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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1875
Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[713]
Helene.
Tagebuchblätter aus dem russischen Salonleben.
(Fortsetzung.)


Als ich am Sonntag Nachmittag zu der Probe gefahren, so lautete der Bericht Masche’s, habe sich die alte Frau wieder eingestellt, die schon einmal ein Paket für mich überbracht.

Sie habe diesmal einen Brief abzugeben gehabt, den Masche in Empfang genommen, um ihn auf mein Zimmer zu tragen. Als sie indessen, ihn noch in der Hand haltend, über den Corridor gegangen, wäre Olga Nikolajewna ihr begegnet und habe sie gefragt, für wen der Brief bestimmt sei; als Masche meinen Namen genannt, habe sie ihr denselben ohne Weiteres mit dem Bemerken aus der Hand genommen, alle im Hause einlaufenden Briefe müßten zuerst an Zenaïde Petrowna abgeliefert werden. Das arme Mädchen war durch diesen Gewaltact mehr empört gewesen als erschrocken. „Denn,“ fuhr es in seinem Berichte fort, „wir Alle wissen zwar, daß die Gouvernante eine böse Hexe ist, aber ich dachte mir, den Brief müßte sie doch wieder herausgeben und an Fräulein Helene abliefern.“

Es sollte aber anders kommen, als Masche geglaubt hatte. Nach einer halben Stunde etwa war sie in den Salon gerufen worden, und die Herrin des Hauses, neben der nur Olga gegenwärtig gewesen, hatte ihr unter den heftigsten Drohungen verboten, mir irgend etwas von dem angekommenen Billete zu sagen. Dabei war es ihren scharfen Blicken keineswegs entgangen, daß letzteres, geöffnet und unter ihrem Taschentuche nachlässig verborgen, auf Olga’s Schooße lag.

Seitdem nun hatten in meiner kleinen Zofe die Anhänglichkeit an mich und die Angst, das Gebot unserer Gebieterin zu übertreten, mächtige Kämpfe hervorgerufen, bis endlich die erstere den Sieg davon trug und sie sich entschloß, mir zu beichten; mochte doch ein richtiger Instinct sie das Unterschlagen des Briefes mit der heutigen auch ihr nicht verborgen gebliebenen allgemeinen Verstimmung in Verbindung bringen lassen. Nachdem ich die Kleine über Alles ausgeforscht, beruhigte ich sie durch ein erneutes Versprechen strengster Verschwiegenheit und schob sie alsdann zur Thür hinaus, denn jetzt bedurfte ich erst recht der Einsamkeit.

Ich zweifelte keinen Augenblick, daß Wéra eines ihrer exaltirten Billete, die sie unversiegelt in einen künstlichen Knoten zusammenzulegen pflegte, unvorsichtig genug sogar in meiner Abwesenheit in’s Haus geschickt hatte. Da sie immer zu ihrer Correspondenz mit mir sich der deutschen Sprache bediente, konnte allerdings Niemand unter unseren Hausgenossen das Billet entziffern außer – Olga. Diese, wie sich leicht errathen ließ, war schlau genug gewesen, unserer Gebieterin den unglücklichen Brief unter die Augen zu bringen und deren seit der Kindergesellschaft lebhaft erregte Neugierde zu neuem Unheile auszubeuten, während sie selbst durch die Mitwissenschaft der Madame Branikow vollkommen gedeckt war. Was mochte in dem Billete stehen, und was sollte ich beginnen!? Ich fühlte mich der Verwickelung gegenüber vollkommen ohnmächtig, so lange Zenaïde Petrowna nicht geradezu aussprach, um was es sich handelte, denn Masche’s wegen durfte ich nicht einmal eine Anspielung wagen, daß ich von der Wahrheit eine Ahnung habe. Ohnehin konnte mir nicht einfallen, mein dem Mädchen gegebenes Wort zu brechen, aber ein anderer Gedanke kam mir plötzlich wie ein Lichtstrahl und zeigte mir noch einen rettenden Ausweg, den einzigen, der mir blieb; denn da in dieser Zeit der Wahlen Hirschfeldt durch Dienstpflichten sehr gebunden ist, darf ich nicht einmal hoffen, ihn hier zu sehen, um mir bei ihm Rath zu holen, ja, kann bei der Stimmung im Hause sein Erscheinen auch gar nicht wünschen. Morgen aber findet in der Assemblée wieder ein Ball statt, den die Branikow’s mit Olga besuchen werden, und sicher wird auch Fräulein Adrianoff dort sein. Ich brauche mithin nur als Zuschauerin auf die Galerie zu gehen, um Wéra zu sehen, sie nach dem Briefe zu fragen und sie zu warnen.

Nachdem ich mir noch einmal Alles überlegt und meinen Entschluß gefaßt hatte, begab ich mich wieder in den Salon, und folgte meiner alten Taktik, die herrschende unangenehme Stimmung nicht zu bemerken. Ich suchte mich möglichst unbefangen zu unterhalten, und sobald sich eine nur irgend günstige Gelegenheit darbot, erklärte ich mit größter Ruhe, daß ich das oft gemachte Anerbieten unserer Gebieterin, bei einem Balle in der Assemblée auf die Galerie zu gehen, morgen mit Vergnügen annehmen würde. Es konnte mir nicht entgehen, daß meine Erklärung sie äußerst zu frappiren schien, aber ich hütete mich wohl, es zu beachten, sondern beschäftigte mich emsig mit meiner Stickerei, und da Zenaïde Petrowna, welche wahrscheinlich eine passende Entgegnung nicht finden konnte, beharrlich schwieg, so betrachtete ich die Sache als abgemacht und erwähnte ihrer noch mehrmals im Verlaufe des Abends, um jedes Mißverständniß unmöglich zu machen. Sehen wir denn, was der morgende Tag bringen wird!


Den 24. Januar.

Lange ertrage ich diesen Zustand nicht mehr; eine geheime Angst schnürt mir das Herz zusammen, und ich weiß nicht, wie ich mir rathen und helfen soll. Selbst zum Schreiben fehlt mir eigentlich der Muth, und ich zwinge mich nur dazu, um womöglich

[714] vor dem Schlafengehen meine Nerven noch ein wenig zu beruhigen.

Ich war gestern in der Assemblée, doch muß ich gleich anfangs bemerken, daß der ganze Tag vorher nicht angenehmer war als der Montag, und ohne ein wirklich zwingendes Motiv hätte mich wohl nicht leicht etwas zum Mitfahren zum Ball bewegen können. Je trüber ich jedoch in meinem Herzen mich gestimmt fühlte, desto ausgelassener schien Olga zu sein; sie gab hundert Drolligkeiten an, über welche Zenaïde Petrowna herablassend lächelte und unser Gebieter sich vor Heiterkeit ausschütten wollte, während sie auf mich den allerunangenehmsten Eindruck machten.

Der gestrige Ball, als derjenige, welcher in die Zeit der Wahlen fällt, war der vielen Fremden wegen einer von den glänzendsten und besuchtesten in der Saison. Hätte ich freien Gemüthes auf das bunte Gewühl hinabblicken können, es würde mir Vergnügen gemacht haben, diese schimmernde Menge geputzter, durcheinander wogender Menschen zu beobachten, deren Gesichter in anscheinend ungetrübter Heiterkeit strahlten. Um ihrer Aller Lippen schwebte ein Lächeln, als gäbe es in der weiten geschmückten Halle nur Menschen, die glückselig am Freudenkelche nippen, die nichts wissen von verborgenem Weh, von stiller, das Herz zusammenpressender Angst, als trieben nicht unsichtbar unter der glänzenden Außenseite Neid und Bosheit ihr ränkevolles Spiel, den kleinen schwarzen Schlangen gleich, die sich geräuschlos und ungesehen am liebsten unter einer Oberfläche von Blumen fortringeln.

So aber hatte ich weder Sinn noch Zeit, an etwas Anderes zu denken, als an den Zweck meines Kommens und war sehr befriedigt, als ich in der That bald genug Fräulein Adrianoff unter den Tanzenden entdeckte. Es gelang mir im Laufe des Abends, ihr einen Wink zu geben, den sie auch verstand. Sie eilte zu mir herauf. Erhitzt vom Tanze und vor Glück strahlend – sie hatte, wie ich später erfuhr, soeben im Vorübergehen Hirschfeldt gesprochen – stand sie vor mir, eine entzückende Erscheinung. Ein Kleid von klarer, feingewebter Gaze, überall mit Büscheln goldener Aehren reich verziert, umhüllte ihre prächtige Gestalt gleich einer duftigen weißen Wolke, und ein Kranz von blauen Cyanen, durch ihr wundervolles blondes Haar geschlungen, fiel, mit dem gleichen kostbaren Aehrenschmucke durchflochten, auf ihre perlmutterweißen Schultern herab.

„Endlich, meine theure Helene, endlich sehe ich Sie wieder,“ sagte sie und streckte mir ihre beiden Hände entgegen.

Es ging mir wie ein Stich durch’s Herz: ich sollte das liebliche Wesen, in dieser Minute noch strahlend in Jugendmuth und Festlust, vielleicht in der nächsten schon durch meine Worte grausam verwunden, und doch durfte ich nicht säumen, denn die Augenblicke konnten gezählt sein, in denen ich mit ihr reden durfte.

„Fräulein Wéra,“ begann ich in deutscher Sprache, nachdem ich mich möglichst mit ihr zurückgezogen und mich überzeugt hatte, daß Niemand in der Nähe uns verstand, „haben Sie in diesen Tagen, haben Sie Sonntag einen Brief an mich abgeschickt?“

Sie sah mich mit ihren großen Augen in starrer Verwunderung an, und dann, als ob sie meine Gedanken in meinen Mienen läse, zuckte es wie Schreck über ihr Antlitz. „Warum fragen Sie mich?“ stammelte sie.

„Weil ich Grund habe, zu vermuthen, daß ein Brief für mich in unserem Hause verloren gegangen ist, und weil ich wissen möchte, ob er von Ihnen war.“

„Sie haben ihn nicht bekommen?!“ rief sie, meinen Arm krampfhaft umklammernd, mit solcher Heftigkeit, daß ich mich erschrocken umsah und warnend den Finger auf die Lippen drückte.

„Ich habe ihn nicht bekommen,“ erwiderte ich, „bitte, sagen Sie mir, was er enthielt!“

Sie sah mich einige Secunden lang verwirrt an. „Ich schrieb Ihnen,“ begann sie alsdann und machte eine verzweifelte Anstrengung, sich zu fassen, „daß es mir am Sonntag unmöglich sein würde, in’s Concert zu kommen; ich bat Sie, dies Alexis mitzutheilen und ihm zu versichern, daß meine grenzenlose Liebe zu ihm immer dieselbe sei und daß ich um Aufklärung bäte, warum ich ihn bei dem bewußten Rendezvous neben der Kathedrale nicht getroffen habe. Und nun sagen Sie mir, Helene,“ fügte sie hinzu, „wie wissen Sie etwas von der Existenz des Briefes, da Sie ihn doch, wie Sie sagen, nicht empfangen haben?“

Was hätte ich nicht erdulden mögen, um die Aermste zu schonen! Aber ich durfte ihr unmöglich die Wahrheit verschweigen. Zudem hätte sie jeden Tag eine ähnliche Unvorsichtigkeit begehen können – sie mußte gewarnt werden. Ich bat sie, sich zusammen zu nehmen, damit nicht ihre Verstörung Aufsehen errege, und sagte ihr, das Billet sei Zenaïde Petrowna in die Hände gefallen und diese kenne den Inhalt desselben.

Kaum hatte ich das Wort gesprochen, als Wéra erbleichte. Sie schwankte. Ich suchte sie zu stützen und redete ihr leise zu, aber sie hörte nicht einmal darauf. Die schönen Augen matt und doch voll Angst zu mir aufschlagend, fragte sie nur mit bebender Stimme: „Wird Madame Branikow es Constantin, wird sie es meiner Mutter sagen?“

„Dann müßte sie die Unterschlagung des Briefes einräumen,“ erwiderte ich, „und dadurch wird sie sich nicht compromittiren wollen.“

„Schaffen Sie mir den Brief wieder!“ bat Wéra in flehendem Tone. „Ich bin verloren, wenn sie ihn meiner Mutter in die Hände spielt.“

Jedes weitere Zureden, ich mochte es versuchen wie ich wollte, war durchaus vergeblich. Plötzlich richtete sie sich empor, und es flog wie ein wilder Entschluß über das liebliche, erblaßte Antlitz. Sie ergriff meine Hand und drückte sie mit leidenschaftlicher Hast; bevor ich noch recht zur Besinnung gekommen, war sie fortgeeilt. Kurze Zeit darauf sah ich sie wieder unten im Saale, sah, wie sie tanzte, und wie sich in jeder ihrer Bewegungen die leidenschaftliche Aufregung widerspiegelte, von der sie ergriffen war.

Was sollte daraus werden? Lange hierüber meinen Betrachtungen nachzuhängen, sollte mir nicht vergönnt sein; denn neben mir ertönte plötzlich Hirschfeldt’s unruhig bewegte Stimme: „Was ist nur geschehen, Fräulein Helene? Wéra, die ich auf dem Corridore erwartete, um endlich einmal genaue Auskunft über den Zustand in ihrem Hause und über die Wahrheit aller umlaufenden Gerüchte zu erhalten, war wie außer sich. Sie stand mir nicht Rede, verwies mich nur an Sie und schien kaum zu wissen, was sie sagte.“

„Nehmen Sie einen Augenblick Platz!“ antwortete ich ihm. „Sie sollen Alles erfahren, aber vor allen Dingen machen Sie nicht ein so erschrockenes Gesicht, wie kein Mensch es an Ihnen gewohnt ist, wenn Sie nicht wollen, daß alle geschäftigen Zungen von Woronesch morgen die Ursachen Ihrer Bestürzung erörtern!“

Er setzte sich. Es wurde ihm ersichtlich schwer, seine sonstige Sicherheit auch nur oberflächlich wieder zu gewinnen. Ich theilte ihm mit, was sich zugetragen hatte.

„Wie oft habe ich Wéra gebeten, mit diesen unglücklichen Briefen vorsichtig zu sein!“ sagte er nachdenklich. „Im Grunde aber ist alles einerlei, denn zur Katastrophe mußte es früher oder später doch kommen, und dieser Zustand der Ungewißheit beginnt allgemach unerträglich zu werden.“

„Ich werde keinenfalls länger Madame Branikow’s versteckte Anspielungen dulden,“ nahm ich das Wort, „sondern, wenn sie in denselben beharrt, eine offene Erklärung herbeiführen.“

Und das war auch heute während des ganzen Tages meine Absicht, aber die Gebieterin des Hauses hat mir hartnäckig das Glück ihrer Gegenwart entzogen. Es heißt, sie leidet an ihrer Migräne und will deshalb Niemanden sehen, und doch weiß ich durch Masche, daß Olga bei ihr gewesen ist.

Wie schon so oft in meinem Leben, will ich mich bemühen, auch diesmal den Ereignissen kaltblütig die Stirn zu bieten. Was meine Thatkraft zu lähmen droht, das ist nicht mein eigenes Ergehen; es ist die tödtliche, still nagende Angst um – ihn, dessen Schicksal in der Hand eines so unvorsichtigen Mädchens ruht, wie Wéra ist.


Den 25. Januar.

Die schwarze Wolke, lange gefürchtet, wenn sie heraufzieht, birgt in ihrem Schooße oft ein ganz anderes Unheil, als wir bisher in dem fern grollenden Ungewitter fürchteten – das ist der Gedanke, der sich immer wieder in mir regt, während ich mich anschicke, mit bebender Hand die Erlebnisse des heutigen Tages niederzuschreiben, und während ich voll Schrecken die langen Stunden der Nacht vor mir sehe, in der mich vermuthlich die Unruhe meiner Seele nicht wird schlafen lassen.

[715] Heute Morgen hatte unsere Gebieterin, die noch in ihrer üblen Laune beharrt, in Toilettenangelegenheiten eine lange Berathung mit ihrer Zofe und Näherin; später war Besuch da, ich fand also den geeigneten Augenblick zu der beabsichtigten Unterredung nicht. Der Nachmittag kam. Iwan Alexandrowitsch fuhr aus, Olga gab ihre Stunden, und ich konnte daher auf ein ungestörtes Beisammensein mit Zenaïde Petrowna rechnen, welches jedenfalls nicht unbenutzt vorübergehen durfte. Ich unterdrückte mit aller Festigkeit des Willens, die mir nur irgend zu Gebote steht, das gewaltsame Klopfen meines Herzens, als ich bei ihr eintrat und sie in möglichst freiem Tone bat, mich einen Augenblick in einer Angelegenheit zu hören, die mich in den beiden letzten Tagen sehr beschäftigt habe.

Sie sah mich befremdet und nichts weniger als ermuthigend an, aber ich war fest genug, um mich nicht einschüchtern zu lassen. Ich sagte ihr, daß ich an dem Ballabende Fräulein Adrianoff gesehen, die mir mitgetheilt, sie habe am Sonntage ein Billet an mich gesendet. „Dieses Billet nun,“ fügte ich hinzu, „ist sonderbarer Weise nicht in meine Hände gelangt.“

Madame Branikow zuckte leicht die Achseln und warf mir einen Blick zu, der, in Worte übersetzt, ungefähr lauten mußte: „Was geht das mich an?“

„Fräulein Adrianoff,“ fuhr ich unbeirrt fort, „schien sehr bestürzt, Madame, als sie das Nichtankommen des erwähnten Briefes erfuhr, sie bat mich, Nachforschungen anzustellen. Sie weiß bestimmt, daß eine alte Dienerin ihrer Familie den Brief hier im Hause abgegeben.“

Zenaïde Petrowna erwiderte mit schlecht verhehlter Ungeduld: „Aber was kümmert Ihre Correspondenz mich?“

Ich fühlte, wie eine leichte Röthe mir in die Wangen stieg, aber ich zwang mich zu der vollkommen ruhigen Antwort: „Madame, es liegt mir viel an dem Briefe, und da er vielleicht in meiner Abwesenheit angekommen ist, könnte er möglicher Weise an Sie oder Iwan Alexandrowitsch abgegeben und, wie sehr leicht erklärlich, vergessen worden sein. Sie sehen in dieser Vermuthung die Ursache meiner bescheidenen Anfrage.“

Zuerst überflog bei meinen Worten ein spöttisches Lächeln die Züge der Hausherrin, dann jedoch preßten sich ihre Lippen fest zusammen. „Ich weiß von keinem Briefe,“ erwiderte sie, mußte aber doch, als sie die Lüge aussprach, unwillkürlich ihre Blicke vor den meinigen senken. Meine innere Empörung war grenzenlos, aber ich wußte nur zu gut, daß ein Kundgeben derselben die letzte Hoffnung, jemals das unglückliche Papier in meine Hände zu bekommen, vernichten würde.

„Wenn der Brief nicht abgegeben ist,“ begann ich wieder, „so muß Jemand von den Leuten ihn nachlässiger Weise bei Seite gebracht haben, und da die vorläufige Nachfrage meinerseits kein Resultat ergeben hat, so möchte ich freundlich die Bitte an Sie richten, Madame, den Haushofmeister kommen zu lassen und ihm zu befehlen, daß er das verlorene Billet wieder zur Stelle schafft. Wenn Sie ihm Ihren Willen kund thun, so wissen Sie, Madame, daß er das Verlorene an’s Tageslicht bringen wird, wenn es noch irgendwo existirt.“

Zenaïde Petrowna hatte sich schon, während ich sprach, müde zurückgelehnt, schloß langsam die Augen und sagte gähnend: „Es kann Ihnen doch nicht im Ernste einfallen, Mademoiselle, daß ich um die genannte Bagatelle einen solchen Aufruhr anrichten soll. Fräulein Adrianoff mag in Zukunft mein Haus, welches sie nicht mehr der Ehre ihres Besuches würdigt, auch mit ihren Briefen verschonen. Das ist es, was ich von dieser Angelegenheit denke. Ah, wie erschöpft ich mich fühle!“

Nach dieser für sie unverhältnißmäßig langen Rede machte sie ein Gesicht, das allerdings den Entschluß, jetzt kein Wort mehr zu hören oder zu sagen, deutlich genug verrieth.

Ich bebte vor Aerger. Ich hatte gehofft, sie würde das Papier, da es unversiegelt gewesen und also unverletzt wieder herzustellen war, nachdem sie ihre Neugier befriedigt hatte, mir in die Hände spielen oder wenigstens es zu einer offenen Erklärung darüber kommen lassen. Beide Hoffnungen schienen durch ihr Leugnen gänzlich vereitelt, ich war jedoch nicht gesonnen, mich in solcher bisher niemals gegen mich in Anwendung gebrachten Weise abfertigen zu lassen, und erneute meine Bitte noch entschiedeneren Tones als zuvor.

Madame richtete sich empor und kniff den Mund unheilverkündend zusammen, während es an ihren Schläfen seltsam zuckte. Dann öffneten sich bereits ihre Lippen, wahrscheinlich um mir eine Beleidigung mehr zuzuschleudern, vielleicht aber auch, um mir den Inhalt von Wéra’s Billet brutal vorzuwerfen, als plötzlich einer von den Dienern erschien und hastigen Tones eine Meldung begann. Er wurde indessen, noch bevor er sie zur Hälfte beendet hatte, von dem anzukündigenden Besuche in Person unterbrochen und bei Seite geschoben. Es war Kleopatra Feodorowna Ostrowski, die sich, ohne eine Aufforderung zu erwarten, in den nächsten Sessel warf, völlig außer Athem und so echauffirt, als hätten wir anstatt strenger Januarkälte die Hitze des Hochsommers zu ertragen.

Ich konnte einen Seufzer nicht unterdrücken, als ich die alte Neuigkeitskrämerin erkannte, von der ich wußte, daß sie keinen anderen Lebensberuf hat, als alle möglichen und unmöglichen Klatschgeschichten aus einem Hause in das andere zu tragen, und daß wir sie in mindestens einer oder gar zwei Stunden nicht wieder würden los werden.

„Ah, Duschinka, wie geht’s?“ richtete sie, noch immer zwischendurch nach Luft schnappend, das Wort an unsere Gebieterin. „Sie glauben nicht, welchen Schreck ich gehabt habe! Denke ich doch, mich soll auf der Stelle der Schlag rühren! Sie müssen wissen,“ fuhr sie dann, nochmals tief Athem schöpfend und nachdem sie sich in dem Sessel behaglich zurecht gesetzt, fort, „ich komme geraden Weges von den Adrianoffs.“

Mich durchfuhr bei ihren Worten ein Schreck, daß mir die Kniee bebten, und auch Madame richtete ungewöhnlich rasch die Frage an ihren Gast:

„Von den Adrianoffs?“

„Ja doch, Zenaïde Petrowna, eben daher. Aber Gott segne meine Seele, Kind – ich glaube, Sie wissen noch gar nicht, was geschehen ist.“

„Nun, was denn? Was ist geschehen? Sie wollen es uns ja eben mittheilen,“ rief die Herrin des Hauses ungeduldig, während ich unwillkürlich, stumm vor Angst, der Alten einen Schritt näher trat.

Glücklich über unsere Unwissenheit, fühlte sich Kleopatra in ihrem Elemente. Sie schüttelte den Kopf, faltete die Hände und fragte dann langsam. „Sie waren doch Dienstag in der Assemblée?“

„Gewiß waren wir da, und was weiter?“

„Und Sie haben Wéra gesehen?“ fuhr sie fort. „Das arme Seelchen! Sie soll so schön gewesen sein, wie fast noch nie, aber die Heiligen mögen wissen, was ihr widerfahren ist. Einige behaupten, der Capellmeister habe sich mit dürren Worten von ihr losgesagt, und Andere wieder, Constantin Feodorowitsch habe diesen bis auf den Tod beleidigt und beschimpft. Eins aber ist sicher, daß Wéra, nachdem sie wie eine Rasende getanzt, ohne Wissen ihres Bruders hinaus geeilt und sich glühend, wie sie war, mit den leichten Ballschuhen und unbedecktem Kopfe in einen offenen Schlitten gesetzt hat – wir hatten in der Nacht zwanzig Grad Kälte, wie Sie wissen, meine Liebe – und nicht genug damit: als das Unglückskind nach Hause kommt, reißt es die Fortischka auf, stellt sich im Ballcostüm davor und sagt den erschrockenen Dienern nur immer das eine Wort. ‚Laßt mich! Ich will sterben.‘ Mit Gewalt mußte man die Arme endlich fort und in’s Bett bringen. Sie können denken, daß die Folgen nicht auf sich warten ließen. Gestern schon hat die arme Seele den ganzen Tag im heftigsten Fieber zugebracht, und als ich heute arglos komme, sie zu besuchen, war eben das Delirium ausgebrochen. Ihr Kopf brannte wie Feuer, und sie schwatzte die tollsten Dinge. Nun stellen Sie sich vor, daß die Eltern noch Beide abwesend sind, wenn auch Madame Adrianoff täglich erwartet wird. Der Zustand im Hause ist ein entsetzlicher, und Constantin Feodorowitsch benimmt sich vollständig wie ein Unsinniger. Glauben Sie wohl, daß er mich, als ich ihm ein theilnehmendes Wort des Bedauerns sagen wollte, beinahe vor die Thür gesetzt hat?“

Sie gerieth bei Erwähnung der ihr von Wéra’s Bruder ihrer Meinung nach widerfahrenen Rücksichtslosigkeit fast in die nämliche Aufregung wie bei ihrer Ankunft. Bei der Berührung von Wéra’s unbegreiflicher Erregung auf dem Balle traf mich ein angstvoller Blick Zenaïde Petrowna’s, den ich in gleicher Angst erwiderte, und diese stumme Sprache verrieth Alles, was unsere Lippen nicht wagten auszusprechen – tödtlichen [716] Schreck und volles Verständniß. Die plötzliche Ueberraschung hatte mir für einen Augenblick gänzlich meine gewohnte Selbstbeherrschung geraubt, Zenaïde mußte in meinen Augen so gut die entsetzte Anklage, wie ich in den ihrigen die ängstliche Frage gelesen haben. Es gab hier weiter keine Täuschung: sie konnte keinen Zweifel mehr hegen, daß ich wußte oder doch errieth, wo mein Brief geblieben war, und daß ich Wéra davon gesagt hatte, ebenso sicher aber verstand ich, daß sie darin den Grund zu Wéra’s Verzweiflung sah.

Ich raffte meinen Muth zusammen und bat die Bringerin der Hiobspost flehentlich um die Erklärung, daß sie wirklich nichts übertrieben habe, sie betheuerte hoch und heilig die Wahrheit ihrer Worte. Die innere Unruhe trieb mich aus dem Salon, den ich wankenden Schrittes verließ, um mich in der Einsamkeit des Musiksaales zu sammeln. Meine Gedanken wirbelten wüst durcheinander. Was kann die Unglückliche in ihren Fieberphantasien nicht Alles verrathen! – und dann wieder: Was wird das Ende dieser Wirrnisse sein? Und wenn die Krankheit eine gefährliche Wendung nähme – ich kann und mag den Gedanken nicht verfolgen. Armer Alexis, die Nacht wird noch quälender für Dich sein als für mich.


Den 26. Januar.

Zenaïde Petrowna ist sich wenigstens bewußt, daß sie es ist, die durch Unterschlagung des Briefes zunächst das Unheil angerichtet hat. Gewissensbisse und Angst lassen ihr keine Ruhe. Sie ist heute viel früher aufgestanden, als sonst ihre Gewohnheit ist, und hat Morgens gegen zehn Uhr schon selbst einen Diener zu den Adrianoff’s geschickt, um sich nach Wéra’s Zustand erkundigen zu lassen. Der Diener brachte die Antwort, das Fräulein sei so schwer krank, daß man eben den Priester hole, um ihr das Abendmahl reichen zu lassen. Madame wurde bei der Nachricht leichenblaß, und fast den ganzen Tag liegt sie vor dem Heiligenbilde in der Ecke ihres Zimmers auf den Knieen. Sie hat so sehr die Fassung verloren, daß sie sich nicht einmal mehr die Mühe giebt, ihre Gedanken, ihre Angst zu verbergen. Olga schleicht umher mit falschem Blicke, wie das böse Gewissen; sie vermeidet mich, wo sie kann. Ich selbst befinde mich wie in einem fortwährenden Schwindel und wandere umher, ohne meine Gedanken von diesem unglücklichen Ereignisse auch nur während der Dauer einer Secunde losreißen zu können. Fast bin ich in Versuchung, das Schicksal anzuklagen, daß eben ich es sein mußte, die Wéra durch den Bericht zum Aeußersten brachte. Und wenn sie sterben müßte, was sollte aus Hirschfeldt werden?!

Nein – ich kann nicht mehr schreiben; die Angst erstickt mich und treibt mich wieder empor. Da die Kälte etwas nachgelassen hat, werde ich versuchen in der Galerie frische Luft zu schöpfen.


Den 27. Januar.

Heute Morgen schickte unsere Gebieterin um dieselbe Zeit wie gestern zu Adrianoff’s, und diesmal brachte der Diener die Nachricht, es sei ein wenig, aber auch nur ein ganz klein wenig besser mit Wéra. Das war doch ein Hoffnungsstrahl, wenn auch nur ein schwacher, ein Aufathmen der müden Seele, die so gern hofft, wo sie mit allen Kräften wünscht, wo der Wunsch wie ein Gebet sich zum Himmel emporringt.

Die Herrin des Hauses trägt von diesem Augenblick an ihren Kopf wieder etwas höher und gönnt ihren Gliedern schon während einer geraumen Weile die Wohlthat, sich auf dem Divan unter den Palmenkronen auszustrecken, doch verlangt sie glücklicher Weise nicht, daß ich vorlesen oder spielen soll.

Der größte Theil des Tages schleppte sich so in Hoffen und Fürchten hin. Ich begab mich nach dem Diner in unsern jetzt verödeten Musiksaal, um darin eine Promenade zu machen, da mir mein Stübchen für die mich innerlich quälende Unruhe wirklich zu eng erschien.

Langsam schlenderte ich in diesem Raume auf und ab, in dem ich so manche bitter schmerzliche und auch wiederum manche Stunde des Glücks verlebt. Wenn ich den vereinsamten Flügel ansah, war es mir, als müsse Wéra’s liebliche Gestalt sich daran lehnen und auf die zerstreuten Notenhefte niederblicken. Wenn ich meine Augen schloß, glaubte ich im Geiste den sanften Ton ihrer Stimme zu vernehmen und zwischendurch wiederum den kräftigen, sonoren Klang jener anderen, nach welcher mein Herz sich all diese traurigen Tage hindurch schmerzlich gesehnt hatte. Sah ich nicht das rasche Aufleuchten jener wunderbaren Augen vor mir, wie sie verständnißinnig, vielsagend den Blick zu mir herübersendeten? Konnte ich mir eine Zeit denken, wo ich diese Augen nie mehr sehen sollte, wenn ihr Besitzer seinen oft geäußerten Plan zur Wahrheit machen und nach Moskau, nach Petersburg oder gar nach Paris gehen würde? Stand ich höchst wahrscheinlich nicht eben jetzt an der Schwelle der Entscheidung? Und dieses Leben ohne ihn – der Gedanke war wie der Blick auf eine öde, graue Steppe. Warum sollte ich mich selber täuschen? Wem verdankte ich die glücklichen Stunden künstlerischer Anregung, den Genuß, welchen eine geistvolle Unterhaltung gewährt, sei es über Musik oder ein anderes Thema? Nur ihm, der meinem Dasein hier einen geistigen Inhalt verliehen, der es mit Rosen geschmückt hat, wenn auch ihre Dornen mich blutig ritzen. Und jetzt wendet er sich vielleicht nach rechts und ich nach links, denn hier bleiben – so, wie so –

Plötzlich fuhr ich zusammen, als ich hart neben mir ein Geräusch hörte. Ich wendete mich rasch um – da stand er vor mir, der eben noch alle meine Gedanken beschäftigt – Hirschfeldt. Er war so bleich, wie ich ihn noch nie gesehen hatte, und in seinen Augen glühte es wie Fieber.

„Hirschfeldt! Mein Gott, was ist Ihnen?“ rief ich, ihm die Hand entgegenstreckend, und dann, noch bevor er im Stande war zu antworten, überlief es mich wie Eis. „Wéra!“ fügte ich mit Hast hinzu. „Was wissen Sie von ihr? Ist die Krisis nahe?“

Er schüttelte den Kopf. „Seit diesem Morgen hat ihre Krankheit eine Wendung zum Bessern genommen. Wir dürfen hoffen, daß Wéra, wenn keine besonderen Zwischenfälle eintreten, gerettet ist.“ Er sagte das wunderbar ruhig, und doch sah ich, daß ein unausgesprochenes Etwas noch wie Bergeslast ihm auf der Seele lag und alle seine Gefühle in Aufruhr erhielt.

Ich drückte ihm meine Freude aus, daß der Zustand seiner Geliebten Hoffnung zu Genesung gäbe. „Aber Sie,“ mußte ich doch sogleich wieder hinzufügen, „was ist Ihnen nur, mein Freund? Haben Sie sich Wéra’s wegen so sehr geängstigt?“ Und dann wiederum erschrak ich, denn wie in fiebernder Hast ergriff er plötzlich meine beiden Hände und preßte sie krampfhaft zusammen, über sein Antlitz fuhr es wie Gewittersturm; aus seinen dunkeln Augen flammte leidenschaftliche Gluth empor und wiederum ein wilder Schmerz.

„Ich habe Unbeschreibliches erlebt,“ rief er aus, „etwas, das ich nie, niemals für möglich gehalten hätte. Helene, Sie müssen mich anhören; ich muß Ihnen Alles mittheilen, wenn dieses Chaos in meiner Seele nicht zum Wahnsinn werden soll. Sind Sie allein?“ setzte er, verstört um sich schauend, hinzu. „Allein! Das ist mehr Glück, als ich zu hoffen wagte.“

(Fortsetzung folgt.)


An der Evangelistenbrücke der Drina.

Der Künstler unserer Illustration, Franz Zverina in Brünn, theilt uns über den Gegenstand derselben eine Schilderung mit, welcher wir das Nachstehende entnehmen. Die Brücke selbst haben wir nördlich von Montenegro im südlichen Theil der Herzegowina zu suchen, die zu dem in diesem Augenblicke so wichtigen Bosnien gehört. In jenen wilden Gebirgen entspringt die Drina, die bekanntlich in ihrem letzten nördlichen Laufe als schiffbarer Fluß die Grenze zwischen Serbien und Bosnien bildet und beim Fort Racsa in die Save mündet.

Erfüllt von den tagtäglichen Schilderungen türkischer Gräuelthaten, so erzählt unser Gewährsmann, überschritt ich nicht ohne Bangen die Montenegriner Grenze bei Rovno und wanderte, meinem unzähmbaren Drange folgend, auch die jenseits der Grenze, in der Herzegowina aufragenden Planinen (Hochebenen)

[717]

Die Evangelistenbrücke über die Drina in der Herzegowina.
Nach der Natur aufgenommen von Professor Franz Zverina.

[718] zu sehen, rüstig jenen Bergen zu, wo der Segen des Friedens unter der Paschawirthschaft bis jetzt noch keine Wurzeln schlug und wo trotz Jahrhunderte währender Kämpfe noch keine Freiheit erblühte.

Ich konnte es als ein glückliches Zeichen ansehen, daß ich schon bei Mala Podgorica, unfern der Grenze, eine Reisegesellschaft in einem hübschen jungen Mädchen fand, welches mir freundliche Grüße zurief. Ich muß bemerken, daß das obwohl auf einer niederen Culturstufe stehende Herzegowinervolk doch zu vielen schönen Sitten auch jene sehr ritterliche zählt, daß auf Reisen und zu jeder Zeit und auch auf den einsamsten Stellen kein Mensch so sicher reist wie Mädchen und Frauen. Selbst Männer genießen in ihrer Gesellschaft ein gewisses Recht der Unantastbarkeit. Als ich landesüblich zu meinem Gegengruße auch die Frage nach ihren nächsten Verwandten an sie richtete, hub sie nicht gerade schmerzlich bewegt, aber, weil sie hierüber mehr zu sagen hatte, mit tiefer ausgeholtem Athem an:

„Meine Mutter und meinen Vater kenne ich nicht; meinen Bruder habe ich viele Jahre nicht gesehen, und meine Schwester werde ich kaum je wieder sehen.“

Noch ehe ich nach der Deutung dieser fast mystisch klingenden Worte fragen konnte, erzählte sie weiter:

„Meine Mutter starb kurze Zeit nach meiner Geburt auf der Flucht vor plündernden Türkenschaaren; mein Vater zog schon mit unserer Rächerschaar des Vuko Goluba und später das Luka Vukalovic im Lande kreuz und quer umher, kaum ahnend, daß ich noch am Tage meiner Geburt aus menschlichem Erbarmen schon fremde Muttermilch gesogen. Mein Vater flüchtete später über die Grenze in fremde Länder. Er kam nie wieder. Als Waisen lebten ich, meine Schwester und mein Bruder schwere Tage, und das Schicksal zerstreute uns endlich ganz. Schwester und Bruder verloren ihr Heim. Ich sollte die Glücklichste sein. Ich bin Braut und tanze als Mädchen kommenden Sonntag das letzte Mal den Kolo. Mein Bruder lebt an fremdem Herd; er nahm Dienste in der Czernagora (Montenegro = der schwarze Berg); Kolaciner Marktleute brachten mir Kunde und Grüße von ihm; er will zu meiner Hochzeit kommen und eine ganze Oka (etwa zwei Pfund) Pulver verschießen, weil ich des schwarzen Jovo, seines Freundes, Weib werde. Aber ich glaube, daß er auch, so Gott will, meiner Schwester Raub zu rächen kommt. Dieser riß der Türke das Kreuz von ihrer Brust; sie starb für uns, denn seit Weihnachten im Vorjahr schmachtet sie im Harem zu Mostar.“

Welchen Blick eröffnet diese eine Familiengeschichte in die Zustände des Landes und die Ursachen des jetzigen Aufstandes! Ich fühlte und konnte es nun wissen, daß ich bereits auf dem blutgetränkten Boden türkischer Oberherrlichkeit schritt, und dennoch sollte ich bei der Evangelistenbrücke weit mehr erfahren.

Die Braut ging mit mir gleichen Weges. Sie schritt, den Korb auf dem Haupte, so rüstig voran, daß ich ihr kaum folgen konnte, und hatte aus purem Mitleide – erregt durch mein erbärmliches Aussehen – mir einen Theil meiner Bürde abgenommen. Als ich sie später dafür belohnen wollte, wies sie mein Ansinnen mit der naiven Bemerkung zurück, es wäre ja unchristlich, einem armen Wallfahrer – für den hielt sie mich nämlich – nicht helfen zu wollen, aber wenn ich ihr ein kleines Heiligenbild schenke, wolle sie noch als Jovo’s Weib für meine arme Seele beten. Ich förderte mein Seelenheil und schenkte ihr zwei Heiligenbildchen und alle entbehrlichen metallenen Knöpfe und Schnallen für die Struka (Brustlatz) ihres Jovo.

Je höher wir stiegen, desto steiler und holpriger wurde der Weg, der sich stellenweise außerordentlich verengte. Auf den Abkürzungspfaden gelangten wir auch an sogenannte Felsleisten, welche kaum die Breite von zwei bis drei Fuß hatten, und wo wir über unsere Sandalspitze in die gähnende dunkelblaue Tiefe sahen. An einer solchen Stelle kam uns ein Mann mit drei Lasteseln nach, die der Durst antrieb, uns zu einer nahen Cisterne vorauszueilen. Nachdem auch wir unsern Durst gelöscht und durch kurzes Ausruhen uns gestärkt hatten, setzten wir die Reise gemeinsam fort, in lebhaftem Gespräch über die Schönheit und das Unglück dieser „Illyrischen Schweiz“.

Sechs Stunden Weges hatten wir auf der felsigen Hochebene bereits durchschritten, und vier Stunden standen uns, um unter Dach zu kommen, noch bevor, wenn wir das erste Dorf nach landesüblicher Sitte noch vor Sonnenuntergang erreichen wollten. Denn wer im Dorfe später anlangt, kann an’s Thor lange pochen, und er pocht vergebens.

Als sich der Weg zur Thalsohle neigte, übersahen wir das herrliche Panorama von Bergen und Schluchten, in deren vordersten sich die Drina in zahllosen Windungen tobend Bahn bricht. Auch unsere Brücke war von der Höhe aus bereits sichtbar. Als wir dieser ansichtig wurden, erzählte mein Begleiter, der mich bisher schon mit mancher keineswegs gemüthlich klingenden Geschichte unterhalten hatte, noch einige, von welchen zum Schlusse nur die folgende hier Platz finden möge.

Der braune Geselle hub an:

„In den fünfziger Jahren hausten Krieg und Jammer in unseren Bergen. Unsere braven Führer Vuko Goluba und Anto Vukosov schlugen sich tapfer mit den Türken und hieben zerfleischend in ihre Schaaren ein. Erschienen diese in zu großer Uebermacht, so wußten die Unseren regelmäßig durch schleunige Flucht auf die Berge zu entkommen.

Da fingen die Türken einst den Krca Petrovic, einen rechtlichen Mann, und wollten ihn zwingen, ihnen das Lager seiner Brüder zu verrathen. Dieser kannte, da er ein hülfeleistender Bruder (fremder Zuzügler) war, das Lager selbst nicht. Sie schleppten und stießen ihn im Dorfe hin und her, maltraitirten ihn arg und zogen ihn endlich mit sich fort. Und als er, auf der Brücke angelangt, zum Zeugen, daß er nichts verrathen könne, hier das Kreuz anrief, banden sie ihn unter dasselbe fest und stachen ihm die Augen aus. Das Kreuz brachen sie ihm über dem Kopfe zusammen, und es fiel auf ihn – so hat man ihn jammernd gefunden. Er lebte hierauf noch sieben Jahre, aber starb dennoch keines natürlichen Todes.

Als sich die Dorfbewohner vor den Türken einst wieder in die Berge flüchten mußten, konnte er als Blinder die schmalen Felswege nicht mehr betreten. Er blieb deshalb zurück und verkroch sich auf dem Boden seiner Hütte. Doch die Wüthriche brannten das ganze Dorf nieder, und Petrovic kam in den Flammen um’s Leben.

Aber in wenigen Jahren schon rächte diese That unser Luka Vukalovic fürchterlich und zahlte die Schuld den Türken blutig heim. Er ereilte mit seiner tapferen Ceta (eine größere Abtheilung Krieger) den Türkentroß. Den Agalic selbst schleifte er mit noch einem rothbärtigen Türken an den Ort ihrer Gräuelthat, zur Brücke, und knüpfte sie mit den Roßhaarsträngen türkischer Barjake (Türkenfahnen) gleich Schächern zu beiden Seiten des Kreuzes an den Brückenpfählen auf. An diesen flattern die Galgenstränge heute noch im Winde. Mit den versilberten Hufen des Agapferdes wurden, nachdem sie zu Reifen umgebogen waren, die Kreuzstücke umklammert. Auch diese sind noch sichtbar.

Diese harte Sühne hat das Leben der Wittwe Petrovic freilich nicht besser gestaltet; sie selbst, schon alt und schwach, lebt traurige Tage und hütet auf den Bergen ihre wenigen Ziegen. Die junge Staza, ihre Tochter, wurde schon Wittwe zur Zeit, als sie ihren Mann kaum recht kannte. Er fiel in der Porimschlucht, in welcher Luka gefangen zu werden arg bedroht war, und hinterließ ihr als theuere Abschiedsgabe ein Knäblein in den Armen.“

Bei dieser Erzählung kamen wir zur Brücke, deren Mitte eben mit der sinnigsten Staffage belebt wurde. Da sah ich Gläubige beim Kreuze beten, so beten, wie es der Mensch nur im größten Unglück, und wenn er des Lebens Last schwer schon trägt, andächtig zu vollbringen vermag. Eine junge Mutter – selbst noch einem Kinde gleichend – hatte zu den Füßen des Kreuzes ihren Säugling hingelegt, um ihn gleichsam dem Schutze des Angeflehten zu weihen. Auch das unmündige Kind streckte seine Händchen gegen den Himmel. Eine andere hagere Gestalt stand niedergebeugt mit einem langen Gewehre im Arme und hob, in einen Mantel gehüllt, die zitternden dürren Hände ebenfalls zum Kreuze empor. Von diesem wehten Düfte geopferter frischer Blumenkränze herüber, und eine lautlose Stille herrschte am Bache. Selbst die unten weidenden Thiere regten sich kaum und standen wie gebannt, von den kalten Wellen der Drina umfluthet. Der Moment schien auch für mich eine Aufforderung zum Gebete zu sein. Nachdem ich es verrichtet und die Betenden uns näher gekommen, sah ich, daß die waffentragende [719] Person ein altes gramgebeugtes Mütterchen war, dem eine Thräne im matten Auge glitzerte und das noch immer Gebete zu lispeln schien.

Bewältigt von den heute erlebten Eindrücken und eingedenk des in jenen Gauen landläufigen inhaltsschweren Sprüchwortes: „Schwer lebt sich’s dem Weibe, das des Mannes Waffen trägt,“ sprach ich, von Mitleid tief gerührt, zu meinen Genossen:

„Auch ein Mütterchen, das wohl nicht weniger Leid erfahren hat, als die Wittwe Petrovic’s.“

„Fürwahr, so ist es auch,“ erwiderten diese, „denn – sie ist es selbst.“

Dem ganzen Eindruck der Umgebung entsprechender hätte ich nicht zu der alten merkwürdigen Brücke geführt werden können. Sie ist sehr alt und gewiß noch in den Jahren der frühesten serbischen Freiheitskämpfe entstanden, also in jenen Zeiten, in welchen ein Häuflein muthiger Krieger das heutige Montenegro begründete.

Die Stelle ist mit großem Geschick gewählt. Das Bett der Drina ist hier ziemlich breit. Bei Hochwasser steigt sie daher nicht so rasch, daß Gefahr für die Brücke entstünde. Mächtige Felsblöcke, welche sich einst von der steilen Felslehne des Brlac lösten oder die Gipfel jenseitiger Berge krönten, liegen zur Hälfte im Flußbette begraben. An ihrem oberen Theil brechen sich im Frühjahre schäumend die Wellen, ohne diese Kolosse wie die kleineren Felstrümmer in die niederen Thäler fortwälzen zu können.

Fest im Boden eingekeilt und von eigener Schwere gebannt, ruhten sie vielleicht Jahrtausende, ehe der erste Versuch wechselseitigen Verkehrs gemacht, das erste Bret über sie gelegt wurde. Aus schweren Klötzen scheinbar zufällig, ist doch alles erfahrungsgemäß nach dem Gesetze der Festigkeit in einander gefügt, aber, wie auch leicht erklärlich, nach den zerstreut liegenden Blöcken in Zickzacklinien, so daß auf den schiefen, holperigen Trittflächen es oft einiges Balancirens bedarf und man ein geborener Herzegowiner sein müßte, um auch im Dunkel der Nacht die Ferse gefahrlos darüber setzen zu können.

Wahrscheinlich dem Schutze der Evangelisten allzu viel vertrauend, halten es die heimischen Passanten für genügend, das improvisirte Geländer aus Weidenruthen nur stellenweise hingeflickt zu haben; sobald man auf der Mitte jeder Biegung angelangt ist, muß man mit der anderen Hand das jenseits liegende Geländer mit richtigem Griffe erfassen, wenn man nicht ein unfreiwilliges Kaltbad in der Drina nehmen will.

Der Sage nach sollen sie Moracaner erbaut haben, welche später über die Gebirgskämme nach der Czernagora gingen. Sie war ehedem die einzig sichere Passage, welche die Bewohner der Niksic-Drobnjaker und Grubolitzer Planinen hatten, und ist auch für die heutigen Gebirgsbewohner noch von einer gewissen Bedeutung, da diese gegen die Betretung der breiteren Türkenstraßen und Brücken stets einen leicht erklärlichen Widerwillen hegen. Weiß es doch das arme Bergvolk nur allzu gut, daß auf solchen Straßen die Türken in fürsorglicher Weise von Festung zu Festung nur Kanonen führen, welche, seit sie das Arsenal verließen, nur gegen die Unterthanen gerichtet werden, denen die beim Bau jener Zwingburgen erhaltenen Schwielen bis jetzt nicht vernarbten.

Die Brücke ist auch ein vieljähriger Zeuge blutiger Kämpfe. Beim wandelbaren Kriegsglücke drangen die Türken auch bis zu dieser Stelle und übten hier ihre Zerstörungswuth. Sie zerbrachen wiederholt das Kreuz und verstümmelten bis zur Unkenntlichkeit auch die Evangelistenfiguren an den Pfählen, aber die christlichen Kämpfer richteten schon am ersten Siegestage das Kreuz mit blutenden Armen desto höher empor, und ihr frommer Sinn beeilte sich, mit den schönsten Blumen und Kränzen die Wundmale desto reicher zu schmücken, welche oft genug mit thränengenäßten Bändern von unglücklichen Müttern und Bräuten, die ihre Gefallenen hier betrauern, umweht und umschlungen sind. – So stimmt die rauchgeschwärzte Färbung der Brücke uns düster, aber sie stimmt mit der Geschichte des Landes überein. Die oft geschürte Flamme konnte die Brücke nie ganz verzehren, und so ist sie heute noch die Wahlstätte jüngerer und vielleicht glücklicherer Streiter. Mancher sonngebräunte Bergsohn sammelte mit findigem Auge in diesem Brückengehölz schon als Knabe fehlgeschossene Türkenkugeln, um sie, kaum zum Jünglinge gereift, im neuergrimmten Kampfe seinem Erzfeinde wohlgezielter zurückzusenden, und unter dem Bilde des Kreuzes stählt sich auch jetzt der Muth dieser Falkensöhne zur Heldengröße und läßt in ihrer Brust das Feuer des Glaubens und der Freiheit nicht erlöschen.




Keine Ueberschwemungen – kein Wassermangel mehr.
Ein amerikanisches Heilmittel.


Ich sehe das Nasenrümpfen meiner Leser, den spöttischen Ausdruck ihrer Mienen beim Lesen der etwas kühnen Ueberschrift dieses Artikels. Die Amerikaner sind ja als Humbugger und Uebertreiber weltbekannt. Ich will ihnen diese Eigenschaften nicht abstreiten, aber sie haben würdige Nebenbuhler und sogar Besieger in allen Herren Ländern.

Man wird ihnen jedoch nicht abstreiten können, daß sie die Probe ihrer oft windig genug aussehenden Probleme mit einer Großartigkeit und Nichtberücksichtigung des Kostenpunktes versuchen, die Staunen erregt, und welcher Anerkennung nicht versagt werden kann. Denn was ist angesichts des Fortschrittes der letzten fünfzig Jahre noch unmöglich? Nichts! Alles ist blos Frage der Zeit, das heißt der Arbeit und des Geldes.

Bei den meisten Lesern darf ich als bekannt voraussetzen, daß der bei New-York sich in den atlantischen Ocean ergießende prachtvolle Hudsonfluß, im Adirondakgebirge entspringend, so ziemlich den ganzen Staat New-York von Norden nach Süden durchströmt. Die ungeheuren Schneemassen, welche sich während der dortigen langen und strengen Winter in den genannten, noch ganz unbebauten Gebirgen ansammeln und im Frühjahre unter dem Einflusse der dem westlichen Continente überhaupt eigenthümlichen plötzlichen Temperaturwechsel fast alljährlich mit starken Regengüssen schmelzen, verursachen häufig verwüstende Ueberschwemmungen. Andererseits reicht, insbesondere während trockener Sommer, die Wassermasse des Hudson und seiner Nebenflüsse nicht aus, um den Anforderungen zu entsprechen, welche die Binnenschifffahrt, die Canalisation, die Industrie und die Ackerwirthschaft an sie machen.

Es drängte sich die Frage auf: giebt es kein Mittel, um während einer Periode des Jahres die mindestens nutzlos, oft aber zerstörend abfließende werthvolle Wasserkraft zu bannen, aufzuspeichern, um während der Perioden der Wassernoth das durch die Trockenheit wesentlich verminderte Wasserquantum des Hauptflusses und seiner Zuflüsse so anzuschwellen, daß die wichtigsten Zweige der gesellschaftlichen Industrie keinen Nachtheil erleiden?

Gewiß ist diese Frage keine specifisch amerikanische, so wenig wie die Verhältnisse, welche sie hervorgerufen, nur der neuen Welt eigenthümlich sind. Allein die Art, wie man ihrer Lösung näher zu rücken suchte, ist specifisch amerikanisch. Die Nation ist entstanden, gewachsen und groß geworden im täglichen Kampfe mit den elementaren Kräfte eines wilden Landes; dieser Kampf ist das Lebenselement des Einzelnen wie der Gesellschaft, und wo der Europäer und der europäische Staat vor dem „riesengroßen“ Ungeheuer „hoffnungslos“ die Hände in den Schooß legen und das anscheinend Unabwendbare über sich ergehen lassen, da erhebt sich in den Vereinigten Staaten der Einzelne wie der Staat, wenn auch noch so oft niedergeschmettert, immer wieder zu neuer Anstrengung und läßt nie die Hoffnung auf Erfolg sinken.

Der Sommer 1874 war in den sechs Neuengland- und den vier Mittelstaaten, von welch letzteren New-York einer ist, so ungewöhnlich trocken gewesen, daß, hätte die Trockenheit noch vierzehn Tage angehalten, die Canalschifffahrt unterbrochen worden wäre. Unter dem Eindrucke einer solchen Calamität wies die gesetzgebende Versammlung des Staates eine Summe

[720] von siebentausendfünfhundert Dollars an, um damit „die Kosten einer Vermessung, Kartirung und Planentwerfung zu decken über das Aufdämmen von Seen und die Anlage von Wasserbehältern am Ursprunge (headwaters) des Hudsonflusses“.

Als näherer Zweck der Geldbewilligung war bestimmt, zu ermitteln: in welcher Ausdehnung und mit welchem wahrscheinlichen Kostenaufwande es möglich sein würde, die ungeheure Ansammlung atmosphärischen Niederschlages auf der Adirondak-Hochebene während der sechs Wintermonate aufzuspeichern und später für die Zwecke des Staates nach Bedürfniß nutzbar zu machen. Man nahm an, daß die aus der nördlichen Wildniß des Staates im Frühjahr in den Hudson strömende Wassermasse in ihrem alljährlichen Zerstörungswerke zurückgehalten und in gewissem Grade controlirt werden könnte und daß die Nachhülfe aus dem aufgestauten Wintervorrathe die Nachtheile der häufigen trockenen Sommer, wenn nicht ganz beseitigen, doch erheblich mildern könne.

Eine der Hauptfragen, womit sich das bestellte Ingenieurcorps zunächst beschäftigte, war die: in welcher Ausdehnung die Schifffahrt auf dem Hudsonflusse, dieser unvergleichlichen Lebensader nicht nur des Staates New-York, sondern durch seine Canalverbindungen auch der ganzen Vereinigten Staaten, in den Perioden niedrigen Wasserstandes durch ein System von künstlichen Wasserbehältern gehoben werden könne. Es war den Ingenieuren zu dem Zwecke aufgetragen worden, annähernd zu ermitteln:

1) die Masse des alljährlich in den den Hudson- und Raquettefluß (dieser entspringt auch auf der Adirondak-Hochebene, nimmt aber seinen Lauf, dem des Hudson entgegengesetzt, nördlich nach dem St. Laurenzflusse) speisenden Bassins sich ansammelnden überschüssigen Wassers;

2) in welcher Ausdehnung und mit welchen Kosten diese Wassermasse zurückgehalten, durch Aufbewahrung in großen Reservoirs zu nützlichen Zwecken verwandt und den gegenwärtigen wie künftigen Anforderungen der Industrie der Bevölkerung dienstbar gemacht werden könne;

3) in welchem Grade man auf jene in den Behältern zurückgehaltene Wassermasse, einmal zur Speisung der Canäle und, was wichtiger, aber auch schwieriger, zur Erhöhung des Wasserstandes im Hudsonflusse während trockener Sommer- und Herbstmonate rechnen könne.

Um die Großartigkeit der Aufgabe bloß in letzterer Beziehung meinen Lesern zum Verständnisse zu bringen, genügt es, zu bemerken, daß der Hudson von Albany bis zu seiner Mündung (so ziemlich dieselbe Distanz wie von Bonn bis zur Nordsee) die fünffache Wassermasse und Breite des Rheines hat.

Es wurde festgestellt durch Beobachtungen des Regenfalles im ganzen Staate New-York, von 1850 bis 1863 auf dreißig Stationen vorgenommen, daß derselbe im Durchschnitte für die genannte Periode 41,941 Zoll englisch betrage, wovon etwas über 22 Zoll auf die sechs Sommermonate (Juni bis November), der Rest auf die übrigen Monate des Jahres komme, daß dagegen auf dem Adirondak-Plateau, welches durchschnittlich eine absolute Höhe von 2000 Fuß über dem Meeresspiegel besitzt, der atmosphärische Niederschlag über 64 Zoll betrage.

Diesem Niederschlage gegenüber wurden zunächst als Veranlassungen zu Verlust in Betracht gezogen:

1) die Verdunstung, auf Grund von Beobachtungen aufgenommen an zwei Orten der Vereinigten Staaten und an einem in England;

2) Filtration und Absorption;

3) Lecken durch mechanische Einrichtungen, und

4) Wasserbenutzung zur Unterhaltung organischen Lebens.

Der Gesammtverlust aus diesen vier Ursachen wurde auf 19 Zoll festgestellt, sodaß von dem Niederschlage von 64 Zoll 45 Zoll zur Verwendung übrig blieben. Um jedoch ganz sicher zu gehen, wurde als Grundlage späterer Berechnungen der atmosphärische Niederschlug auf 58 Zoll verringert und das Verlustquantum auf 25 Zoll erhöht, sodaß 33 Zoll Wasser zur Verwendung blieben. Die sogleich näher zu beschreibenden Behälter sind darauf berechnet, daß sie bei einem Niederschlage von 40 Zoll wohlgefüllt bleiben und ihr Vorrath gesichert ist.

Es werden als Reservoire zwölf kleinere Seen und ein Reservoir ohne See vorgeschlagen, an deren Ausflußstellen Dammbauten errichtet werden sollen, welche das Wasser aufstauen.

Es stellt sich als großes Ganzes das folgende Resultat heraus:

1) Oberfläche, deren Ablauf in die Reservoirs fließt, einschließlich der Seen und Reservoirs circa 400,000 Acker.

2) Durchschnittliche Tiefe 10 Fuß.

3) Fassungsvermögen aller Reservoirs, einschließlich der Seen, über 18,140 Millionen Kubikfuß Wasser.

4) Abflußmasse pro Minute für 100 Tage: 125,973 Kubikfuß Wasser.

5) Jährlicher Abfluß über 58,258 Millionen Kubikfuß.

6) Kostenanschlag 426,572 Dollars.

Nachdem die Ingenieure noch angedeutet haben, woher, im äußersten Nothfalle, noch weitere bedeutende Wassermassen zu beziehen wären, wenden sie zunächst die obige Verlustscala auf ihr gefundenes Wasserquantum an und gehen dann zur Prüfung der Gefahren über, welche einestheils aus einem Durchbruche der Dämme, und anderntheils für die Gesundheit der die Reservoirs umwohnenden höchst unbedeutenden Bevölkerung entstehen möchten, welche sie geneigt sind sehr gering anzuschlagen, namentlich wenn gewisse von ihnen empfohlene Vorsichtsmaßregeln gesetzlich angeordnet würden. Diesen möglichen Nachtheilen gegenüber entwickeln sie ausführlich die sicheren Vortheile, welche die Ausführung des Projectes gewähren wird, und weisen zuerst hin auf die wesentliche Verbesserung der Schifffahrt und des Flößens in der Wildniß, worin die Seen gelegen sind, zu welchem Zwecke in den Dämmen Vorrichtungen getroffen werden sollen, ähnlich den Canalschleußen.

Demnächst heben sie hervor, welch ungeheure Wasserkräfte durch Ausführung des Projectes geschaffen würden. Sie berühren hier die in allen mit Canälen versehenen Ländern so kitzelige Frage: ob das Ueberflußwasser derselben unter gewissen Beschränkungen und innerhalb sicherer Regeln zur Anlegung von Mühlen, Fabriken und dergleichen abgegeben werden soll und kann, und kommen zu dem Resultate, daß bei der großen Wassermasse und unter Zugrundelegung der nothwendigen Fallhöhe hundertsechsundneunzig Mühlenkräfte füglich abgelassen werden könnten.

Der nächste Vortheil, welcher aufgezählt wird, ist die Verminderung der Beschädigungen, welche die Frühlingswässer alljährlich herbeiführen, und es wird die wohl nicht unbegründete Ansicht ausgesprochen, daß der Betrag der jährlich hierdurch geretteten Summe die Gesammtauslagen aller Reservoire übersteige. Die Grenze, bis zu welcher den Ueberfluthungen vorgebeugt werden könne, genau zu bestimmen, sei mit den bis jetzt vorliegenden Daten zwar unmöglich, allein bis zu welchem Grade es doch ausführbar sein würde, möge annähernd aus der Thatsache entnommen werden, daß allein am oberen Raquette-Flusse über 14,000 Millionen Kubikfuß Wasser oder 503,000 per Minute Abfluß für 20 Tage und eine Entwässerungsoberfläche von 646 englischen Quadratmeilen unschädlich gemacht werde.

Zuletzt wird die Frage, die wichtigste, untersucht und beantwortet: ob aus den vorgeschlagenen Wasserhaltungen es möglich sein würde, dem Hudsonflusse bei Troy (etwa correspondirend am Rheine der Lage von Coblenz) während der trockenen Jahreszeit und für eine längere Periode einen die Schifffahrt sichernden Wasserzufluß zuzuführen? An der Hand von Professor Weisbach’s Formel und auf Grund längerer und genauer Beobachtungen wird die Wassermasse des Hudson bei Troy auf circa 240,000 Kubikfuß Wasser pro Minute festgestellt. Es werden dann die folgenden Resultate gezogen:

1) Die sämmtlichen in Vorschlag gebrachten Wasserhaltungen werden jede Minute während 100 Tagen einen Wasserabfluß von 125,973 Kubikfuß Wasser gewähren.

2) Die Gesammtausgabe zur Herstellung jener Wasserhaltungen wird etwa 427,000 Dollars betragen.

3) Die sämmtlichen Wasserhaltungen werden durch einen atmosphärischen Niederschlag von blos 40 Zoll, welches weniger als der Durchschnittsniederschlag des ganzen Staates New-York ist – gefüllt.

4) Die durch die Wasserhaltungen gesicherte Wassermasse ist ungefähr das Zweiundeinhalbfache des Quantums, welches erforderlich ist, um dem Hudsonflusse bei Troy einen Wasserstand

[721] von ein Fuß mehr zu geben, als den gewöhnlichen der Sommer- und Herbstmonate.

5.) Endlich: die Wasserhaltungen können mit einer wenig von dem angegebenen Kostenanschlage abweichende Summe beliebig an Zahl vermehrt werden.

Dieser interessante Bericht, der in Buchform im Laufe dieses Jahres, mit zehn Situationsplänen, Längen- und Querprofilen und Zeichnung von Dämmen versehen, in New-York publicirt wurde, schließt mit der Bemerkung, daß es weder nothwendig noch rathsam sei, die Ausführung des ganzen Projectes gleich zu beginnen, und daß es genüge und sich empfehle, erst gewisse von ihnen benannte Reservoirs zu schaffen, welche, den gegenwärtigen Bedürfnissen entsprechend, einen Wasservorrath von sechs bis vierzehn oder selbst zwanzig Millionen Kubikfuß Wasser zu halten und abzugeben im Stande wären.

Wenn ich im Vorstehenden manches Technische angeführt habe, so that ich es, um die Größe des Unternehmens einerseits, andererseits aber auch dessen Ausführbarkeit und gewaltige Erfolge auch dem Laien begreiflich zu machen, und ich wage anzunehmen, daß es mir gelungen ist, in diesem Sinne blos das durchaus Nothwendige hervorzuheben und nichts Wesentliches zu verschweigen. Sachverständige, die einen näheren Einblick in das Project wünschen, muß ich auf das Buch selbst verweisen,[1] das zu einem sehr mäßigen Preise zu haben ist.

Und nun sei mir zum Schlusse gestattet, noch kurz auf die „Moral meiner Arbeit“ zurückzukommen. So groß auch der Reiz ist, meinen Landsleuten vorzuführen, was eine junge Nation mit verhältnißmäßig wenigem Capital in der ungeheuren Aufgabe leistet, den Kampf für das Dasein mit den für unbezwinglich gehaltenen Naturkräften zu führen und als Sieger daraus hervorzugehen, so würde derselbe mich doch nicht zu der Arbeit und zur Inanspruchnahme dieses werthvollen Blattes bewogen haben, wenn ich nicht im Hinblick auf die außerordentlichen in fast ganz Europa aufgetretenen Ueberschwemmungen dieses Jahres diesen Kampf für einen solchen hielte, den wir je eher, je lieber auch in Deutschland beginnen sollten. Haben doch so einflußreiche Blätter, wie die „Independance Belge“, das zweite Kaiserthum für die gräulichen Verwüstungen im Süden Frankreichs verantwortlich gemacht, jenes Kaiserthum, „das, obwohl gewarnt durch die großen Ueberschwemmungen der Loire und Rhone im Jahre 1855, doch nichts that, und Millionen auf einen ungerechten und hoffnungslosen Krieg in Mexico verschwendete“.

Es liegt außer meiner Sphäre – wenn es in meinem Vermögen läge –, die Gründe der jetzt so häufigen und zerstörenden Ueberschwemmungen auszuführen. Für meinen Zweck genügt die unbestreitbare und Jedem verständliche Thatsache, daß die Existenz und der Wohlstand von Millionen unserer Mitbürger jedes Frühjahr durch anscheinend uncontrolirbare Wassermassen bedroht sind, welche wir jedenfalls nutzlos, wenn nicht schadenbringend, an uns vorbei rauschen lassen, während wir sie, oft nur wenige Monate später, für unsern Acker-, Garten und Wiesenbau, für unsere Industrie, unsere Schifffahrt, ja oft für Menschen und Hausthiere sehnsüchtig zurück wünschen.

Ganz im Kleinen und nur zum Zwecke der Aufspeicherung zu späterem Gebrauche, nicht aber zur Verhinderung oder Mäßigung von Ueberschwemmungen, ist meines Wissens das Heilmittel in Deutschland bereits angewendet. So hat man z. B. zur Speisung des so höchst wichtigen Saarcanals Wasserhaltungen angelegt, und die Fabrikanten des so äußerst industriellen Münsterthales im Elsaß haben einen der im Hochgebirge der Vogesen gelegenen Seen, denen die Lebensader ihrer Gewerbthätigkeit, die Fechte, entströmt, um zwölf Fuß aufgedämmt. Beide Experimente haben sich nach Maßgabe ihrer Ausdehnung bewährt. Es kann nun nicht bestritten werden, daß die Verhältnisse, auf denen das New-Yorker Project basirt, sehr verschieden sind von denen des tributpflichtigen Gebietes der meisten deutschen Ströme. Die Amerikaner können in dieser, wie in so vielen anderen Beziehungen aus dem Großen und Ganzen schneiden. Die topographische Beschaffenheit des größten Theiles ihres Gebietes, die Spärlichkeit der Bevölkerung und der gerade in den Quellengebieten der Flüsse meistens sehr geringe Werth von Grund und Boden sind ihnen sehr günstig, während andererseits aber auch in Deutschland die im Vergleiche mit Amerika sehr billige Arbeit und die guten Verbindungswege auf den Kostenpunkt günstig einwirken.

Allein es darf nicht übersehen werden, daß in den Culturländern Europas durch die dichte Bevölkerung und die damit verbundene Ausnutzung des fließenden Wassers einerseits die Gefahr der Ueberschwemmungen viel bedenklicher und andererseits die aus einer Regulirung und Ausgleichung des Frühlingsüberflusses mit dem Sommer- und Herbstmangel zu erntenden Vortheile weitaus bedeutender werden. Der materielle Gewinn, der unserer Nation blos mit der Ausnutzung des Rheines und seiner schiffbaren Nebenflüsse, nach Art der für den Hudson vorgeschlagenen, erwachsen würde, ist ein ganz unberechenbarer, abgesehen von den Nachtheilen, deren sie sich durch Abwendung von Ueberschwemmungen enthöbe, und dem bisher unbekannten Sicherheitsgefühle, das den Anwohnern von Wasserläufen gegeben würde.

Sehr bedeutende Summen werden seit einem halben Jahrhundert an die sogenannte Correction unserer Flüsse gewendet, das heißt, es wird alles Mögliche gethan, um während der trockenen Jahreszeit das Bischen Wasser so zusammenzudrängen und zusammenzuhalten, daß eine nothdürftige Schifffahrt stattfinden kann, und es wird mit sehr kostspieligen Dämmen längs dem Ufer, oft doppelten, das dahinter gelegene Land zu schützen gesucht. Ich verwerfe diese Schritte nicht, allein es scheint mir, daß man mit diesem Uebel ebenso verfahren sollte, wie mit jedem andern, das heißt man muß es in seinen Quellen angreifen, da, wo es noch in den engen Schluchten der Gebirge zu bemeistern ist, und nicht erst, wenn es im Flachlande überwältigend geworden. Aus meiner Jugend – sie fällt in das zweite Jahrzehnt dieses Jahrhunderts – erinnere ich mich, daß in der Umgegend meiner von einem starken Bache umflossenen Vaterstadt eine Menge kleiner Teiche sich in den Anfängen der Wiesenthäler befanden. Diese Teiche haben herrlichen Wiesen Platz gemacht, aber der große Bach ist zu der Breite eines Zwirnsfadens zusammengeschmolzen.

Ob, wie von urtheilsfähigen Männern behauptet worden, die Herstellung einer großen Anzahl von größeren Teichen oder kleineren Seen im Quellengebiete unserer Flüsse einen Einfluß ausübt aus die Erzielung eines gleichmäßigeren Klimas und eines stärkeren atmosphärische Niederschlages, wage ich nicht zu entscheiden, allein ich darf wohl behaupten, daß, außer den von den New-Yorker Ingenieuren dargethanen Vortheilen, dieselben wesentlich auch im Interesse eines rationellen Be- und Entwässerungssystems sowie einer ausgedehnten Fischzucht nutzbar gemacht werden könnten. Ich bin geneigt, den letzteren Vortheil besonders hoch anzuschlagen. Keine Nation ißt so wenig Fisch wie die deutsche, und es scheint mir, daß, abgesehen von dem Wohlgeschmacke, der in dem Fischfleische stark vertretene Phosphor sich als Gegenwirkung gegen den täglich sich mehrenden Biergenuß und zugleich als angenehmes Reizmittel geistiger Thätigkeit sehr empfehle.

C. N. R.




Dichtermütter.
Von J. Loewenberg.


„Die Mütter! Mütter! – ’s klingt so wunderlich.“

Goethe’s „ Faust“.


Es ist eine alte und richtige Bemerkung, daß die größten Männer aller Zeiten einen wesentlichen Theil ihrer geistigen Eigenart den geistigen Spillgütern der Mutter zu danken haben. Von der Mutter stammen die Keime ihrer Anlagen und Neigungen; die Mutter war es, welche sie zumeist gehegt und gepflegt hat. Aus dem Wesen der Mutter wuchs die Größe und Eigenthümlichkeit der Söhne heraus.

Wie erinnern zum Beweise hierfür nur an den weltumklammernden [722] Ehrgeiz, welcher die Brust jener königlichen Olympias schwellte, die den macedonischen Alexander unter ihrem Herzen trug, an die vielgepriesene majestätische Hoheit, in welche die Mutter der Griechen gehüllt war. Selbst von dem großen apostolische Seher, von Johannes, steht geschrieben, daß er der Sohn einer erleuchteten Mutter gewesen.

Und wie aus dem Dunkel des Alterthums strahlen so gesegnete Mütter auch aus dem Lichte der Neuzeit.

Daher gewährte es denn auch von jeher dem biographischen Schriftsteller einen besondern Reiz, dem Zusammenhange nachzuspüren, der den Menschen mit den Fäden seiner frühesten Eindrücke verbindet, nachzuweisen daß unter allen Einflüssen, welche seinen Charakter bestimmen, die der mütterlichen Natur die unmittelbarsten und wesentlichsten seien. Am häufigsten und überraschendsten will man diese Wahrnehmung bei Dichtermüttern gemacht haben, und es ist unbestreitbar, daß poetisch begabte Söhne sich mit besonderer Vorliebe der Mütter erinnern, der Mütter, in deren Schooß und zu deren Füßen das Paradies ihrer Kindheit lag. Noch in späten Jahren singt’s und klingt’s aus diesem Paradiese von den Liedern, die sie auf dem Mutterschooße in den Schlaf gesungen, von den Märchen, denen sie zu Füßen der Mütter traumselig gelauscht. In dem Paradiese der mütterlichen Nähe hoben sich die ersten Regungen ihrer Phantasie, getragen von der Gemüthstiefe, dem zartern Sinn der Mutter, während Dichterväter meist als prosaische, der Poesie abgewandte Philisternaturen erscheinen. Die Eltern der Dichter scheinen nicht selten geradezu gegensätzliche Naturen. „Da mag es denn,“ sagt Schücking in seinen, wenn auch nur flüchtigen, doch immer interessanten „geneanomischen Briefen“, „oft genug der Fall gewesen sein, daß die Mutter mit dem weichen poetischen Gemüthe und dem unbefriedigten Herzen an den erwarteten Sohn mit all der Intensität weiblicher Sehnsucht gedacht und in ihm sich einen Ersatz gewünscht hat für alles Das, was sie am Manne vermißte. Und so hätte denn das Bild, welches die mütterliche Phantasie sich sehnend von ihrem Kinde entworfen, bestimmend auf die Bildung des Kindes eingewirkt. Das Kind wäre ein Dichter geworden, weil das Dichtergemüth der Mutter es schon vor der Geburt gewiegt und geschaukelt in ihren von poetischen Anschauungen durchblühten und von Hoffnungen durchrankten Zukunftsträumen.“ –

Es bleibe dahingestellt, ob die Thatsache immer richtig, ob solche Erklärungsversuche immer zutreffend seien, ob sie psychisch-physiologisch befriedigen, immerhin aber haben wir Deutsche, die wir mit Recht stolz sind auf unsere großen Dichter, auch die Pflicht, den Müttern, den frühesten Pflegerinnen derselben, unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden. In diesem Sinne werde im Folgenden auf einige Dichtermütter hingewiesen.

Nicht ohne Scheu stellen wir an die Spitze unserer kleinen Galerie von Dichtermüttern das strahlende Bild der „Frau Rath“, weil dasselbe, wenn auch in verschiedener Auffassung und Ausführung, schon wiederholentlich diese Blätter geziert hat, und weil es unsern Lesern und Leserinnen namentlich aus den trefflichen Charakteristiken von Arnold Schloenbach und Johannes Scherr bekannt sein dürfte. Dieselben Bedenken erhoben sich auch bei dem nächsten Bilde der Bäckerstochter aus Marbach, Elisabeth Dorothea Kodweiß. Es ist bedenklich, zu versuchen, diese Frauen mit neuen Kränzen zu schmücken. – Aber wie der Anblick der ewigen Schönheit der strahlenden Himmelssterne uns immer von Neuem entzückt und erhebt, so erfrischt und erquickt die Erinnerung an die erhabene Eigenart jener Frauennaturen uns stets von Neuem, so oft sie uns vorgeführt werden. Wie sehr ihr Bild auch in aller Herzen und Gedächtniß lebt, in der Erinnerung an sie sprudelt ein urfrischer Quell geistiger Erquickung, denn wie in einem hellen Spiegel sehen wir in ihm das wunderbare Ebenbild ihrer großen Söhne, und diese Betrachtung gewährt uns fort und fort ein hohes Interesse. Deutschem Sinne, deutschem Gemüthe bleiben diese Bilder, wie bekannt sie auch immer sein mögen, stets anziehend und wohlthuend. Eine Bildergalerie von Dichtermüttern ohne die Mütter unserer beiden größten Dichter würde des schönsten Schmuckes entbehren und selbst bei allem Reichthume und aller Ausführlichkeit mangelhaft sein in empfindlichster Weise.

So trete, Allen voran, die „Frau Rath“ uns entgegen, die gesegnete Mutter unseres Dichterfürsten Wolfgang von Goethe!

Der Tochter des Wirklichen kaiserl. Raths, Stadt- und Gerichtsschultheißen Textor zu Frankfurt am Main war geistige Lebendigkeit angeboren. Sie war heiter und gesprächig, hatte Augen und Herz offen; Kunst und Literatur zogen sie in hohem Grade an, kurz, sie war eine durchaus poetische Natur. Ihrem sonnenhellen Leben ging ein neuer Stern auf, als sie, die Gattin des wohlhabenden, in Kunst und Wissenschaft wohlerfahrenen kaiserl. Raths Johann Kaspar Goethe, im achtzehnten Altersjahre, am 28. August 1749 ihren Sohn Wolfgang geboren.

Es ist wahrhaft rührend, mit wie sinniger Zärtlichkeit die Mutter in hoch vorgerücktem Alter noch so viele kleine Begebenheiten und Ereignisse aus den ersten Jahren ihres geliebten Wolfgang der aufmerksam horchenden Bettina mitzutheilen liebte, weil sein Leben ihr dies Alles geheiligt hatte. „Ich und mein Wolfgang haben uns halt immer verträglich zusammengehalten; das macht, weil wir Beide jung und nit gar so weit als der Wolfgang und sein Vater auseinander gewesen sind.“

Am frühesten und stärksten pulsirte diese Gemeinsamkeit und Gleichartigkeit im Fühlen und Denken der Mutter und des Sohnes in der Lust, die sie Beide empfanden, wenn die Mutter erzählte und das Söhnchen ihr zuhörte. „Da saß ich auf dem grünen Sessel, den die Kinder nur den Märchensessel nannten, und er verschlang mich mit seinen großen schwarzen Augen und verbiß die Thränen, wenn ihn das Schicksal seiner Lieblinge verdroß. Wenn ich nun Halt machte und die Katastrophe auf den nächsten Abend verschob, so konnte ich sicher sein, daß er bis dahin Alles zurechtgerückt hatte, und so ward mir denn meine Einbildungskraft häufig durch die seinige ersetzt. Ließ ich nun die Schicksalsfäden nach seiner Angabe laufen und sagte: ‚Du hast’s gerathen; so ist es gekommen‘, da war er Feuer und Flamme, und man konnte sein Herzchen unter der Halskrause schlagen sehen.“

Wer könnte in diesen Jugendspielen zwischen Mutter und Sohn die Grundlage der gewaltigen Gabe verkennen, durch welche es dem Dichter gelang, die Bilder und Schöpfungen seiner Phantasie heiter und kräftig darzustellen? Wie wahr sind seine oft citirten Verse:

Vom Vater hab’ ich die Statur,
Des Lebens ernstes Führen,
Vom Mütterchen die Frohnatur,
Die Lust zum Fabuliren.

Ihr heiteres Temperament und eine gewisse Vornehmheit hielten die Gemeinheit des Sorgens fern; heftige, gewaltsame Eindrücke ließ sie sich nicht nahe treten, ein Charakterzug, den wir auch bei dem Sohne in allen Lebenslagen wiederfinden.

So geschah es denn auch, daß, als Goethe im Winter 1805 zu Weimar lebensgefährlich krank war, Keiner in Frankfurt vor der Mutter davon zu sprechen wagte. Erst lange nachher, als er schon genesen, sagte sie selbst zu ihren Freundinnen: „Ich hab’ halt Alles gewußt; jetzt mögt ihr von ihm spreche! Jetzt geht’s besser; jetzt kann wieder von dem Wolfgang die Rede sein, ohne daß es mir einen Stich in’s Herz giebt.“ Wäre Goethe damals gestorben, erzählte eine Freundin des Frankfurter Hauses, auch des Todesfalles würde vor der Mutter nicht erwähnt worden sein.

Wer erinnert sich hierbei nicht der ängstlichen Scheu, in der Keiner den Tod Schiller’s Goethen zu berichten wagte, bis er erst am folgenden Morgen selbst das Wort ausgesprochen: „Ist er todt?“

Olympische Hoheit, Heiterkeit und Ruhe blieb Mutter und Sohn bis zum letztem Athemzuge. Mit Heiterkeit ordnete „Frau Rath“ als sie schon „alleweile sterben sollt’“ ihr Leichenbegängniß bis auf den Wein und die Rosinen im Kuchen. – Und mit gleicher Geistesklarheit schied auch der Dichter. Als schon die Schatten des Todes sein Auge verdunkelt , war bekanntlich noch sein letztes Wort: „Mehr Licht!“

Auch von Schiller’s Mutter, der Marbacher Bäckerstochter Elisabeth Dorothea Kodweiß, ist’s allbekannt, daß sie eine Frau von ungewöhnlicher Innigkeit des Gemüths war, daß wahre Frömmigkeit, ein offener, empfänglicher Sinn für Natur, daß Neigung für Musik und Wohlgefallen an Poesie ihr in hohem Maße eigen waren. Sie war ein weiches, poetisches Schwabengemüth, das die soldatische Strenge des Vaters dem Sohne gegenüber wohlthuend gemildert hat. Auch sie hat, wie „die Frau Rath“, ihren Liebling mit Sprüchen und

[723] Bildern des Glaubens, mit Märchen, Geschichten und Gedichten groß gezogen zur Menschenliebe und zu den höchsten Tugenden. Und so finden wir das Naturell der Mutter, mit der er auch äußerlich eine auffallende Aehnlichkeit hatte, in dem Sohne zu den herrlichsten Blüthen entfaltet. „Kein aufmerksamer Beobachter von Schiller’s Leben,“ sagt Gustav Schwab, „kann es verkennen, daß den Knaben, der für den Lorbeer Apollo’s geweiht war, Melpomene schon in der Jugend aus dem sanften Auge der Mutter angelächelt habe.“

Beide reichbeglückte Mütter unserer größten Dichter hatten, bei der großen Verschiedenheit aller anderen Lebensverhältnisse, doch darin denselben Segen in gleichem Maße, daß sie sich bis an ihr Lebensende der größten Verehrung, der zärtlichsten Anhänglichkeit ihrer Söhne erfreuten, daß sie Zeugen gewesen sind von ihrer Herrlichkeit und von der Verehrung, welche die ganze gebildete Welt für dieselben gehegt hat. Die Mutter Schiller’s, die drei Jahre vor ihrem Sohne starb, hat noch fast alle seine unsterblichen Schöpfungen gesehen. Goethe’s Mutter, die sieben Jahre später starb, und vierundzwanzig Jahre vor ihrem Sohne, behielt bis zum letzten Hauche für den Genius ihres Sohnes ein ungetrübtes Auge, ein empfängliches Herz und beurtheilte seine Werke oft besser, als mancher Gelehrte und Kritiker von Profession.

Herder’s Mutter, Anna Elisabeth Pels, die Tochter eines ehrsamen Hufschmieds in Mohrungen, erfreute sich zwar keines besondern Unterrichts, war aber durch Gaben des Geistes und Gemüths ausgezeichnet. Sie besaß eine Bildung, die man bei ihrem niedern Stande nicht erwarten konnte. Ein Zug von Religiosität charakterisirte sie ganz besonders; jeder Tag wurde mit Gesang eines geistlichen Liedes beschlossen. Herder trug seine Mutter wie ein heiliges Idol in seinem Herzen. Zu öfteren Malen erzählt er, mit wie sanfter Gemüthsart sie ihre Kinder behandelt, wie übermüdet fleißig sie mit ihren Töchtern gewesen, wie ihre Sanftmuth die Strenge des Vaters milderte. Sie pflanzte und hegte Zartsinn, Weichheit und Humanität in der Brust ihres Lieblings, und noch am Tage vor ihrem Tode empfahl sie in inbrünstigem Gebete vor dem Geistlichen ihren Herzenssohn der Leitung Gottes. – „Wenn es erbliche Anlagen giebt,“ berichtet der Mohrunger Pastor Trescho,„so hat Herder gewiß einige Grundlineamente von seiner Mutter: ein schnelles Auffassen des Gehörten, Liebe zur Stille, Gutmüthigkeit und eine unermüdliche, herzliche Theilnahme,“ und Briefe, die von ihr erhalten blieben, bestätigen, was ihr nachgerühmt wurde.

Von Novalis (Friedrich von Hardenberg’s) Mutter erzählt Tieck, daß sie, eine Herrnhuterin, ein Muster wahrer Frömmigkeit und weiblicher Milde gewesen, mit der sie die härtesten Schläge für ein Mutterherz ertragen, in wenigen Jahren einen Kreis von blühenden, wohlgebildeten und hoffnungsreichen Kindern aussterben zu sehen. Der Sohn war träumerisch still und verrieth als Kind nur wenig Geist, entfernte sich von andern Knaben und zeichnete sich durch außerordentliche Liebe zur Mutter aus, der er in allen Dingen ergeben war. Der Mutter verdankte er auch den wesentlichsten Theil seiner Erziehung, da der Vater durch viele Reisen in amtlicher Stellung verhindert war, an derselben mitzuwirken, und so haben denn auch seine Dichtungen und sein ganzes Wesen den weichen, weiblichen herrnhuterhaften Charakter.

Bürger’s Vater war zwar Pastor in Molmerswende, einem Dorfe im Unterharz, aber die dürrste Prosa, das bewegungslose Phlegma. Er hat auf die Bildung seines Sohnes keinen Einfluß gehabt, der auch bis zum zwölften Jahre ganz unwissend und selbst in späteren Jahren in Disharmonie zu demselben blieb. Dagegen rühmt der nachmalige Dichter die Mutter, Gertrud Elisabeth Bauer, die Tochter eines angesehenen Einwohners zu Oschersleben, als eine weibliche Natur von außerordentlichen geistigen Anlagen, die indeß auch nicht im Geringsten ausgebildet waren und sicher auch im Charakter des Sohnes wie Schlacken festsaßen. Das Phlegma des Vaters mag dem Genius des Sohnes, dessen Geist lieber in den Bildern seiner Phantasie und in frischen, sinnlichen Wahrnehmungen lebte, als in den katechetischen Aufgaben des Pfarrers, mehr genützt, als geschadet haben. Der unwissende Knabe, der nur nothdürftig lesen und schreiben konnte, machte trotzdem schon Verse, die metrisch richtig und wohlklingend waren.

Lenau’s Mutter, Therese Maigraber, war die Tochter einer angesehenen Bürgerin in Ofen, in dessen Nähe sie Weinberge besaß. Im fünften Altersjahre verlor der Knabe den Vater und übersiedelte bald darauf mit der Mutter nach Tokaj. Hier reifte und gedieh mit dem Honigseime der feurigen Reben des Berges Mézes auch in ihm der dichterische Genius. Aus dieser Zeit erzählt Lenau selbst, er glaube, der Mutter die Phantasie und das leicht erregbare Gefühl verdanken zu müssen, ähnlich wie Goethe „die Kunst zu fabuliren“ von der Mutter hatte. Und er berichtet auch, was sehr zu beachten, wie er bei der jahrelang sterbenden Mutter als trauriger Krankenwärter ausgehalten, bei der liebevollen Mutter, vor deren Schrank nach ihrem Ableben der Sohn steht, in welchem ihr Gebetbuch noch aufgeschlagen liegt und das Gebet zeigt:

„Wie eine Mutter um Segen
Für ihre Kinder zum Himmel fleht.“

[2]

Und da weinte er bitterlich und

„– – – – – – zerriß
Die Freudenrechnung in seinem Herzen.“

Seitdem erhielt sein ohnehin schon ernstes Gemüth eine noch tiefere, unheilbar kranke Stimmung. Vor der Meerfahrt nimmt Faust-Lenau vom mondbeschienenen Grabe der leidenschaftlich geliebten Mutter tiefrührenden Abschied. Er steht verzweifelnd da, klagend über die Macht des Todes,

„Daß er die Mutter kann
Von ihrem Kinde reißen.“

Ein schmerzlich empfundenes Lied, das der Unvergeßlichen geweiht ist, endet mit den Versen:

„Mensch, du flieh mit deinem Schmerz
An die heimathlichste Stelle,
An des Trostes reinste Quelle,
Flüchte an das Mutterherz! –
Doch die Mütter sterben bald;
Hat man dir begraben deine,
Flüchte in den tiefsten Wald
Mit dem wunden Reh – und weine!“

(Schluß folgt.)




Die Geißel Italiens.


Vor Jahrhunderten schon bildeten die Briganten ein stehendes Capitel fast in allen touristischen Schilderungen Italiens. Wer südlich über Rom den Halbinselstiefel hinabdrang oder sich auch blos etwas tiefer in die Campagna hineinwagte, der mußte darauf gefaßt sein, die Bekanntschaft einer oder der andern Räuberbande zu machen, deren Hauptleute nicht den chevaleresken Charakter der Helden trugen, welche Vulpius, Spieß, Cramer, Fürst und andere poetische Gemüther zu

[724] ihren romantischen Schöpfungen begeistert haben. Und heute ist’s in dieser Beziehung jenseits der Alpen noch ziemlich ebenso geblieben, wie es vordem war, ja, es hat sich darin nicht nur Weniges zum Bessern gewandelt, im Gegentheile Vieles noch verschlimmert, so lange der Statthalter Gottes auf Erden sein Reich auch auf „diese Welt“ erstreckte. Oft genug haben dies die Zeitungen zu berichten gehabt, und auch der Regierung Victor Emanuel’s machen die Banditen bis zum heutigen Tage noch zu schaffen. Nicht wie eine Behörde gegen eine Missethäterbande wagt sie wider das Gesindel vorzugehen, sie schlägt und verträgt sich mit ihm vielmehr wie eine kriegführende Macht mit der andern.

Das Räuberthum scheint sonach eine Institution, eine berechtigte Eigenthümlichkeit Italiens zu sein wie die blühenden Citronen und die im dunkeln Laube glühenden Goldorangen, und dergestalt, abgesehen von dem culturhistorischen Interesse und den vielen hochdramatischen Episoden, die es bietet, die eingehende Monographie zu rechtfertigen, die ihm ein bekannter Mitarbeiter der „Revue des deux Mondes“ widmet.[3] Diesem Handbuche der Geschichte des italienischen Brigantenwesens folgen die nachstehenden Mittheilungen, zwar nicht „bis in die entlegensten Zeiten, bis zu dem im großen Walde des Aventin hausenden Räuber Cacus zurück, von welchem in der Aeneide die Rede ist“, sondern nur in die beiden letzten Abschnitte, die von den jüngstvergangenen Tagen handeln, den Jahren 1867 bis 1875.

1.

Anfangs des Jahres 1867 befand sich unser Gewährsmann in Rom, und da verging kein Tag, wo nicht über neue Raubanfälle im Kirchenstaate und oft ganz in der Nachbarschaft der ewigen Stadt Berichte einliefen. Einmal war eine Brigantenschaar bis nach Paliano, einem in der Campagna gelegenen Flecken, gedrungen und hatte sich dort, trotz des energischen Widerstandes einer Gensd’armerie-Abtheilung, festgesetzt. Wie ein feindliches Heer legte sie dem Orte Contributionen sowohl an baarem Gelde wie an Lebensmitteln auf und zog sich dann zurück.

Der heilige Stuhl verausgabte behufs Unterdrückung des Räuberwesens im Kirchenstaate jährlich gegen fünf Millionen Franken, also etwa elftausend Franken pro Bandit. Im übrigen Italien, dort, wo, wie auf den Höhen der Apenninen und in Calabrien, eine größere Truppenentfaltung sich schwer bewerkstelligen läßt, hat es Jahre gegeben, wo jeder Räuber dem Staate auf siebenzigtausend Franken zu stehen gekommen ist.

Auf den ersten Blick erscheint es allerdings im höchsten Grade befremdlich, daß die unaufhörliche Jagd, die man auf die Räuber macht, so unerhebliche Resultate erzielt; forscht man indeß der Sache näher nach, so erklärt sich die anfangs so wundersam erscheinende Thatsache aus verschiedenen Ursachen.

Einmal ist der Krieg in den Bergen ein außerordentlich beschwerlicher und fast endloser: hundert waffengeübte und entschlossene Männer können, in den ihnen wie ihre Taschen bekannten Schluchten und Engpässen versteckt, eine ganze Truppenbrigade in Schach halten und ermüden. Nur selten verläßt der Brigant die Provinz, in welcher er geboren ist, sodaß er mit geschlossenen Augen ungefährdet durch Berge und Wälder schweifen kann, wo die Soldaten sich die Hälse brechen. In den vom Wasser ausgehöhlten Straßen, am Rande jäher Abstürze, im wilden Gestrüppe, da findet der Räuber seine natürliche Deckung.

In der Ebene würde ein Brigantenthum, wie es in Italien besteht, ganz unmöglich sein, Berg und Thal, Schluchten und Felsgetrümmer sind zu seinem Gedeihen ebenso unerläßlich, wie der sogenannte Manutenpolismus, die Hauptgrundlage, auf der es beruht, das heißt die Unterstützung, die es bei der Bevölkerung selber findet. In der Regel aber gehören drei Viertel der Bewohnerschaft des platten Landes zu dieser Anhängerschaft der Räuber, theils aus Furcht, theils aus finanziellen Interessen.

Solcher Helfershelfer des Räuberthums aus Furcht giebt es zweierlei; die Verwandten der von den Räubern gefangen genommenen Personen und die Grundbesitzer der Gegend.

Ist Jemand in die Gewalt einer Bande gerathen, so fordert diese von der Familie ihres Gefangenen ein Lösegeld in baarer Münze, in Lebensmitteln, Schießbedarf und dergleichen, und die erschrockenen Angehörigen suchen dieser kategorischen Forderung so schnell wie möglich nachzukommen. Und das ist ein großer Fehler. Freilich kann man einwenden, es sei immer besser, sich mit den Banditen abzufinden, als zu gewärtigen, daß die Fortgeschleppten gequält und am Ende gar gemordet werden, allein es steht fest, daß die Räuberbanden längst zu sein aufgehört hätten, wenn die Regierung ihnen von vorn herein die Lebensader zerschnitten, das heißt nicht geduldet hätte, daß ihnen auch nur das geringste Lösegeld zukäme. Zweifelsohne wäre dadurch eine Anzahl von Unglücklichen hingeopfert, das Uebel indeß auch in seiner Wurzel angegriffen worden, denn es bedarf keiner besonderen Bemerkung, daß es nur die Habgier ist, was den Briganten bei seinen Handlungen leitet. Nimmt man ihm diesen Stachel, so nimmt man ihm das Leben.

Nicht minder verhängnißvolle Früchte aber, als die Erlegung von Lösegeldern, seitens der in einem ihrer Mitglieder betroffenen Familien, trägt die Beeiferung, mit welcher der Landmann den Winken und Wünschen der Räuber gehorcht. Wenn einer Bande Geld oder Lebensmittel ausgehen, dann braucht sie nur an irgend einen Grundeigenthümer zu schreiben: „Schickt uns sofort so und so viele Scudi, so und so viele Patronen, so und so viel Lebensmittel, oder wir zünden Euer Gehöft und Eure Scheunen an,“ um ungesäumt zu erhalten, was sie verlangt. Ja, es giebt sogar Bauern, welche den Räubern eine regelmäßige Steuer entrichten um ihr Eigenthum zu schützen, um es gewissermaßen gegen die Banditen zu versichern.

Die Anhänger des Räuberthums aus Interesse sind zwar zahlreicher als die aus Furcht, für die Gesellschaft jedoch nicht so schädlich, denn sie führen den Räubern kein Geld zu, sondern erhalten vielmehr solches von ihnen. Mit anderen Worten: die Briganten bezahlen ihnen einen Theil der durch die Lösegelder gewonnenen Summe. Sobald die Banden Tagelöhnern, Hirten und Anderen ihrer Kundschaften und Lieferanten nichts mehr geben können, werden ihnen diese ohne Weiteres den Dienst kündigen. Um aber den Anhang, den das Räuberthum in der Bevölkerung hat, zu beseitigen, muß man vor allen Dingen die Armuth zu bekämpfen suchen. Ein Handarbeiter in der Provinz Frosinone (und in anderen Provinzen soll der Lohn noch geringer sein) verdient etwa fünfzehn bis zwanzig Sous, also höchstens einen Franken, täglich, kaum genug, um seine fast immer zahlreiche Familie dürftig mit Polenta füttern zu können. Wie kann es daher Wunder nehmen, daß er sich vom Glitzern eines Goldstücks blenden läßt, daß er das Gesetz übertritt, um den Räubern Proviant zuzuführen, bei dessen Verkauf er mindestens seine zweihundert Procent verdient?

Von den zu jener Zeit im Kirchenstaate hausenden Räuberhauptleuten zeichneten sich namentlich drei aus: Fuoco, Cedrone und Andreozzi; sie galten als die Meister der Kunst und übten eine gewisse Oberherrschaft über die anderen Bandenführer aus.

Fuoco pflegte sich gewöhnlich Oberst zu tituliren und gebahrte sich als den Nachfolger Chiavone’s, jenes berüchtigte Rottenführers der sogenannten „königlichen Banden“. Denn daß die Bourbonen von Neapel, Ré Bomba so gut wie sein Sohn, der jetzige Exkönig Franz der Zweite, sich nicht scheuten, die Briganten als Werkzeuge zur Bekräftigung ihres Gottesgnadenthums zu benützen, ist bekannt. Nachdem Fuoco acht Jahre in der neapolitanischen Armee gedient hatte, beging er kurz nacheinander zwei Mordthaten und floh in’s Gebirge, das heißt wurde Räuber. Bald darauf schon schwang er sich zum Hauptmanne einer Bande auf und verdiente sich den Name eines zweiten Caruso, jenes entmenschten Scheusals, das 1866 in Rom erschossen wurde.

Nach Fuoco glänzte Cedrone, des Erstern vertrauter Freund, auch ein Mitglied der reactionären Banden, der sich rühmte, von Franz dem Zweiten von Neapel das Patent als Capitain und regelmäßige Unterstützungen an Mannschaften, Munition und Proviant erhalten zu haben. Wie Fuoco besaß auch Cedrone eine Frau, die er ver- und entführt hatte, eine riesenhafte Amazone, welche in Männerkleidern der Bande voraufzog, die Gefangenen peinigte, oftmals Expeditionen befehligte und bei jeder Gelegenheit schwor, daß, wenn ihr Mann jemals Miene

[725]

Künstlerische Vorbereitungen zum nächsten Weihnachtsfeste.
Nach einem Oelgemälde auf Holz übertragen von Hugo Kauffmann in München.

[726] machen sollte, sich zu ergeben oder das Handwerk zu quittiren, sie ihn tödten, in Stücke zerhauen und dergestalt in einem Sacke den Behörden zuschicken würde.

Ueber Cedrone cursiren noch jetzt eine Menge von Geschichten. Die nachfolgende wird darthun, welcher Art sie sind.

Eines Abends schritt ein Bauer, Namens Francesco Modano, durch ein südwestlich von Viticuso gelegenes Gehölz, seiner Hütte zu, einige Schweine, seine ganze Habe, vor sich hertreibend, als er sich plötzlich von etwa zwanzig Männern umringt sah. Sie waren mit Flinten, Revolvern und langen Einschlagmessern bewaffnet und gehörten zu Fuoco’s Bande, wurden indeß von Cedrone angeführt. Francesco war einer von den Italianissimi; er hatte sich 1860 Garibaldi angeschlossen und später kleine Scharfschützenabtheilungen auf nur dem Holzfäller und Räuber bekannten Fußpfaden aus dem Bereiche der die Gegend durchstreifenden „reactionären Banden“ geführt.

Das war natürlich kein Verdienst in den Augen der Briganten, die – man vergesse das nicht – fast immer mehr oder weniger im Dienste der neapolitanischen Royalisten standen. Er erblaßte daher, als er sich jählings Cedrone gegenüber sah.

„Warst Du es, der die Scharfschützen geführt hat?“ fragte ihn der Letztere kalt.

„Ich verstehe Sie nicht,“ stammelte er, bemüht, die ihm drohende Gefahr von sich abzulenken.

„Ich werde Dich gleich lehren mich zu verstehen,“ sagte Cedrone, indem er Francesco mit dem Gewehrkolben heftig wider die Brust stieß.

Mit einem Schmerzensgebrülle fiel er zu Boden, während ihm das Blut aus dem Munde strömte.

Die Briganten hoben ihn auf und banden ihn an einen Baum. Darauf stach ihm Cedrone mit seinem Messer die Augen aus, schnitt ihm die Ohren ab, riß ihm die Zunge aus und ließ ihn noch andere grausame Martern ausstehen, bis der Unglückliche ausgeröchelt hatte. –

Man schaudert, wenn man von dergleichen Scheußlichkeiten liest, und ist geneigt, sie für Gebilde einer ausschweifenden Phantasie zu halten, wären nicht alle diese Unthaten actenmäßig und durch das eigene Geständniß ihrer Urheber erwiesen. Uebrigens verfährt der Räuber gegen seine eigenen Genossen gelegentlich nicht viel glimpflicher. Unheilbare Kranke seiner Bande schießt er ohne Weiteres nieder, ebenso tödtet er seine im Kampfe mit Gensdarmen und Soldaten verwundeten Cameraden, um ihrer Pflege überhoben zu sein. Meist schneidet er ihnen kurzweg den Kopf ab. Auf diese Weise verhindert er zugleich, daß der Blessirte in die Hände des Feindes geräth und vielleicht für die Bande gefährliche Geständnisse macht.

Bücher ließen sich schreiben über die Barbarei, mit welcher die Briganten ihre Gefangenen behandeln, wenn ihnen das Lösegeld nicht so schnell und reichlich zukommt, wie sie es erwartet haben. So erzählte unserm Gewährsmann ein vor einigen Jahren von Dominicuccio (so pflegte das Volk den Domenico de Vitto zu nennen) gefangener Pächter aus der römischen Campagna über seinen gezwungenen Aufenthalt bei dem berüchtigten Räuberhauptmann das Folgende: Er hatte die Bande auf allen ihren Raubzügen begleiten müssen; ging er den Gesellen zu langsam, so ward er auf das Unbarmherzigste mit den Flintenkolben bearbeitet, und da seine Familie nicht im Stande gewesen war, zur verlangten Stunde das geforderte Lösegeld zu schicken, so schnitt man ihm ohne Umstände eines seiner Ohren ab, band ihm Hände und Füße zusammen und ergötzte sich damit, ihn von der Höhe des Berges hinab zu rollen, auf dessen Gipfel die Gesellschaft lagerte. Brachten die Bauern und sonstigen Helfershelfer der Räuber Lebensmittel und Munition, so wurde ihm der Kopf mit einem Sacke verhüllt und er dann an einen weiter abgelegenen Ort geschafft, damit er diese Lieferanten nicht sehen und etwa später denunciren könnte.

Das Alles gleicht freilich den edlen Briganten recht wenig, die wir in Romanen und Schauspielen kennen lernen, wenn gleich einzelne Züge von Galanterie und Ritterlichkeit unter den italienischen Räubern wohl vorgekommen sein mögen und gelegentlich noch vorkommen. Dergleichen Banditengentlemen sind in den Apenninen wie in den Abruzzen immer jedoch höchst seltene Ausnahmen und die meisten Geschichten, die erzählt werden, eitel poetische Erfindungen.

Einen Hauptherd fand das Räuberthum in dem Bergreviere von Frosinone, einer im südlichen Kirchenstaate, unweit der neapolitanischen Grenze, höchst malerisch gelegenen Provinzialhauptstadt mit ungefähr zehntausend Einwohnern. Dort hatte es solche Dimensionen angenommen, daß im Jahre 1867 an den apostolischen Delegaten der Provinz, Monsignor Pericoli, ein im Vatican berathenes strenges Edict dagegen erlassen worden war, das jedoch gleichzeitig bekundete, welcher Mittel sich der päpstliche Stuhl bedienen mußte, Mittel die wahrhaftig nicht dazu angethan waren, die öffentliche Moral zu heben. In diesem Erlasse hieß es unter Anderm: „Wer einen Briganten lebendig der Behörde überliefert, erhält eine Belohnung von dreitausend Franken. Ist der Brigant ein Bandenhauptmann, so steigt die Belohnung auf sechstausend Franken. Wer einen Räuber tödtet, empfängt einen Preis von zweitausendfünfhundert Franken, das Doppelte dieser Summe aber, wenn der getödtete Räuber ein Bandenhauptmann ist. Wer Briganten denuncirt, dem wird der fünfte Theil der angegebenen Belohnungen zugesichert, und wer zur Verhaftung eines Anhängers des Räuberwesens verhilft, empfängt zwei- bis dreihundert Franken. Der Räuber, welcher todt oder lebend einen andern Räuber einliefert, ist selbst nicht nur frei von jeder Strafe, sondern erhält überdies noch eine Belohnung von fünfhundert Franken. War der lebendig oder todt eingebrachte Räuber ein Hauptmann, so werden dem Einbringer tausend Franken bezahlt. Doch muß der Räuber, der einen seiner Cameraden der Gerechtigkeit überantwortet, sich aus den Provinzen Frosinone und Velletri, unter Umständen selbst aus dem ganzen Staatsgebiete entfernen.“

Was aber bewirkte dieses Edict? Es that dem Räuberthum so wenig Abbruch, daß die Bewohner der von demselben heimgesuchten Provinzen ihren Beschluß kundgaben, keinen Bajocco (etwa 4 bis 5 Pfennige) Steuer mehr zu bezahlen, solange die Regierung ihnen nicht Sicherheit an Leben und Eigenthum verschaffe. Und die Herren Briganten selbst? Sie antworteten auf die bezüglichen Paragraphen des Edictes mit der Erklärung, daß sie Jedem hundert Piaster in Gold auszahlen würden, der ihnen den Kopf eines Soldaten brächte, und zweihundert Dem, welcher ihnen todt oder lebendig einen Officier oder ein Individuum überlieferte, das sie denuncirt hätte. Von der Ohnmacht der Regierung ihnen gegenüber überzeugt, streiften sie ungescheut auf allen Landstraßen umher und wagten sich bis an die Thore; auch der größeren Orte, mit ganz der nämlichen Ruhe, mit welcher der römische Bürger auf dem Monte Pincio lustwandelt. Und alle Welt gehorchte ihnen; alle Welt zitterte vor ihnen – sie waren faktisch die Herren des Landes.

Einmal begab sich eine Bauersfrau in der Gesellschaft eines alten Priesters von Veroli nach Frosinone, um von hier mit der Eisenbahn nach Rom zu fahren. Sie saßen auf einem von einem Esel gezogenen Karren und unterhielten sich ganz gemüthlich mit einander. Da sahen sie, als sie in einen Hohlweg einbogen, drei Räuber lauern.

„Euch schickt uns die Madonna,“ rief einer der Strolche aus. „Fürchtet Euch nicht, steigt ab und folgt uns!“

Die Unglücklichen thaten, wie ihnen befohlen ward. Nach einer dreistündigen Wanderung durch dichten Bergwald gelangten sie auf eine kleine Hochfläche, die auf der einen Seite von einem Felsen überragt wurde, aus dem man eine Grotte ausgehöhlt hatte.

Die Flinten zwischen den Knieen, lagerten hier an dreißig Banditen, aus der Grotte heraus aber drang das Wimmern eines neugeborenen Kindes.

Sowie die drei Cameraden mit Priester und Bäuerin erschienen, erhob sich der Hauptmann mit sichtlicher Freude und schritt auf den Geistlichen zu.

„Mein Vater,“ sagte er zu ihm, „ich schätze mich glücklich, Sie bei uns zu sehen. Meine Frau hat mir vor ein paar Stunden einen Jungen geboren, und ich will, daß er in die Gemeinde der Christenheit aufgenommen wird. Taufen Sie ihn!“

Ungewiß des seiner harrenden Looses, ließ sich der alte Priester zitternd das Kind bringen; man gab es der Bauersfrau zu halten, welche die Taufzeugin abgeben sollte. Neben ihr fungirte der Vicehauptmann als Pathe.

Der Priester vollzog die Ceremonie. Sowie er dieselbe beendet hatte, reichte ihm der Hauptmann einen Geldbeutel dar. [727] „Jeder Arbeit gebührt ihr Lohn,“ sprach er; „nehmen Sie den da und ziehen Sie ruhig Ihres Weges! Ihr, gute Frau, Ihr könnt auch gehen, und da habt Ihr etwas für Euere Mühe!“ Damit übergab er dem Weibe einen in Papier gewickelten Gegenstand und entließ es sammt seinem Begleiter. Der Geldbeutel enthielt sechs Piaster und das Papier ein Paar schwere goldene Ohrringe.

Ein ähnliches Abenteuer bestand um dieselbe Zeit ein junger Mann aus Pescasseroli in den Abruzzen. Er fiel Fuoco’s Bande in die Hände und erzählte dann unter eidlicher Betheuerung sein Erlebniß also:

„In den Bergen von Malchialvalla ergriffen mich die Räuber und schleppten mich nach den Höhen von Campoli, auf das päpstliche Gebiet hinüber, bis in die Nähe von Collepardo. Dort sperrte man mich in eine Art natürliche Grotte, die von zwei Lampen erhellt wurde und die gesammte Bande mit Bequemlichkeit aufnehmen konnte. Keinen Augenblick blieb ich unbewacht. Entfernten sich die Banditen, so ward ich an Händen und Füßen gefesselt und unter der Obhut der Geliebten des Hauptmannes zurückgelassen.

Oftmals hielt die Gesellschaft Kriegsgericht, in welchem einer der Briganten als Ankläger auftrat. Die darin ausgesprochenen Strafen lauteten auf Tod, Stockschläge oder ‚Libertà‘, das heißt man band dem Angeklagten Hände und Füße zusammen und warf ihn in einen Winkel, wo sich kein Mensch weiter um ihn kümmerte.

Während meiner Gefangenschaft genas die Geliebte des Briganten Guerra eines Knaben. In ihrer Galatracht begab sich darauf die gesammte Bande nach Collepardo hinunter, dort das Kind taufen zu lassen, was der Pfarrer auch bereitwillig that. Der Bube empfing den Namen Michelongiolo Guerra; die Orgel tönte und der Weihrauch duftete, wovon sich die Cumpane Abends mit großer Genugthuung unterhielten. Nachdem der Taufact vorüber, feuerte die Bande in den Gassen des Dorfes zwei Stunden lang Freudenschüsse ab, warf Geld unter die Bauern und ließ für sie den Wein in Strömen fließen, dem Alt und Jung sonder Scrupel eifrigst zusprach.“

Was sagt man von der Gemüthlichkeit dieser Zustände in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts und inmitten eines seit Jahrtausenden civilisirten Landes?

Doch wir werden noch mehr davon zu hören bekommen.

H. Sch.




Epische Briefe.
Von Wilhelm Jordan.
IX. Rettung der Edda. Ihre Schöpfungssage.

Während in Norwegen die Lehnsmonarchie siegte, kehrte das neue Gemeinwesen auf Island desto entschiedener zurück zur aristokratischen Republik. Das Land wurde eingetheilt in Viertel, jedes Viertel in drei Thinge. Jeder Thingsprengel erhielt seinen Haupttempel, und um diesen „zu bewahren in Weisheit und Rechtlichkeit“, wurde ihm ein Heiligthumsvorsteher, Godi, das ist: Gottesmann, betitelt, vorgesetzt, welcher die Richter zu ernennen und den Gang der Streitsachen zu steuern hatte. Sämmtliche Thinge standen unter dem Allthing, der obersten Staatsgewalt, der sich jährlich einmal versammelte, um die Gesetzgebung und die Rechtspflege letzter Instanz auszuüben.

Denen, die noch immer die römische Lüge von der Barbarei des germanischen Heidenthums nachsprechen, soll man dieses trefflich geordnete Staatswesen Islands entgegenhalten. Unter ihm bewahrte sich der ausgewanderte Stamm seine stählerne Tüchtigkeit und entwickelte für die einzige Kunst, deren Genuß und Pflege die Armuth und Entlegenheit des Landes nicht unmöglich machte, die Poesie, eine Empfänglichkeit, wie in denselben Jahrhunderten kein zweites Volk des Abendlandes.

Mit ihrer goldschweren und diamantharten Sprache voll trotziger consonantischer Kraft hatten die Auswanderer auch die ausgebildete Götter- und Heldensage mitgebracht; denn mit den Edlingen, die daheim ihren eigenen Hofhalt geführt, waren auch ihre Skalden übergesiedelt. Auch den Inhalt deutscher Lieder, ja wahrscheinlich Nachbildungen und Uebersetzungen derselben, bewahrten sie im Gedächtnis; denn theils durch deutsche Kaufleute, theils durch Kriegsgefangene der räuberischen Normannen waren dieselbe früh nach Skandinavien gelangt.

Zwar kam auch nach Island das Christenthum; aber es wurde hier dem Volke nicht aufgedrängt, sondern um das Jahr Tausend durch Mehrheitsbeschluß des Allthings angenommen. Dabei verfuhr man staunenswerth duldsam. Das Annahmegesetz selbst bestimmte, daß die Männer auch ferner den alten Göttern opfern dürften, aber nur heimlich; wer sich dabei von Zeugen betreten ließe, müßte Buße zahlen. In der Viga-Glum’s Saga ist eine Lebensbeschreibung erhalten, die in eben dieser Uebergangszeit spielt. Ich erwartete in ihr die Umwandlung der Sitten und der Lebensweise durch die neue Religion gespiegelt zu sehen. Davon aber fand ich keine Spur außer der kahlen Anführung, daß auch Viga-Glum drei Jahre vor seinem Ende die Taufe genommen habe und auf dem Todtenbette in weißem Sterbekleide „gebischoft“ worden sei (ok var byskupadr), wie der Biograph sich ausdrückt, das heißt von einem Bischof das Sacrament empfangen habe. Und alle Berichte über die ersten Jahrzehnte des Christenthums auf Island betätigten die Unrichtigkeit meiner Voraussetzung. Die Bezirkstempel selbst dienten fortan als Kirchen; ihre Vorsteher, die Godar, blieben im Amt; auch scheinen sie sich mit den Geistlichen bestens vertragen und nur allmählich einen Theil ihrer Befugnisse an die Bischöfe abgegeben zu haben. Von einer Umwälzung ist geraume Zeit nicht das Geringste zu merken. Die Einziehung einer alten Münze gegen eine neue mag wohl selten irgendwo so glatt und geräuschlos verlaufen sein, wie in Island der Uebergang vom Heidenthum zum Christenthum.

Für ausländische Geistliche hatte die ferne Eisinsel nichts Verlockendes. Einträgliche Pfründen und reiche Klöster waren hier nicht zu stiften. Nur Eingeborene, die sich im Mutterlande, nicht selten auch in Frankreich, England oder Deutschland, die nöthige Bildung erworben hatten, konnten durch ihre Heimathliebe bewogen werden, unter sonst nirgend erhörten Entbehrungen das geistliche Amt zu versehen. Sie wurden nicht Unterdrücker, sondern eifrige Pfleger der einheimischen Sprache und Literatur. Durch sie erst erfolgte die Einführung einer ausgebildeten Schreibkunst, welche die Aufzeichnung der epischen Schätze möglich machte.

Eine Schrift freilich hatten die Germanen von jeher besessen. Nach Ammianus Marcellinus wußte ein Alemanne im römischen Heer, Namens Hortari[4], seinen Landsleuten schriftliche Botschaft zu senden. Ja, schon Tacitus beschreibt sehr deutlich die Anwendung der Schrift bei Weissagungen. Zweigstücke eines fruchttragenden Baumes, vorzüglich der an Eckern reichen Buche, wurden mit Zeichen versehen, ausgestreut, einzeln aufgehoben und den Zeichen gemäß gedeutet. Diese Zeichen waren Buchstaben im eigentlichen Sinn, das heißt gezeichnete Stäbe einer Buche. So erklärt sich das gothische stabs, das altnordische stafs = litera, so das hochdeutsche „Buch“. Die Zeichen oder Male wurden eingeritzt, daher die Benennungen für zeichnen und schreiben: meljan, Male machen, malen; writan, althochdeutsch rizan, englisch write, ritzen, schreiben. Das Ausstreuen jener Stäbe erklärt unseren Ausdruck „Entwurf“; das Auflesen derselben unser „lesen“. Man legte die Zeichen aus, indem man sie entweder zu Worten zusammensetzte, oder auch den Buchstaben gelten ließ in der Bedeutung seines Namens. Der Buchstabe M z. B. hieß madhr, das ist Mann; F hieß fëu, das ist Geld (erhalten im englischen fee), U hieß ûr, das ist Auerochs, und Th hieß thuris, das ist Riese.

Diese Buchstaben, von ihrem heiligen und geheimnißvollen Gebrauch Runen genannt (runa, das ist Geheimniß, Räthsel), bildete aber nur ein Alphabet von sechszehn Zeichen und reichten nicht aus, eine lautreiche Sprache zu versinnlichen und mit ihnen den epischen Erbschatz niederzuschreiben. Auch bedurfte [728] es dessen nicht, so lange denselben einen Sängerstand mit den mnemonischen Mitteln der poetischen Form im Gedächtniß bewahrte. Gerade als dieser Stand zu verschwinden begann, erhielt Island durch seine Geistlichen theils direct, theils von den Angelsachsen das lateinische Alphabet der deutschen Mönche, dasselbe, in dem wir hier die „Gartenlaube“ gedruckt sehen und von dem sich immer noch Viele einbilden, es sei ein ursprünglich deutsches.

Zu Anfang des zwölften Jahrhunderts entstanden die ersten isländischen Bücher, z. B. die Geschichte der Besitznahme, das Landnama-bok. Die Geistlichen ließen sich von den des Schreibens unkundigen letzten Mitgliedern der aussterbenden Skaldenzunft dictiren, was ihr Gedächtniß vom germanischen Epos noch bewahrte.

Im Jahre 1643 fand Brynjulf Svendson, Bischof von Skalholt, unter anderen Handschriften eine sehr alte, Gedichte enthaltende. Er ließ sie abschreiben und setzte eigenhändig darauf den Titel „Edda Saemundar hins froda“, das ist die „Edda Sämund’s des Weisen oder Gelehrten“. Nur sein Zeugniß ist vorhanden für die erste Aufzeichnung durch Sämund. Selbst darüber herrscht noch Streit, ob wirklich ein bedeutender Geistlicher des zwölften Jahrhunderts genau diesen Namen geführt habe. Ich bin geneigt, zu vermuthen, daß auch dieser Name, wie Vyasa, Homeros, Hesiodos und Firdusi nichts Anderes ist als der nachträgliche Ehrentitel eines berühmten Sängers. Sämund würde isländisch „säende Hand“ bedeuten; aber der Name könnte im Nominativ auch Sämunni[WS 1] gelautet haben mit der Bedeutung Saat ausstreuender Mund. Ja, vielleicht ist er sogar deutschen Ursprungs und aus dem althochdeutschem Sagamunt umgeändert worden, entweder um die Urheberschaft der Liedersammlung auf einen bekannten Isländer zu übertragen, oder um für ihn auch im Altnordischen einen Sinn zu gewinnen, etwa wie für Mediolanum und Milano durch die Germanisirung Mai-Land.

Der Titel: Edda, das Femininum unseres „Aetti“, fordert uns auf zu der Vorstellung, daß hier eine Urgroßmutter ihren lauschenden Enkeln und Enkelkindern Kunde gebe von der Vergangenheit.

Die Sämunds-Edda zerfällt in einen mythologischen und in einen epischen Theil, obwohl mehrere ihrer Lieder gleichermaßen der Götter- wie der Heldensage angehören. Fast allen sieht man es an, daß sie zusammengefügt sind aus Bruchstücken, welche der Aufzeichner aus dem Gedächtnisse verschiedener Sänger niederschrieb, deren Keiner mehr den ganzen Zusammenhang übersah. Schon daraus entsteht große Dunkelheit. Außerdem ist die Form nicht selten die des absichtlich mit dem Sinne Versteck spielenden Räthsels, das mit der Frage schließt: Wißt Ihr, was das bedeutet?

Eines der ältesten Lieder, die Völu Spa, das ist: die Sprüche oder Weissagungen der Wala, der Seherin, beginnt also:

Lauschen der Andacht verlang’ ich von allen
Hohen und niederen Heimdalssprossen.
Walvaters Werke will ich verkünden,
Urzeitmären des Menschengeschlechtes,
Im Gedächtniß dauernd als meistbedeutend.

Die letzte Langzeile dieser Strophe, die ich der Deutlichkeit wegen mit zweien übersetzt habe, finden wir im ersten Verse des ältesten altdeutschen Epenrestes, des sogenannten Wessobrunner Gebets, so nahezu wörtlich wieder, als es bei Uebertragung in so schwierig gebundenen Alliterationsversen irgend zu erwarten ist.

Dann heißt es weiter in der dritten Strophe der Völuspa:

Im Urzeitanfang hat Ymir gewaltet;
Nicht Sand war noch See noch kalte Salzfluth,
Nicht Erde vorhanden noch Oberhimmel,
Nur klaffende Kluft und nirgend Kräuter.

Zu diesen Versen sind die an falscher Stelle überlieferten drei letzten der fünften Strophe hinzuzuziehen:

Nicht wußte die Sonne, wo ihr Saal sei,
Nicht wußten die Sterne, wo ihre Stätten,
Noch wußte der Mond, wo sein Wohngemach sei.

Wiederum trifft hiermit unser Wessobrunner Gebet sehr nahe und mit einem Verse in vollkommenster Wörtlichkeit zusammen. Denn sein echter und uralter Theil lautet, mit der kleinen, von J. Grimm und K. Müllenhof vorgeschlagenen und sehr wahrscheinlichen Ergänzung einer Lücke, die ich einklammere, also:

Das erfuhr ich im Volk als vornehmstes Wunder,
Daß Erde nicht war noch Oberhimmel.
Nicht Bäume gab es, noch gab es Berge,
Noch das mächtige Meer. Da glänzte der Mond nicht
[Noch ein schimmernder Stern], noch schien die Sonne
Und nur das Nichts war, das nirgend begrenzte.

Dieses Wessobrunner Gebet ist um 814 aufgeschrieben worden, also reichlich drei Jahrhunderte früher als die Edda und über ein halbes Jahrhundert vor der Colonisation Islands. Die Nachbildung könnte also nur aus dem Deutschen in’s Altnordische erfolgt sein. Möglicher Weise aber waren die deutsche Völuspa, deren einstiges Vorhandensein hiermit unzweifelhaft erwiesen ist, und die nordische beide nur dialectische Umbildungen eines viel älteren, wohl gar altarischen Liedes. Die Vermuthung liegt nicht fern, daß die sibyllinischen Bücher Roms eine Art lateinischer Edda gewesen sind und auch ein solches kosmogonisches Lied der Sibylle enthielten, ja, daß uns eine Reminiscenz aus demselben erhalten ist im Anfangsverse der Metamorphosen Ovid’s:

Vor dem Meere, der Erd’ und dem allesbedeckenden Himmel
War das Chaos.

Ymir bedeutet Aufruhrtoben, Wirrwarr und ist die Personification der durcheinander gährenden Urstoffe. Was ich oben mit „klaffende Kluft“ übersetze, heißt im Original „ginnunga gap“, das ist: das Gaffen (Maulaufsperren) der Gähnungen, ist also genau das griechische Chaos, das ebenfalls Gähnen, den gähnenden Abgrund bedeutet.

Auf der nördlichen Seite dieses Schlundes, erzählen andere Lieder und die prosaische oder jüngere, dem Snorri Sturluson zugeschriebene Edda, entstand Niflheim, die Nebelwelt voll Frost und Eis, auf der südlichen Muspelheim, die hellflammende Welt voll Licht und Feuer, bewohnt und beherrscht von Surtur, dem rauchschwarzen, der auch von dorther einst kommen und die Erde verbrennen wird. Als die von Muspelheim herüberfliegenden Feuerfunken den Reif auf der Grenze Niflheims erreichten und schmolzen – wir würden sagen: als der warme Südwind den Frühling nach Norden brachte – da gewann das Aufgeschmolzene Leben und Gestalt; da erst erstand jener Ymir. Er verfiel in Schlaf, das heißt der Aufruhr der Elemente legte sich; er begann zu schwitzen, das heißt es trat Sommer ein, und nun wuchs ihm unter dem linken Arme ein Sohn und eine Tochter, mit denen vermutlich Tag und Nacht gemeint sind, und seine beiden Füße erzeugten miteinander einen sechsköpfigen Sprößling, das heißt: nun erst entwickelte sich mit dem Wechsel der Tages- und Jahreszeiten die sechsmonatliche Vegetation.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Zur Vollendung des Arndt-Denkmals auf dem Rugard hat das zur Errichtung des Monuments zusammengetretene Comité bekanntlich eine Verloosung in’s Leben gerufen und zur Betheiligung an derselben bereits im Juli dieses Jahres aufgefordert. Wir glauben es diesem patriotischen Unternehmen schuldig zu sein, nachträglich auf dasselbe hinzuweisen und im Nachstehenden die wesentlichsten Punkte aus dem Lotterieplane mitzutheilen. Nach demselben wird die Hälfte des gesammten Ertrages aus dem Loosverkaufe zur Anschaffung von Gewinnen verwendet; das Comité ist nach Möglichkeit bestrebt, nur wirkliche Kunst- und passende Gebrauchsgegenstände anzukaufen. Es werden 50,000 Loose ausgegeben werden und 5944 Werthgewinne in Höhe von 75,000 Mark bei Hauptgewinnen, von 1000 bis 7000 Mark zur Verloosung kommen. Loose à 3 Mark sind einzeln oder in Partien zum commissionsweisen Verkauf durch den Herrn Banquier Hermann Block in Stralsund zu beziehen.

Vom 18. December dieses Jahres an werden die Gewinne, laut Beschluß der Commission, in geeigneten großen Localen in Stralsund unentgeltlich zur Besichtigung ausgestellt werden. Der Ziehungstermin, welcher bald nach Weihnachten stattfinden soll, wird durch die Blätter bekannt gemacht werden.

Wir knüpfen an diese Hinweisung auf ein Unternehmen von echt deutschem Charakter den Wunsch, es möge die Mühe und Arbeit, welche die Instandsetzung der Lotterie zur Vollendung des Arndt-Denkmals in nicht geahntem Maße erfordert, durch einen günstigen Erfolg belohnt werden. Das kann aber nur geschehen, wenn alle deutschen Patrioten das Werk durch rege Theilnahme an dieser Lotterie fördern und vollenden helfen.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Annual report of the Canal Commissioners of the State of New-York. Transmitted to the Legislature January 5, 1875, Albany. (E. Steiger, Frankfurt Str., New-York.)
  2. Da dieser Artikel vorzugsweise Frauen gewidmet ist, so sei es gestattet, hier an Stolle’s schönes Gedicht zu erinnern:

    Wenn eine Mutter betet für ihr Kind.

    Der reinste Ton, der durch das Weltall klingt,
    Der reinste Strahl, der zu dem Himmel dringt,
    Die heiligste der Blumen, die da blüht,
    Die heiligste der Flammen, die da glüht,
    Ihr findet sie allein, wo, fromm gesinnt,
    Still eine Mutter betet für ihr Kind.

    Der Thränen werden viele hier geweint,
    So lange uns des Lebens Sonne scheint,
    Und mancher Engel, er ist auserwählt,
    Auf daß er uns’re stillen Thränen zählt –
    Doch aller Thränen heiligste, sie rinnt,
    Wenn eine Mutter betet für ihr Kind,

    O schaut das Hüttchen dorten still und klein,
    Nur matt erhellt von einer Lampe Schein!
    Es sieht so trüb’, so arm, so elend aus,
    Und gleichwohl ist’s ein kleines Gotteshaus,
    Denn drinnen betet, fromm gesinnt,
    Still eine treue Mutter für ihr Kind.

    O nennt getrost es einen schönen Wahn,
    Weil nimmer es des Leibes Augen sah’n,
    Ich lasse mir die Botschaft rauben nicht,
    Die Himmelsbotschaft, welche zu uns spricht:
    Daß Engel Gottes stets versammelt sind,
    Wenn eine Mutter betet für ihr Kind.

  3. Le Brigandage en Italie dupis les temps les plus reculês jusqu’à nos jours, par Armand Dubarry. Paris, Plon et Co. 1875.
  4. Vermuthlich der noch jetzt in der Schweiz und Schwaben vorkommende Familienname Hurter.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Sämunnr