt geboren ist als der von Gott gesandte Erlöser, unser Bruder, unser Erlöser sein will und daß der ewige Gottesgeist, der ewig vom Vater und Sohn ausgeht und in der Zeit vom Vater und Sohn gesandt ist, um in den Menschen wirkend sie zur Kirche Christi zu sammeln, daß der in uns der Geist des neuen Lebens werden will und soll, das ist es, was man richtig ausgedrückt, das unsichtbare Heilsgut der heiligen Taufe wird nennen dürfen, die Aufnahme in die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes, die uns durch den äußerlichen Vorgang gewirkt und fest versiegelt wird. Daß diese Auffassung biblisch ist, bestätigt die schon angeführte Stelle Röm. 6: „Wisset ihr nicht, daß alle, die wir in Jesum Christum hineingetauft sind, die sind damit auch in Seinen Tod und Seine Auferstehung hineingetauft.“ Weil die Taufe uns in das neue Verhältnis zu Gott versetzt, so versetzt sie uns vor| allem in das Verhältnis zum Heilsmittler Christus und darum in engste Beziehung zu Seinem Tod und Seiner Auferstehung, weil er eben dadurch der Mittler des Heils geworden ist. So sieht es der Apostel an, daß wir durch die Taufe in ein engstes Verhältnis zu Christo gesetzt werden und wiederum zum Geist; denn er sagt 1. Korinther 12: „Wir sind durch den einen Geist in den einen Leib getauft,“ ebenso 1. Korinther 6, wo der Apostel sagt: „durch den Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unsers Gottes.“

 Das kann uns bestätigen, daß nach des Apostels Meinung die Taufe wirklich die Einpflanzung in die Gnadengemeinschaft des dreieinigen Gottes ist und insbesondere in die Gnadengemeinschaft Christi, wie ja die Apostel oft nur von der Taufe „auf und durch den Namen Jesu“ reden, weil eben durch Christum sich der dreieinige Gott geoffenbart hat und weil wir durch Ihn mit Gott versöhnt sind. So ist es ein besonderes Verhältnis mit Christo und damit zum dreieinigen Gott, das in der Taufe begründet wird.

 Daraus ergibt sich nun der Segen der heiligen Taufe. Weil wir in Christum hineingetauft sind, weil wir in der Taufe Christum angezogen haben, so wissen wir gewiß, daß alles uns zu eigen gehört, was Jesus durch Sein Erlösungswerk erworben hat für alle Welt. Das will Luther offenbar andeuten, wenn er in seiner Antwort auf die Frage: „Was gibt oder nützt die Taufe?“, deutlich sich zurückbezieht auf seine Auslegung des 2. Artikels. Da wie dort spricht er „von der Vergebung der Sünden, Erlösung von Tod und Teufel“, um damit zu zeigen: was Jesus am Kreuz für alle Menschen erworben hat, das wird in der Taufe dem Einzelnen geschenkt. In diesem Sinn spricht auch St. Petrus in seinem ersten Brief in der Grußüberschrift von einer „Besprengung mit dem Blute Jesu Christi“, wobei er offenbar auf die Taufe zurückblickt. Im gleichen Sinn wird St. Johannes in seinem ersten Brief (5, 6. 8) auf die Taufe hindeuten, wenn er sagt, daß Jesus Christus gekommen ist mit Wasser und Blut und daß Drei auf Erden zeugen: Geist und Wasser und Blut. So ist die Taufe die Aufnahme in die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes und als Segen der Taufe ergibt sich vor allem die Vergebung der Sünden, die uns ein für allemal zugesichert und mitgeteilt wird. Aus der Vergebung der Sünden ergibt sich dann der Anfang eines neuen Lebens oder wie Luther es ausdrückt: Erlösung vom Tod, nämlich vom geistlichen Tod, daß die Scheidung zwischen Gott und Menschen aufgehoben wird. Erlösung vom Teufel ferner, denn die Taufe ist die Aufnahme in Christi Reich und die Seligkeit endlich wird uns als Erbe geschenkt, weil wir Kinder Gottes geworden sind. So können wir als die eigentliche Taufgnade das benennen, daß wir durch göttliche Kraft, durch eine Gottestat Aufnahme gefunden haben in den Gnadenbund des dreieinigen Gottes, daß wir ein Siegel haben, daß uns der Eingang eröffnet ist in Gottes Reich, daß das Erbe der Seligkeit uns schon zugewendet ist und alles zusammenfassend wird man sagen dürfen, daß| ein neues Leben durch die Taufe in uns gepflanzt wird. Es ist ja richtig: wenn Erwachsene getauft werden, so ist zuvor schon etwas von neuem Leben durch den Geist, durchs Wort gewirkt, wie sich das in den Regungen der Buße und des Glaubens zeigt, aber die eigentliche Gewißheit fehlt noch und der schöpferische Anfang des neuen Lebens wird doch erst durch die Taufe gemacht, wie auch alle, die durchs Wort gläubig geworden sind, nachdem sie wohl unterwiesen sind, nach der Taufe verlangen. Der Apostel benennt die Taufe als das, wodurch die Gabe des heiligen Geistes uns vermittelt wird. (Apostel-Gesch. 2, 38.) Auch beim Hauptmann von Cäsarea, Kornelius und den Seinigen, wo schon deutliche Geisteswirkungen erfolgt waren, hält der Apostel die Taufe nicht für überflüssig, sondern läßt sie an ihnen vollziehen. Nur die Apostel selber und die, welche sonst noch am Pfingstfest anwesend gewesen sind, haben der Taufe nicht bedurft, weil sie unmittelbar mit dem heiligen Geist, der in der Fülle seiner Gnaden ihnen geworden ist, ausgerüstet waren.

 Das ist es, was wir als die Gnadenquelle der Taufe bezeichnen können, daß hier für unser ganzes Leben die göttliche Bürgschaft geworden ist: wir sind zu Gott in ein neues, in das Kindschafts-Verhältnis gesetzt, das ganze teure Heil gehört uns, die Wirkungen des heiligen Geistes sind an uns in Kraft getreten und sollen fortgehen. Gewiß eine Gnadenquelle ohne Gleichen.

 Aber sie soll nun auch in uns zu einer Kraftquelle werden, indem das neue Leben in uns nun auch zustande kommt und in täglicher Erneuerung sich erweist. Man kann die Wiedergeburt wohl die Wirkung der heiligen Taufe nennen. Manche trennen die Wiedergeburt das unsichtbare Gnadengut selber. Das ist aber irrig; denn die Wiedergeburt ist kein objektives Gut, sondern etwas in uns sich Vollziehendes. Als Wirkung aber der heiligen Taufe wird die Wiedergeburt zu betrachten sein. Es ist das, was Hesekiel in Kapitel 36 in Aussicht gestellt hat. Dort sagt Gott durch ihn: „Ich will ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben. Ich will rein Wasser über euch sprengen, von aller Unreinigkeit und euern Götzen will ich euch reinigen.“ Es ist die Erfüllung dessen, was der Herr im Gespräch mit Nikodemus in Aussicht gestellt hat: „eine Wiedergeburt aus Wasser und Geist.“ – Und Titus 3, was könnte der Apostel anders meinen als die Taufe, wenn er an dieser Stelle spricht: „vom Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes.“

 Indem in uns durch die heilige Taufe die Kraft eines neuen Lebens gepflanzt wird, wird die Wiedergeburt ermöglicht, ja sie beginnt nach ihrer objektiven Seite hin; denn es steht bei jedem Getauften so, daß er nicht mehr im alten sündigen Leben wandeln muß, sondern im neuen Leben wandeln kann. Indem uns in der Taufe die Vergebung der Sünden geschenkt ist, ist ihre Macht und Gewalt über uns gebrochen, daß wir der Sünde nicht mehr dienen müssen, sondern durch Kraft des heiligen Geistes in einem neuen Leben stehen können.| Aber freilich, so sicher und fest die uns in der Taufe gewordene Gnade ist, sie erfordert eine persönliche Aneignung.
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 Es führt uns dies auf das Verhältnis von Taufe und Glauben. Der Herr hat selbst in den Markus 16 uns bewahrten Worten Taufe und Glauben nebeneinandergestellt: „Wer glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird – ob er auch getauft ist – verdammet werden.“ Der Apostel verlangt von denen, die sein Wort annehmen, daß sie sollen Buße tun und auf den Namen des Herrn Jesu sich taufen lassen. Es liegt darin deutlich die Forderung des Glaubens mit inbegriffen. Das Verhältnis zwischen Taufe und Glaube ist dies. Das Sakrament ist auch ohne Glauben wirksam und kräftig, aber freilich ohne Glauben nützt es uns nichts. Durch diesen Satz wenden wir uns einerseits gegen die römische Überschätzung des Sakramentes; denn nach römischer Lehre ist zum Sakrament ein aneignender Glaube nicht erforderlich, die Sakramente wirken ex opere operato, d. h. vermöge des vollbrachten Werkes. Sie sind Kanäle, durch welche die Gnade eingegossen wird, eine Übertreibung der Sakramente und eine Verkürzung der persönlichen Aneignung durch den Glauben. Andererseits die Reformierten lassen die Sakramente überhaupt nur durch den Glauben wirksam sein, ohne Glauben sind sie nichts, eine Herabminderung der Sakramente, wodurch sie ihre Kraft und Bedeutung verlieren. Das Richtige hat hier unsere Kirche, daß sie den Satz festhält, den ich aussprach: Die Sakramente sind ohne Glauben kräftig, aber ohne Glauben nützen sie uns nichts. So muß denn, was uns in der Taufe geschenkt ist, an uns gewirkt ist, von uns angeeignet und erlebt werden. Wenn in der Taufe der alte Mensch der Kraft nach aufhört und ein neuer der Kraft nach angefangen hat, dann ist es unsere Sache nun in der Kraft der heiligen Taufe den alten Menschen abzulegen und den neuen anzuziehen. So drückt es der Apostel, Epheser 4, deutlich aus: „Leget ab von euch nach dem vorigen Wandel den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbet. Erneuert euch aber im Geiste eures Gemüts und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist.“ Es vollzieht sich dies Ablegen des alten und das Antun des neuen Menschen in Buße und Glauben. Wenn in uns die Buße, wirkliche Erkenntnis der Sünde und wahre Reue über dieselbe gewirkt ist, dann wollen wir doch der Sünde nicht mehr dienen, wir wollen von ihr lassen und wenn wir im Glauben uns Christo zum Eigentum ergeben haben, dann wollen wir doch Ihm angehören, Ihm dienen. So wird durch die Buße der alte Mensch abgelegt und der neue angezogen. Buße und Glauben nennen wir nun zusammen auch die Bekehrung. Das richtige Verhältnis von Wiedergeburt und Bekehrung ist damit angedeutet. Wiedergeburt ist die von Gott gewirkte Gnadentat und es ist falsch, wenn man – wie die Gemeinschaft oder die Methodisten – Wiedergeburt und Bekehrung einander gleichsetzt. Daß das unmöglich ist, ergibt sich von selbst, wenn man bedenkt:| ein Christ kann sagen: ich bekehre mich, aber nie und nimmer wird er sagen können: ich wiedergebäre mich. Das ist ein Unding. Also ist die Wiedergeburt etwas, was an uns gewirkt wird, dagegen die Bekehrung, die freilich auch von Gott ausgehen muß, „bekehre du mich“ ist etwas, was in uns sich vollzieht, die persönliche Abkehr von der Sünde in aufrichtiger Buße und die Zukehr zu Christo. So wird die in der Taufe grundlegend von Gott gewirkte Neugeburt durch Bekehrung, durch Buße und Glauben, zu wirklichem Bestand in uns kommen, daß die Taufe nicht in unserm Herzen liegt wie ein toter Schatz, von dem man keinen Gebrauch macht, sondern daß sie durch Buße und Glauben in uns zu Kraft und Bestand kommt. Das ist das Verhältnis von Wiedergeburt und Bekehrung.

 Es wird nun noch nachholend zu sagen sein, was wir eigentlich von unserer Taufe zu glauben haben. Nichts als dies, daß wir durch die Taufe in die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes, insbesondere in die Gemeinschaft Christi aufgenommen sind und das teure Kindesrecht beim Vater empfangen haben. Dann haben wir von der Taufe den Segen, dann glauben wir, daß uns das, was Jesus für alle erworben hat, die Vergebung der Sünden, auch uns gehört, dann glauben wir, daß wir frei geworden sind von der Macht der Finsternis, daß der geistliche Tod, die Trennung von Gott aufgehoben ist und wir mit Gott in Gemeinschaft stehen, dann glauben wir, daß uns als Kinder Gottes auch das Erbe des ewigen Lebens gehört.

 So will das in der Taufe uns Geschenkte von uns selbst angeeignet, in uns erlebt sein. Es ist nur ausdrücklich zu betonen, daß die Bekehrung durchaus nicht unbedingt an eine bestimmte Stunde gebunden ist, daß dies Erleben und Erkennen der Taufgnade sehr wohl ein allmählich von Stufe zu Stufe emporsteigendes, von einer Klarheit zur andern gelangendes sein darf. Das wird geradezu als der regelmäßige Werdegang der in der Christenheit Geborenen zu bezeichnen sein, wie wir bei den meisten Männern Gottes im neuen Bund ein solch allmähliches Fortschreiten ihres Lebens sehen. Denken wir an die heiligen Apostel, an Petrus, Johannes, Andreas, Jakobus, wie sind sie ganz allmählich zuerst zu Johannes, von ihm zu Christo geführt worden und bei Ihm von einer Klarheit zur andern gelangt. Es ist möglich, daß die Bekehrung sich in einem einzelnen Moment vollzieht bei solchen, die stark unter die Macht der Sünde geraten waren oder völlig im Unglauben gewandelt hatten und nun durch des Geistes Wirkung sich wenden. Aber es muß nicht so sein. Ein allmähliches Hineinwachsen in die Gnade wird gewiß der regelmäßige Gang der in der Christenheit Geborenen bleiben.

 Das führt uns noch auf den wichtigen Gedanken der täglichen Erneuerung. Die tägliche Erneuerung des Taufbundes, das ist der von Luther so klar hervorgehobene Gedanke: „Daß durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden in uns der alte Adam“, daß wir den alten Adam täglich| in den Tod geben und daß „täglich herauskommen und auferstehen muß ein neuer Mensch.“ Die heilige Schrift sieht es auch so an, daß es gilt, immer zurückzukehren zu dem, was uns einmal geschenkt ist. „Richtet wieder auf die lässigen Hände.“ „Jaget nach der Heiligung“, Ebr. 12. Und damit wird uns die Kraftquelle für unser alltägliches Leben, für die Arbeit des Berufes gezeigt: Die tägliche Erneuerung des Taufbundes. Wollen wir täglich denken an die große Gnade, die uns in der heiligen Taufe geschenkt ist, wollen wir uns an diese Gnade täglich erinnern: wir sind in Christum eingepflanzt. Wollen wir uns auch täglich vornehmen, was wir in der Taufe versprochen haben, zu halten. Um das recht kräftig zu machen, hat die christliche Kirche bei der Taufe die Tauffragen eingeführt, um den Eindruck zu erwecken, daß man etwas übernimmt, was durchs Leben hindurch immer wieder erneuert werden muß. Das ist die Bedeutung der Entsagung bei der Taufe: „Entsagst du dem Teufel und allen seinen Werken und alle seinem Wesen?“ Es ist dringend zu empfehlen, daß ein Christ täglich diese Entsagung in Gedanken betend vollzieht. Man mag es in christlicher Gemeinschaft laut und gemeinsam tun, jedenfalls ist es notwendig, daß man täglich wieder daran denke: Ich bin ein getaufter Christ. Es ist in mir die Kraft und Gnade eines neuen Lebens und so will ich auch heute allem Wesen der Welt und des Teufels entsagen. Ich will mich Christo zum Eigentum im Glauben und Gehorsam ergeben.

 In der hl. Taufe hat sich uns die erste und reichste Gnadenquelle unseres Lebens eröffnet und sie soll in uns zur Kraftquelle werden, daß ein neues Leben in uns zustande komme. Wollen wir täglich zu dieser Gnaden- und Kraftquelle zurückkehren. Wenn wir das tun, so wird das unser Christenleben stetig und gleichmäßig machen, daß es nicht ein ruheloses Sehnen und Suchen bleibe. Das wird unser Christenleben fest und freudig machen, weil wir uns immer auf diese Tat Gottes, die an uns geschehen ist, gründen. Und es wird unser Christenleben tätig und kräftig machen, weil wir daran denken, daß wir etwas sein sollen zum Preis der Gnade Gottes und weil uns diese geschenkte Gnade nicht faul und unfruchtbar lassen darf.

 Und so laßt uns denn, das soll das Ergebnis unserer Betrachtung sein, die Gnaden- und Kraftquelle der hl. Taufe immer mehr erkennen und gebrauchen. Möchte es bei uns allen dahin kommen, daß wir durch unserer Taufe Kraft zu Seines Himmels Bürgerschaft dereinst geführet werden. Amen.





  1. Stets aus Löhe Haus-, Schul- und Kirchenbuch II. Bd., 2. Auflage.


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