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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1885
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[453]

No. 28.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Trudchens Heirath.

Von 0W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Der Wagen rollte schnell den Berg hinunter Niendorf zu, und nun hielt er vor dem Hause. In halber Betäubung stieg die junge Frau aus und stand im Regen auf der Verandatreppe. Es war ihr, als sei sie zum ersten Male hier; die kleinen Fenster, die altersgrauen Mauern mit dem spitzen Dach – wie häßlich, wie fremd! Die Blüthenpracht des Gartens verregnet; verflogen der Zauber, den Liebe giebt; kahle, nüchterne, traurige Wirklichkeit! Und auf des Hauses Schwelle hockte der Dämon des Eigennutzes, der Berechnung.

Sie schritt durch den Gartensaal, die Treppe hinan und nach ihrem Zimmer. Auf dem Korridore kam Johanne ihr entgegen.

„Der Herr sind gleich nach dem Frühstücke mit dem Wagen fort,“ berichtete sie; „der Herr haben einen Zettel auf den Nähtisch der gnädigen Frau gelegt.“

„Ich habe Kopfschmerzen, Johanne, stör’ mich nicht weiter,“ sagte sie tonlos. In ihrem Zimmer angekommen, riegelte sie zuerst die Thür hinter sich zu, dann die zu seinem Zimmer. Und nun las sie den Zettel:

„Das Barometer ist gestiegen, der Amtsrichter will partout auf den Brocken; ich begleite ihn bis Jl., habe dort zu thun und hoffe nicht allzu spät zurück zu sein. 0 Dein Franz.“

Und unten ein Postskript des Gastes:

„Zürnen Sie nicht, gnädige Frau, ich gehöre zu Denen, die einen Berg nicht sehen können, ohne das dringende Bedürfniß zu fühlen, hinauf zu kraxeln. Ich nehme den Brocken zuerst, um bei wiederkehrendem schönen Wetter mit Ruhe seinen Anblick von meinem Fenster aus ertragen zu können. Den Franz schicke ich Ihnen wohlbehalten wieder heim.“

Gott sei Dank, er kam nicht so bald! – Aber was nun? Sie saß regungslos an ihrem Nähtischchen und starrte in den Garten hinaus, ohne dort etwas zu sehen. Stunde um Stunde verrann; ein paarmal fuhr sie mit der Hand über die Augen – sie blieben trocken und brennend, und um den Mund lag ein starker Zug von Verachtung.

Gegen Abend klinkte es an der Thür. Sie wandte den Kopf nicht herum.

„Gnädige Frau!“ rief die Dienerin. Keine Antwort, und die Schritte draußen entfernten sich.

Trudchen Linden stand jetzt auf und ging zum Schreibtische. Ruhig öffnete sie die hübsche Ledermappe, rückte einen Stuhl heran, ergriff die Feder und setzte sich zum Schreiben. Sie hatte lange genug überlegt; ohne zu stocken, kamen die Worte aus ihrer Feder:

„Ich will Onkel Heinrich bitten, daß er Dir Alles in schonender Weise mittheilt; ich selbst könnte nicht ruhig darüber sprechen – es ist die schmerzlichste Enttäuschung meines Lebens. Ich bitte Dich vorläufig nur, meiner Erklärung, daß ich auf einige Zeit aus Gesundheitsrücksichten irgendwo zurückgezogen leben müsse, beizustimmen. Es wird nicht lange Zeit brauchen zu einer Entscheidung.   Gertrud.“

Ich gratuliere!“ 0 Nach dem Oelgemälde von H. Bever.

[454] Sie siegelte das Schreiben und trug es in das Zimmer ihres Mannes, auf den Schreibtisch. Das Päckchen Gedichte legte sie daneben, ebenso das Notizbuch. Was sollte sie damit? Das Dichten galt nicht ihr – es war eine leidige Angewohnheit von ihm, das hatte erst gestern der Amtsrichter verrathen. Es war hier als passendes Mittel angewendet, um die Täuschung vollkommen zu machen. Einer, der zarte Verse schreibt und dabei heimlich den Agenten um die Mitgift befragt – eine tolle Zusammenstellung, komisch-tragisch, ein Lustspielmotiv, und sie die lächerliche Heldin!

Das Fragment des schrecklichen Briefes behielt sie zurück. Dann schrieb sie ein Billet an ihre Mutter, eins an Onkel Heinrich, nahm die Uhr aus dem Täschchen und griff dann zum Kursbuche.

Wohin? Der Berliner Schnellzug, der alle Verbindung in die weite Welt hinaus vermittelte, war nicht mehr zu erreichen. Also warten bis morgen – Und dann? Irgendwo hin – allein sein! Nur nicht mit Mama und Jenny zusammen, nur weit fort von hier!

Sie sprang plötzlich auf mit erschrecktem Gesichte, sie hatte eine Stimme gehört, seine Stimme. „Ist meine Frau zurück?“ Dann ein lustiges Pfeifen, ein paar Takte aus dem Boccaccio- Marsche – und eilige Schritte vom Korridore herauf. Nun drückte seine Hand auf die Klinke –. Verschlossen!

„Trudchen!“ rief er.

Sie stand mitten im Zimmer, die Lippen auf einander gepreßt, starr die Augen; aber sie rührte sich nicht.

Er nahm nicht an, daß sie drinnen; ruhig ging er in sein Zimmer. Sie hörte, wie er die Thür der Schlafstube öffnete.

„Trudchen?“ klang es fragend.

Nun wieder in seinem Zimmer, er sprach mit dem Hunde, pfiff wieder ein paar Takte. schritt hin und her, und nun blieb er stehen – jetzt riß ein Papier – jetzt las er.

„Gertrud! Gertrud, ich weiß, Du bist in dem Zimmer! Oeffne!“ Es klang ruhig und freundlich, aber sie verharrte wie zu Stein geworden auf ihrem Platze.

„Ich bitte, öffne!“ scholl es jetzt befehlend.

„Nein!“ antwortete sie laut und richtete sich empor.

„Du bist in einem grenzenlosen Irrthum! Man hat Dir irgend etwas vorgeredet – laß mich doch mit Dir sprechen, Kind!“

Sie kam einen Schritt näher. „Ich kann nicht!“ sagte sie.

„Ich bitte dringend darum. Man hört doch auch einen Verbrecher, ehe man ihn verurtheilt!“

„Nein!“ erklärte sie, schritt zum Fenster und blieb dort stehen.

Zum Henker mit diesem verfl.... Unsinn!^ klang es jetzt in ihre Ohren. Dann ein Krach, ein Splittern – die Thür war gesprengt und Franz Linden stand auf der Schwelle.

„Ich bitte um Aufklärung,“ sagte er gereizt, und die Zornader auf der weißen Stirn, die seltsam abstach von dem gebräunten Antlitz, war ihm mächtig geschwollen.

Sie hatte sich nicht umgewandt. „Onkel Heinrich wird Dir das Nähere sagen,“ erwiderte sie kühl.

Er schritt zu ihr hinüber und legte die Hand auf ihre Schulter, aber da trat sie zurück, und die blauen, sonst so milden Frauenaugen sahen ihn an, so kalt und fremd und so glanzlos matt, daß er tief erschreckt inne hielt.

„Ich hätte Dich getäuscht? Dich, Trudchen?“ fragte er. „Was habe ich Dir gethan? Worin besteht mein Unrecht?“

„In Nichts –“

„Das ist keine Antwort, Gertrud.“

„O, es handelt sich ja um eine Kleinigkeit nur – ich kann nicht mit Dir darüber sprechen.“

„Gut! So will ich noch heute zu Onkel Heinrich.“

Sie antwortete nicht.

„Und fort willst Du? Mich allein lassen?“ fragte er wieder.

Sie zogerte einen Moment. „Ja, ja!“ sagte sie dann hastig, „fort!“

„Wozu die Komodie, Trudchen?“

„Komodie?“ Sie lachte kurz auf.

„Trudchen. Du thust mir weh.“

„Nicht mehr, als Du mir gethan.“

„Aber, zum Donnerwetter, ich frage Dich – womit?“ rief er außer sich.

Sie war noch einen Schritt zurückgewichen und sah ihn groß an. „Bitte, laß anspannen, fahre zu meinem Onkel,“ klang es kühl.

„Ja, bei Gott, Du hast Recht!“ rief er außer sich, „Du bist mehr als trotzig!“

„Ich habe es Dir gleich gesagt, es ist mein Charakter.“

„Trudchen,“ begann er, „ich bin ein heftiger Mensch, mich bringt nichts sehr in Zorn, als ein passiver Widerstand. Es ist doch unsere verd.... Pflicht und Schuldigkeit, uns mit Vertrauen entgegen zu kommen – sage mir, was Dich drückt; es kann aufgeklärt werden, ich bin mir keines Unrechtes bewußt gegen Dich.“

„Das ist eben Ansichtssache,“ sagte sie.

„Nun, so ist es gut! Ich erkläre Dir, daß ich absolut nicht neugierig bin, und gebe Dir Zeit, Dich zu besinnen.“ Er wandte sich, um zu gehen.

„Das ist freilich das Bequemste in dieser Sache,“ klang es bitter hinter ihm.

Er zögerte, aber er ging wirklich, schloß die zerbrochene Thür hinter sich zu, so gut er es vermochte, und begann in seinem Zimmer auf- und abzuwandern.

Sie preßte die Stirn an die Scheiben und sah über den Garten hinweg. Es hatte aufgehort zu regnen, im Westen lichteten sich die Wolken und ließen den Glanz der untergehenden Sonne ahnen; nun brachen die schimmernden Dunstmassen und im nämlichen Augenblicke stand die Landschaft im funkelnden Sonnenglanze, wie ein holdes, unter Thränen lächelndes Weib.

Wenn sie doch weinen konnte! Die Frauen, denen Gott die Fähigkeit gegeben zu weinen, sind bevorzugt. Weinen macht das Herz leicht, den Sinn milder – aber nein, für sie gab es keine Thränen.


Noch in der allerletzten Dämmerung fuhren die Eisenschimmel vor und Frau Jenny stieg aus dem Wagen. Sie lief, flink wie ein Wiesel, die Stufen zur Veranda hinan und stand im Gartensaale plotzliach vor Franz Linden, der dort allein am gedeckten Tische saß; Trudchens Kouvert war unberührt.

„Jenny, so spät noch?“ fragte er.

„Ich möchte Trudchen sprechen.“

„Sie finden meine – Frau in ihrem Zimmer.“

Jenny warf aus ihren lustigen Augen einen raschen Blick auf ihn. Ob der Krach schon erfolgt? Sie waren zu Hause vor Angst beinahe umgekommen.

„Ist Trudchen nicht wohl?“ erkundigte sie sich scheinbar harmlos.

Er zögerte einen Augenblick mit der Antwort. „Sie scheint in der That etwas angegriffen und erregt, ich glaube, daß sie im Laufe des Tages irgend eine Unannehmlichkeit hatte,“ erwiderte er dann.

„Ach so!“ nickte die junge Frau. „Nun, ich werde selbst nachsehen.“

Sie ging über den Flur, noch war die Lampe nicht angezündet, und in der Dunkelheit stieß sie an etwas und wäre fast gestürzt. Auf ihren leisen Schrei eilte Johanne mit Licht herzu.

„Ach, verzeihen Sie, gnädige Frau, es ist der Reisekorb der jungen Dame, die vor einer Viertelstunde ankam. Dora hat vergessen, ihn in Frau Rosa’s Wohnung zu tragen.“

Jenny warf einen ärgerlichen Blick auf das bescheidene Gepäckstückchen, stieg die Treppe hinauf und klopfte an die Zimmerthür der Schwester. „Ich bin es, Trudchen,“ rief sie mit ihrer hellen klingenden Stimme. Sie hörte darauf leichte Schritte und leise, leise ward der Riegel zurückgeschoben und die Thür geöffnet.

„Du, Jenny?“ fragte Trudchen; genau so, wie vorher Franz gesprochen: „Du, Jenny?“

Es war fast dunkel im Zimmer, Jenny konnte die Züge der Schwester nicht erkennen.

„Warum sitzest Du so im Dunkeln, Trudchen? Ich bitte Dich, sage rasch, wie ist es geworden? Mama und ich vergehen vor Angst!“

„Es ist gut so,“ erwiderte die junge Frau. „Aengstigt Euch nicht!“

[455] „Gut?“ fragte Jenny verwundert. „Das glaube wer will! Er allein bei Tische, Du hier oben hinter verschlossenen Thüren – gestehe es doch, Kind, Ihr habt Euch nicht verständigt.“

„Bitte, nimm Platz, Jenny,“ sagte die junge Frau müde.

Frau Jenny setzte sich auf die Chaiselongue, Trudchen wieder an das Fenster. Es war todtenstill im Zimmer und im ganzen Hause.

„Es wäre auch gescheiter gewesen, wenn Du gar nicht geheirathet hättest, Trudchen,“ begann die Schwester mit einem Seufzer. „Aber, was hilft’s Du bist angeschmiedet, ja, ja! Man müßte sich Alles gefallen lassen, dürfte nie eine eigene Meinung haben! Ich bin auch noch ganz krank von dem Aerger gestern Abend, ich lief schließlich zu Mama hinauf; sie erschrak furchtbar, als ich in Nachtkleidern vor ihrem Bette stand; ich habe dann die ganze Nacht geweint. Heute früh wartete ich; ich dachte, er würde mich herunter holen, sonst war er immer so reuig, – aber er blieb aus, und wie ich mit Mama frühstückte, brachte mir Sophie eine Karte von ihm, auf welcher er mir sehr kühl mittheilte, daß er nach Manchester gegangen sei auf vierzehn Tage. Na – glückliche Reise!“

Trudchen antwortete nicht.

„So nimm Dir’s doch nicht so schrecklich zu Herzen, Kind,“ fuhr die junge Frau fort. „Liebe Zeit, wenn’s weiter nichts ist! Alle Frauen müssen ein Auge zudrücken, und manchmal über ganz andere Dinge.“

„Müssen?“ fragte Trudchen leise.

„Ja, was denn sonst?“ rief Jenny verwundert. „Denkst Du, man kann sein Bündel unter den Arm nehmen und davon gehen? Bah! Da wäre keine Frau mehr bei ihrem Theuren. Nein, nein – man söhnt sich hübsch wieder aus und nimmt Gelegenheit, es dem Herrn der Welt mit Zinsen heimzuzahlen. Das Versöhnen macht mir auch immer großen Spaß; paß nur auf, Kleine, wie lieb Arthur sein wird, wenn er zurückkommt, er ist auf vier Wochen wieder der goldigste beste Mann von der Welt.“

„Mir wäre so etwas unmöglich!“ klang plötzlich Trudchens Stimme klar und fest. „Heute zum Tode erbittert – morgen zum Aufessen zärtlich, es ist einfach unwürdig!“

Frau Jenny schwieg. „Ja, mein Himmel,“ sagte sie dann gähnend, „Einer ist nicht besser als der Andere! Wenn ich mich von Arthnr trennen wollte – wer weiß, was ich dafür eintauschte! Heirathen würde ich am Ende ja doch wieder, was soll man sonst anfangen in der Welt? Apropos! Mama hat mit dem Rechtsanwalt gesprochen – er räth dringend, die ganze Geschichte in diskretester Weise beizulegen. Mama ist zwar anderer Meinung, aber Doktor Schneider erklärte – siehst Du, man kann gar nicht fort, wenn man auch will – das wäre kein Scheidungsgrund, und ich sagte auch schon zu Mama: ,Gertrud,‘ sagte ich, ,und von ihm gehen? Undenkbar! Sie ist ja bis zum Wahnsinn in diesen Mann vernarrt; er könnte, glaube ich, gemordet haben, so würde sie noch einen Entschuldigungsgrund finden für ihn.‘ Habe ich Recht?“

Trudchen litt tausend Qualen. Sie rang stumm die Hände in einander, und ihre Augen sahen starr zu dem dunklen Himmel empor, an dem in grünlich blinkendem Lichte der Abendstern funkelte. Frau Jenny gähnte wieder.

„Ja, denke Dir nur,“ fuhr sie fort, „Du weißt noch gar nicht, was wir eigentlich hatten mit einander, Arthur und ich. Er machte mir Vorwürfe, ich verbrauche zu viel für meine Toilette; natürlich eine Ableitung seines Zornes von etwas Anderem – es waren Geschäftsbriefe da, vermuthlich mit unangenehmen Nachrichten. Ich erwiderte, das gehe ihn nichts an, ich bekümmere mich nicht um seine Depensen. Da wurde er unangenehm und warf mir vor, ich hätte in Nizza die Toiletten der eleganten Französinnen kopiren wollen. Es ist aber nicht wahr, ich hatte mir nur zwei Roben gekauft. Gott ja, sie waren etwas theurer, als wenn sie mein Schneider in Berlin macht. Natürlich sagte ich wieder: ‚Das geht Dich gar nichts an, denn ich bezahle sie.‘ Darauf sprach er sehr moralisch von ehrbaren Frauen und deutschen Frauen, die des Hauses Wohlstand mehren helfen; es wären schon andere Vermögen verschwendet als das unsere, und wenn man der Sache auf den Grund gehe, trage allemal ,Madame‘ die Schuld. Er tadelte Mama, die sich geradezu lächerlich mache mit ihren jugendlichen Kostümen, und zuletzt erklärte er, wir hätten Pflichten für unsere künftigen Kinder. – Der Himmel soll mich behüten! Mein armes süßes Walterchen habe ich hergeben müssen, ich will kein anderes, der Schmerz, ihn zu verlieren, war zu groß, ich würde vor ewiger Angst sterben. Kurz und gut, er spielte den richtigen kleinstädtischen Philister, und zuletzt noch gar den Othello, indem er behauptete, Rittmeister von Brelow grüßte mich immer so unverschämt vertraulich. Mir riß die Geduld. Ich schlug ihm vor, wir könnten uns ja trennen. Verstehe mich recht, ich sagte es nur so, denn in Wahrheit – er ist ziemlich folgsam, wenn man ihm die Zügel kurz hält. Und, wie schon erwähnt, man kommt auch nicht los um ein Nichts. ,Ich gehe sofort!‘ rief ich endlich weinend und lief zu Mama.“

„Höre auf, ich bitte Dich,“ sagte Trudchen, hastig aufstehend. Sie klingelte nach Licht, und als Johanne die Lampe brachte, beleuchtete sie ein fieberrothes Gesicht und Augen, wie verschwollen von heißen Thränen; und Trudchen hatte doch nicht geweint.

„Wie Du aussiehst, Kind!“ bemerkte Jenny. „Ja, was soll denn nun werden? Ich muß Mama Bescheid bringen, lediglich deßhalb kam ich.“ Sie warf einen Blick auf die zierliche Uhr über dem Schreibtisch. „In fünf Minuten neun Uhr – ich muß heim. Bitte, sage, wie gedenkt Ihr die Sache zu arrangiren?“

„Ihr werdet Nachricht erhalten, morgen – übermorgen – ich weiß es noch nicht,“ stammelte die junge Frau, die Hand an die schmerzende Stirn gepreßt.

„Mache nur keine Geschichten, Trudchen,“ Jenny nahm den grauen, mit rother Seide gefütterten Mantel um und schlang die Spitzenbarben des Hutes in einander. „Wenn die Sache so geordnet wird, wie Doktor Schneider sagt, so ist ihr ja die Spitze abgebrochen. Wie benimmt sich denn übrigens Franz? Hat er es zugegeben? Na ja, was kann er auch weiter machen! Also, bitte spätestens morgen Bescheid. Uebrigens, Kind, das ist mir noch nachträglich eingefallen – an dem Tage, wo Linden Besuch bei uns machte, begleitete ihn dieser Mensch, dieser Wolff, über den Markt bis nach unserem Hause; ich saß im Erker und wunderte mich noch, wie vertraulich Wolff ihm die Schulter klopfte.“

Trudchen stand regungslos. Ach, sie hatte dasselbe gesehen; sie besann sich so deutlich in diesem Augenblick.

„Ja, ja!“ stammelte sie.

„Er soll sehr viel dergleichen Geschäfte machen, erzählte der Rechtsanwalt. Aber nun gute Nacht, mein Herzchen; willst Du Bescheid senden, oder soll Jemand von uns morgen kommen?“

„Ich gebe Bescheid,“ antwortete Trudchen. Sie hatte die Schwester nicht hinaus begleitet, sie stand noch immer dort, den Kopf auf die Brust gesenkt, die Arme schlaff hernieder hängend. Das Gespräch mit Jenny hatte einen Abgrund vor ihren Augen eröffnet, sie wußte auf einmal nicht mehr, was beginnen. Nur das Eine war ihr klar, bei ihm bleiben konnte sie nicht; ein gleichgültiges Nebeneinander würde sie nie ertragen und – ein herzliches Zusammenleben würde nie wieder möglich sein. „Niemals,“ sagte sie laut und fest, „niemals!“

Sie hörte jetzt nebenan seine Schritte; dann gingen diese Schritte wieder hinaus und nach einer Weile hörte sie dieselben auf dem Kies des Gartens, dann entfernten sie sich. Sie war so müde, und es war so kühl und sie konnte sich gar nicht besinnen, daß es jemals anders gewesen, daß es eine Zeit gegeben, gestern noch, wo sie glücklich war; sie kam sich so verachtet vor.

Sie hielt das unselige Brieffragment in der Hand, es brannte wie glühende Kohle. Sie kannte ein ältliches Mädchen, die Tochter einer armen Beamtenfamilie, verbittert und mürrisch. Dreizehn Jahre war sie mit einem mittellosen Referendar verlobt gewesen, und schließlich sahen sie doch ein, daß sie mit Nichts keinen Hausstand gründen konnten. Sie blieb einsam, von Allen bedauert, die ihr trauriges Geschick kannten.

Ach, wenn sie hätte mit jener tauschen können, die doch geliebt worden um ihrer selbst willen! Und wenn sie das auch überwand, daß er sie nicht aus Liebe gewählt, die Lüge, die Heuchelei – nie, nie. Das Vertrauen war dahin.

Ohne recht zu wissen, was sie that, war sie in den Korridor getreten und empfand die kühlere Luft wie eine Wohlthat. Rasch ging sie die Treppe hinab und in den Garten. Aus der Küche schallte Lachen und Flüstern, der Gärtner trieb dort Unsinn mit den Mädchen; das Auge der Herrin fehlte.

[456] Im Gartensaal brannte kein Licht, nur hinter Tante Rosa’s Fenstern war es heute ungewöhnlich hell und ein Schatten glitt jugendlich lebhaft über die weißen Vorhänge. Das mußte die junge Nichte sein.

Trudchen schritt weiter über die Kieswege des Gartens, die Nachtigallen schlugen und aus der Verwalterstube scholl Gesang. Eine tiefe sympathische Männerstimme und eine traurige Melodie.

Tiefer und tiefer ging sie in den duftenden Garten. Dann schrie sie auf:

„Franz!“ Sie stand plötzlich vor ihm an der Biegung eines Weges.

„Gertrud!“ erwiderte er und wollte ihre Hand fassen.

„Laß!“ wehrte sie. „Ich suchte Dich nicht, aber da wir uns getroffen, will ich Dich um etwas bitten.“ Sie griff, nach Halt suchend, mit der schmalen Hand in das Geranke eines Fliederstrauches.

„Gern, Trudchen,“ sagte er weich; „verzeihe mir nur meine Heftigkeit, der Zorn packte mich hinterrücks. Ich verspreche Dir, es soll nicht wieder geschehen.“

Er schwieg und wartete auf den Ausspruch ihrer Bitte. Eine Weile blieb es stumm zwischen ihnen, dann sprach sie langsamer, fast unverständlich in ihrer furchtbaren Aufregung: „Gieb mir meine Freiheit wieder – es ist doch nicht mehr möglich so –“

„Ich habe Dich nicht verstanden,“ sagte er kühl, „wie meinst Du?“

„Ich lasse Dir Alles, Alles – nur gieb mich frei! Wir können nicht mehr zusammen bleiben, begreifst Du das nicht?“ rief sie außer sich.

„Sprich leise!“ herrschte er sie an und trat zornig mit dem Fuße auf.

„Sage Ja!“ bat die junge Frau mit einer vom Herzklopfen fast erstickten Stimme.

„Ich sage Nein!“ klang es zurück. „Bitte, nimm meinen Arm und komm!“

„Ich will nicht! Ich will nicht!“ rief sie und riß ihre Hand los, die er ergriffen, um sie in seinen Arm zu legen.

„Du bist in höchster Aufregung heute Abend, Du kommst jetzt mit mir in das Haus, bitte; morgen werden wir weiter sprechen, und Du kannst mir dann am hellen Tage die Gründe sagen, die unser Zusammenbleiben unmöglich machen.“

„Gleich, wenn Du willst, gleich!“ stieß sie athemlos hervor, „weil uns nur Zweierlei fehlt, zwei ganze Kleinigkeiten nur – das Vertrauen und die Achtung! Von Liebe will ich ja gar nicht mehr reden. Du bist nicht wahr gegen mich gewesen, Franz, Du hast mich hintergangen und hast mein Vertrauen verloren. Laß mich, ich bitte Dich um Gotteswillen – laß mich!“

Und als er nicht antwortete, sprach sie weiter, und die Worte überstürzten sich fast: „Ich weiß ja, daß ich kein Recht vor dem Gesetz habe; über eine Frau, die ihre Freiheit wieder verlangt und keine andern Gründe anführt, als daß sie einmal belogen wurde, lächelt man höchstens. Ich komme deßhalb als Bittende; sei so ehrenhaft, laß mich ziehen, ich kann es nicht ertragen neben Dir zu leben im Mißtrauen und – und –“

„Komm, Trudchen,“ sagte er jetzt weich; „Du bist krank. Komm nur erst in das Haus und wiederhole mir das im Zimmer noch einmal; komm!“

„Krank – ja! Ich wollt’, ich könnte sterben,“ flüsterte sie. Dann ward sie plötzlich ruhig und ging neben ihm her in das Haus. Er öffnete sein Zimmer, sie trat auch hinein, aber sie schritt rasch hindurch in das ihrige und warf sich auf ihre Chaiselongue, zog die weiche Decke über sich und schloß die Augen. Franz stand rathlos vor ihr.

„Ich werde Dir Thee machen lassen,“ sagte freundlich der junge Mann.

Sie sah unsagbar elend aus, wie sie so dalag und die langen Wimpern gleich schwarzen Schatten auf ihre bleichen Wangen fielen. Sie mußte furchtbar gelitten haben.

„Gehe zu Bette, Trudchen,“ bat er ängstlich, „es wird Dir besser werden, und morgen reden wir zusammen.“

„Ich bleibe hier,“ erwiderte sie fest und wandte den Kopf nach der andern Seite.

Da riß ihm die Geduld. „Zum Henker mit Deiner albernen Störrigkeit!“ rief er zornig. „Meinst Du, ein dummer Junge stehe vor Dir? Ich werde Dir zeigen, wie man trotzige Kinder erzieht!“

Er wandte sich um, und die Thür hinter sich zuschmetternd, ging er hinaus.

(Fortsetzung folgt.)




Antigone.

Von jeher nur durch Schmerz erstritten,
      Gewann das Menschenherz sein Recht,
Und Opfer haben stets dafür gelitten,
Indeß die Selbstsucht sich des Siegs erfrecht.
Graunvolle Nacht, als über die Gesetze,
      Die in die Brust gegraben sind,
Daß sie kein Wahn, kein roher Hohn verletze,
Gewalt entschied und Willkür taub und blind!

Da hat, die Sophokles gepriesen,
      Unsterblichen Gesanges werth,
Antigone zuerst den Muth bewiesen,
Der wunderbar ein zartes Herz bewehrt,
Den Muth, der das in sich für gut Erkannte
      Unbeugsam auch vollbringt und kalt
Dem Tode trotzt, denn eine Gottgesandte,
Die Liebe, lebt in ihm mit Allgewalt.

Von ihren Armen lag umwunden
      Des Bruders Leiche – „Du, so blaß,
O,“ rief sie, „theures Haupt, entstellt von Wunden,
Noch mehr entstellt von Aller Fluch und Haß,
Mit diesen Händen will ich dich bestatten,
      Kein Herrscherwort halt’ mich zurück,
Auf dieser Flur und unter diesen Schatten,
Wo wir gespielt in holdem Kindesglück!“

So, Heldin, trotz dem Machtgebote,
      Das jede Menschlichkeit zertrat,
Empfing durch dich sein Ehrengrab der Todte,
Und ruhig dann gestandest du dir That;
Der Schwesterliebe Bild und Offenbarung
      Erhobest du dich, todgeweiht,
Und legtest gegen jenen Spruch Verwahrung
Und gegen Unrecht ein für alle Zeit. –

Die Höhle gähnt, dich einzuschließen
      Noch lebend in den Grabesschoß,
Die Erde sieht, wie deine Thränen fließen
Um dein und mehr noch um des Bruders Los;
Ein Sturmwind donnert in den Fichtenhainen
      Und zu der Burg des Kreon schwebt
Beflügelt das Verhängniß, all die Seinen
Erwürgt es, er nur und sein Vorwurf lebt. – –

Das Haus des Kreon ist gefallen,
      Es liegt das Land wie Asche fahl,
Klaglieder tönen durch die öden Hallen,
Und träger Rauch steigt auf vom Leichenmahl.
Nur eine Lichtgestalt dort an dem Rande
      Der Felsen ragt, sie wankte nicht;
Rag’ stets in deinem edlen Widerstande,
Antigone, Heroin, Weltgedicht!

 Hermann Lingg.




[457]

Antigone an der Leiche des Polynikes.
Nach dem Oelgemälde von Edmund Kanoldt.

[458]

Plaudereien über Romandichtung.

Von Rudolf von Gottschall.
2.0 Die Lebenswirklichkeit im Roman.

Verschieden nach den Gattungen der Poesie ist die Spiegelung des äußern Lebens. Der lyrische Dichter schafft aus seinem Gemüthe heraus; die äußern Bilder werfen ihren Widerschein in dasselbe wie in einen tiefen See; aber die Wunder der Tiefe sind bedeutsamer als diese Spiegelbilder. Der Dramatiker hat zum eigentlichen Gegenstand den menschlichen Willen, der sich in Thaten umsetzt, den Affekt und die Leidenschaft des Handelnden, die Empfindung des Leidenden, über den ein selbstgeschaffenes oder von andern verhängtes Schicksal hereinbricht; die äußere Welt hat für ihn nur eine dekorative Bedeutung. Der epische Dichter erst gönnt den Dingen außer uns ihr volles Recht, und wenn im Epos selbst die Vornehmheit des dichterischen Stils der ins Breite gehenden Beschreibung noch eine Beschränkung auferlegt, so fällt auch das beim Roman fort, dem sogenannten Epos der Gegenwart; hier in der bequemen und gefügigen Prosa kann alles geschildert werden, was zwischen Himmel und Erde ist: der Roman hat a dieselbe Ausdrucksform wie das Lehrbuch und der Katalog; in seine Prosa läßt sich alles aufnehmen, die Doktrin und die Debatte, die eingehendste Specialbeschreibung der äußern Dinge bis in das Detail, das die Naturforschung und die Technik mit ihren Kunstausdrücken ihren Jüngern zu erschließen sucht. Der Roman ist wie das hundertthorige Theben, und durch alle seine Thore kann die schrankenlose Lebenswirklichkeit einziehen mit Sack und Pack, wenn keine ästhetische Zollrevision stattfindet.

Gewiß soll der Roman ein Kulturgemälde der dargestellten Vergangenheit oder Gegenwart liefern; er kann dabei ins Breite gehen, eine Menge bezeichnender Bilder in sich aufnehmen; schon der alte Homer hat uns den Schild des Achilles eingehend beschrieben; aber es kam ihm dabei nicht auf die Schmiedearbeit des Hephästos an, sondern auf die an einander gereihten Bilder, die uns noch heute in schöner Ergänzung ein Kulturgemälde der damaligen Zeil entrollen. Reichthum der Bilder und Anschaulichkeit der Darstellung mögen Hand in Hand gehen: aber nie soll sich die letztere dazu hergeben, ein todtes Register der Dinge, einen Katalog zusammenzustellen, nie dem gerichtlichen Inventar oder der kaufmännischen Anzeige in die Hände arbeiten; denn mit solcher Häufung des Bedeutungslosen wird das Bild für die Phantasie zerstört und es beginnt der todte Verstandes- und Gedächtnißkram, der nicht in die Dichtung gehört, auch nicht in die Halbdichtung, als welche Vielen der Roman erscheint.

Schlagende Beispiele für diese Ueberwucherung mit dem werthlosesten Detail der Schilderung bieten die gepriesensten neufranzösischen Romane. In seinem „Numa Roumestan“ giebt Alphonse Daudet die Schilderung einer Südfruchthandlung; statt das Bild derselben durch einige hervorstechende Züge unserer Phantasie einzuprägen, giebt er ein seitenlanges Verzeichniß der hier aufgespeicherten Schätze. Man mag dem begeisterten Südländer die Erinnerung an die Fruchtgärten seiner Heimath zugute halten; aber dem Romandichter kann man diese Abschweifung in die Pomologie oder die kaufmännischen Waarenbücher nicht verzeihen. Emile Zola schildert in seinem Roman „Au bonheur des dames“ einen kaufmännischen Riesenbazar, ein Weißwaarengeschäft in allen Stoffen; wenn er die großen Ausstellungen beschreibt, so nimmt seine Muse einen gewissen begeisterten Flug und die phantasievolle Gruppirung und Beleuchtung ist nicht ohne dichterischen Reiz; daneben finden sich aber Kapitel, an denen die nüchternste Aufzählung der einzelnen Waaren, die trockenste Rubricirung des Waarenlagers in allen seinen Abtheilungen in monotoner Wiederkehr den geduldigsten Leser zur Verzweiflung bringt, wenn er nicht selbst in dieser Geschäftsbranche arbeitet und an ihr ein besonderes Interesse nimmt. Am meisten berechtigt ist diese Schilderung der äußern Welt, wenn dabei Lichtstrahlen aus dem Gemüthe auf dieselbe fallen: so wenn Zola gegen den Schluß seines Romans hin den Chef des großen Etablissements durch alle Räume wandern läßt, unbefriedigt durch den Glanz und die Fülle, die er in allen findet, weil ihm überall der Name der Geliebten in die Ohren klingt, die trotz dieses Reichthums ihm ihre Gunst versagt.

Ein solcher Mißbrauch wird auch mit architektonischen Schilderungen getrieben, die uns den Aufriß der Gebäude mit der Genauigkeit eines um einen Preis sich bewerbenden Baumeisters wiedergeben. Heinrich Laube führt in seiner „Gräfin Châteaubriand“ uns den Bau der französischen Lustschlösser mit der Passion eines Architekten auf; er ergeht sich in einer Dekorationsmalerei, wie ein dramatischer Dichter, der mit der Peinlichkeit eines Regisseurs die Scene arrangirt. Ebenso läßt Emil Brachvogel in seinen Romanen oft das feine Gefühl für den Unterschied des Topographischen und Poetischen vermissen. Die Neubauten des großen Gebäudes Au bonheur des dames, die allmählich das ganze Stadtviertel in Anspruch nehmen, schildert Zola mit einer die Phantasie verwirrenden Ausführlichkeit. Wir wollen aber keine selbständigen Baurisse in der Poesie, die fortschreitende Handlung soll sich von selbst den erweiterten Schauplatz erobern oder eine poetische Stimmung die Lokalität der Phantasie einprägen.

Auch das Treiben der Menschen in den verschiedensten Gewerben, in jener durch die moderne Civilisation so ins Feinste und Kleinste ausgearbeiteten Thätigkeit, die mit Hilfe der mannigfachsten technischen Werkzeuge schafft, hat eine äußerliche Seite. Doch auch hier ist ein „zuviel“ vom Uebel.

Schon in Freytag’s „Soll und Haben“ wird uns der Verkehr in einer Materialwaarenhandlung und diese Waaren selbst bisweilen zu eingehend geschildert; doch sind der Darstellung stets humorifsische Lichter aufgesetzt, und das läßt sie nirgends ungenießbar erscheinen. Weit trockener sind die Auseinandersetzungen über die Technik des Dachdeckergewerbes in Otto Ludwig’s „Zwischen Himmel und Erde“ und die Abschnitte über Forstkultur in Auerbach’s „Waldfried“. Wenn uns Zola in seinem vorhin erwähnten Romane die Eintheilung des großen Bazars, die Obliegenheiten der verschiedenen Angestellten, das ganze Treiben in Küche und Speisesaal schildert, so ist das Alles bare Prosa, ohne jede dichterische Beleuchtung; es könnte in jeder Beschreibung dieses Etablissements, die keinen andern Zweck hat, als die Leser von seinen Einrichtungen zu unterrichten, ebenso gut seine Stelle finden. In Zola’s „Germinal“ erfährt man aufs Genaueste, wie es in einem Kohlenbergwerke hergeht; der Autor verwerthet auch hier eine Reihe gesammelter Kenntnisse: gleichwohl herrscht hier im Ganzen mehr Stimmung; wie ein dichter Kohlenstaub liegt’s auf allen Bildern; das Aschgraue und Freudlose dieser Existenz unter der Erde wie auf ihr in diesen vegetationslosen, von der industriellen Arbeit geschwärzten und versengten Gegenden tritt in einem düstern, ergreifenden Kolorit vor uns hin.

Wie aber soll es mit der Darstellung der Menschen, die im Romane eine Rolle spielen, gehalten werden, soweit es ihre äußere Erscheinung betrifft? Gewiß wollen wir ein lebendiges Bild von ihnen erhalten; aber nicht der Dichter giebt es uns, der uns ihre Physiognomie Zug für Zug, ihre Gestalt mit der Genauigkeit eines Steckbriefes schildert, sondern der im Verlaufe der Handlung bald hier bald dort einen frappanten Zug aufleuchten läßt, aus dem unsere Phantasie selbstschöpferisch das Gesammtbild gestaltet. Wir wollen nicht das todte Gesicht sehen, sondern das wechselnde Mienenspiel, welches uns die Züge zeigt, indem es sie belebt. Das Alles hat schon Lessing in seinem „Laokoon“ ein- für allemal, wo er den Unterschied zwischen Malerei und Poesie schildert, festgestellt und mit gewohnter Prägnanz ausgesprochen. Und doch wird dagegen fortwährend gesündigt: wir erhalten Personalbeschreibungen, welche die Gesichter gewissenhaft Zug für Zug nach den Rubriken der Physiognomik schildern, sodaß wir, wenn wir beim Kinn angekommen sind, schon vergessen haben, wie die Stirn aussieht.

Aehnlich ergeht es mit den Kostümbildern, die uns oft so ausführlich vorgezeichnet, so sauber kolorirt werden, als handle es sich um die Figurinen für einen Theaterschneider. Leider ist ein so großer Dichter wie Walter Scott hierin mit seinem bedenklichen Vorbilde vorangegangen; seine archäologische Liebhaberei hat ihn dazu verführt, und unsere neueren Archäologen, die sich auf die Romandichtung werfen, zögern nicht, hierin seinem Beispiele zu folgen. Wer daher glaubt, er brauche im Romane das Leben blos abzuschreiben, der wird schwerlich die gewünschten Wirkungen erzielen, sondern nur Langeweile, ein Gefühl des Unbehagens und der Nüchternheit hervorrufen. Die Welt mit des Dichters Aug’ zu [459] sehen, mag dasselbe auch nicht im schönen Wahnsinn rollen: das ist auch Gesetz für den Romanschriftsteller, wenn er sich nicht in einen trockenen Berichterstatter und Lokalreferenten verwandeln will.

Das Abschreiben der Lebenswirklichkeit hat aber auch nach anderer Seite hin seine Bedenken: es geschehen mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als die Muse zu erfahren oder zu berichten braucht, ja es giebt Mancherlei, wovon sie ihr Gesicht abzuwenden zugleich das Recht und die Pflicht hat. Das wird neuerdings hartnäckig geleugnet; die neuen Stürmer und Dränger wollen mit ihrer Muse dnrch Dick und Dünn gehen und setzen sich gegen das erbärmliche Philisterthum zur Wehr, welches verlangt, daß gewisse Grenzen respektirt werden, Schranken der Wohlanständigkeit und des guten Geschmacks. Von Frankreich herüber tönt das Evangelium, welches ein neues Weltalter der Poesie verkündigt, welche sich den Schlaf von Jahrtausenden aus den Augen reibt und endlich einmal die Dinge sieht wie sie sind und schildert wie sie sind, und zwar nicht Das oder Jenes, sondern alle Lebensäußerungen der Kreatur rückhaltlos ohne irgend ein Scheuleder der Aesthetik und der Moral.

Ein deutscher Philosoph, Karl Rosenkranz, hat in seiner „Aesthetik des Häßlichen“ sehr feine Grenzen für das Erlaubte in der dichterischen Schilderung gegeben und zwar ohne die geringste Engherzigkeit; er hat freilich das Rohe, Niedrige und Gemeine nicht mit einem passe-partout für alle poetischen Gattungen versehen. Gewiß, auch der Cynismus hat sein Recht, aber nur als vorüberleuchtender mephistophelischer Schwefelblitz, nicht in breiter Ausführung und bei selbstgefälligem Verweilen; der Humor, der gleich dem Regenbogen vom Schmutze der Erde die Leiter zum Himmel baut, kann Alles adeln, was er gleichsam wie mit leuchtenden Fingern betupft.

Doch eine trockene humorlose Darstellung des Widerwärtigen, Gemeinen, überhaupt aller Naturprocesse, denen der Mensch unterworfen ist, muß geradezu abstoßend wirken. Hierzu gehören auch Krankheitsbilder, die mit einer pathologischen Genauigkeit ausgeführt sind. In seinem Romane „La joie de vivre“ führt uns Zola aus einer Klinik in die andere; es fehlt nicht das geburtshilfliche und nicht das Thierlazareth; schon in seinem „Pot-Bouille“ hat er mit einer geradezu empörenden Detailmalerei die Leiden einer sich selbst entbindenden Gebärerin geschildert. Die Vorliebe für den Schmutz ist ein Kennzeichen dieses Autors; doch auch davon abgesehen, gehören seitenlange Krankheitsbeschreibungen in ein Lehrbuch der Heilkunde, nicht in einen Roman. Die Geschichte eines kranken und sterbenden Hundes wird uns von Zola mit einer Ausführlichkeit erzählt, wie von Daudet diejenige des kranken und sterbenden Herzogs von Morny: zwischen Mensch und Thier giebt es für diese Schule keinen Unterschied; alle Theologie ist Anthropologie, sagte ein deutscher Denker; alle Anthropologie ist Zoologie, sagen die Franzosen der neuesten Aera.

Am wichtigsten wird die Frage, ob der Roman der Lebenswirklichkeit schrankenlos huldigen müsse, bei der Darstellung der Liebe der Geschlechter. Von allen Dichtgattungen bietet der Roman die größte Möglichkeit, nicht blos die Leidenschaft des Herzens, sondern auch die der Sinne mit einem die ganze Farbenskala erschöpfenden Reichthum des Kolorits zu schildern, und er hat zu allen Zeiten sich diesen Vorsprung vor den anderen Dichtgattungen zu nutze gemacht. Erotische Romane hat’s immer gegeben und auch in Romanen mit anderem Hauptinhalt ist den oft sinnlich gehaltenen Liebesscenen ein breiter Raum gegönnt worden. Unsere Klassiker, Goethe sowohl wie Wieland, haben sich hierin keine Beschränkung auferlegt und selbst in Jean Paul’s Romanen finden sich derartige Situationen. In dem dichterischen Kunstwerke haben sie ihr gutes Recht: nur dort werden sie unberechtigt und haltlos vor dem Richterstuhle der Aesthetik, wo sie als Selbstzweck auftreten, mit der unverkennbaren Tendenz, sinnlich erregend zu wirken, oder wo das Gemeine der Gesinnnng und der Schilderung überwiegt. Der Roman als selbständiges Dichtwerk, als Buch für sich kann nur nach diesem Maßstabe beurtheilt werden; erscheint er aber in Journalen, in Wochen- und Tageblättern, so ist durch die Art dieser Veröffentlichung und durch die Rücksicht auf die Zusammensetzung des Publikums, dem er geboten wird, doch noch manche Beschränkung unabwendbar, selbst wenn man ein für allemal jede falsche Prüderie ausschließt, die hier und dort ein zu engherziges Scepter führt. Der Hinweis auf Frankreich ist dabei ganz unzulässig: denn die französische Pädagogik innerhalb der Familie ist eine gänzlich andere als in Deutschland.

Niemals werden dort die Töchter des Hauses in die Theater geführt, wenn die gefeiertsten demi-monde- und Ehebruchskomödien gegeben werden; ja selbst die compte-rendus über den Inhalt derselben in den Feuilletons der Zeitungen werden ihnen von den Eltern gewissenhaft unterschlagen. Bei uns sitzen die abonnirten Töchter neben den abonnirten Müttern im Theater, mag noch soviel französischer Skandal sich auf den weltbedeutenden Brettern breit machen. Und ähnlich verhält es sich mit den Blättern und Journalen: eine Familiencensur giebt es bei uns nicht; gerade dieser Mangel drückt oft unseren Redaktionen den Rothstift in die Hand: diese Freigeisterei unserer Erziehung lastet auf der freien Inspiration unserer Romandichtuug, die dadurch znm Theil auf ein niedriges Niveau herabgedrückt wird. Mindestens tritt jenes Dilemma ein, das wir als die Aeußerung eines Weltmannes in dem Werke „L’Allemagne de Mons. Bismarck“ mit den Worten ausgedrückt finden: „ich verlange nicht, daß die Backfische lesen dürfen, was mir gefällt; aber man soll auch von mir nicht verlangen, daß ich lese, was den Backfischen gefällt“.

Nicht blos gegen diese nothgedrungene Censur deutscher Familienblätter, sondern auch gegen jene Gebote der Aesthetik richtet sich der Ansturm der Fanatiker, die aus dem Heereslager der Zola und Genossen kamen; denn wo einmal in Frankreich die Wirbeltrommel gerührt wird, da fehlt es in Deutschland nicht an einer zuströmenden Menge. Leider hat Zola bei uns eine schon ziemlich zahlreiche Schule gefunden: es sind die Unsittlichkeits-Enthusiasten, die Fanatiker der Zote oder mindestens die Apostel eines Realismus, in dessen Hochpotenzen sie die Radikalkur für alle ästhetischen Leiden des Jahrhunderts erblicken. Ohne Frage setzt Zola einen Trumpf darauf, in seinen Romanen mit großem Behagen alles vorzubriugeu und zu betonen, wovon man sich in anständiger Gesellschaft zu sprechen scheut. Hierin mehr als in seiner markigen Darstellungsweise wird er von den deutschen Jüngern nachgeahmt. Die Abenteuer der Bonnen in „Pot-Bouille“, der Verkäuferinnen in „Au bonheur des dames“, der Strandbewohner in „La joie de vivre“, der Arbeiter und Arbeiterinnen des Kohlenbergwerks in „Germinal“ werden mit einer trotzigen Rücksichtslosigkeit erzählt – und auf diesem mit sittenlosen Reliefs geschmückten Piedestal der Zola’schen Muse erhebt sich die plastische Gestalt der üppigen Nana, um welche die Orgie des neuesten Pariser Lebens dahinbraust.

Das alles wird in Deutschland gepriesen, das gilt für schöne Naturwahrheit und Lebenswirklichkeit: dagegen wird die Fahne idealistischer Dichtung mit Hohngelächter in den Staub getreten; ja man geht so weit, hinter maßvoller Darstellung der Liebe „versteckte Sinnlichkeit“ zu suchen. Niemand hat sich wohl träumen lassen, daß die „Gartenlaube“ seit Jahrzehnten nichts Anderes gewesen als ein großes „Gastmahl der Borgia“. Niemand hätte einen so maßlosen und unberechtigten Angriff für möglich gehalten, wie er jüngst gegen die Marlitt gerichtet wurde. Ôte-toi que je m’y mette ist die Losung – doch wohl schwerlich würde irgend Jemand ein Glück darin sehen, wenn an Stelle der Marlitt’schen Romane die novellistischen Kraftstücke jener Zola-Anbeter träten. Die Marlitt ist eine unserer besten Erzählerinnen; ja in Bezug auf angeborne Gabe des Fabulirens und lebendiger Schilderung braucht sie keinen Vergleich zu scheuen. Davon hat sie auch in ihrem neuesten Werke Proben gegeben: die Erzählung, wie Gretchen sich auf das Gut des Großvaters flüchtet, ist ein kleines Kabinettstück lebensvoller Darstellung. Sie weiß die Leser in Spannung zu versetzen, und daß sie gerade nicht alles Sinnliche verbannt, sondern dasselbe mit Maß verwerthet, gehört zu ihren Vorzügen. Niemand wird so thöricht sein, sie mit Schiller und Goethe vergleichen zu wollen: nur das hat sie mit ihnen gemein, daß der Werth der einzelnen Werke ein ungleicher ist.

Trotz des seltsamen Angriffs, den der sich absurd geberdende Most der jüngeren Kritik zu Tage gefördert hat, wird Niemand die Marlitt für eine Vergifterin des guten Geschmackes und der guten Sitten halten, wie man auch sonst über ihre schriftstellerischen Leistungen denken mag. Das Maß der Lebenswirklichkeit, das sie in ihren Romanen bietet, ist das richtige. Jene Angriffe werden als Misch- und Mißgeburten einer anf Abwege gerathenen kritischen Phantasie in Spiritus aufbewahrt bleiben unter den andern tragikomischen Naturspielen des litterargeschichtlichen Museums.


[460]

Spanische Cholera-Impfung.

Gleichzeitig mit den ersten Alarmnachrichten über das Umsichgreifen der Cholera in Spanien drang von der iberischen Halbinsel zu uns die Kunde, daß es einem Arzte in Valencia gelungen sei, ein Mittel zu finden, welches die Menschen vor Cholera-Ansteckung schütze. Dr. Ferran, so berichten die Zeitungen, hat aus dem Kommabacillus eine Lymphe hergestellt, die, dem Menschen eingeimpft, gegen Cholera in ähnlicher Weise wirkt, wie die Schutzpockenimpfung gegen Blattern. Diese Nachricht hat viel Staub aufgewirbelt; die Angelegenheit wurde selbst im spanischen Parlamente verhandelt; das Volk theilte sich, wie immer, in zwei feindliche Lager; die Einen priesen die neue Errungenschaft und verlangten womöglich, daß sie überall in den bedrohten Provinzen eingeführt werde, die Anderen dagegen witterten in dem Vorgehen des Valencianer Arztes große Gefahren für die allgemeine Gesundheit, ja befürchteten geradezu eine noch größere Verbreitung der Seuche durch die noch nicht erprobte Impfung. Die Männer der Wissenschaft, die gelehrten medicinischen Akademien und Gesellschaften, auf deren Urtheil man mit Spannung wartete, hüllten sich indessen in geheimnißvolles Schweigen, aus dem man folgern durfte, daß die Ferran’sche Entdeckung ihre schwerwiegenden Mängel haben müsse.

So sah sich die spanische Regierung, nachdem Tausende bereits geimpft worden, veranlaßt, die weiteren Impfungen eine Zeitlang zu verbieten, und setzte eine wissenschaftliche Kommission ein, welche jedoch ein endgiltiges Urtheil über den Werth der neuen Entdeckung bis jetzt nicht abgeben konnte. Inzwischen glaubte der spanische Arzt für sich selbst etwas thun zu müssen und wandte sich brieflich an den Pariser Gelehrten L. Pasteur mit der Bitte, sich der verfolgten Impfung anzunehmen. In diesem Briefe, den die französischen Zeitungen veröffentlicht haben, nennt er in getragener Rede seine Entdeckung „nur einen kleinen Ring“, der sich von der „großen Nebelmasse“ Pasteur’scher Arbeiten losgelöst habe, und zollt seinem Herrn und Meister den schuldigen Tribut, indem er etwa Folgendes behauptet: „Es giebt zwei große Männer der Welt: Jesum Christum, der uns die seelische Erlösung gebracht, und Pasteur, der uns die Gesetze offenbart, nach welchen die leibliche Erlösung zu erlangen ist.“ Uns verstandeskühlen Menschen der nördlicheren Zone bleibt bei derartigen Ergüssen der Verstand ein wenig still stehen; doch wir müssen dieses ornamentale Beiwerk, mit welchem hier wissenschaftliche Berichte ausgeschmückt werden, mit in den Kauf nehmen, denn wir haben, um im Volksmunde zu reden, mit „romantischen“ Leuten zu thun. Ja, in Südwest-Europa hat man seit Jahren die Lehre von den Bacillen und Bakterien und die von allerlei neuem Impfen geflissentlich für ein Werk romanischen Geistes ausgegeben und sich lange gesträubt gegen die Anerkennung der epochemachenden Entdeckungen Koch’s, welche die untrügliche Marke germanischen Ursprungs trugen.

Es liegt uns aber fern, Gleiches mit Gleichem vergelten und die Verdienste französischer Forscher schmälern zu wollen. Auch ihre Arbeiten dürfen als epochemachend bezeichnet werden und bilden gewiß den Ausgangspunkt segensreicher Forschungen, auf die unsere Zeit mit Stolz zurückblicken wird. Nur muß man die bis jetzt errungenen Resultate mit nüchternem Blick betrachten und alle Schwärmerei und Phantastik hübsch bei Seite lassen.

In diesem Sinne wollen wir auch, um die Ferran’sche Schutzimpfung gegen Cholera würdigen zu können, den Theil der „großen Nebelmasse“ Pasteur’scher Arbeiten näher betrachten, von dem sich jener „kleine Ring“ losgelöst hat.

Eine Krankheit, deren Name an die asiatische Cholera erinnert, die aber sonst zu der gefürchteten Geißel der Völker in keiner Verwandtschaft steht, bildet den Ausgangspunkt unserer Betrachtung. Sie heißt „die Cholera der Hühner“ (cholera des poules) und decimirt nur das Federvieh in Stadt und Land. Für den Landwirth bildet sie eine Quelle großer Verluste und wurde darum von den Thierärzten genau studirt. Gegen Ende der siebziger Jahre fand Toussaint, daß diese Krankheit dnrch einen winzigen mikroskopischen Organismus (Mikroben) verursacht werde. Diesen Mikroben untersuchte Pasteur genauer, züchtete ihn in Bouillon aus Hühnerfleisch und impfte ihn Hühnern ein, die dann stets unter allen Symptomen der Hühnercholera zu Grunde gingen. Bei diesen Versuchen machte er die überraschende Entdeckung, daß diejenigen Mikroben, die der Einwirkung der atmosphärischen Luft oder richtiger gesagt des Sauerstoffs ausgesetzt waren, von Generation zu Generation ihre ansteckende und vergiftende Kraft verloren, so daß Hühner, die mit solchen „geschwächten Mikroben“ geimpft wurden, nur leicht erkrankten und sich von diesem leichten Anfall der Hühnercholera bald erholten. Impfte man nun die wieder genesenen Thiere mit frischem nicht geschwächtem Ansteckungsstoff, so erwies sich derselbe machtlos; die Hühner erkrankten nicht: sie hatten ihre Ansteckungsfähigkeit gegen die sonst tödlich wirkende Krankheit verloren. So wurde experimentell eine neue Art von Schutzimpfung festgestellt.

Die Folgen dieser im Jahre 1880 publicirten Entdeckung waren leicht vorauszusehen. Man spürte nach Mikroben bei allen möglichen ansteckenden Krankheiten, und wo solche schon früher gefunden waren oder erst neu entdeckt wurden, da suchte man aus ihnen „geschwächten Ansteckungsstoff“, wie der technische Ausdruck lautet, zu fabriciren. Man fand verschiedene Mittel, mit welchen die winzigen Organismen in ihren krankheiterregenden und todbringenden Eigenschaften geschwächt werden konnten; man fand, daß dies bald durch den Sauerstoff, bald durch erhöhte Temperatur bewirkt werden konnte, und schritt zuletzt zu dem Versuch, dieses Ziel dadurch zu erreichen, daß man die Mikroben von einer Thiergattung auf eine andere überimpfte. Namentlich durch die letzteren Impfversuche gelangte man zu recht überraschenden Resultaten.

Die Mikroben verhalten sich gar sonderbar den verschiedenen Thiergattungen gegenüber. Da haben wir z. B. einen kleinen Parasiten vor uns, der den Typhus oder den Rothlauf der Schweine verursacht. Impft man ihn in den Brustmuskel einer Taube ein, so stirbt dieselbe unter charakteristischen Krankheitssymptomen in sechs bis acht Tagen. Wird nun das Blut dieser Taube einer zweiten Taube eingeimpft, das Blut der letzteren einer dritten etc., so tritt der Tod viel schneller ein. Schließlich erweist sich das Blut der letzten Tauben selbst für das Schwein viel giftiger, als der stärkste natürliche Ansteckungsstoff, den man Schweinen entnommen, die in gewöhnlicher Weise am Rothlauf erkrankten.

Die Uebertragung dieses Mikroben in das Blut der Kaninchen führt dagegen zu einem ganz andern Resultat. Die zuerst geimpften Kaninchen werden stets krank und gehen meist zu Grunde. Imfst man den Rothlauf ferner von Kaninchen auf Kaninchen, so wird derselbe in seinen schädlichen Eigenschaften für diese Thierart stärker und sämmtliche Impfungen haben den Tod zur Folge. Nimmt man aber das Blut der letzten Kaninchen und impft mit ihm wieder Schweine, so erkranken dieselben nur leicht und werden durch diese Impfung vor weiterer Ansteckung mit dem Rothlauf geschützt.

In ähnlicher Weise wird ferner der Parasit der Tollwuth nicht schwächer, wenn man ihn vom Hunde auf Kaninchen impft, im Gegentheil seine schädliche Wirkung wird durch fortgesetztes Impfen auf andere Kaninchen in hohem Grade verstärkt. Geschwächt wird er dagegen, wenn man ihn vom Hunde auf Affen überimpft, und zwar in dem Grade, daß er schließlich, auf Hunde zurückgeimpft, denselbcn nicht schadet, sie vielmehr für gewisse Zeit gegen die Tollwuth schützt. Allerdings gewinnt er seine früheren Eigenschaften allmählich wieder, wenn man den geschwächten Ansteckungsstoff wiederholt von einem Hunde auf einen anderen überimpft.

Alle diese Thatsachen sind ohne Zweifel für die Wissenschaft von hoher Bedeutung, aber sie sind noch lange nicht so erprobt, daß man auf Grund derselben wagen dürfte, zu ähnlichen Impfexperimenten beim Menschen zu schreiten. Selbst die eifrigsten Anhänger Pasteur’s haben dies bis jetzt wohlweislich unterlassen.

Dr. Ferran war der Erste, der mit, sagen wir, seltenem Muth diesen Schritt gethan. Er selbst ist mit seinen Ergebnissen sehr zufrieden und giebt uns eine Statistik zum Besten, die naturgemäß für ihn spricht. In Alcira, behauptet er, hat er 8794 Personen gegen die Cholera geimpft, sodaß nur 7206 Personen in dem Orte ungeimpft blieben. Viele ließen sich zweimal impfen, was nach Ferran’s Meinung durchaus nothwendig ist. Von denjenigen, die Ferran’s Hilfe nicht in Anspruch genommen hatten, erkrankten 118 und darunter 71 mit tödlichem Erfolg. Von den einmal Geimpften erkrankten nur 14 und darunter nur 3 mit tödlichem Erfolg, während von den zweimal Geimpften nur 8 erkrankten und alle genasen. Man wird wohl abwarten müssen, ob diese Statistik amtliche Bestätigung erhält. Jedenfalls ist sie das einzige bedeutungsvolle Beweisstück, das Ferran bis jetzt vorgebracht hat.

Ueber das Wichtigste an dieser Angelegenheit, über die von ihm präparirte Schutzlymphe drückt sich Ferran sehr unklar und ungenau aus. Er will bei dem Kommabacillus eine neue Entwickelungsform, die Koch entgangen ist, gefunden haben. Um diese Form zu erhalten, züchtet er die Bacillen in Bouillon aus Rindfleisch, die eine Zeitlang auf 37° Celsius erwärmt und dann wieder auf 15° bis 18° abgekühlt wird. Wenn der Kommabacillus den gewünschten Entwickelungsgrad – Dr. Ferran bezeichnet ihn nicht näher – erreicht hat, dann wird mit der Prawaz’schen Spritze eine kleine Menge der Bouillon unter die Haut in derselben Weise eingespritzt, wie man dies bei Morphiuminjektionen thut. In Folge dieser Einspritzung stellt sich bald bei dem Geimpften ein leichter Cholera-Anfall ein, der in der Regel in 24 Stunden vorübergeht. Er wird durch Frostgefühl eingeleitet, dem ein leichtes Fieber, Durchfall und Erbrechen folgen. Hierauf muß man sich nach den Erfahrungen des spanischen Arztes noch einer zweiten Impfung unterwerfen, die erst den gewünschten Schutz gegen die Ansteckung gewährt. Natürlich kann dieser Schutz nur ein vorübergehender sein, und darum empfiehlt Dr. Ferran, daß man sich während einer Cholera-Epidemie von Monat zu Monat wieder impfen lasse.

Bei seinen Landsleuten hat Dr. Ferran viele Gläubige gefunden, und das Vertrauen geht bei der Landbevölkerung soweit, daß man jeden Cholerakraukeu zunächst befragt, ob er sich habe impfen lassen. Ist dies der Fall, dann läßt man den Kranken liegen, da ja der Cholera-Anfall unter diesen Umständen einen leichten Verlauf nehmen muß. Ist aber der Kranke nicht geimpft, dann hält man ihn für verloren und schickt – nach dem Arzt? Nein, der kann ja auch nicht helfen. Man schickt einfach nach dem Geistlichen und Notar.

Aber nicht alle sind so leichtgläubig, und die ziemlich dürftige Beweisführung, die Dr. Ferran bis jetzt geboten hat, veranlaßte selbst den vergötterten Pasteur zu sehr zweifelhaften Aeußerungen über den Werth der spanischen Entdeckung. Kein Wunder darum, daß die ärztlichen Kreise Deutschlands vorläufig sehr zurückhaltend gegenüber den menschenfreundlichen Bestrebungen Ferran’s stehen. Die Wissenschaft kann nur mit klaren Beweisen und Thatsachen rechnen, und wo diese fehlen, dort beginnt das Reich der Hypothesen und Vermuthungen, aus dem für das praktische Leben nur selten ein greifbarer Nutzen, wohl aber oft großer Schaden entspringen kann. Valerius.     


[461]

Zwei deutsche Feldherren.

Der Abruf zur großen Armee ist an das deutsche Heer so mächtig ergangen, daß von den Führern in den drei letzten Feldzügen von 1864, 1866 und 1870 bis 1871 nur noch wenige auf ihrem Posten stehen. Von den neun Generalfeldmarschällen, welche in Folge des deutsch-französischen Kriegs ernannt worden waren, sind heute nur noch zwei: der Kronprinz und Moltke, übrig. Heimgegangen sind: Steinmetz (1877), Roon (1879), der Großherzog von Mecklenburg (1883), Herwarth von Bittenfeld (1884), Prinz August von Württemberg und nun auch Prinz Friedrich Karl und Manteuffel, die letzteren so hart hinter einander, daß jener in die Gruft gesenkt wurde, während man diesen auf die Bahre legte.

Es waren bange Augenblicke auf dem Potsdamer Bahnhofe in Berlin, als am Morgen des 15. Juni die Depeschen von und nach Klein-Glienicke, dem Jagdschlosse des Prinzen Friedrich Karl, liefen; Niemand glaubte daran, daß ein solcher Mann schon sterben könne, so ehern stand sein Reiterbild vor Aller Augen. Erst als um Mittag der Kronprinz selber, vom Sterbehaus kommend, in den Bahnhof einfuhr und, in sichtlich tiefer Erregung, bestätigte, daß Friedrich Karl todt sei, glaubte man an die schmerzliche Kunde.

Wahrhaft erhebend ist die Wahrnehmung, daß jetzt, nach dem so plötzlichen Hinscheiden des hochstehenden Mannes zu den Verherrlichungen, welche der kriegerischen Laufbahn des fürstlichen Reitergenerals gelten, viele bisher wohl nur in engsten Kreisen bekannte Züge aus dem Privatleben des Prinzen laut werden, die uns das Bild seines Lebens von der Kindheit an vormalen und die uns in die Arbeitsstube und in die landwirthschaftlichen Freuden einführen, Züge, durch welche uns der Mann, den wir uns bisher nur hoch zu Roß im Kriegsgetümmel denken konnten, nun auch menschlich näher gebracht wird.

  Prinz Friedrich Karl.   Karl Rochus Edwin Freiherr von Manteuffel.

Wie sehr uns diese neue Seite, die wir an dem Prinzen erst jetzt näher kennen lernten, erfreuen mag, immer bleibt unser höchster Stolz doch der Heerführer, der Held; und wenn wir mit Befriedigung darauf zurückblicken, daß die gesammte deutsche Presse in der Anerkennung dieses einen Mannes ausnahmslos übereinstimmt, ihn als den populärsten General unserer letzten drei Kriege preist, ihn neben Seydlitz und Zieten, Blücher und York stellt, so thut es uns doch besonders wohl, wenn auch Stimmen des Auslandes ein so begeistertes Urtheil über des Prinzen militärische Bedeutung aussprechen, wie dies Archibald Forbes gethan, der ausgezeichnete englische Kriegsberichterstatter über den Kampf der Deutschen in Frankreich. Dieser englische Autor sagt in den „Daily News“: „Wäre ich aufgefordert, den Prinzen Friedrich Karl in zwei Worten zu schildern, so würde ich ihn einen disciplinirten Donnerkeil nennen.“

Dieses kühne Bild erklärt Forbes ganz vortrefflich, indem er des Prinzen Antheil an den Schlachten von Mars la Tour und Gravelotte schildert. Am Morgen des 18. August hält derselbe einen Kriegsrath zu Pferd und im Freien ab: „Der Rothe Prinz ließ seine Hand auf den Schenkel niederfallen mit einem hörbaren Schlage; denn er hatte eine schwere Hand in jedem Sinne, dieser stämmige Mann mit den massiven bärtigen Kinnbacken, dem kräftigen großen Munde, grausam in seiner festen Entschlossenheit, wenn die Züge in Ruhe waren, mit den durchbohrenden Augen unter der gewölbten, mächtig breiten Stirn. Ein Mann das, in dem knappen rothen Waffenrock, sicherlich von der Natur in die Form gegossen, die für einen großen Heerführer bestimmt ist.“ So giebt uns Forbes des Prinzen Bild. Der Titel „Rother Prinz“ – in der Armee wie im Volksmunde seit Jahren gebräuchlich – bezieht sich auf die rothe Uniform der Zietenhusaren, welche der Prinz als Inhaber dieses Regimentes (Brandenburgisches Husaren-Regiment Nr. 3) mit Vorliebe trug.

Den Lesern der „Gartenlaube“ sind die glänzendsten Thaten des Heimgegangenen schon früher in Bild und Wort dargestellt worden, und kein Geringerer als der jüngst verstorbene Schlachtenmaler W. von Camphausen hat ein treffliches Reiterbild des Prinzen geliefert.[1] Für den französischen Krieg war Georg Horn Berichterstatter der „Gartenlaube“ im Hauptquartier des Prinzen Friedrich Karl; seine Berichte, 1870 und 1871 in 13 Briefen mitgetheilt, bildeten die Grundlage zu dem Werke „Bei Friedrich Karl. Bilder und Skizzen aus dem Feldzuge der zweiten Armee, von Georg Horn. 2 Bände. Leipzig, E. Keil“. (Ladenpreis 6 Mk.) Bei der großen Theilnahme, welche sich dem unvergeßlichen Feldherrn heute wieder zuwendet, ist es Pflicht, auf dieses inhaltreiche Buch, das den Helden und seine Thaten aus nächster Nähe darstellt, aufmerksam zu machen.

Wie Prinz Friedrich Karl seit dem 19. Juni in der Gruft seiner Eltern zu Nikolskoe, so ruht Generalfeldmarschall Karl Rochus Edwin Freiherr von Manteuffel seit dem 21. Juni an der Seite seiner Gemahlin, von uralten Eichen bewacht, im Friedhofe von Topper.

Manteuffel gehört zu denjenigen Männern der Gegenwart, über welche ein endgültiges Urtheil noch nicht abzuschließen ist. Sein äußeres Leben liegt allerdings recht offen vor uns da. Wir wissen: er ist am 24. Februar 1809 in Dresden geboren; seit 1827 Soldat, wurde er dienstlich zugleich zum Diplomaten erzogen und hat nach beiden Richtungen Anerkanntes geleistet, und zwar zuerst in Schleswig-Holstein 1864; 1865 übernahm er die Verwaltung von Schleswig und wußte 1866 Holstein ohne Blutvergießen von den österreichischen Bundestruppen zu befreien. Im Bürgerkriege führte er die Mainarmee zum Sieg und eilte dann als Diplomat nach Petersburg, um Rußland, das über Oesterreichs Niederlage schwerlich sehr böse war, für Preußens weitere Schritte in Deutschland freundlich zu erhalten. Dies war sogar für das Jahr 1870 [462] mit gelungen. Beim Ausbruch des deutsch-französischen Krieges finden wir Manteuffel zunächst als den Befehlshaber des ersten norddeutschen Armeekorps, und was er hier in den Kämpfen um Metz, dann im Norden Frankreichs und endlich vor Belfort geleistet, lebt noch frisch in unserer Erinnerung.

Nach dem Friedensschluß erhielt Manteuffel den Oberbefehl über die Okkupationsarmee, wiederum eine halb militärische, halb politische Stellung, deren Ausfüllung einen ganz besonders begabten Mann erforderte. Im Jahre 1876 sehen wir ihn abermals in diplomatischer Mission nach Rußland reisen. Zu der schwierigen und verantwortungsvollen Stellung des Statthalters der Reichslande wurde er vom Kaiser am 23. Juli 1879 berufen. In Karlsbad, wo er Heilung seiner Leiden suchte, ereilte ihn am 17. Juni unerwartet der Tod.

Selbst in so engem Rahmen bleibt die gedrängteste Skizze eines solchen Lebens noch großartig und ruft zum Weiterblättern in dem Buche eines solchen Schicksals auf, damit uns auch diejenigen Seiten desselben erhellt werden, welche bis jetzt noch dunkle Stellen zeigen. Wer den Artikel „Manteuffel und Falckenstein“ in den „Briefen eines Wissenden“ („Gartenlaube“ 1871, S. 467 [647]) mit den Zeitungsberichten vergleicht, welche der überraschende Tod des Mannes hervorrief, wird finden, daß wir manche Aufklärung dringend wünschen müssen, auf daß auch dieses Heldenbild unserer größten Zeit klar und deutlich vor uns stehe. Fr. Hfm.     


Unruhige Gäste.

Ein Roman aus der Gesellschaft.
Von Wilhelm Raabe.
(Fortsetzung.)


4.

Nun war die Sonne auch für den höchsten Gipfel des Gebirges hinter dem Horizont versunken. Wenn auch die Höhen fürs Erste noch nichts von der kommenden Nacht zu wissen schienen, klomm aus den tiefsten Thälern die Dämmerung doch schon leise aufwärts.

„Welch ein schöner Abend!“ sagten Alle, die Zeit und Stimmung hatten, um darauf zu achten.

Es hatten aber nicht Alle Stimmung und Muße dazu.

Nun erreichte der Touristenzug von vorhin eben verdrießlich, stumm, voll unbestimmten Unbehagens, abgemattet und in der Erwartung heißer Zimmer nach dem Hofe hinaus, theuerer Rechnungen und allzu beschäftigter Kellner und Stubenmädchen drunten im Bad das Hôtel zu den „drei silbernen Hechten“. Und in der Rasen- und Borkenhütte unter den Tannen auf der Vierlingswiese lag die Leiche der „Fee“; die Kinder ließen wieder ihre Füße in den Bach hängen, und der „Räkel“ lag im Grase vor dem „Bau“, an einem ausgerissenen Farrnkrautstengel kauend, und von unten auf bösartig wild und dazu wie in einem stumpfsinnig-trotzigen Triumph auf seinen jetzigen Besuch blickend. Nämlich von Ferne stand scheu und neugierig in einen Haufen gedrängt Alles aus dem Dorf, was hatte abkommen können und sich hinausgetraut hatte auf die Vierlingswiese. Und einige Schritte von dem Mann im Grase stieß der Ortsvorsteher die eiserne Zwinge seines Stockes in den Boden und brummte:

„Verfluchtes Pack!“

Laut rief er:

„Du willst also nicht Vernunft annehmen und auf gütiges Zureden hören, Fuchs?“

„Nein,“ lachte rauh und kurz der Ausgestoßene der Gemeinde, sich bequemlicher auf dem Ellbogen zurechtrückend und dem Dorfgewaltigen höhnischer ins Gesicht starrend.

„So wird man vom Amte aus mit Dir reden müssen und Polizei brauchen, wo man mit der Güte nicht ausreicht. Wir werden Dir morgen schon zeigen, was christliche Sitte und Recht ist, Volkmar.“

„Das ist der Name, auf den ich christlich getauft bin – Volkmar Fuchs. ’s ist freilich ein Wunder, daß ich ihn vor Euch Hallunken im Gedächtniß behalten habe. Das gefiele Euch nun wohl, jetzt auf einmal wieder blos mit dem Fuchs, dem Volkmar und seinem todten Weibe zu thun zu haben? … Schert Euch zum Teufel! Mit dem Räkel und seiner verendeten Fee habt Ihr zu schaffen! Jetzt packt Euch auf der Stelle, Ihr Alle, und Du vor Allen, Du Dorflumpenpräsident, oder ich reibe Euch der Fee Todtenstroh unter ihrem Leibe weg in die Freßgesichter, daß der ganze Wald auf Stunden Weges von dem eurigen unter den Tannen nächstens voll liegen soll. Ja, Leichenstroh! Das wäre mir schon ein Gaudium, Eure Aeser auch darauf hinzuliefern.“

Er war aufgesprungen, und vor seiner unheimlichen Drohung war der Haufe der Dorfbewohner, Männer, Weiber und Kinder durch einander mit hellem Angstruf sofort aus einander gestoben und von der Vierlingswiese geflüchtet. Aber auch der Vorsteher, seinen Stock zur Abwehr vorstreckend und zum Schlage hoch hebend, zog sich rückwärts schreitend aus dem Bereiche des Wüthenden und von seiner trostlosen Behausung zurück, indem er dabei murmelte:

„Na, das ist eine schöne Bescheerung! Klein bei giebt er nicht; na, das ist eine Geschichte! Und für lange Schreiberei ist bei dieser Affaire nicht mal Zeit. Nu, da ist es ja noch ein Glück, daß zuerst doch auch noch der Pastor mit heran muß. Mit dem werde ich jetzt wohl reden müssen, obgleich das auch gerade kein Vergnügen ist.“

Um diese Zeit war es, wo Veit Bielow und Pastor Hahnemeyer in dem Studirzimmer des Letztern am Fenster standen und hinaussahen über die Berge und Wälder. Das wenig umfangreiche Gemach war, wie das übrige Haus, in der nothdürftigsten Weise ausgestattet. Seit Jahren hatte die arme Berggemeinde so wenig als möglich an die Erhaltung ihres Pfarrhauses gewendet und an die Verschönerung desselben gar nichts. So waren Decken und Wände der Stuben und Kammern nur schlecht getüncht und der Kalk hier und da längst wieder abgebröckelt. Ueberall trat das Fachwerk wieder zu Tage; Tapeten gab es kaum noch, der Gipsfußboden war meistens zerrissen und zersprungen und um den Ofen herum zu Höhlungen ausgetreten; und die verwitterten Fenster mit ihren trüben kleinen schlecht in Blei gefaßten Scheiben ließen sich nur schwer öffnen und dann wieder nur mit gleich großer Mühe schließen. Was freilich der Pastor und seine Schwester an Hausrath mitgebracht hatten, das paßte ganz zu diesem allen und gab sich nirgends die geringste Mühe, Unwohnlichkeit, Armuth und Vernachlässigung zu verdecken und auszugleichen.

Aber der Gast hatte doch das eine Fenster in der Stube seines Jngendfreundes mit wunden Fingern offen bekommen, und der Blick daraus in die Nähe und Ferne entschädigte für Vieles.

Man erfuhr hier erst zu voller Gewißheit, wie hoch eigentlich das Dorf gelegen sei.

Obstbäume gediehen kaum noch. Die wenigen Ackerfelder der Gemeinde waren nur dürftig mit kümmerlichen Halmen bedeckt; aber über die Eschenwipfel unter diesem Arbeitszimmer Prudens Hahnemeyer’s hinweg übersah man meilenweit die Tannenberge und – darüber hinaus bis in die blaueste, abendduftige Ferne die norddeutsche Ebene: Dörfer, Städte, Flüsse und fruchtbares Land mehr oder weniger deutlich, sodaß ein feineres Gefühl für Erdenschönheit sofort mit Rührung und Freude sich diesen Auslug in jeglicher Jahreszeit, bei jeglicher Beleuchtung und in jeglicher Lebensstimmung als einen Trost, eine Beruhigung denken konnte.

„Du hast Deinem Arbeitstische eigentlich nicht die richtige Stelle gegeben, Freund,“ sagte Veit, sich von der schönen Aussicht an den müden, wortkargen, theilnahmlosen Mann neben ihm wendend. „Du solltest über Deinen Büchern und Predigtmanuskripten dieses immer im Auge halten können. Ich stelle mir das auch zum Advent in dem rechten Lichte als sehr geeignet vor, um dabei für Gedanken, Wort und Schrift den rechten Ausdruck zu finden.“

„Zur Adventszeit pflegt es sehr kalt hier oben zu sein, und die Hauswand ist dünn. Mich friert leicht, und dazu sagt mir die Aussicht wenig. Wollte ich mich mit ihr unterhalten, so würde sie mich doch auch nur von dem abziehen, was mehr Noth thut. Ich habe mit dem Menschen zu schaffen, nicht mit seinem Hause, seinem Acker und seinen Wiesen.“

Es schien eine rasche Antwort dem Gastfreunde auf der Zunge zu liegen. Er bezwang sich jedoch, behielt sie lieber bei sich und meinte nur gutmüthig lächelnd:

„Du trennst das von einander? Doktor Martin Luther würde Dich da wohl ein wenig am Ohrläppchen nehmen, mein Bester. [463] Der redet von Acker, Haus und Hof, Kleid und Schuh und Allem, was in der Hinsicht zum Menschen gehört, von Allem was sein ist, mit dem möglichsten Respekte, faßt ihn sogar mit unzweifelhafter Vorliebe dabei und hält ihn sogar dadurch im Wackern und Rechten. Er soll ja auch sonst, das heißt in eigenen Angelegenheiten, für sich, die Frau und die Kinder ein recht guter Oekonom, Hausvater, Landwirth und Grund- und Bodenbesitzer gewesen sein. Er würde als hiesiger Leutprediger seinen Schreibtisch doch wenigstens im Sommer mehr ans Fenster gerückt haben. Auf der Wartburg hat er wohl über die Septuaginta gern ins Weite und Sonnige des Frühlings 1521 und nachher in den Herbstnebel und in den Schnee des Jahres gesehen, vorzüglich nach einer seiner heißen Kampfesnächte mit –“

„Der Herr führt seine Diener auf verschiedenen Wegen an seiner Hand. Mir hat er gegeben, Vieles mit geschlossenen Augen zu thun.“

„Wohl Jedem von uns – mir auch, zum Beispiel!“ sagte der Gastfreund nun doch mit einigem Nachdrucke. Doch mit demselben heiteren Sichfinden in Ort und Zustände des Momentes fügte er sogleich hinzu: „Deine Fräulein Schwester wird aber in der Laube vielleicht auf uns warten, und ich gestehe Dir offen, daß ich Dir auch diesmal wieder den alten Appetit von Halle in Deine jetzige Klausur und Ascetik mitgebracht habe.“

„Meine Schwester geduldet sich schon; Du aber wirst Dir auch heute genügen lassen müssen an dem, was ich Dir zu bieten habe. Es ist ja auch so Dein Wille gewesen.“

„Natürlich,“ brummte der Mann von der benachbarten Touristenstraße und manchem weniger betretenen Seitenwege nicht bloß in Europa. –

Sie fanden drunten in der Laube ein grobes Tischtuch ausgebreitet und ein Mahl, von dem weiter nicht die Rede sein wird, da sich im Grunde Niemand viel um es kümmerte, und der Gast mit „dem riesenhaften Appetite“ vielleicht am wenigsten, je mehr er demselben in voller Wahrheit alle Ehre anthat. Es war aber ein Glück, daß sie damit zu Ende waren, ehe der Vorsteher mit seinem Berichte von der Vierlingswiese kam und „soviel als möglich von dieser Mordsgeschichte auf seinen Pastor ablud“.

Sie saßen in der tiefen Dämmerung am Tische einander gegenüber, Bruder und Schwester auf der einen Bank, der Gastfreund auf der andern; als der Vorsteher sich mit den Armen über die kleine Gitterthür legte und es ablehnte, einzutreten und Platz zu nehmen, da er „für sein Theil das Ding kurz, gut oder schlimm abzuthun wünsche und dem Herrn Pastor gern das Weitere überlassen werde“.

„Nämlich, Herr Pastor, dieser Kerl, der Räkel, der Fuchs steift sich nun auf unser Verhalten von Gemeinde- und Doktorswegen gegen ihn und seine Brut. Er will nun die Fee – entschuldigen Sie, Fräulein, Sie wissen ja, daß wir da immer die Frau, seine Frau meinen – nicht hergeben zu einem christlichen Begräbnisse. Wir hätten sie im Leben nicht unter uns gewollt, brüllt der Vagabund, so brauchten wir uns auch im Tode nicht um sie zu kümmern. Er werde jetzt Alles, was sich noch für sein Weib gehöre, schon selber besorgen und zwar besser als Schulz, Pfaff, Küster, Kantor und Todtengräber. Er, der Räkel, und seine Brut brauchten ja wirklich nur allein zu wissen, wo im Walde ihre Fee verscharrt liege. Herr Pastor, mit Vernunft und Anstand ist nicht mit ihm zu reden. Er hat gedroht, aus der Vierlingswiese uns das Todtenstroh unter der Leiche weg ins Gesicht zu reiben, und der Bösewicht ist im Stande, es uns in der Nacht in die Häuser zu tragen und das ganze Dorf mit dem Gifte anzustecken. Der Gemeinderath hat selbstverständlich Reißaus genommen von der Wiese; ich aber bin langsam nach Hause gegangen und habe mir der Vorsicht wegen erst die Hände unter den Brunnen gehalten, und nun bin ich hier und frage Sie, Herr Pastor: was thun wir jetzt? Sollen wir es morgen sofort auf die Gewalt von Amtswegen ankommen lassen, oder wollen Sie noch einmal ein Wort in der Güte mit Fuchs versuchen? Eine ganz verfluchte Sache ist es, und der Klügste sollte da nicht ein und aus wissen gegen dieses Thier von Menschen, das sich da auf sein Gift und seine Wuth stellt und sich in seinem Rechte dünkt, nicht bloß gegen das Dorf, sondern die ganze Menschheit und unsern Herrgott im Himmel auch!“

Die am Tische in der Fliederlaube hatten Alle mit angehaltenem Athem diesem halb grimmigen, halb kläglichen Erguß bäuerlicher Rathlosigkeit zugehört. Phöbe hatte bewegungslos die Hände vor sich auf dem Tischrande gefaltet; Professor von Bielow war an den Zaun und die Gitterthür getreten, um dem Vorsteher, seiner Erzählung und seinem Dialekte so nahe als möglich zu sein. Der Pfarrer erhob sich aus völliger Regungslosigkeit erst, als der Mann zu Ende war.

„Ich werde nachher zu dem Volkmar gehen und mit ihm in der rechten Weise sprechen,“ sagte er, unzweifelhaft seinerseits Zorn und Rathlosigkeit mit Mühe niederkämpfend.

„So habe ich ja denn wohl das Meinige jetzo besorgt und zum Mindesten ein Theil von diesem Fuder Ueberdruß vor der richtigen Thür abgeladen,“ meinte der Ortsvorsteher. „Nun, da sehen Sie denn nach Ihrem bessern Verständnisse zu, Herr, was Sie mit diesem Vieh auf der Vierlingswiese auszurichten vermögen. Morgen in der Frühe darf ich ja wohl wieder nachfragen; denn Eile hat die Sache, vorzüglich bei dieser Sommerwärme, und immer noch viel zu nahe am Dorfe, wie der Herr Kreisphysikns behauptete. Wäre der öffentliche Anstand und die Religion nicht, vielleicht wäre es wirklich das Beste, man ließe dem Räkel seinen Willen und legte nachher Feuer an den ganzen Bau. Na, bis morgen früh denn angenehm wohlzuschlafende Nacht, Herrschaften!“


5.

Es war eigentlich seltsam; man vernahm um diese spätere Abendstunde und bei tiefem Schweigen in der dunkeln Fliederlaube die Unruhe im Kirchthurm lange nicht so deutlich als vorher, wo noch der Tag die Herrschaft hielt, oder sich doch nur mit der ersten Dämmerung um sie stritt. Der Tag soll laut sein; aber hier war die Nacht lauter als er; denn nun erst war das Dorf lebendig geworden hinter der Kirche, den nächsten Hecken und Hofmauern und Gartenzäunen. Kinder kreischten und jauchzten, junges Volk sang, es drangen auch zänkische Stimmen herüber; und da ein Todesfall immer ein Ereigniß in solchem abgeschiedenen Gemeinwesen ist, so hätte sich die Unruhe im Dorfe wohl noch länger über die ersten Ruhestunden nach schwerer Tagesarbeit fortgepflanzt und die Unruhe im Thurm übertönt, wenn auch nicht heute die Frau auf der Vierlingswiese gestorben wäre und der Räkel dem Vorsteher die Faust unter die Nase gehalten und sich das ehrliche und ordentliche Begräbniß der Leiche seines Weibes mit Fluchen und Hohnlachen verbeten hätte.

„Wirst Du nun gleich zu dem armen Menschen in seiner Verwirrung gehen, Prudens?“ fragte Phöbe in dem Pfarrgarten.

„Ich denke nicht,“ sagte der Pastor. „Es wird wohl besser sein, ich komme zu ihm, wenn das Dorf zu Bett und ganz in Ruhe ist. Den Mann werde ich auch später wachend finden; ich kann ihn aber auch aus dem Schlaf wecken. Jedenfalls wünsche ich mit ihm in seinem Elend allein vor Gott zu sein.“

Der Gast hörte nicht den geringsten Anklang an Sorge und Aengstlichkeit in dem Ton, mit welchem das junge Mädchen erwiderte:

„Ja, Du hast Recht, dieses ist das Beste.“

Doch der Pfarrer wendete sich jetzt an den Jugendfreund und zwar zum ersten Mal mit einem gewissen Anflug von Heiterkeit in Ton und Ausdruck, worin sich aber auch diesmal wieder ein leisester Hauch von Bitterkeit und Spott mischte:

„So leben wir hier nun, lieber Veit. Dieser gegenwärtige Fall ist wohl, wie man das nennt, recht interessant; aber laß Dich nicht dadurch täuschen: Du findest wenig an uns, was Dich später auf Deinen Wegen noch interessiren könnte in der Erinnerung an uns.“

„Meinst Du, Prudens?“

„Und nun, das Kind da, meine Schwester, kennt kaum mehr von Dir als Deinen Namen, und halte ich es für wünschenswerth, daß Du ihr mittheilst, wie der Herr uns voreinst in jüngern Tagen zusammenführte und uns, Jeden in seiner Weise und nach seiner Lebensstellung, Antheil an einander nehmen ließ. Auch ich werde dann gern vernehmen, wie Deine Wege bis heute liefen, nachdem er uns nach seinem heiligen Willen von Neuem auf entgegengesetzte Pfade gestellt hatte.“

Es zeugte unbedingt bei dem Gaste von mannigfachem Umgang mit vielerlei Menschen, daß er mit unerschütterter, heiterer Gelassenheit sich zu der jungen Dame wendete:

[464] „Es ist eine Thatsache, Fräulein Phöbe; wenn alte Universitätsgenossen sonst nach längerer Trennung sich wieder einmal zusammenfinden, so pflegen sie mit Vorliebe zuerst von den vergangenen schönen Tagen zu schwatzen. Ich gestehe offen, ich hatte auch die beste Lust dazu mit hierher gebracht, aber wie soll man das nun anfangen, einem solchen Menschenkinde gegenüber, welches das unverwüstlichste Gesprächsthema auf dieser Erde sofort in der Blüthe knickt? Es drängte mich wirklich, Ihnen nicht völlig unbekannt zu bleiben, um meinen Ueberfall heute Abende wenigstens in etwas zu rechtfertigen; aber – Prudens Hahnemeyer, unsere Halle’sche Jerichosrose stellst entweder Du jetzt ins Wasser oder – läßt es bleiben und versparst das für morgen, wenn der damalige und jetzige Störenfried und Aufdringling wieder den Rücken gewendet haben wird. Hast Du den Don Quijote gelesen, Hahnemeyer, so muß ich Dich unbedingt auf das Erzählungstalent des braven Sancho in der Nacht vor dem großen Abenteuer mit den Walkmühlen aufmerksam machen. Meine Begabung zum Geschichtenerzählen ist ganz von der nämlichen Sorte.“

Es blieb zweifelhaft, ob der Pastor Prudens die Geschichten von dem sinnreichen Junker Don Quijote und seinem Schildknapppen gelesen hatte; Phöbe hatte sie nicht gelesen.

„Ich würde gern mit zuhören,“ sagte sie, und so erzählte und sprach in dieser lauen Sommernacht der außerordentliche Professor und Doktor, Freiherr Veit von Bielow-Altrippen doch noch mehr von sich und seinen auf- und absteigenden Lebensläufen, als wenn die Gesellschaft und Zuhörerschaft – eine andere gewesen wäre. Eine andere; so und nicht anders würden sich die Meisten wohl ausgedrückt haben. –

Für uns aber ist im Grunde wenig Nacherzählenswerthes dabei. Es war eben bis jetzt nur die Laufbahn des liebenswürdigen, nicht unbegabten, wohlmeinenden Gentleman-Gelehrten gewesen. Ein guter Familienname, weitreichende gesellschaftliche Verbindungen, ein ausreichendes Vermögen und ein gesunder Körper und heiterer, mäßiger Charakter hatten ihn in seinen Studien, Neigungen und Liebhabereien begünstigt. Er fühlte sich sicher auf seinen Füßen und gegen Jedermann in der Welt um ihn her. Seine Berufswissenschaft nahm er leicht und spielend. Mit einem feinen Gefühl für das Schöne hatte er große Reisen in Italien, Griechenland und im Orient gemacht, und davon vor Allem sprach er gern und mit ernstem Verständniß. Die männliche, unbefangene Seelenheiterkeit, welche er an diesem Abend in dieses trübe Haus, zu diesem weltabgeschiedenen Geschwisterpaar hineintrug, ließ auch den selbstquälerisch-finstern Prudens dann und wann genauer aufhorchen und brachte seine stille Schwester über ihrem Arbeitskörbchen bei dem dämmerigen Schein der kleinen Gartenlampe in der dunkeln Laube zum Aufblicken und zu rascherm Athemholen und einige Male sogar zu einer Frage und einem Lächeln.

Als er zu Ende war, sagte der Pfarrer:

„Ich freue mich Deines Lebensglückes und Deines Behagens an diesem vergänglichen Dasein. Du hast Gott, der Alles dieses giebt oder versagt, mit dankerfülltem Herzen Dich zu beugen. Er hat Dir Deine Pfade bis heute lieblich und leicht gemacht. Möge Solches nicht wie ein Tuch um Deine Augen gewesen sein, das dem Menschen am Ende seines Weges abfällt, wenn ihn kein Erdenwitz und Behagen von der Tiefe vor seinen Füßen zurückzuziehen vermag! Doch es wird spät, und Du weißt, ich habe noch einen nicht leichten Weg in dieser Nacht zu gehen. Da rührt sich auch unser Gebirgswind. Wenn es Dir genehm ist, werde ich Dich zu Deinem Schlafzimmer führen, und ich wiederhole Dir, Du bist mir herzlich willkommen gewesen, und es war freundlich von Dir, daß Du Dich meiner noch im Vorbeigehen, im Behagen Deiner Tage, erinnert hast.“

„Besten Dank, Alter,“ sagte der Jugendfreund achselzuckend. „Darf ich Ihnen meinen Arm anbieten, Fräulein?“

Das Fräulein schien die höfliche Gesellschaftsformel gänzlich überhört zu haben. Sie nahm die Lampe vom Tische und leuchtete mit ihr unter den jetzt leise rauschenden Baumwipfeln des Gartenganges. Sie stand mit ihr in der erhobenen Hand unter der Pforte des Hauses und ließ ihren Schein auf die ausgetretenen Treppenstufen fallen.

„Sie dürfen uns nicht straucheln auf unserer Schwelle,“ sagte sie, und noch einmal bemerkte der Gast, daß sie, wie man das nennt, Farbe bekommen konnte, daß sie lächeln konnte, daß sie ihre Augen groß und freundlich aufzuschlagen vermöge.

Nun wünschte sie dem Gast gute Nacht und verschwand, nachdem sie die Lampe dem Bruder gereicht hatte. Der Pastor führte den Freund in ein Stübchen im Oberstock des Pfarrhauses und sagte:

„Du siehst, Du mußt Dich zu bescheiden wissen, Bielow; aber Du hast ja, wie Du uns erzähltest, harte Lagerstätten schon öfters erprobt und kahle Wände um Dich gehabt, ohne über Deine Wirthe und Deinen Willen zu murren am andern Morgen. Der Herr lasse Dich eine friedliche Nacht haben unter diesem Dache!“

„Ich hoffe darauf. Was soll ich Dir wünschen, Prudens Hahnemeyer?“

„Ein unbewegliches Herz und eine Zunge wie –“

Er beendete den Satz nicht. Als sich die Thür hinter ihm geschlossen hatte, murmelte Veit Bielow:

„Ein unbewegliches Herz! Armer Teufel! Und er hatte Furcht vor dem Reime; – eine Zunge wie Erz. Bei den unsterblichen Göttern, da schlendert man faul zu und versäumt es in gelangweilter Trägheit vielleicht täglich, den Schritt vom Wege zu thun, der uns zu solchen Zuständen, zu solchen Darstellern für untheilbare Handlung oder fortgehendes Gedicht, wie Polonius sagt, zu bringen vermag! Nun, Veit, wir gehören doch wohl auch zu den Schauspielern, die am Hofe des Königs Claudius angekommen sind. So wollen wir uns wenigstens Mühe geben, daß auch für uns Seneca nicht zu traurig und Plautus nicht zu lustig ist, so lange wir unsere Rolle abzuspielen haben auf der Erde, an diesem anrüchigen Hofe von Dänemark, den hie und da auch einmal Einer, der sich nicht Polonius nennt, des Menschen Tragiko-Komiko-Historiko-Pastorale benamsen könnte. Hm, was für eine Tiefe – wie dieser luthersche Mönch sich ausdrückte – sich da aber, nach diesem meinem heutigen Schritte vom Wege, in den Augen dieses lieben, kleinen Mädchens, seiner Schwester, vor mir aufthut! Welch’ ein wundervoller Tag, in seinen Einzelheiten, mit oder ohne Binde vor den Augen!“


6.

Sie kamen alle Drei unter diesem Dache fürs Erste noch nicht zum Schlafen. Die Eschen um das Haus rauschten in dem kühlen Gebirgswind, auf den der Pastor vorhin aufmerksam gemacht hatte, lauter und lauter. Der Gast und Phöbe ließen ihre Fenster geöffnet und saßen noch eine geraume Zeit an ihnen, auf die schöne Melodie der Nacht horchend und sich, Jedes nach seiner Weise, mit den Erlebnissen des Tages in Frieden abfindend.

Letzteres versuchte auch der Pfarrer; aber das Fenster, welches der Jugendfreund vorhin in seiner kleinen Studirstube geöffnet hatte, schloß er. Dann zündete er seine Lampe an, nahm die Bibel vom Bücherbrett, schlug sie aufs Gerathewohl auf und saß vor ihr, den Blick fest, aber, wie nicht zu bezweifeln war, mit Gewalt und nur durch Ueberwindung eines Hindernisses in seiner Seele, auf das offenliegende Blatt heftend.

Es waren seltsamerweise zwei Seiten aus dem Hohenliede, die ihm der Zufall in dieser Stunde, vor seinem schlimmen Wege, vor die Augen legte. Welchen Vers grade sein Auge traf, ist wohl gleichgültig: wir haben das Buch Alle gelesen, und wissen, wie darin geschrieben worden ist, was dort vor Jahrtausenden von einer entzückten Menschenseele gesungen wurde. Und nun war es fast schrecklich, der mühselige, ernste Mann vor dem heiligen Buche lächelte nicht bloß – er lachte! Aber die Hand, die auf jenen heißen Liebesliedern lag, die nach den Kapitelüberschriften von Christus und seiner Kirche handeln, zitterte wie im Krampfe.

Und doch erschrak er nicht ob dieses Geräusches, das er durch sein Lachen in der Nacht erregte. Er blickte nicht erschreckt über seine Schulter nach Jemand, der gelauscht haben konnte. Er war ehrlich – es war nicht das erste Mal, daß er so lachte. Es gehörte zu seinem Kampfe mit der Welt, und als er jetzt das Buch zuschlug, ohne genauer auf mehr als eine Zeile darin hingesehen zu haben, fühlte und empfand er sich bereit zu seinem Gange nach der Vierlingswiese; und der hätte sich sehr in ihm getäuscht, der sich an die Worte gehalten hätte, mit denen er sich nun doch weiter quälte auf seinem eigenen Wege durch sein Leben im Fleisch.

[465]

Auf der Landpartie.
Nach dem Oelgemälde von Margarete Loewe.

[466] „Sie schlafen, sie können ruhig schlafen, das Kind, meine Schwester, in Gott ihren Kinderschlaf, dieser Mensch ohne Gott in seiner Selbstsicherheit. Meinen Wunsch einer friedlichen Nacht hat mir der als unnöthig mit Spotten zurückgegeben; ich habe es wohl gemerkt, daß er in seiner Welterfahrung wohl wußte, wie ich gleich einem Gespenst in meinen Nächten umgehe. Das Kind in seiner Unerfahrenheit und der kluge Mann in seiner Gesundheit und Kraft wissen von keinem Zweifel: ich aber zerringe mir die Hände in Bangen und bin mir ohne Deine Gnade, Herr, Herr, selbst eine Lüge bis in das Mark meiner Gebeine, bis in die Tiefen meiner Seele. Herr, Herr, willst du mich nicht still machen in diesem Leben wie die Unschuldigen und die, welche nichts von dir wissen wollen, o so laß es kurz sein in deiner Gnade, dieses Leben auf dieser Erde, auf der ich Keinem begegne, der mir nicht zum Zorn und Ueberdruß wird, Keinem, der mir nicht ein Vorwurf ist, wenn ich nicht in sündiger Ueberhebung einen Triumph daraus machen kann. O Herr mein Gott, tödte dieses bittere, wilde Herz in mir, zu dem Niemand spricht, vor dem Niemand weint und lacht, ohne daß der Ton erlischt wie ein glühend Eisen in einem Meer von Galle.“

Er erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl, aber als er aufrecht stand, jetzt in seiner ganzen stattlichen Höhe, war jede Spur von Schwäche an ihm verschwunden. Er lachte nicht mehr, aber er lächelte, indem er murmelte:

„Und so wärest du ja wohl in der rechten Stimmung, diesen, deinen jetzigen Amtsweg zu gehen, Prudens Hahnemeyer, um mit jenem rathlosen Mann in der Wildniß Vernunft zu reden an dem Leichnam seines Weibes, an der Leiche des Weibes?!“ – – –

Es war bald gegen Mitternacht, als er das Haus verließ. Er hatte, wie schon gesagt worden ist, die Thür nicht zu [v]erschließen. Die stand freundlichen und feindlichen Mächten offen bei Tage und bei Nacht. Aber ehe er jetzt in diese Nacht wieder hinaustrat, horchte er noch einen Augenblick an den Thüren seines Jugendfreundes und seiner Schwester und sagte, als er von drinnen keinen Laut vernahm, neidisch:

„Ja, sie schlafen ruhig.“

Er ging jetzt barhäuptig. Er, der seinem heutigen Gast vorhin in der wärmen Abendstunde von körperlichem Frösteln gesprochen hatte, schien jetzt nichts von der Kälte der Gebirgsnacht, von dem scharfen Wehen über die Hochebene her zu verspüren. So schritt er durch den Vorgarten, in welchem so viele Kinder seiner Vorgänger im Amte seit wohl mehr denn zweihundert Jahren ihre Spiele getrieben hatten, so schritt er über die versunkenen Gräber dieser Vorgänger zwischen seiner Gartenhecke und der Kirche, begleitet von dem Rauschen in den Wipfeln einher.

An der Ecke der Kirche trieb ihm der Wind die Haare in das Gesicht, und als er sie zurückstrich, sah er zum ersten Mal auf zu dem jagenden Nachtgewölk und den Sternen, die zwischendurch flimmerten. Da er aber das wenige Gefühl für Naturschönheit, das er je besessen haben mochte, ohne viele Mühe in sich ertödtet hatte, sagte ihm das nichts. Er fühlte den Wind in seinem Rücken nur als eine andere treibende Kraft, wovon er so wenig wußte, wie daß er jetzt wieder dem Morgen zuschreite auf dem nämlichen Wege, auf dem seiner Schwester und dem Jugendgenossen vor wenigen Stunden die Abendsonne ins Gesicht geleuchtet hatte.

Das Rauschen in den Laubbäumen war nun in den hohen Tannen an dem Rande der Vierlingswiese zu einem singenden Zischen geworden, doch auf der Wiese selbst hätte dem Wanderer kaum ein wirklicher Sturm das Haar mehr bewegt. Die lag zu nahe im Schutze des Forstes, und der Wind sang da nur in dem obersten Gezweige.

Aus dem offenen Thürloch der Fieberköthe fiel noch Licht- oder besser Feuerschein in die Nacht hinein, wie der Pfarrer es vorausgesetzt hatte. Der Schauder, den jeder andere weichere Mensch im Daraufzuschreiten wohl bis ins Tiefste verspürt haben würde, zeigte sich bei diesem jetzt in seine Pflicht gewappneten Mann nur in einer kaum bemerkbaren abweisenden Kopf- und Handbewegung. Im nächsten Augenblick stand er in der Hütte und fand sie alle so tief im Schlaf darin, daß der der Lebendigen sich in nichts von dem der Todten unterschied.

Die Todte suchte dieser nächtliche Gast und Trost- und Rathbringer zuerst beim Flackern des auf dem roh aus Bergsteinen zusammengeschichteten Herde in sich zusammensinkenden Feuers. Da die Luft von allen Seiten fast ungehindert Zutritt in die Höhle hatte, war der Dunst darin lange nicht so arg wie in den Krankenzimmern und Sterbesälen besser situirter Mitbrüder und Mitschwestern auf dieser Erde. Es füllte sogar ein Wohlgeruch aus dem Walde und von der Wiese den Raum, ein Duft des Lebens, der jeden Weihrauchduft um Sarg und Katafalk zu einem Spott machte. Es hinderte in dieser Beziehung den Pfarrer, wie er sich jetzt über die starre, lang hingestreckte Gestalt der gestorbenen Fee beugte, nichts am freiesten Athemholen, und er fuhr auch nicht auf und um, als nun von der anderen Seite der Hütte her ein heiseres Lachen erscholl und der Räkel rief:

„Ho, ein Nachtvogel! wie kommen wir denn jetzt schon zu dieser Ehre? Hast das Aas auch gewittert und kommst noch gar in der Düsterniß, weil Du Fänge und Schnabel nicht bändigen kannst bis zum nächsten Morgen? Dachtest wohl, der Fuchs könnte Dir schon bei nächtlicher Weile mit seiner Füchsin durchgehen? Konnten aber ganz ruhig sein, Herr Pastor; hat die Familie ihr Elend am hellen Tage gehabt, will sie auch ihren Spaß am hellen lichten Tage haben. Da ist morgen bei Sonnenschein noch Zeit für Alles! Sakerment, oder drückt Dich Deine Redegabe so, daß Du ihr jetzt nur Luft machen willst, weil Du weißt, daß Du morgen das Nachsehen mit ihr haben könntest? Sakerment, wenn mich die Kinder nicht dauerten, hätte ich wirklich auch Lust, Dich gleich auf der Stelle zum Predigen, Heulen und Zähneklappern zu bringen, Du heuchlerische Kircheneule. Und wäre Deine Schwester nicht, ich drückte Dich mit dem Gesicht auf den kalten Leib da, daß Du die Pestilenz einsögest wie ein Schwamm. Na, nun heraus damit, mach’s kurz mit Deinen Fragen! Was wünschen der Herr Pastor eigentlich von dem Gaudieb, dem Volkmar Fuchs? Hast ja Deine Spitzbuben von Bauern die ganze Woche um Dich zum Salbadern mit ihnen, und jeden Sonntag das große Wort allein vor allen ihren alten und jungen Weibern und Schulkrabben. Was suchst Du also noch außerhalb von Deinem hochheiligen Pferch bei dem Zuchthäusler, dem Wilddieb, dem Fuchs und seinen Jungen? Meinst wohl gar, der Räkel fürchte sich vor der Mitternacht, und meinst, Du setzest Deinen Amts- und Kirchenpolizeiwillen in der Spukzeit leichter durch? Ja, komme mir nur!“

Der Mann hatte sich von seiner Streu im Sprunge aufgehoben. Auch er war ein hagerer starkknochiger Mensch von vierzig Jahren, der verrufenste Wilddieb der Gegend, der beste Schütz im Gebirge – ein Ritter des eisernen Kreuzes vom Jahre Achtzehnhundertsiebzig, der Ehemann der Todten und der Vater der zwei Kinder. Volkmar Fuchs, seines Familiennamens wegen und aus anderem Grunde von der Bekanntschaft aus der Jägersprache der Räkel genannt, wie seine verstorbene Frau die Fee. Als er jetzt dem Pfarrer die Hand auf die Schulter legte und so neben ihm stand, fand es sich, daß sie Beide von ziemlich gleicher Leibeshöhe, und daß sie sich auch mit dem Blick ihrer Augen gewachsen waren.

„Ich habe freilich gewartet, bis Niemand im Dorf mehr wachte, als wir Zwei, Volkmar, um Vernunft mit Dir zu reden,“ sagte der Pastor jetzt völlig ruhig.

„Zählt mich der Herr Pastor Hahnemeyer wirklich noch mit zu seinem Dorfe?“ lachte der Räkel.

„Es ist ein Anderer, der Dich und die Deinigen mitgezählt hat allewege und allezeit. In seinem Namen habe ich Dich aufgesucht an dem Leichnam Deines Weibes, armer Mensch –“

„Weil Euch die faule Seuche auf die Nägel brennt und Ihr in Ungelegenheiten kommt drunten im freien Lande vor den Behörden, und in die Zeitung dazu, wenn der Räkel sich jetzt nicht von Euch um Euren kleinen Finger wickeln läßt, sondern einen öffentlichen Lärm aus seinem Gift macht! Das lohnte sich natürlich, uns in der Vergessenheit mit Deiner Barmherzigkeit des Herrgotts aufzustören. Nun, meinetwegen – Sie sehen es ja, Herr Pastor Ehrwürden, die Krabben wachen auch, und die Gemeinde in der Fieberköthe haben Sie also vollzählig beisammen; abgerechnet die todte Seele da, wenn Sie die nicht auch noch zu uns zählen; – also, meinetwegen, reden Sie mal Vernunft zu uns. Wirf ein paar Tannensplitter auf den Herd, Junge, daß wir mehr Licht in unsere Dummheit und für den Herrn Pastor kriegen und es besser einsehen, wie er uns besser herumbringt als Fräulein Phöbe in unserm Recht und Willen mit Mutter.“

[467] Es war das kleine Mädchen, das aufsprang aus seinem Stroh- und Laublager und mit einem Kinderarm voll Tannenspähne zu dem verlöschenden Herdfeuer lief. Der Junge rückte sich nur bequemer zurecht im Stroh, mit frechtrotzigem Blick, nahm die Kniee zwischen die Arme, legte das Kinn auf die Kniee und sah mit zwinkernden, aber aufmerksamsten Augen auf seinen Vater und den Herrn Pastor, und der Herr Pastor konnte da über die Schulter in die Augen von unzählbaren Generationen der Vergangenheit wie der Zukunft sehen, wenn er im Augenblick Zeit dazu gehabt hätte.

Aber wie wir Alle zu jeder Zeit, hatte er keine Zeit; die angstvolle verantwortungsvolle Gegenwart nahm ihn für das Nächstliegende gefangen, und das Nächstliegende war die Todte vor seinen Füßen. Auch redete der Räkel noch weiter.

„Mußt es doch selber sagen, Pastor, daß es für Unsereinen eigentlich eine Kuriosität sein muß, wie Das so still liegen kann, während die arme Seele für ihr Elend im Hundeleben in Euerm ewigen Pech, Oel und Schwefelfeuer bratet und der Satan mit der Bratengabel sein Gaudium am Backofen hat. Zum Teufel, des Jokus halber bin ich ja auch wohl am Sonntage in Deiner Komödie gewesen und habe Dich die Hölle Deinen Dorfhallunken heiß machen hören. Denen zu Liebe wünschte ich selber, daß Du die Sache so genau wüßtest, wie Du von der Kanzel ausschreist. Und die Bälger holt Ihr mir ja mit der Gewalt und Polizei in die Schule, wenn sie nicht das Fieber zur Abwehr haben; und sie bringen genug heim, um ihrem Alten, dem Räkel, das Verständniß für Eure Flausen aufzuknöpfen, die ihn für sein eigen leiblich Aas im Leben und Sterben nicht kümmern sollen; über sein Pläsir an Euch Komödianten hinaus nämlich. Na, so thu doch das Maul auf; des bloßen Hinstarrens lohnte sich doch die Mühe des Weges aus Deinem weichen Bett nicht. Guckst aber wirklich ein Bischen erbärmlich in die Geschichte. Willst Du einen Schnaps, ehe Du im Fuchsbau vor dem Räkel, seinen Jungen und seiner verendeten Fee privatim aufs Seil gehst? Da sauf und stärke Dir Dein heilig Herz, ehe Du Vernunft wegen der Anständigkeit und eines christlichen Begräbnisses der Anna Fuchs zu ihrem Mann redest.“

Der wüste Gesell hielt dem Pfarrer wirklich die Branntweinflasche hin und grinste dabei, als ob das der beste Witz sei, den er je im Leben fertig gebracht habe. Aber um so verblüffter stand er da, als der Pastor Hahnemeyer die Flasche nahm, aus ihr trank, sie zurück gab und sagte:

„Ich danke Dir, Volkmar.“

„Sakerment!“ brummte der Räkel, seiner Betroffenheit nur mühsam Herr werdend. „Na, ja,“ murmelte er bei sich, „daß sie Kourage haben, seine Schwester und er, das wußte ich ja freilich!“

(Fortsetzung folgt.)

Luftschiffer aus alter Zeit.

Von Reinhold Pfeil.

Besnier’s Flugapparat.

Den ersten Triumph auf dem Eroberungszuge in das Reich der Lüfte feierte die Menschheit gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, als die „Montgolfiere“ zum ersten Male stolz in die Höhe gestiegen war und die muthigen Luftschiffer, nachdem sie die Wunder der Wolkenwelt geschaut, glücklich auf fester Erde landeten. Was seit jener Zeit auf diesem Gebiete geleistet wurde, darüber haben wir unseren Lesern schon einmal in dem Artikel „Hundert Jahre der Luftschifffahrt“ (vgl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1882, Nr. 13) berichtet; heute möchten wir jenen Bericht ergänzen und auf einige Vorläufer der Gebrüder Montgolfier hinweisen. Wir folgen dabei dem berühmten Aeronauten G. Tissandier, der vor Kurzem eine interessante Abhandlung veröffentlicht hat, aus der wir lernen können, daß die Luftschiff-Erfinder und „Flugmenschen“ auch in früheren Jahrhunderten keineswegs eine Seltenheit bildeten, wenn sie auch dasselbe Los mit vielen Projektenmachern der Neuzeit theilten, die mit ihren Luftschiffen die Welt unsicher machen.

Zunächst führt uns Tissandier einen „fliegenden Menschen“ vor, der in dem „Journal des sçavans“ vom 12. December 1678 abgebildet wurde. Ein gewisser Besnier ist der Erfinder dieses höchst einfachen Apparates, der aus vier Taffetflügeln (A B C D) besteht, die theils durch Hände, theils auch vermittelst der Leinen E F durch die Füße des zum Fluge Bereiten in Bewegung gesetzt werden sollten. Der Erfinder behauptete, daß es ihm gelungen war, mit diesem Apparate zunächst von einem Tische, dann von einem Fenster der ersten Etage und schließlich vom Dache eines Speichers hinunter zu fliegen. Außerdem soll er ein Paar solcher Flügel „nach der Guibré“ verkauft haben, wo ein „Baladin“ dieselben mit vielem Erfolg benutzte.

Veranzio’s Fallschirm.

Unsere Techniker müssen diese Behauptungen einfach mit ungläubigem Lächeln aufnehmen, da dieser Apparat schwerlich irgend welche Wirkung ausüben konnte.

Anders verhält es sich mit dem Homo volans, „fliegenden Menschen“, unserer zweiten Abbildung. Wir finden diese Illustration in einem Werke des Fausto Veranzio, welches im Jahre 1617 in Venedig erschien. Hier sehen wir zwar keinen Flugapparat, wohl aber einen vollendeten Fallschirm und begegnen auch in dem Texte einer genauen Erklärung desselben: „Mit einem viereckigen Segeltuche, das auf einem Rahmen aufgespannt ist und an dessen Ecken vier Leinen befestigt sind, kann sich der Mensch ohne Gefahr von einem Thurm oder einem anderen erhöhten Punkte niederlassen,“ sagt der Verfasser. „Giebt es keinen Wind,“ fügt er hinzu, „so wird das Herabfallen des Menschen mit dem Apparate einen Wind erzeugen, der das Segel aufhalten wird, sodaß der Betreffende nicht rasch niederstürzt, sondern langsam niedersteigt.“ Schon früher hat der berühmte Leonardo da Vinci das Princip des Fallschirmes angedeutet, aber sowohl seine Ausführungen, wie das Werk von Fausto Veranzio sind vergessen worden, und so hat in späterer Zeit Garnerin den Fallschirm so zu sagen von Neuem erfunden.

Luftschiff von Lana.

Das größte Interesse verdient jedoch die dritte Abbildung, in der uns das erste Projekt eines Luftballons vorgeführt wird. Die Welt verdankt es dem Jesuitenpater Lana, der in ein 1670 erschienenes Werk ein Kapitel aufgenommen hat, welches den Titel führt: „Wie man ein Schiff baut, das sich in der Luft hält und mit Hilfe von Rudern und Segeln vorwärts bewegt.“ Das Werk ist heute sehr selten, und Tissandier suchte es fünfzehn Jahre lang in allen Buchhandlungen und Leihbibliotheken der Welt.

Der Luftballon Lana’s soll, wie wir auf der Abbildung sehen, durch vier hohle Kugeln A B C D emporgehoben werden. Jede von diesen Kugeln ist aus dünnem Eisen- oder Kupferblech hergestellt und mündet in eine mindestens 32 Fuß lange Röhre (vergl. B C bei III), die bei B mit einem Hahn versehen ist. Zunächst füllt man diese Kugel A sammt der Röhre mit Wasser, schließt dann den Hahn sowie die Oeffnung C, dreht das Ganze um, wie dies in V angedeutet ist, taucht den unteren Theil der Röhre in ein mit Wasser gefülltes Gefaß und öffnet den Hahn. Das Wasser fließt nunmehr aus der Kugel heraus, sodaß in derselben ein luftleerer Raum entsteht. Lana meint nun, daß diese luftleeren Kugeln oder Sphären, wie er sie nennt, genügen würden, das Schiff und die Passagiere zu heben, wußte aber nicht, daß sein so hübsch gedachtes Projekt unausführbar war, da der äußere Luftdruck die dünnen Wände der Kugel zerdrücken würde. Charakteristisch ist aber seine Bemerkung: Gott möge es nicht gestatten, daß diese Idee jemals praktisch verwirklicht werde – wegen des großen gefährlichen Umschwungs, den die Luftschifffahrt im Leben der Völker nach sich ziehen würde!

Die Welt denkt heute anders darüber; die Idee ist, wenn auch in einer anderen Weise, verwirklicht worden, und die Luftschifffahrt bildet eins der vornehmsten Ziele der modernen Technik, von dessen Erreichung wir uns keinen Schaden, sondern neue Segnungen der Kultur versprechen.


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Blätter und Blüthen.

Wilhelm von Camphausen †. Mit der malerischen Darstellung der letzten großen Siege der deutschen Heere ist der Name Camphausen’s eng verbunden. Mehr als irgend ein Anderer sorgte er dafür, daß die denkwürdigen Momente gewaltiger Schlachten und die Bildnisse ruhmreicher Feldherren dem Volke vor Augen geführt wurden, und mehr als irgend ein Anderer war er auch dazu berufen, mit markigen Strichen die ernsten Züge des Krieges festzubannen und wahrheitsgetreu das Getümmel der Schlachten wiederzugeben. Der Heimgegangene war ohne Zweifel einer der hervorragendsten Schlachtenmaler der Gegenwart, und wir dürfen es mit Stolz hinzufügen, der vornehmste Mitarbeiter der „Gartenlaube“ auf diesem Gebiete, dessen Portrait wir bereits im Jahrg. 1871 (S. 857) gebracht haben. Während des deutsch-französischen Krieges schmückte er unser Blatt mit den kraftvollen Reitergestalten des „königlichen Siegers von Rezonville“, „Unseres Fritzen“, des Prinzen Friedrich Karl und des General Steinmetz und in der Zeit des Jubels über die gewonnene Einheit bot er in den „drei Paladinen des Kaisers“ (Bismarck, Moltke und Roon) eine der schönsten Scenen aus dem Einzug der siegreichen Truppen in der Kaiserstadt Berlin.

Als wahre Musterbilder, wie sie in der illustrirten Presse nur in den seltensten Fällen zu schauen sind, erscheinen ferner die Reiterportraits der Heerführer aus dem russisch-türkischen Kriege, welche die „Gartenlaube“ aus der Meisterhand Camphausen’s in den Jahrgängen 1877 und 1878 gebracht hat. Man muß staunen über die meisterhafte Wiedergabe der einzelnen Charakterzüge in der Haltung und in dem Antlitz der Krieger, und wer Lust und Freude findet an den schöngeschwungenen Linien edler Rosse, der wird kaum sein Auge abwenden können von jenen prachtvollen Thieren, die bald kampfbereit zum Angriff losstürmen, bald dem Donner der Geschütze lauschend den Gang der Schlacht zu verfolgen scheinen.

Die Hauptwerke Camphausen’s müssen wir freilich wo anders suchen: in den Museen und Bildergallerien Deutschlands leuchten sie als glänzende Denkmäler großer Zeiten, und viele von ihnen schauen herab von den Wänden des kaiserlichen Schlosses, dem greisen Heldenkaiser denkwürdige Augenblicke seines Lebens und große Thaten seiner Vorfahren ins Gedächtniß zurückrufend.

Im kunstberühmten Düsseldorf stand die Wiege unseres Meisters – er wurde am 8. Februar 1818 geboren – Düsseldvrf war die Stätte seines Wirkens als Professor an der dortigen Akademie, und dort ereilte ihn auch am 18. Juni der Tod. Der Schlachtenmaler war auch Humorist und Dichter. Für seinen lieben „Malkasten“ lieferte er Gedichte und Festspiele, schrieb sogar im mittelalterlichen Stil eine Chronik desselben. In seinem Umgang war er leutselig, zeichnete sich aber stets durch strenge Gewissenhaftigkeit aus. So wird sein Andenken fortleben als das eines großen Künstlers und eines edlen Mannes! – i. 


Antigone. (Mit Illustration S. 457.) In der griechischen Tragödie gingen die Helden nicht an ihrer eigenen Schuld zu Grunde, sondern unterlagen dem unabwendbaren Schicksale, das sie zu verhängnißvollen Thaten trieb und Leiden auf Leiden auf ihr Haupt häufte. Das Los des Thebanerkönigs Oedipus und seines Geschlechts bildet wohl das ergreifendste Beispiel für dieses fruchtlose Ringen des Menschen mit höheren Gewalten. Es ist düster und schauerlich, aber nicht grausam, denn es wird verklärt durch Thaten, die einem reinen Herzen entsprangen, es wird gemildert durch die aufopferungsvolle Kindes- und Schwesterliebe der edlen Antigone.

Sie war es, die ihren unglücklichen Vater Oedipus, nachdem er erkannt hatte, daß er ohne sein Wissen seinen Vater ermordet und seine Mutter geheirathet, auf dessen Irrfahrten begleitete, ihm Trost zusprechend. Sie führte den Blinden, der sich in Verzweiflung seines Augenlichts selbst beraubte, in den Hain der Erinnyen bei Kolonos und harrte bei ihm aus, bis ihn dort die Götter von seinen Leiden erlösten.

Nun ging die Verwaiste heim nach Theben, wo nach des Vaters Tode ihre Brüder, Eteokles und Polynikes, gemeinsam regierten. Freudige Hoffnungen winkten der Unglücklichen, denn hier fand sie die Liebe Haimon’s, der ein Sohn ihres Oheims Kreon war. Aber ein Bruderzwist brachte ihr neue Leiden.

Polynikes, von Eteokles vertrieben, verband sich mit sechs andern Fürsten zum Krieg gegen seinen Bruder (der berühmte „Zug der Sieben gegen Theben“). Beide Brüder fielen im Zweikampfe, und Kreon, der dann König in Theben wurde, gebot, daß die Leiche des Polynikes unbestattet bleiben und den Vögeln und wilden Thieren preisgegeben werden solle. Da nun die Bestattung der Todten bei den Griechen eine der heiligsten Pflichten war und nach der religiösen Anschauung des Volkes die Seele des Verstorbenen, so lange der Leib nicht bestattet war, keine Ruhe im Reiche der Todten fand, beschloß Antigone, getrieben von edler Liebe für den so grausam behandelten todten Bruder, dessen Leichnam zu bestatten. Sie bedeckte ihn mit Erde, ward aber dabei ergriffen und auf des Königs Befehl in einer Felsschlucht lebendig eingemauert. Kreon’s Sohn Haimon, ihr Geliebter, gab sich vor ihrer Gruft den Tod, sodaß auch Kreon’s Haus verwaiste. Die griechischen Dichter haben dieses Musterbild erhabener Weiblichkeit oft verherrlicht; erhalten sind uns des Sophokles Trauerspiele: „Oedipus auf Kolonos“ und „Antigone“. Unser Bild stellt die an dem Leichnam ihres Bruders wehklagende Antigone dar. Die Sagengeschichte spinnt den Faden der Schicksale des thebanischen Königsgeschlechtes weiter fort. Auch Kreon’s Burg sollte fallen und sein Geschlecht zu Grunde gehen, als später in den Söhnen der vor Theben gefallenen Fürsten siegreiche Rächer erstanden waren.


Auf der Landpartie. (Mit Illustration S. 465.) Die besten Einfälle haben stets die Mütter heirathsfähiger Töchter. Sie haben eine beneidenswerthe Phantasie, wenn es gilt, zwei Leutchen einander zu nähern oder Hindernisse, welche sich zwischen den Beiden aufthürmen, zu überwinden. Wir wetten Hundert gegen Eins, daß eine Dame von der Gruppe, welche im Hintergrunde unseres Bildes lagert, Fräulein Helenens Mutter ist, und zwar fällt unser Verdacht auf jene Dame, die sich eben dem Pärchen im Vordergrunde zuwendet. Was sie da aber gewahrt, kann ihr nur das Herz lachen machen und muß ihr beweisen, daß sie richtig „kalkulirt“ hat: wenn zwei Liebende sich um Alles in der Welt nicht aussprechen wollen, dann giebt es kein besseres Mittel, ihnen die Lippen zu öffnen, als eine – Landpartie. Diese reizend verschlungenen, verschwiegenen Waldwege machen selbst das zaghafteste Herz muthig, und der frische Hauch der Natur, der freudige Glanz der Sonne erwärmen selbst das sprödeste Jungfräulein und lassen sie Blicke mit Blicken und Seufzer mit Seufzern erwidern. Und was jetzt gerade die Lippen des jungen Mannes flüstern, das beweist uns aufs Beste – Fräulein Helenens Sonnenschirm. Wenn ein hübsches Mädchen auf offener Haide, unter dem glühenden Strahl der Sonne, ihren Schirm nicht schützend über das Gesicht hält, sondern ihn lässig in den Schoß sinken läßt, dann giebt es nur eine Erklärung für ein solches Wunder – sie lauscht den Geständnissen des Geliebten. Darüber vergißt man selbst die Sommersprossen. Mama hat also ein Recht, triumphirend zu lächeln, wenn sie auch nicht hört, was sich die Beiden erzählen. Ihr Scharfblick täuscht sie nicht – das Ende der Landpartie wird eine Verlobung sein. E. P. 


Robert Franz, einer der hervorragendsten Liedersänger der Gegenwart, hat am 28. Juni in seiner Vaterstadt Halle a. d. S. seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert. Die Kunstkritik hat dem Komponisten längst den Ehrenplatz neben Schubert, Schumann und Mendelssohn angewiesen, und manche Auszeichnung wurde ihm im Laufe der Zeit zu Theil. So ist er Ehrendoktor der Universität Halle und Ehrenbürger seiner Vaterstadt. Euuge seiner Kompositionen, wie die „Schilflieder“, „Auf der Heide“, „Er ist gekommen“ etc., erfreuen sich einer großen Popularität, aber im Großen und Ganzen ist die Franz’sche Lyrik lange nicht so tief ins Volk gedrungen, wie es zu wünschen wäre, da sie in kunstvollendeter Form nur der Verherrlichung des Edlen und Wahren dient. Der schönen Charakteristik des Komponisten, die La Mara im Jahrgange 1873, S. 238 unsern Lesern geboten, haben wir heute nichts mehr hinzuzufügen. Wünschen wir nur, daß die Sorgen, die ihn früher so oft umschwebt haben, seinen Lebensabend nicht trüben mögen!


Auflösung des Keilschrift Räthsels in Nr. 27: Setzt man an die Stelle der bei den Zeichen stehenden Zahlen die betreffenden Buchstaben, wie dieselben der Numerirung des Alphabets von A–Z entsprechen, und fügt die so gefundenen Buchstaben in jene Reihenfolge an einander, wie sie durch die Anzahl der Theile (Keile) angezeigt wird, aus welchen jedes Zeichen besteht, so erhält man die Worte: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“


Inhalt: Trudchens Heirath. Von W, Heimburg (Fortsetzung). S. 453. – „Ich gratulire!“ Illustration. S. 453. – Antigone. Gedicht von Hermann Lingg. S. 456. Mit Illustration S. 457. – Plaudereien über Romandichtung. Von Rudolf von Gottschall. 2. Die Lebenswirklichkeit im Roman. S. 458. – Spanische Cholera-Impfung. Von Valerius. S. 460. – Zwei deutsche Feldherren. Von Fr. Hfm. Mit Portraits S. 461. – Unruhige Gäste. Ein Roman aus der Gesellschaft. Von Wilhelm Raabe (Fortsetzung). S. 462. – Luftschiffer aus alter Zeit. Von Reinhold Pfeil. Mit Abbildungen S. 467. – Blätter und Blüthen: Wilhelm von Camphausen †. S. 468. – Antigone. S. 468. Mit Illustration S. 457. – Auf der Landpartie. S. 468. Mit Illustration S. 465. – Robert Franz. – Auflösung des Kellschrift-Räthsels in Nr. 27. S. 468.



In unserem Verlage sind erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

 Fanfaro. 
Novelle
von
Stefanie Keyser.



Elegant broschirt Preis Mk. 3. –.

Elegant gebunden Preis Mk. 4. –.
Der Krieg um die Haube. – Glockenstimmen.
Zwei kulturgeschichtliche Novellen
von
Stefanie Keyser.



Elegant broschirt Preis Mk. 4. 50.

Elegant gebunden Preis Mk. 5. 50.

Stefanie Keyser hat sich durch ihre in der „Gartenlaube“ erschienenen Novellen: „Der Krieg um die Haube“. – „Glockenstimmen“, welchen sich im vorigen Jahre „Fanfaro“ anschloß, rasch die Gunst der deutschen Lesewelt errungen. Wir sind deßhalb überzeugt, daß wir mit den obigen, elegant ausgestatteten und besonders auch zu Geschenken geeigneten Buchausgaben den Wünschen Vieler entgegenkommen.

Leipzig, im Juli 1885. Ernst Keil’s Nachfolger. 


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.

  1. Vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1870, S. 600 und 601 und Jahrg. 1872, S. 728.