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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1871
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[761]

No. 46.   1871.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Das Haideprinzeßchen.

Von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)


Und dieser blinde Fanatismus war es in der That, der Eckhof beseelte – es war ihm fürchterlich Ernst mit dem, was er sagte. Man mußte dieses düstere Glimmen in den Augen sehen, die sich einen Moment hoben, um über dem Laubdach den Himmel zu suchen.

„Sie haben mir wiederholt versichert, daß Sie im Besitz von Vermögen und einem klingenden Namen sofort einer der Unsrigen sein würden“ – sagte er zu Dagobert.

„Ich wiederhole das hiermit feierlich – ich könnte ja Beides unter keinen besseren Schutz stellen – Tausende sollten mir nicht zu viel sein –“

Eckhof neigte das Haupt. „Der Herr wird sie als Sühne ansehen für so viel verborgene Sünden und endlich seine strafende Hand nehmen von den armen Seelen, die noch ruhelos wandern müssen,“ sagte er pathetisch. „Es war aller Laster Anfang, daß der Kaufmannssohn den Standpunkt verachtete, auf den ihn der Herr durch die Geburt gestellt hatte, und nach dem Degen griff. … Er war schön von Gestalt und verstand sich auf die feinen Künste, die der Menschen Herzen verlocken, und da gab ihm der Herzog den Adel und ließ ihn nicht mehr von seiner Seite. … Es wurde damals ein lockeres Leben geführt, da droben, von wo Zucht und Ehrbarkeit und Gottesfurcht als eine Leuchte über die Länder ausgehen sollten. Der Herzog war lustig und die Frau Herzogin, seine Gemahlin auch, und seine jungen Schwestern, die Prinzessinnen Sidonie und Margarethe, waren zu vergleichen der Tochter des Herodes. Sie hatten viel Willen, denn der Herzog liebte sie zärtlich – sie konnten Alles von ihm erbitten, nur nicht die Einwilligung zu einer Mißheirath, denn er war stolz auf sein fürstliches Blut. … Die schönen Schwestern verreisten und kamen zurück, wie es ihnen gefiel – Prinzessin Margarethe war mehr am Hofe zu L., als daheim; ihre ältere Schwester aber hatte eine große Vorliebe für die Schweiz und für Paris. … Sie verreiste oft auf zwei, drei Monate und noch länger – natürlicherweise im strengsten Incognito und unter dem Schutz ihrer alten, sehr respectablen Hofdame und eines ebenso bejahrten Cavaliers – die guten Leute sind längst todt.“

Er schwieg einen Augenblick und strich sich mit der Hand über das Kinn, und ich saß in stiller Verzweiflung auf meinem Ast; meine Fußsohlen krampften sich zusammen, um die Schuhe festzuhalten, und das Blut trat mir heftig klopfend in die Schläfe, denn ich wagte nicht einmal tief Athem zu schöpfen. Und dieser Mann erzählte so breit wie möglich – es war kein Ende abzusehen.

„Seltsam aber war’s,“ fuhr er endlich fort, „daß stets, so oft die Prinzessin Sidonie nach der Schweiz abreiste, eine schöne, junge Dame in der Karolinenlust erschien. Sie hatte genau so schwarze Locken, genau den schlanken Wuchs wie die Prinzessin, und sah ihr überhaupt zum Verwechseln ähnlich. … In solchen Zeiten war dann die Brücke nach dem Vordergarten womöglich noch fester verschlossen als sonst, und am Flußufer hin, auf Seiten der Karolinenlust, lief ein festes Stacket, das natürlicherweise nach Lothar’s Tode sofort hat fallen müssen. … Nur eine Seele des Vorderhauses genoß die Gnade, die Brücke ungehindert passiren zu dürfen, Fräulein Fliedner. Sie hatte sogar einen eigenen Schlüssel dazu, den sie meist zur Abendzeit, selbst in der späten Nacht benutzte. … Wenn Sie mich fragen, woher ich das Alles weiß, so kann ich Ihnen weiter nichts sagen, als meine selige Frau hat mir’s erzählt. Sie war zwar nie und nimmer bei dieser dunkeln Geschichte betheiligt – zu ihrer Ehre sei es gesagt –, aber Frauenohren und –Augen sind fein und scharf, und wenn die weibliche Wißbegierde einmal angeregt ist, dann fragt sie nicht viel nach nassen Füßen, die der Fluß macht, und findet wohl auch eine Stelle zum Durchschlüpfen –“

„Schau, schau, die gute Frau hat auch gelauscht!“ dachte ich zu meiner großen Befriedigung und vergaß sogar für einen Moment meine gefährliche Situation.

„Das ist ein Leben gewesen wie in einem Turteltaubennest. Eine herrliche Frauenstimme hat die schönsten Lieder gesungen, und im Mondenschein, in später, stiller Nacht hat man droben auf der Waldwiese die Epauletten des Herrn Officiers blitzen sehen und die schlanke, weiße Frau hat an seinem Arm gehangen. … Einmal Abends aber ist Fräulein Fliedner hastig, ohne alle Vorsicht über die Brücke gelaufen – in der Karolinenlust sind die Lichter hinter den Fenster hin- und wiedergehuscht – und um Mitternacht hat man Kindergeschrei gehört.“

Charlotte fuhr in die Höhe, mit geöffneten Lippen, als ränge sie nach Athem – ihre funkelnden Augen ruhten verzehrend auf dem Gesicht des Sprechenden.

„Mehrere Jahre hinter einander hat man die Anwesenheit der Dame in der Karolinenlust von Zeit zu Zeit beobachtet – die Scene, die ich zuletzt erzählt, hat sich später noch einmal [762] wiederholt“ – sagte Eckhof weiter – „dann starb die lustige, leichtlebige Prinzessin Sidonie plötzlich im Bade am Schlagfluß, und der schöne Lothar jagte sich drei Tage darauf in Wien, wo er sich gerade mit dem Herzog befand, eine Kugel durch den Kopf. … Herr Claudius kam einige Tage nach dem schrecklichen Vorfall hierher; er hatte auf seinen Reisen Wien besucht und Lothar dort getroffen. Die beiden Brüder, die sich so selten gesehen, waren sich während dieses Zusammenseins sehr nahe getreten – ich habe das aus Erich’s eigenem Munde. … Als ich zum ersten Mal eingehend mit ihm sprechen durfte, da konnte ich nicht umhin, die Vorgänge in der Karolinenlust zu berühren. Er sah mich stolz und finster an und sagte, auf die Brieftasche Lothar’s zeigend: ‚Da drin sind die Documente; mein Bruder hat mit seiner Frau in rechtmäßiger Ehe gelebt!‘ … Tags darauf ließ er auf Wunsch des Verstorbenen die Herren vom Gericht kommen. Ich stand mit ihnen draußen im Corridor, während er noch einmal hineinging in die Räume, die sein Bruder bewohnt hatte. Ich sah, wie er die Brieftasche in einen Schreibtisch des großen Saales niederlegte und einschloß – dann machte er noch einmal die Runde durch alle Zimmer, in die wir nicht eintreten durften, schloß die Thüren und rüttelte an den Fenstern, und drei Minuten später lagen die Gerichtssiegel auf den Thüren. … Die beiden Kinder, die in der Karolinenlust geboren wurden, sind –“

„Still, still – kein Wort weiter! Sprechen Sie es nicht aus!“ schrie Charlotte emporspringend auf. „Wissen Sie denn nicht, daß ich wahnsinnig werde, daß ich sterben muß, wenn ich diese Wundergeschichte – und sei es auch nur für eine Stunde – glaubte und mir dann sagen lassen müßte: ‚Es ist nicht wahr – es ist eitel Hirngespinnst einer längst verstorbenen Frau!‘“

Sie preßte beide Hände an die Schläfen und rannte auf und ab.

„Ruhig Blut und den Kopf oben behalten!“ ermahnte Eckhof, indem er aufstand und den Arm des jungen Mädchens ergriff. „Ich frage nur das Eine: wenn nicht Lothar’s und der Prinzessin Kinder, wer sind Sie dann?“ …

O Himmel, Charlotte die Tochter einer Prinzessin! Um ein Haar wäre ich von meinem Sitz herabgefallen. … Nun war ja Alles gut, Alles! … Wie untrüglich hatte das fürstliche Blut in ihren Adern gesprochen! … Ich hätte laut aufjubeln mögen, wäre nur nicht die entsetzliche Tortur an meinen Füßen gewesen, und hätte ich nicht gerade jetzt den letzten Rest meiner Muskelkraft aufbieten müssen, um mich athemlos still zu verhalten – wie wäre es mir ergangen, wenn der grimmige Alte mich nun, nach seinen Geständnissen, auf meinem unfreiwilligen Lauscherposten entdeckt hätte!

„Wie sollte Herr Claudius dazu kommen, die Kinder wildfremder Leute, einer fremden Nationalität, erziehen zu lassen und sie sogar zu adoptiren?“ fuhr er fort. „Sehen Sie, das Erbtheil seines Bruders, Ihren rechtmäßigen Besitz, will er Ihnen nicht entziehen – dazu ist er zu gerecht – ja, er geht noch weiter, er sichert Ihnen auch sein Vermögen, indem er nicht heirathet. Pecuniär glänzend versorgen wird er Sie – wenn auch erst nach seinem Tode, bis dahin lenkt er Sie am Gängelband – aber Ihren wahren Namen wird er Ihnen vorenthalten für immer, weil er nicht will, daß das aufgepfropfte adelige Reis fortleben soll – ich kenne ihn genau – er hat den unbeugsamen stolzen Bürgerkopf der Claudius! Doch jetzt beruhigen Sie sich endlich einmal,“ schloß Eckhof ungeduldig, „und suchen Sie Ihre frühesten Erinnerungen zusammen.“

„Ich weiß nichts – nichts!“ stammelte Charlotte und legte die Hand auf die Stirn – die starke Mädchenseele brach zusammen unter der Wucht des Glückes.

„Charlotte, nimm Dich zusammen!“ rief Dagobert nun auch – er war anscheinend viel ruhiger als seine Schwester, aber es kam mir plötzlich vor, als sei er noch gewachsen, so stolz hatte er sich aufgerichtet, und aus seinem dunkelgerötheten Gesicht lag ein Ausdruck, der mich einschüchterte. „Sie mag allerdings nur sehr wenige, unklare Erinnerungen haben, denn sie war ja sehr klein, als unsere Lebenslage sich änderte – weiß ich doch auch nicht viel mehr,“ sagte er zu dem Buchhalter. „Wir haben unsere erste Kindheit nicht in Paris selbst, sondern auf einer kleinen Besitzung in der Nähe der Stadt, bei Madame Godin, verlebt – das das wissen Sie bereits. … Ich erinnere mich wohl, daß mein Papa mich auf seinen Knieen hat reiten lassen, aber, und wenn man mich tödtete, ich könnte nicht sagen, wie er ausgesehen hat. Ich weiß nur, daß seine Erscheinung blitzend, funkelnd war – es ist uns so gesagt worden, er sei Officier gewesen. … Die Mama habe ich sehr selten gesehen – am deutlichsten haftet ein Nachmittag in meiner Erinnerung. Mama kam mit Onkel Erich und noch einem Herrn herausgefahren; es wurde Kaffee im Gartensalon getrunken, und Onkel Erich jagte mich über den Rasen, warf mich hoch in die Luft und trug Charlotte stundenlang auf dem Arm. … Er war ganz anders, als jetzt, er hatte ein frisches, schöngeröthetes Gesicht und sehr rasche, muntere Bewegungen – älter als zwanzig Jahre kann er wohl damals nicht gewesen sein?“

„Er war einundzwanzig Jahre alt,“ bestätigte der Buchhalter mit einem verfinsterten Gesicht, „als er Paris für immer verließ.“

„Die Mama setzte sich an den Flügel,“ fuhr Dagobert fort, „und Alle riefen bittend: ‚Die Tarantella, die Tarantella!‘ und da sang sie, daß die Wände zitterten, und Alles war wie toll, und ich mit. Madame Godin mußte mir nachher das Lied mit ihrem schwachen, alten Stimmchen oft vorsingen, wenn sie mich artig und folgsam haben wollte, und nie werde ich das ‚Già la luna è in mezzo al mare, mamma mia si salterà!‘ vergessen! … Auf das Gesicht der Mama kann ich mich mit dem besten Willen nicht mehr besinnen – für mich spielte, den Gesang ausgenommen, Onkel Erich an jenem Nachmittage die Hauptrolle. Sie könnten mir alle möglichen Frauenportraits zeigen, ich fände meine Mutter nicht heraus. … Ich weiß nur noch, daß sie sehr groß und schlank war, und daß lange, schwarze Locken über ihre Brust herabfielen – vielleicht hätte ich auch das vergessen, wäre ich nicht gerade dieser Locken wegen von Mama gescholten worden, ich hatte sie bei meiner ungestümen Liebkosung sehr derangirt. … Nach diesem Besuch kam Onkel Erich sehr oft allein; er verwöhnte und verzog uns – ganz das Gegentheil von heute – dann blieb er lange weg, bis er eines Tages kam und mich von Charlotte und Madame Godin trennte. … Das ist Alles, was ich Ihnen sagen kann.“

„Es genügt vollkommen,“ sagte Eckhof. „Herr Claudius mag schon früher in das Geheimniß eingeweiht gewesen sein und seine Frau Schwägerin zu Neffen und Nichte begleitet haben. … Die Prinzessin ging ja fast immer nach Paris, wenn der Herzog mit seinem Adjutanten verreiste.“ …

Er schob seinen Arm unter den des jungen Officiers. „Jetzt heißt es vorsichtig forschen und handeln, wenn wir unser gemeinsames Ziel erreichen wollen,“ sagte er, langsam mit Dagobert in den Wald hineinwandelnd. „Von der Fliedner, die allein um Alles weiß, erfahren Sie natürlicherweise niemals ein Sterbenswort – eher ließe sie wohl Holz auf sich spalten! … Nicht wahr, wie unschuldig und harmlos sie thun kann, die – alte Katze? … Die Hofdame, der Reisemarschall und der Leibarzt der Prinzessin, der damals auch in der Karolinenlust aus- und einging, Alle sind sie todt –“

„Und Madame Godin auch – seit langen Jahren,“ setzte Dagobert tonlos hinzu.

„Nur Muth, die brauchen wir nicht! Wir werden schon Mittel und Wege finden,“ sagte Eckhof resolut – der Mann war während seiner Mittheilungen völlig aus seinem biblischen Redeton gefallen. – „Aber wie gesagt, alle Hast muß streng vermieden werden, und sollten Jahre darüber hingehen.“

Sie schritten weiter – Charlotte folgte ihnen nicht. Als sie sich allein sah, warf sie plötzlich die Arme hoch in die Luft und stieß mit zitternder Brust ein eigenthümliches Lachen oder auch Schluchzen aus. Ich wußte nicht, waren es die unarticulirten Laute einer ausbrechenden, unbeschreiblichen Glückseligkeit, oder – des Wahnsinns. Genau so hatte ich meine Großmutter am Brunnen stehen sehen. … Erschrocken bog ich mich hinab – patsch, lag einer meiner Schuhe drunten im Dickicht – das kleine benagelte Ungeheuer rasselte mit einer Vehemenz durch die Büsche, als sei es von einer Pistole abgeschossen. Charlotte stieß einen halberstickten Schrei aus.

„Still, um Gotteswillen!“ flüsterte ich vom Stamm niedergleitend und lief auf sie zu.

„Unglückskind, Sie haben gehorcht?“ stießen ihre Lippen [763] unter meiner Hand hervor – sie schüttelte diese Hand mit einer zornigen Geberde von sich und maß mich mit entrüsteten Blicken.

„Gehorcht?“ wiederholte ich tief beleidigt. „Kann ich’s denn ändern, wenn ich auf dem Baum sitze, und Sie gehen drunten spazieren? … Kann ich denn schreien: ‚kommen Sie ja nicht hier vorüber, wenn Sie sich ein Geheimniß zu sagen haben, denn ich sitze da und will mich um keinen Preis vor dem alten Mann sehen lassen, der mich stets so zornig anschnaubt‘? … und warum soll ich denn durchaus ein Unglückskind sein? Glücklich bin ich, so glücklich und vergnügt, daß ich’s nicht aussprechen kann, Fräulein Charlotte! … Nun ist ja Alles gut! Nun dürfen Sie stolz sein! Denken Sie doch nur, die Prinzessin Margarethe ist ja Ihre Tante!“

„Gott im Himmel, wollen Sie mich denn zu Tode martern?“ schrie sie auf und schüttelte mich so gewaltig an der Schulter, daß ich wie eine Flaumfeder hin- und herflog. Dann ließ sie mich plötzlich los und ging wie vorhin mit starken Schritten auf und ab.

„Glauben Sie nichts – ich glaube auch kein Wort!“ sagte sie nach einer langen Weile scheinbar ruhiger, wenn auch ihre Brust wogte und der Athem flog. „Der Alte dort ist kindisch geworden – sein Muckergehirn hat vor Zeiten schwer geträumt, und nun meint er, eine längst verstorbene Frau habe ihm das Märchen erzählt. … Einen leisen Anflug von Wahrscheinlichkeit erhält die Sache nur durch unsere Adoption von Seiten des Onkels – Niemand hat bisher begriffen, weshalb er sich unser angenommen, und ich füge in meinem Herzen stets nachdrücklich hinzu: ‚Aus Barmherzigkeit ganz gewiß nicht!‘ … Mich könnte nur eine Wanderung durch die Beletage der Karolinenlust überzeugen, in wie weit die Erzählung des Alten auf Thatsachen beruht. Es ist mir unmöglich, zu denken, daß die stolze Prinzessin – einen stark ausgeprägten Fürstenstolz hat unser ganzes herzogliches Haus – heimlich vermählt in der Karolinenlust gelebt haben soll. … Ich will drauf schwören, wenn man heute die Siegel von den Thüren lösen dürfte, man fände Nichts, nichts, als eine elegante Junggesellenwirthschaft, das Heim eines alleinlebenden jungen Herrn!“ –

„Schwören Sie nicht, Fräulein Charlotte!“ unterbrach ich sie flüsternd – mir war zu Muthe, als sei ich berauscht, als wirble mir das Gehirn durcheinander. – „In den Zimmern hängt ein seidener Frauenmantel, und auf dem Schreibtisch liegen Briefbogen, und ‚Sidonie, Prinzessin von K.‘ steht drauf – das muß sie selbst geschrieben haben, so fein schreibt mein Vater nicht, und Herr Claudius auch nicht – ich glaube, so schreibt nur eine Frau.“ –

Sie starrte mich an. „Sie sind drin gewesen? … Hinter den Siegeln?“

„Ja, ich hin drin gewesen,“ versetzte ich rasch, wenn auch mit niedergeschlagenen Augen. „Ich weiß einen Weg, und ich will Sie hinaufführen in die Zimmer, aber erst – wenn Ilse fort ist.“

In dem Augenblick, wo ich den Namen Ilse aussprach, überkam mich ein unaussprechliches Angstgefühl. Mir war, als stünde sie neben mir mit warnend gehobenem Zeigefinger, und als hätte ich Böses gethan, das nie, nie wieder auszulöschen sei. … Es tröstete und beruhigte mich auch durchaus nicht, daß Charlotte mich plötzlich mit ausbrechendem Jubel leidenschaftlich in ihre Arme schloß und an ihr Herz drückte – hatte ich nicht meine gute, alte Ilse für sie hingegeben? …




23.

Ilse’s Thätigkeit war in den folgenden Tagen mehr als je in Anspruch genommen. Sie hatte unter den Effecten meines Vaters noch zwei festverschlossene Kisten voll Hauswäsche gefunden, die auch seit dem Tode meiner Mutter nicht wieder an das Tageslicht gekommen war. Da fielen scharfe Worte über den wunderlichen Mann droben, der den zerbrochenen Kram wie Zuckerzeug auspacke und die schönsten Tisch- und Betttücher vermodern lasse. Ihre Züge wurden allerdings wieder hell, als sich unter ihren rührigen Händen und mit Hülfe der bleichenden Sonne das tiefe Gelb der langen Haft in fleckenlose Weiße verwandelte; aber gerade deshalb achtete sie auch weniger auf mich, es fiel ihr nicht auf, daß ich mich oft in ausbrechender Zärtlichkeit an ihren Hals warf, um durch Liebkosungen das verrätherische „Wenn Ilse fort ist“ wieder gut zu machen.

Aber auch noch andere Scrupel beunruhigten mich. Ich dachte selbstverständlich nicht daran, daß es gefährlich für mich selbst werden könne, in dieser geheimnißvollen Geschichte mitzuwirken – dazu war ich bei weitem nicht weltklug genug, ich hatte nur plötzlich ein dunkles Gefühl von Schuld dem Mann im Vorderhause gegenüber, der ahnungslos an seinem Schreibtisch saß, während Alle insgeheim Front gegen ihn machten. Er war schuldig, das unterlag auch nicht dem leisesten Zweifel – er betrog die zwei hochstrebenden Geschwister um ihren edlen Namen; ich wünschte glühend, daß ihnen so schnell wie möglich zu ihrem Recht verholfen werde; aber daß unter dem Deckmantel des tiefsten Schweigens auf seinem eigenen Grund und Boden gegen ihn gearbeitet wurde, daß der verrätherische Buchhalter und die Geschwister nach wie vor Auge in Auge mit ihm verkehrten und an seinem Tische aßen, daß mein Vater in der Karolinenlust wie in seinem eigenen Heim fort und fort schaltete und waltete, während sein Kind feindselig gegen den Besitzer wirkte, dies Alles war mir peinlich bis in die tiefste Seele hinein.

„Sie haben uns gestern belauscht,“ sagte Dagobert am andern Morgen mit finster gerunzelten Brauen zu mir, als ich, erschreckt durch seine unvermuthete Anwesenheit in der Halle, rasch an ihm vorüberlaufen wollte. Er schien auf mich gewartet zu haben. Ueber Nacht war aus dem geschmeidigen Famulus ein gebietender Herr geworden, er sah genau wieder so hochmüthig und überlegen aus, wie am Hügel in der Haide – und das verdroß mich, allein diese braunen, stolzblickenden Augen hatten so viel Gewalt über mich, daß auch nicht eines der gereizten Worte, die ich ihm sagen wollte, über meine Lippen kam.

„Charlottens Mittheilung hat mir einen tödtlichen Schrecken eingejagt,“ fuhr er fort; „ich bin überzeugt, heute noch erzählen sich die Spatzen auf den Dächern unser kostbares Geheimniß, denn Sie sind viel zu jung, viel zu unerfahren, um begreifen zu können, um was es sich hier handelt. Ein einziges unbesonnenes Wort aus Ihrem Munde wird unsern schlauen Feind stutzig machen und alle unsere Bemühungen für immer vereiteln.“

„Ich werde aber das Wort nicht sagen,“ stieß ich zornig heraus. „Wir werden ja sehen, wer am besten schweigen kann.“

Damit lief ich die Treppe hinauf und flüchtete in das Bibliothekzimmer! Nun lag auch auf meinen Lippen ein Siegel – ich wollte eher sterben, als mir auch nur einen Laut entreißen lassen.

Dagobert’s barscher Kürze gegenüber war ich trotzig, Charlotte dagegen flößte mir Scheu und Bangen ein. Stundenlang stand sie, die Arme untergeschlagen, bewegungslos drüben im Bosquet und starrte mit verzehrenden Blicken nach den verhüllten Fenstern der Beletage. Sie erschien mir viel blässer als sonst, und wenn sie meiner habhaft werden konnte, dann preßte sie mich in ihre Arme und flüsterte mit heißem Athem: „Wann endlich geht Frau Ilse? Ich esse und schlafe nicht – ich gehe an dieser Marter zu Grunde!“

Aus diesen Bedrängnissen rettete ich mich meist zu meinem Vater. Er legte eben die letzte Hand an die Aufstellung der Antiken, denn die Prinzessin hatte nunmehr ihren Besuch für die allernächste Zeit in Aussicht gestellt. Ich mußte ihm behülflich sein, und wenn ich jetzt anfing, die unscheinbarsten Thon- oder Marmorfragmente genau so subtil und zärtlich, wie er selbst, anzufassen, so hatte das seinen Grund in den Mittheilungen, die er während der gemeinsamen Arbeit einstreute. Ich sah, wenn auch immer noch mit blödem Blick, über dem „zerbrochenen Kram“ den unsterblichen Geist schweben, der vor Jahrtausenden im Menschengehirn gekreist, und nun mit jeder Form, mit jedem Farbenrest den Ring bezeichnete, den der gewaltige Stamm der Menschenentwicklung in jeder neuen Phase angesetzt.

So kam ein schwerer, ein entsetzlich gefürchteter Tag heran – er streute das brennende Gold der unverschleierten Sonne über die Waldwipfel und sah mit wunderblauem Auge aus dem See. Wie haßte ich von Neuem diesen See, die leuchtenden, höhnisch zu mir herüberstarrenden Statuen, die Baummassen, denen der nahende Herbst bereits zartgelbe Lichter aufsetzte! Ich starrte mit pochendem Herzen hinaus – die Farbenpracht brach sich in meinen funkelnden Thränen.

„Geweint wird nicht, absolut nicht, Kind,“ sagte Ilse und [764] strich mir mit ihrer harten Hand über die Augen. Sie hatte den Reise-Ueberrock an; auf dem Tische lag der Kirchenhut, und nicht weit von mir stand das Kistchen mit ihren wenigen Effecten, in welches sie eben den letzten Nagel eingeschlagen hatte. Sie war bereits droben bei meinem Vater gewesen, um sich zu verabschieden; ich durfte sie nicht begleiten; aber drunten auf dem Treppenabsatz hörte ich, wie sie in beschwörenden Tönen nochmals ihr sorgenschweres Herz ausschüttete. Sie kam mit dunkelglühenden Backen wieder heraus; die Erregung hielt sie jedoch nicht ab, den Rückweg mit dem Staubtuch in der Hand anzutreten – mit jedem Schritt abwärts polirte sie eine der Marmorstufen; denn die Prinzessin sollte ja binnen einer Stunde kommen, und da mußte doch Alles „blitzblank“ sein.

Nun brachte sie die Schachtel mit den Perlen, die mir meine Großmutter geschenkt hatte.

„Da, Kind,“ sagte sie, während sie mir die Schnur um den entblößten Nacken legte, „die Prinzessin kann’s wissen, daß Du nicht gar so arm zu Deinem Vater gekommen bist – ich weiß, was für ein Heidengeld in solchen Dingern steckt, hab’s manchmal mit ansehen müssen, wenn meine arme Frau Stück für Stück aus der Jakobsohn’schen Erbschaft verkauft hat.“

Der Hut wurde hastig aufgesetzt, das große Wolltuch von der Schulter herab verhüllend über das Kistchen gezogen, das sie unter den linken Arm genommen hatte – dann schritt sie mit mir, ohne sich noch einmal umzusehen, nach dem Vorderhause. Ich hielt ihre Rechte und drückte sie an meine Brust und ging willenlos nebenher. Nur in der Hausflur fuhr ich zurück; denn Ilse ging nicht in Fräulein Fliedner’s Zimmer – auf ihr Befragen zeigte ihr der alte Erdmann die sogenannte „neue Schreibstube des Herrn“.

„Bist Du kindisch bis zum letzten Augenblick?“ schalt sie barsch, während sie ihre Kiste niederstellte und dann ohne Weiteres die bezeichnete Thür öffnete.

Grollend trat ich auf die Schwelle des gründämmernden Eckzimmers. Ich hatte Herrn Claudius nicht wieder gesehen seit jenem Abend, wo ich ihn gekränkt – ich wäre ihm ja auch am liebsten für immer aus dem Wege gegangen; nun aber wurde ich gezwungen, ihm gegenüberzutreten, und da that ich’s denn auch so herausfordernd wie möglich – er hatte ja viel Schuld auf dem Gewissen, nicht ich, nein, ich ganz gewiß nicht!

Er saß an einem der südlichen Fenster und schrieb. Als er uns unter die Thür treten sah, zog er an einer Schnur; die grünen Vorhänge neben ihm flogen auseinander, und durch das duftige Gitter draußen stehender Büsche leuchteten die bunten Felder des Blumengartens herein. Er stand auf und reichte Ilse die Hand. Ich hatte gemeint, nach dem Blick, den er mir neulich zugeworfen, müßten seine Augen ganz anders aussehen, aber sie richteten sich so groß und ernst auf mein Gesicht, wie bei unserer ersten Begegnung an seinem Schreibtische – sie schüchterten mich ein.

„Herr Claudius, nun wird’s Ernst,“ sagte Ilse, und das Trennungsweh, das sie bisher standhaft unterdrückt, brach aus allen Tönen. „Ich muß endlich heim, wenn mir nicht der Dierkhof aus den Fugen gehen soll. … Gott weiß, wie schwer mir das Herz ist; aber Sie sind mein Trost, Sie wissen, was Sie mir versprochen haben, und – da ist Lenore!“

Ehe ich mich dessen versah, hatte sie meine Hand gefaßt und wollte sie in seine Rechte legen. Er wandte das Gesicht weg und griff nach einem Buche, das er in der Hand behielt – ich verstand ihn sofort – ich hatte ja neulich vor seiner Berührung geschaudert.

„Wachen will ich unermüdlich, Frau Ilse,“ sagte er mit der gewohnten Gelassenheit; „aber ob ich mir schließlich die Macht erkämpfen werde, auch zu leiten und selbst einzuwirken, das müssen wir einstweilen dahingestellt sein lassen –“

„Herr Claudius, Sie meinen doch nicht, daß es dem Kinde an dem nöthigen Respect fehlen wird?“ unterbrach ihn Ilse. „Lenore weiß nun schon, daß der Herr Doctor bei seinen Geschäften nicht viel an sie denken kann, daß ein Anderer da sein muß, der wie ein Vater für sie sorgt“ – ich sah, wie eine zarte Röthe sein ganzes Gesicht selbst über die Stirn hinauf überfloß –, „bis sie wieder heim kann auf den Dierkhof. … Ich sag’s ja, Sie sind mein Trost in der schweren Stunde, und wenn Sie auch Lenoren die Hand nicht gegeben haben – je nun, Sie sind ein ernsthafter strenger Mann, und sie ist ja noch das pure Kind im Thun und Wesen –“

„Das liegt doch wohl anders, als Sie denken,“ fiel er ihr in das Wort … welche Qual! Nun griff auch noch Ilse ahnungslos mit harter Hand in die Wunde, die ich ihm zugefügt. Das ganze Reuegefühl überkam mich wieder – noch in diesem Augenblick konnte ich wieder gutmachen, was ich verbrochen – nein, ich durfte nicht mehr, ich wäre dann ebenso falsch gewesen, wie der verabscheute alte Buchhalter, der seinen Herrn verrathen hatte und doch scheinbar auf gutem Fuße mit ihm blieb.

„Trost braucht wohl vor allen Dingen Ihre Schutzbefohlene, Frau Ilse,“ fuhr er fort – seine Augen hingen, mir zur Pein, unverwandt an meinem Gesicht. „Sie ist so blaß, ich fürchte, Abscheu und Angst vor dem engen Baumkreis, der ihre Stirn bedroht, werden nun doppelt über sie kommen.“ Er nahm einen neuen Schlüssel von der Wand und legte ihn auf den Schreibtisch vor mich hin. „Ich weiß, wo Sie das Trennungsweh am ersten überwinden werden, Fräulein von Sassen,“ sagte er. „Ich habe das Schloß an der Gartenthür neu herrichten lassen – der Schlüssel gehört Ihnen; Sie können nun ungestört die Familie Helldorf besuchen und mit Ihrem kleinen Liebling verkehren, so oft Sie wollen.“

Ilse sah sehr verwundert drein; allein es blieb keine Zeit zu näheren Erörterungen. Draußen über das Pflaster des Hofes rasselte ein Wagen.

„Frau Ilse, Sie müssen fort,“ sagte Herr Claudius, indem er nach einem Fenster schritt und die Vorhänge auseinanderzog. Vor der Hofthür stand seine Equipage, der alte Erdmann hob eben Ilse’s Kiste hinein.

„I was, in dem Wagen soll ich doch nicht fahren?“ rief sie erschrocken.

„Warum nicht? … Ich meine, der Abschied vollzieht sich rascher, als wenn Sie zu Fuße das Haus verlassen.“

„Na, denn in Gottes Namen. … Da, Kind, vergiß den Schlüssel nicht“ – sie schob ihn mir in die Tasche –; „ich weiß zwar nicht, was es für ein Bewenden damit hat; aber Herr Claudius giebt ihn Dir, und da lasse ich ihn unbesehen in Deinen Händen.“

Sie schüttelte ihm herzhaft die Hand und ging. Draußen in der Hausflur standen wartend Fräulein Fliedner und Charlotte. Ich konnte den funkelnden Blick, das strahlende Lächeln des jungen Mädchens nicht ertragen und lehnte schluchzend das Gesicht an Ilse’s Brust. Die Starke rang heftig mit dem Weinen, ich hörte ihren mühsamen Athem; einen Augenblick umschlossen mich ihre Arme krampfhaft. Wie durch einen Schleier sah ich drüben zwischen den grünen Vorhängen Herrn Claudius stehen; er winkte Ilse verstohlen zu, die Qual abzukürzen; sie brauchte es nicht – ich that es selbst. Die Hände auf die Schläfen gepreßt, floh ich durch den Hof in den Garten hinein, und erst, als ich über die Brücke lief, hörte ich fern den Wagen durch den Thorweg brausen.

Ich schlug die Läden vor meine Fenster, verriegelte die Thüren und warf mich in die Sophaecke, wo Ilse zuletzt gesessen. So lag ich stundenlang in dumpfem Schmerz. …

Die Prinzessin Margarethe kam; mein Vater begrüßte sie in der Halle – ich hörte, wie Herr von Wismar und das Hoffräulein den Kranich scheltend fortjagten, der jedenfalls der Durchlauchtigsten Dame mit seinen Reverenzen zu nahe gekommen war. … In der Beletage verstummten die Schritte der Hinaufsteigenden, die Prinzessin verharrte wahrscheinlich vor den geheimnißvollen Siegeln – eine entsetzliche Beklemmung schnürte mir die Brust zusammen, Ilse war ja nun fort und der Augenblick nahe, mit welchem ich mich anheischig gemacht hatte, die untrüglichen Beweise zu den Mittheilungen des Buchhalters zu bringen – ich griff in die Tasche und schleuderte den Schlüssel, als senge er mir die Finger, weit in das Zimmer hinein. … Man vertraute mir, wo ich hinterging. Seltsam, der Mann im Vorderhause stand an meiner Seite, wohin ich mich auch wenden mochte, zartvorsorglich, ernst und still, aber unabweisbar. … Und ich wollte doch keine Gemeinschaft mit ihm, ich hielt zu den Anderen, unverbrüchlich zu den Anderen; eines Tages mußte er das erfahren – zu seinem Schaden. Ich wühlte das Gesicht noch tiefer in die Polster, in diesem Augenblick that mir selbst der feine Streifen Sonnenlicht wehe, der durch den Laden drang.

[765]

Nur vor der Kirchenthür.
Originalzeichnung von Professor Thon in Weimar.

[766] Die Prinzessin kam wieder herab, und mein Vater klopfte an meine Thür, er wollte mich holen. Ich rührte mich nicht und war froh, als ich Alle das Haus verlassen hörte; aber nicht lange nachher kam Charlotte durch den Corridor gelaufen; sie rüttelte ungestüm an dem Thürschloß und rief gebieterisch meinen Namen. Schöner und herrischer als je und in der brillantesten Toilette stand sie draußen, als ich die Thür öffnete.

(Fortsetzung folgt.)




„Die Armuth im zerriss’nen Kleide.“
Mit Abbildung.

Ins Kirchlein sind sie eingezogen,
Die Glocke schweigt, die Orgel tönt,
Und wer geweint beim Ehrenbogen,
Wird hier mit seinem Schmerz versöhnt.
Allein nur bleibt mit ihrem Leide
Die Armuth im zerriss’nen Kleide.

Sie schleicht, von Allen ungesehen,
Zur Kirchthür leise hin und lauscht,
Wie drin des Glaubens Geisterwehen
Mit mächt’gen Schwingen hallt und rauscht.
Derweilen weint in bittrem Leide
Die Armuth im zerriss’nen Kleide.

Bist Du von je so arm gewesen?
Nein! Glücklich machte Dich Dein Sohn;
Dir war im Antlitz froh zu lesen
Der Mutterliebe schönster Lohn.
Er fiel! Verlassen steht im Leide
Die Armuth im zerriss’nen Kleide.

Du trägst die Fetzen ohne Schande!
O, unbarmherzig ist der Krieg!
Die Ehre prangt im Vaterlande –
Doch wie viel Noth bezahlt den Sieg!
Vor wie viel Kirchen weint im Leide
Die Armuth im zerriss’nen Kleide!

Ihr preist den Sieg, Ihr preist den Frieden –
Gefeiert ist der Krieg genug; –
Jetzt sorgt, daß Balsam sei beschieden
Für all die Wunden, die er schlug!
Und Schmach sei’s, wo noch weint im Leide
Die Armuth im zerriss’nen Kleide!

Friedrich Hofmann.




Auf dem schwimmenden Hôtel.

Unter den jungen Hamburgern und Bremern, die sich dem Kaufmannsstande widmen, giebt es auch Exemplare, welche nach vollendeter Lehrzeit nicht „über See gehen“; sie sind aber selten. Mein Freund Robert, Sohn der freien und Hansestadt Hamburg, machte keine Ausnahme von der Regel; er ging, als seine Eltern gestorben waren, nach Mexico, verdiente viel Geld kehrte kürzlich via New-York zurück, um einige Wochen in der Heimath zu verleben.

„Bei der ganzen Reise von New-York bis Hamburg war mir nur Eins unangenehm,“ erzählte Robert beim ersten Wiedersehen, „daß die Tour so schnell vorüberging. Die zehn Tage von New-York bis hier gehören zu meinen angenehmsten Erinnerungen.“

„Nur zehn Tage!“ rief ich. „Es ist unbegreiflich!“

„Ja, man reist ebenso schnell als genußreich heutzutage,“ bestätigte Robert. „Zur Reise nach Veracruz habe ich selbst per schnellsegelnden Schooner zehn Wochen gebraucht und dankte meinem Schöpfer, als ich an Land kam. Die Tour über den Ocean per Segelschiff ist selbst in der Kajüte Fegefeuer, im Zwischendeck Hölle. Aber die Passagiere eines der großen transatlantischen Dampfer der ‚Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt-Actiengesellschaft‘ leben in der ersten Kajüte wie im Paradiese, in der zweiten wie Gott in Frankreich, und was die Zwischendecksgäste anbelangt, so sind sie während der Reise mit ihrem irdischen Loose sehr zufrieden. Apropos – Du hast doch schon einen der transatlantischen Steamer besichtigt?“

„Nein, noch nie.“

„Dann müssen wir hin,“ erklärte der Bürger Mexicos mit großer Bestimmtheit! „Die Paketfahrt-Gesellschaft hat nichts dagegen, wenn man eines ihrer schwimmenden Hôtels in Augenschein nimmt und zwar gegen vier Schillinge Entreé à Person zum Besten der Pensionscasse der Angestellten der Gesellschaft, um dem allzu großen Andrang zu wehren. Wenn wir übermorgen den Besuch abstatten, so kann uns vielleicht Herr Möller, einer der Gentlemen vom Bureau der Paketfahrt-Gesellschaft, ein ebenso liebenswürdiger Begleiter wie sachverständiger Führer sein.“

„Well, arrangire das,“ nickte ich. „Also übermorgen“ –

Achtundvierzig Stunden später standen wir vor dem Hafenthor, Vorstadt St. Pauli, zweihundert Schritte vor dem Anlegeplatze der großen transatlantischen Schraubendampfer.

Vor uns lag die „Thuringia“, ein schönes, stattliches großes Schiff, das, wie meine Begleiter versicherten, nicht weniger als tausend Menschen auf einmal beherbergen kann.

„Gegen tausend Menschen! Wie ist das möglich?“

Herr Möller öffnete auf einen verständnißinnigen Blick meines Freundes sein Notizbuch. „Erste Kajüte siebenzig Passagiere, zweite hundertzwanzig, Zwischendeck sechshundertfünfzig. Mannschaft: ein Capitain, vier Officiere, ein Arzt, ein Chirurg, ein Proviantmeister nebst einem Gehülfen, zwei Zimmerleute, zwei Bootsleute, vier Quartiermeister, ein Segelmacher, fünfzehn Matrosen, vier Leichtmatrosen, drei Schiffsjungen, ein Küper, ein Klempner, ein Schlachter, zwei Bäcker, ein Conditor, drei Köche nebst vier Gehülfen, zwei Oberstewards, neunzehn Stewards (Kellner), zwei Stewardesses (Kellnerinnen), vier Ingenieure nebst drei Assistenten, ein Kesselschmied, einundzwanzig Heizer, sechszehn Trimmer (Heizergehülfen), ein Ingenieurjunge, zusammen hundertzweiundzwanzig Personen; Summa-Summarum neunhundertzweiundsechszig Köpfe.“

„Nun ziehen wir noch in Betracht,“ fügte mein Freund hinzu, „daß ein bedeutender Theil des innern Schiffsraumes von den zu befördernden Waaren in Anspruch genommen wird. Dazu kommen die Maschinen, die Vorräthe an Kohlen, Proviant, Takelwerk, die Werkstätten, Küchen etc. Und dennoch bleibt für den einzelnen Passagier, wie Du Dich überzeugen wirst, noch hinreichend Raum.“

Wir durchwandelten den Thorweg, welcher zu den großen Speichern der Paketfahrt-Gesellschaft führt. Zwischen letzteren liegt ein mit Glas gedeckter breiter Gang, durch den man zu der Landungsbrücke kommt, welche die Dampfer mit dem Festlande verbindet. Ein flüchtiger Blick ward in die einfach meublirten Wartezimmer im Erdgeschoß der Speicher gethan, dann überschritten wir die Landungsbrücke, gaben dem dort postirten biedern Matrosen unsere Karten und wurden auf Deck von mehreren in elegante Seemannsuniform, blau mit Gold, gekleideten Officieren der Thuringia höflichst empfangen.

„Hier befinden wir uns,“ erklärte Herr Möller, „auf dem Spardeck. Die Thuringia hat dreitausend Tons (à zwanzig Centner) Gehalt und ist ein Vierdecker. Gehen wir eine Treppe tiefer, so kommen wir auf das Hauptdeck; das nächstfolgende Stockwerk ist das Zwischendeck, und auf dieses folgt das Lower- oder das untere Deck, dann [767] kommt der Raum. Die Bohlen des Spardecks, auf denen wir jetzt gehen, sind von dem besonders zähen Teakholz; Wände und Rippen des Schiffes sind von Eisen. Auf gewöhnlichen Schiffen ist nicht viel freier Platz auf dem Spardeck; hier aber sind fast alle sonst den Verkehr hindernden Gegenstände derart angebracht, daß fast der gesammte Raum des Decks, dreihunderteinundvierzig englische Fuß Länge und vierzig Fuß Breite, den Passagieren zur Benutzung bleibt. So sehen Sie die Brücke, auf welcher der commandirende Officier seinen Platz hat, über unseren Häuptern; von dort aus geht ein elektromagnetischer Telegraph nach dem Steuerhäuschen und nach dem Maschinenraum. Das Aufwinden des Ankers gehört auf anderen Schiffen zu den schwersten Arbeiten der Matrosen; hier ist der Dampf so freundlich, die Mühe des Drehens der Ankerwinde zu übernehmen.“

Auf Deck besahen wir ferner das mit nautischen Apparaten, Karten etc. ausgestattete Navigationszimmer der Officiere, die großen Ventilatoren, welche fortwährend frische Luft nach unten führen, anzusehen wie gigantische, oben gekrümmte Ofenröhren, die zu friedlichen Freuden- und Signalschüssen bestimmten Kanonen, die große Schiffsglocke, die Waschhäuser für die Zwischendeckspassagiere, die Dampffeuerspritzen, die Hebekrähne.

Der Schornstein war von einem Umfange, daß ihn wohl kaum fünf Männer hätten umspannen können. Da das Schiff durch Dampfkraft bewegt wird, so führt es die Masten und Segel hauptsächlich als Reserve, wenn die Maschine den Dienst versagte oder die Schraube bräche. Die Schraube befindet sich hinten am Schiff vor dem Steuer; sie wiegt die Kleinigkeit von dreihundert Centnern und hat siebenzehn Fuß sechs Zoll englisch im Durchmesser. Das Steuer ist, wie die meisten Einrichtungen der Thuringia, ein Patent-Apparat von ganz vorzüglicher Construction. Hier im Steuerhäuschen haben mit dem Compaß die beiden fast mannshohen Steuerräder ihren Platz, die, wie auf allen anderen Seeschiffen, von einem einfachen Matrosen gedreht werden, während die eigentlichen Steuerleute oder die Officiere, wie sie genannt werden, den Lauf des Schiffs berechnen und commandiren, wie gesteuert werden soll.

Wir passirten inzwischen das hinten auf dem Spardeck liegende Entréezimmer, etwa so elegant eingerichtet wie ein Waggon erster Classe auf deutschen Eisenbahnen, stiegen die teppichbelegte Treppe hinab und traten nunmehr in das Allerheiligste, den Salon der ersten Kajüte.

Der Anblick war wirklich überraschend und läßt sich kaum beschreiben. Alles, was geschehen konnte, um diesen etwa hundert Fuß langen, vierzig Fuß breiten und über acht Fuß hohen Raum luxuriös, kostbar, prächtig, reich und doch nicht überladen, sondern bis in die kleinsten Details geschmackvoll auszustatten, ist geschehen, und so ward der Salon zum wahren Schmuckkästchen, hübscher eingerichtet, als manches fürstliche Boudoir. Getäfel von polirtem Ahornholz mit Nußbaum-Füllung bedeckt die Wände; Leisten und Simse sind vergoldet; allerliebste Karyatiden, Meisterwerke der Bildschnitzkunst, tragen die Decke. Die in der Mitte der Füllungen angebrachten Oelgemälde, acht an der Zahl, Landschaften und Seestücke, weisen Namen von Meistern wie Kauffmann, Hünten, Mosengel, Nonnenkamp, Krüger auf; das von oben durch die „Skylights“ einfallende Licht ist ihnen freilich vortheilhafter, als die durch die örtlichen Verhältnisse gebotene Einrahmung unter Glas. Schwere Teppiche mit den Wappen Hamburgs und der Paketfahrt-Gesellschaft bedecken den Boden. Längs der Mitte des Salons erstrecken sich die Tische, an denen siebenzig Personen zu gleicher Zeit diniren können, nebst den mit rothem Sammet überzogenen Bänken mit beweglicher Lehne, die sich nach der Tischseite und nach der Wandseite hin aufklappen läßt, alles Patent, wie Herr Möller wiederum mit berechtigtem Stolze bemerkt. Bänke und Tische sind unverrückbar an den Boden befestigt. Von der Decke herab hängen prachtvolle Petroleumlampen, jede inmitten zweier massiver Messingringe, die ihnen gestatten, trotz aller Schwankungen des Schiffes im Gleichgewicht zu bleiben, ebenso eine Anzahl von Gläsergestellen, die auf freundschaftlichen Anstoß seitens des Herrn Möller lustig an der Decke schaukeln, ohne daß auch nur ein Römer oder ein Champagnerkelch das Gleichgewicht verlöre. Beim Eingang ist ein Meisterwerk der Kunsttischler-Arbeit, ein großer „Sideboard“ (Buffet) placirt, am andern Ende des Salons prangt ein kostbares Piano aus erster Fabrik, Nußbaum mit reicher Vergoldung. Kurzum, das gesammte Interieur ist mit blendender Pracht ausgestattet und bietet dem Beschauer immer neue Objecte der Bewunderung.

Endlich trennen wir uns von dem bezaubernden Salon, um die auf beiden Seiten des Saales liegenden einzelnen Schlafkajüten anzusehen. Hier aber endet die anscheinende Raumverschwendung und das Princip, keinen Quadratzoll unbenutzt zu lassen, tritt wieder in den Vordergrund; je zwei und zwei Betten liegen über einander, und um in das obere zu kommen, muß man eine kleine Mahagony-Treppe erklettern. Die Hôtels auf dem Festlande besitzen Betten von größerem Format, aber an Sauberkeit, Eleganz und Comfort lassen sich die hier gebotenen Ruhestätten nicht übertreffen. Die Schlafcabinen erhalten ihr Licht durch kleine Seitenfenster von gewaltig dickem Glase in höchst soliden Messingrahmen, denen auch der wildeste Wogenprall nichts anhaben kann. Die Wascheinrichtungen sind von Porcellan, die Sophas mit rothem Sammet überzogen; Teppiche fehlen auch hier nicht. Für sorgfältig temperirte Erwärmung dieser, wie aller Räume des Schiffes sorgt hie Dampfheizung. In die Schlafcabinen gehen telegraphische Drähte, durch welche man mittelst Glockensignal jeden der dienstbaren Geister des Schiffes herbeirufen kann. Badezimmer für Damen wie für Herren, sowie auch eine Bibliothek stehen den Passagieren zur Verfügung.

Nach Besichtigung des Damensalons und des Rauchzimmers, deren Ausstattung sich hinsichtlich Pracht und Eleganz gleichfalls des Salons würdig zeigte, begaben wir uns hinab zur zweiten Kajüte, wo man für die Ueberfahrt nach New-York nur hundert Thaler preuß. Courant zu zahlen hat, während der Platz oben hundertfünfundsechszig Thaler kostet (alle Preise inclusive voller Beköstigung, exclusive Wein). Indessen hat man unten, wie meine Begleiter bemerkten, eigentlich dasselbe wie oben, jedenfalls denselben Comfort; natürlich ist die Ausstattung etwas weniger luxuriös, und während man oben wahrhaft lucullisch speist, fallen hier die Delicatessen und theuren Leckereien weg. Immerhin jedoch ist die Tafel der zweiten Kajüte im Stande, auch einen verwöhnten Gaumen zu befriedigen.

Neben den Speisesälen liegen die Anrichtezimmer, woselbst Apparate, die mit der Dampfheizung in Verbindung stehen, zum Warmhalten der aufzutragenden Speisen dienen. Klein, aber niedlich sind die Kajüten des Capitains, der Officiere, des Arztes, des Proviantmeisters. Alle Räume, welche Mannschaft und Bedienung des Schiffes bewohnen, scheinen dem Auge der „Landratten“ natürlich eng, während der Seemann auf keinem andern Schiffe über so viel Platz verfügen dürfte, ganz gewiß, aber nicht über so hübsch eingerichtete Räume, die manchen für „Jan Maat“ ganz ungewohnten Luxus enthalten. Die Wohnungen der Mannschaft haben separate Aufgänge nach Deck und sind von den Räumen, welche die Passagiere inne haben, durchaus getrennt.

Das Zwischendeck war nach all der Pracht, die wir bisher gesehen hatten, fast geeignet, unsere Erwartungen zu täuschen; es enthielt nur Bettstellen (Matratzen etc. müssen sich, wie auf allen Auswandererschiffen üblich, die Zwischendeckspassagiere selbst mitbringen) und das einfachste Mobiliar, Tische und Bänke. Herr Möller gab indessen die nöthigen Erläuterungen. „Der Zwischendecks-Passagier,“ sagte er, „macht wenig Ansprüche; für die bezahlten fünfundfünfzig Thaler erhält er reichliche und gute Kost, was für die guten Leute die Hauptsache zu sein pflegt, abgesehen davon, daß das Essen hier um Vieles besser ist, als es die meisten von ihnen auf dem Lande gewohnt sind. Auch geht ja die Ueberfahrt rasch von Statten. Im Uebrigen bieten wir Vortheile, wie sie sonst nirgends zu finden sind, besonders die durch eine eigene Luftpumpe beschaffte gute Ventilation der Räume, dann die separate Abtheilung für einzeln reisende Frauen und Mädchen, die Fürsorge hinsichtlich etwaiger Krankheitsfälle, so daß unsere Einrichtungen seitens der Sachkenner aller Länder bereits als Muster für sämmtliche Auswandererschiffe hingestellt worden sind.“

„Wie viel befördern Sie Passagiere?“ fragte ich.

Herr Möller griff zum Notizbuch. „Wir haben innerhalb der fünf Jahre von Anfang 1865 bis Ende 1869 befördert: 136,306 Passagiere nach Amerika, 29,015 von Amerika, zusammen 166,221; der Waarentransport auf unseren Dampfern während jener Zeit belief sich auf circa sieben Millionen Centner.“

„Und wie viele Schiffe besitzt die Gesellschaft?“

„An Dampfern ersten Ranges, jeder circa fünfhundertfünfzigtausend [768] Thaler Preußisch Courant kostend, die Thuringia, Holfatia, Westphalia, Hammonia, Cimbria, Saxonia, Borussia, Bavaria, Teutonia, Allemannia, Silesia, Germania, Vandalia, Alsatia und Frisia. Mit dieser Flotte betreiben wir die directe Post-Dampfschifffahrt von hier aus auf drei Hauptlinien, nach New-York, New-Orleans und Westindien. Ferner besitzt die Gesellschaft zwei elegante Passagierdampfer, Cuxhaven und Helgoland, welche während der Badesaison die Linie Hamburg und Helgoland befahren, zwei Bugsirdampfer, Concurrent und Pilot, und eine aus dreizehn großen Fahrzeugen bestehende Leichterflotille, außerdem zwei schwimmende Dampfwinden und zwei schwimmende Kohlenlager, endlich ein eigenes großartiges Trockendock dort jenseits der Elbe am kleinen Grasbrook. – Die Gesellschaft arbeitet mit sechs Millionen Mark Banco Actiencapital, vier Millionen fünfhundertzwanzigtausend Thaler Prioritätsanleihe – also über zehn und eine halbe Million Mark Banco oder fünf und eine Viertel Million Thaler Preußisch Courant. – Hier,“ fuhr Herr Möller fort, das Buch mit den achtunggebietenden Ziffern wieder in die Tiefe seines Paletots versenkend, „können Sie einen Blick in den Maschinenraum werfen. Die Maschine hat nominell siebenhundertfünfzig, effectiv dreitausend Pferdekraft; es sind vier Kessel mit vierundzwanzig Feuern vorhanden, die täglich ungefähr sechszehnhundert Centner Kohlen verbrauchen. Die Kohlenmagazine des Schiffes fassen elfhundert Tons.“

Auf dem Wege zur ersten Kajüte zurück zeigte Herr Möller noch das Speisezimmer der Officiere, die Barbierstube, die Bäckerei, die Conditorei, das Eismagazin, die großartigen Küchen, die Hospitäler für Männer und Frauen, die Apotheke, sowie Vorrathskammern und Werkstätten verschiedenster Art.

Offenbar sollte nichts versäumt werden, uns auch von der Tüchtigkeit der Vorrathskammer den wünschenswerthen Begriff zu geben, denn wir waren kaum in den Salon getreten, als der Steward eisgekühlten Champagner excellenter Qualität brachte. Wir füllten die Gläser mit dem schäumenden perlenden Naß und stießen an auf glückliche nutzenbringende Fahrten aller Hamburger Schiffe und ihrer „Schwimmenden Hôtels“, und ganz besonders des guten Schiffes Thuringia.

Gustav Kopal.     

Wie der „Struwwelpeter“ entstand.


Nach fast drei Jahrzehnten besuchte ich jüngst zum ersten Male wieder die altehrwürdige deutsche Krönungsstadt am Maine. Welche Veränderung war seitdem mit Frankfurt vorgegangen! Ich erkannte kaum die Stadt, kaum ihre Bewohner wieder – Frankfurt ist eine deutsche Weltstadt im vollen Sinne geworden! Freilich auch so manche interessante Eigenthümlichkeit der „guten alten Zeit“ ist dem modernen Geiste zum Opfer gefallen; vor Allem jene Frankfurter Original-Charaktere, die sonst in Deutschland, in Ernst und Scherz, einer weiten Berühmtheit sich erfreuten, sind in dem gewaltigen Strome der tausendfach bewegten Gegenwart verschwunden. Auch meine Frankfurter Freunde von ehemals waren mir, dem Norddeutschen, gerade durch dies echt Frankfurter und zugleich so echt deutsche Gepräge ihre äußeren und inneren Wesens so lieb und werth geblieben.

Ihrer und der vor vierzig Jahren mit ihnen verlebten Studienzeit gedenkend, wandelte ich am Nachmittage in den reizenden Anlagen umher, welche die – jetzt innere – Stadt umgeben. Plötzlich tritt einer der Vorübergehenden, mich forschend anblickend, freundlich an mich heran; ein Moment des Zweifels, und mit lauter fröhlicher Begrüßung reichen wir uns die Hände. Es war Dr. Heinrich Hoffmann, einst mein Heidelberger Universitätsfreund, jetzt hochgeachtet als Arzt der Frankfurter Irrenanstalt, und weit und breit berühmt als Verfasser des „Struwwelpeter“. Er schien mir, trotz der grauen Barthaare, in keiner Weise gealtert; frei und natürlich, heiter erregt und anregend, wie in der glücklichen Jugendzeit, so stand er auch jetzt vor mir. In munterem Austausche unserer Erlebnisse seit so vielen Jahren schritten wir zwischen den Blumenbeeten der Anlage dahin; plötzlich bog er mit mir in eine auf dieselbe einmündende Gartenstraße.

„Sie haben gesehen, daß ich lebe; sehen Sie nun auch, wie ich lebe!“ Mit diesen Worten führte er mich, auf angenehmem Feldwege weiterschreitend, seiner Wohnung zu. Wir traten bald in einen großen, einfach und geschmackvoll angelegten Garten, der ein weitläufiges, stattliches Gebäude in gotischem Stile umgab. Es war die vor zehn Jahren, hauptsächlich auf Hoffmann’s energischen Betrieb erbaute Irrenanstalt, deren reizende, gesunde Lage, auf einem Hügel nordwärts der Stadt, die geistige und leibliche Pflege der Unglücklichen, denen sie zum Asyle dient, so wirksam unterstützt. Die vortretende Mitte des großartigen Gebäudes enthält die Wohnung des Arztes; von ihren Fenstern und Balconen überblickt das Auge südwärts die in die reiche Main-Ebene sich ausbreitende prächtige Stadt, nordwärts das mit Städtchen, Dörfern, Burgen geschmückte landschaftliche Paradies der Taunus-Abhänge.

Unter der belehrenden Führung des Freundes lernte ich alle Räume der reichausgestatteten Anstalt kennen. Ergriffen von den Eindrücken des menschlichen Elendes, wie es in den Krankenzellen eines solchen Hauses sich darstellt, und doch wieder gehoben und getröstet bei dem Anblicke der sich überall kundgebenden musterhaften Ordnung und Sorgfalt, ließ ich mich nach einiger Zeit mit dem trefflichen Seelenarzte auf dem Balcon nieder, im Anblicke der vom Golde der Abendsonne übergossenen anmuthigen Gegend. Doch mehr noch als diese fesselten zwei holde Kinderchen meine Aufmerksamkeit, die vor uns im Garten voll lauter Jugendlust ihre Spiele trieben.

„Das sind meine Enkelchen,“ sagte der Freund, „denen ich, um sie der dumpfen Stadtluft zu entziehen, eine kräftige Sommerfrische hier bereitet habe.“

„Sie sorgen“, rief ich aus, „so väterlich für die gesammte Kinderwelt; was Wunder, daß Sie für Ihre eigenen Kinder und Enkel doppelt väterlich besorgt sind! Sie haben sich ja,“ fügte ich scherzend hinzu, „durch Ihre Kinderschriften die Eltern und Kinder der ganzen civilisirten Welt zu großem Danke verpflichtet!“

In behaglicher Stimmung ging Hoffmann auf diesen Gegenstand ein, und so kamen wir auf die Entstehungsgeschichte des Struwwelpeter, die mir interessant und besonders für Eltern lehrreich genug scheint, um sie hier ausführlicher und, soweit mein Gedächtniß mir treu ist, mit Dr. Hoffmann’s eigenen Worten mitzutheilen, diese charakterisiren den Freund besser, als ich es vermöchte.

„Gegen Weihnachten des Jahres 1844,“ begann er, „als mein ältester Sohn drei Jahre alt war, ging ich in die Stadt, um demselben zum Festgeschenke ein Bilderbuch zu kaufen, wie es der Fassungskraft des kleinen menschlichen Wesens in solchem Alter entsprechend schien. Aber was fand ich? Lange Erzählungen oder alberne Bildersammlungen, moralische Geschichten, die mit ermahnenden Vorschriften begannen und schlossen, wie: ‚Das brave Kind muß wahrhaft sein‘, oder: ‚Brave Kinder müssen sich reinlich halten‘ etc. – Als ich nun gar endlich ein Foliobuch fand, in welchem eine Bank, ein Stuhl, ein Topf und vieles Andere, was wächst oder gemacht wird, ein wahres Weltrepertorium, abgezeichnet war, und wo bei jedem Bild fein säuberlich zu lesen war: die Hälfte, ein Drittel, oder ein Zehntel der natürlichen Größe, – da war es mit meiner Geduld aus. Einem Kind, dem man eine Bank zeichnet, und das sich daran erfreuen soll, ist dies eine Bank, eine wirkliche Bank. Und von der wirklichen Lebensgröße der Bank hat und braucht das Kind gar keinen Begriff zu haben. Abstract denkt ja das Kind noch gar nicht, und die allgemeine Warnung: ‚Du sollst nicht lügen!‘ hat wenig ausgerichtet im Vergleich mit der Geschichte: ‚Fritz, Fritz, die Brücke kommt!‘

Als ich damals heimkam, hatte ich aber doch ein Buch mitgebracht; ich überreichte es meiner Frau mit den Worten: ‚Hier ist das gewünschte Buch für den Jungen!‘ Sie nahm es und rief verwundert: ‚Das ist ja ein Schreibheft mit leeren weißen Blättern!‘ ‚Nun ja, da wollen wir ein Buch daraus machen!‘

Damit ging es nun aber so zu. Ich war damals, neben meinem Amt als Arzt der Irrenanstalt, auch noch auf Praxis in der Stadt angewiesen. Nun ist es ein eigen Ding um den Verkehr [769] des Arztes mit Kindern von drei bis sechs Jahren. In gesunden Tagen wird der Arzt und der Schornsteinfeger gar oft als Erziehungsmittel gebraucht: ‚Kind, wenn Du nicht brav bist, kommt der Schornsteinfeger und holt Dich!‘ oder: ‚Kind, wenn Du zu viel davon issest, so kommt der Doctor und gibt Dir bittere Arznei, oder setzt Dir gar Blutegel an!‘ Die Folge ist, daß, wenn in schlimmen Zeiten der Doctor gerufen in das Zimmer tritt, der kleine kranke Engel zu heulen, sich zu wehren und um sich zu treten anfängt. Eine Untersuchung des Zustandes ist schlechterdings unmöglich; stundenlang aber kann der Arzt nicht den Beruhigenden, Besänftigenden machen. Da half mir gewöhnlich rasch ein Blättchen Papier und Bleistift; eine der Geschichten, wie sie in dem Buche stehen, wird rasch erfunden, mit drei Strichen gezeichnet, und dazu möglichst lebendig erzählt. Der wilde Oppositionsmann wird ruhig, die Thränen trocknen, und der Arzt kann spielend seine Pflicht thun.

So entstanden die meisten dieser tollen Scenen, und ich schöpfte sie aus vorhandenem Vorrathe; Einiges wurde später dazu erfunden, die Bilder wurden mit derselben Feder und Tinte gezeichnet, mit der ich erst die Reime geschrieben hatte, Alles unmittelbar und ohne schriftstellerische Absichtlichkeit. Das Heft wurde eingebunden und auf den Weihnachtstisch gelegt. Die Wirkung auf den beschenkten Knaben war die erwartete; aber unerwartet war die auf einige erwachsene Freunde, die das Büchlein zu Gesicht

Streifzüge eines Feldmalers. Nr. 4. Quartier in Dorf Puxe bei Metz.
Von F. W. Heine.

bekamen. Von allen Seiten wurde ich aufgefordert, es drucken zu lassen und es zu veröffentlichen. Ich lehnte es anfangs ab; ich hatte nicht im Entferntesten daran gedacht, als Kinderschriftsteller und Bilderbüchler aufzutreten. Fast wider Willen wurde ich dazu gebracht, als ich einst in einer literarischen Abendgesellschaft mit dem Einen meiner jetzigen Verleger gemüthlich bei der Flasche zusammensaß. Und so trat das bescheidene Hauskind plötzlich hinaus in die weite offene Welt und machte nun seine Reise, ich kann wohl sagen, um die Welt, und ist heute seit sechsundzwanzig Jahren bis zur neunundsechszigsten Auflage gelangt. Von Uebersetzungen ist mir bis jetzt eine englische, holländische, dänische, schwedische, russische, französische, spanische und eine portugiesische (für Brasilien) zu Gesicht gekommen.

Ich muß dabei auch des sonderbaren Erfolges erwähnen, den das Büchlein anfangs in Frankfurt selbst hatte. In den ersten Monaten des Jahres 1846, nachdem der Struwwelpeter am vergangenen Christfest zum ersten Male in die Kinderwelt getreten war, wurde ich oft von dankbaren Müttern oder entzückten Vätern auf der Straße angehalten, welche mich mit den Worten begrüßten: ‚Lieber Herr Doctor, was haben Sie uns eine Freude gemacht! Ich habe da zu Hause ein dreijähriges Kind, welches sich bis jetzt sehr langsam entwickelte und nun in ganz kurzer Zeit das ganze Buch auswendig weiß und ganz allerliebst hersagt. Ich versichere Sie, in dem Kinde steckt was!‘ – Damals waren [770] die Genies unter den Kindern ganz gemein geworden. Später sahen freilich die Leute ein, daß es nicht sowohl in den außergewöhnlichen Anlagen der Kleinen, als in der glücklich getroffenen plastischen Diction steckte.“

„Und trotzdem, lieber Freund,“ bemerkte ich, „hat man Ihre Bilderbücher herzhaft angegriffen, an denselben das gar zu Märchenhafte, in den Bildern das fast Fratzenhafte herb genug getadelt.“

„Ja,“ erwiderte der Freund, „man hat den Struwwelpeter großer Sünden beschuldigt. Da heißt es: ‚Das Buch verdirbt mit seinen Fratzen das ästhetische Gefühl des Kindes.‘ Nun gut, so erziehe man die Säuglinge in Gemäldegalerien oder in Cabineten mit antiken Gypsabdrücken! Aber man muß dann auch verhüten, daß das Kind sich selbst nicht kleine menschliche Figuren aus zwei Kreisen und vier geraden Linien in der bekannten Weise zeichne und glücklicher dabei ist, als wenn man ihm den Laokoon zeigt. – Das Buch soll ja märchenhafte, grausige, übertriebene Vorstellungen hervorrufen! Das germanische Kind ist aber nur das germanische Volk, und schwerlich werden diese National-Erzieher die Geschichte vom Rothkäppchen, das der Wolf verschluckte, vom Schneewittchen, das die böse Stiefmutter vergiftete, aus dem Volksbewußtsein und aus der Kinderstube vertilgen. Mit der absoluten Wahrheit, mit algebraischen oder geometrischen Sätzen rührt man aber keine Kinderseele, sondern läßt sie elend verkümmern. – Und wie viele Wunder umgeben denn nicht auch den Erwachsenen, selbst den nüchternsten Naturforscher! Dem Kinde ist ja Alles noch wunderbar, was es schaut und hört, und im Verhältniß zum immer noch unerklärten ist überhaupt die Masse des Erkannten doch auch nicht so gewaltig. Der Verstand wird sich sein Recht schon verschaffen, und der Mensch ist glücklich, der sich einen Theil des Kindersinnes aus seinen ersten Dämmerungsjahren in das Leben hinüber zu retten verstand.

Meine weiteren Bücher der Art, ‚König Nußknacker‘, ‚Im Himmel und auf der Erde‘, ‚Bastian der Faulpelz‘, entstanden in derselben Absicht und aus derselben Ansicht, und mein neuestes, demnächst erscheinendes, ‚Prinz Grünewald und Prinzessin Perlenfein‘, hat sich außerdem an kleine Persönlichkeiten selbst, diesmal an meine kleinen Enkelchen, gewendet. Immer aber ging ich von der Ueberzeugung aus: das Kind erfaßt und begreift nur, was es sieht.“

„Nehmen Sie,“ fuhr er fort, „als Erinnerung unseres heutigen frohen Wiedersehens dieses neueste Product meiner unvertilgbaren Kinderbeglückungslust. Von Text und Bildern kann ich auch hier sagen: ‚ipse fecit‘. Es wird in diesem Herbste ausgegeben werden; warten wir ab, was die unbestechliche Kritik der Kinderwelt dazu sagen wird!“

Mit Freude empfing ich das artige Gastgeschenk. Auf meinem Zimmer betrachtete ich noch spät in der Nacht die bunten Blätter des von Hoffmann’schem Geiste reichlich erfüllten Büchleins (über dessen Werth wir selbst kein Urtheil haben, da es uns bis jetzt noch nicht vorgelegen hat. D. Red.). Doch ich will vorerst nichts von seinem originellen Inhalte verrathen, als Probe will ich nur meinen freundlichen Lesern und Leserinnen jetzt schon die zartempfundenen Verse mittheilen, womit der Verfasser dies neueste Bilderbuch seinen beiden Enkelchen, deren Bildnisse das Widmungsblatt zieren, zugeeignet hat. Sie lauten:

Seinen lieben Enkeln Heiner und Karl
widmet dieses Buch der
 Großvater.

Die Tage flieh’n. Es war vor vielen Jahren,
Als eure Eltern selbst noch Kinder waren,
Da schrieb ich diesen manch ein buntes Buch.
Ich wurde alt, und all der Herrlichkeiten
Gedachte ich als längstvergang’ner Zeiten,
Die weit hinab der Strom des Lebens trug.

Da kamet ihr, und euer kindlich Treiben
Lehrt mich auf’s Neue, bunte Verse schreiben,
Und freudig nahm das Herz den alten Schwung.
Und mir gelang’s, so meine ich, nicht minder.
Nehmt diese Blätter, Kinder meiner Kinder!
Die alte Liebe wurde wieder jung.

Ihr dankt mir wohl? – Ich selbst hab’ euch zu danken!
Oft sah ich eure Kinderschritte wanken,
Und war zu führen euch dann treu bestrebt;
Jetzt aber wißt ihr mir den Weg zu sagen,
Den Weg zurück zu sonnig hellen Tagen: –
Der altert nicht, wer mit der Jugend lebt.

F. S.     


Literaturbriefe an eine Dame.
Von Rudolf Gottschall.
VII.

Es giebt, Madame, bekanntlich mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumen läßt.

Dies gilt auch von den Frauen, welche von Frauenlob bis Schiller so viele Verherrlicher gefunden haben, denen man neuerdings aber die „himmlischen Rosen“, mit denen sie das irdische Leben schmücken sollen, in Blumen von sehr zweifelhaftem Glanz und Duft verwandelt hat. Die süßen Geheimnisse, die man früher in Frauenherzen suchte, sind jetzt zu Mysterien sehr abschreckender Art geworden, wenn man wenigstens manchen Autoren glauben darf, die sich mit diesen Nachtseiten der weiblichen Seele angelegentlich beschäftigt haben. Was sich die alte Schulweisheit nicht träumen ließ, das träumt eine neue, die jetzt eine bedeutende Herrschaft über die Geister ausübt. Sie kennen Ihren Nachbar, den Rittergutsbesitzer, der nach Vollendung seiner Studien sich jetzt mit der Bewirthschaftung seiner Güter beschäftigt. Er ist noch jung und geistreicher, als die meisten anderen Kreisstände, deren Himmel voll Geigen hängt im Sommer, wenn eine gute Ernte in Aussicht steht, und im Winter, wenn sie Glück in ihrem L’hombre-Kränzchen haben. Doch sein Aussehn hat etwas Finsteres, Unheimliches, das nur bisweilen durch sarkastische Geistesblitze aufgehellt wird; wenn er mit seinem schwarzen Pudel über die Felder schreitet, kann man ihn für einen Faust halten, der sich an den Strand der Ostsee verirrt hat. Den Frauen gegenüber hat er etwas unsäglich Ueberlegenes; seine Galanterie hat etwas Hohnlachendes; er spricht mit ihnen wie mit Geschöpfen, die von einem untergeordneten Planeten stammen, und zeigt mehr Gemüth gegen seinen Hund, als gegen die vielbesungenen Wunder der Schöpfung.

Nun, dieser Philosoph ist ein Schüler Schopenhauer’s, eines Mannes, der über die Frauen und die Liebe sehr ketzerische Ansichten hegte und einige der schwersten Schlagschatten in sein düsteres Weltgemälde bei der Zeichnung des ewig Weiblichen warf. Ein anderer Philosoph ging noch weiter in der Schilderung der Illusionen der Liebe: es ist dies der Philosoph des Unbewußten, E. v. Hartmann, der im Uebrigen eines der geistreichsten Werke neuer Weltweisheit geschrieben hat. Die schöne Literatur, die sich oft aus diesen geistigen Reservoirs befruchtet, wollte nicht zurückbleiben hinter den Attentaten auf die Weiblichkeit, welche von Seiten dieser tiefen Denker stattfanden. Namentlich aber ist es ein netter Novellenautor, Sacher-Masoch, der in seinen Frauen uns kleine Ungeheuer zu schildern liebt, welche, ähnlich wie der Meerpolyp in Victor Hugo’s „Meeresarbeitern“, mit ihren Fangarmen und Saugnäpfchen dem Herrn der Schöpfung Blut und Leben aussaugen.

Sacher Masoch ist kein Novellist von denjenigen, von denen zwölf auf ein Dutzend gehn. Er hat eine reiche Phantasie von Gluth und Ueppigkeit, entschiedenes Darstellungstalent, das sich besonders in stimmungsvoller Naturmalerei auszeichnet, Witz und Esprit, welche aus seiner Weltanschauung wie aus einer dunkeln Wolkenwand hervorblitzen. Umsomehr ist es zu bedauern, daß er in seinen neuesten Werken eine Originalitätssucht zeigt, welche mit abenteuerlicher Keckheit das weibliche Ideal zertrümmert, wie es auf germanischem Boden sich herrlich entfaltet hat, und an seine Stelle weibliche „Spottgeburten von Dreck und Feuer“ setzt. Nicht immer, nicht überall, aber oft genug, daß die Kritik sein Talent zur Ordnung rufen und vor einigen seiner Erzählungen eine weitleuchtende Warnungstafel errichten kann.

Dies gilt auch von dem zweibändigen Roman: „Die geschiedene [771] Frau“. Die Einleitung zu diesem Roman bildet ein Gespräch des Autors mit der bekannten Schriftstellerin Arthur Stahl. Sacher-Masoch sagt in diesem Gespräch, er wolle keinen Roman, sondern ein Sittengemälde schaffen, um unserer Gesellschaft ihr wahres, ungeschminktes Antlitz zu zeigen, sie statt in den goldumrahmten Spiegel, welcher lügt und schmeichelt, in eine „Pfütze“ blicken zu lassen. Diese Art der Spiegelung ist aber durchaus unästhetisch, namentlich wenn uns der Autor noch dazu mit dem Kopf in diese Pfütze stößt. Auch ist das Bild treffender, als der Verfasser selber glaubt; denn in der Pfütze sehen wir nicht das „wahre, ungeschminkte Antlitz“, sondern wir sehen es in einer Unreinheit und Trübung, welche nicht unseren Zügen, sondern nur dem Spiegel angehört.

Die Verirrungen der Leidenschaft zu schildern, ist eine Aufgabe, deren Lösung die größten Dichter versucht haben. Auch durfte man nicht blos mit dem Maßstab der häuslichen Moral an ihre Schöpfungen treten, ohne die Bedeutung derselben zu gefährden. Doch die Leidenschaft muß einen Zug der Begeisterung und Größe, einen dämonisch hinreißenden Zauber haben, wenn wir ihr mit Antheil selbst auf allen Abwegen folgen sollen. Wo wir aber statt der Leidenschaft Gleichgültigkeit, Blasirtheit oder gar Ueberreizung finden, welche das Widerwärtige bevorzugt, da wenden wir uns ebenfalls gleichgültig oder selbst mit Ekel ab.

Die „geschiedene Frau“ von Sacher-Masoch besteht eine Reihe von Abenteuern, welche für einen weiblichen Don Juan vollkommen ausreichen würden. Sie macht überdies eine Zahl von Situationen durch, welche an Lucinde und Wally und Feydeau’s Fanny zugleich und überdies bisweilen an die Schaustellungen der Drehscheibe erinnern. Doch da auch Goethe in seinen „Briefen aus der Schweiz“ eine derartige Situation geschildert hat, so kann auch Sacher-Masoch über seine Muse noch einen Zipfel vom Krönungsmantel der Classicität breiten und so ihre Enthüllungen noch mit einem Schein antiker Würde drapiren. Bei ihrem letzten Abenteuer nehmen indeß alle Musen und Grazien und classischen Reminiscenzen Reißaus.

Sacher-Masoch irrt, wenn er meint, daß auch der Dichter, wie der Parfümeur, aus den Bestandtheilen einer Cloake Eau de mille fleurs bereiten kann. Dergleichen Elemente lassen sich in der Dichtung chemisch nicht zersetzen; sie wirken hier nur abstoßend auf den Geruchssinn. Doch die „geschiedene Frau“ soll ja eben ein dämonisches Weib sein, das keine geistigen Beweggründe kennt, das, unberechenbar, aus geheimnißvollen, unenträthselten, elementarischen Motiven handelt. Doch auch das Dämonische hört auf, wo das Ekelhafte anfängt. Auch darf der Dichter uns eine solche Schilderung nicht für ein „Sittengemälde“ ausgeben. Solche Erscheinungen, wie die Heldin des Dichters, sind glücklicherweise auch in der verworfensten Zeit Ausnahmen von der Regel, und wenn auch dergleichen, wie die Neigung zu einem körperlich und geistig widerwärtigen Menschen, einmal in der Wirklichkeit vorgekommen ist, so kann dies niemals für das charakteristische Zeichen einer Epoche gelten. Der Leichtsinn und die Sinnlichkeit mögen sich bisweilen von einem Sodomsapfel verlocken lassen, der hinter äußerem Glanz nur Asche und Moder birgt, aber in einen durchweg verfaulten Apfel zu beißen, das kann nur einem sehr krankhaften Gelüste einfallen.

Wenn das Talent Sacher-Masoch’s in der „Geschiedenen Frau“ trotz aller Geschmacksverirrungen unverkennbar blieb, so tritt es noch mehr in dem „Vermächtniß Kain’s“, den neuen Novellen des Autors, hervor, welche einen zusammenhängenden, von Einem Gedanken getragenen Cyklus bilden sollen. Doch auch hier wandelt der Dichter mit Vorliebe auf Abwegen und an Abgründen; ja in einzelnen Novellen erreicht er ziemlich die äußerste Grenze, bis zu welcher eine krankhaft extravagante Phantasie und sinnliche Ueberreizung in deutscher Literatur geführt haben. Einige dieser Novellen muß nicht die Polizei, sondern die Literatur auf den Codex der verbotenen Bücher setzen.

Einige, doch keineswegs alle! „Marcella“ ist eine reizende Idylle des ehelichen Glückes, und zwar nicht eines Glückes in Schlafrock und Pantoffeln, sondern eines Glückes, das aus schöner geistiger Gemeinsamkeit hervorblüht. Eine echt stimmungsvolle Beleuchtung schwebt über den Novellen: „Der Capitulant“ und „Mondnacht“. Die Schilderung der galizischen Winterlandschaft ist von überraschender Genialität; dasselbe gilt von der träumerischen Beleuchtung, welche die somnambule Heldin der „Mondnacht“ umschwebt. Beide Erzählungen sind kühn, die Schlußwendung der letzteren ist sogar verletzend. Dennoch überschreiten sie nicht das Maß des Erlaubten in der Schilderung der Leidenschaft. Auch den „Don Juan von Kolomea“, welchen Kürnberger in einer Vorrede ein „Stück Naturgeschichte des Menschen“ nennt, kann man sich gefallen lassen; es ist darin eine Psychologie, welche das anatomische Messer so geschickt zu handhaben weiß, wie etwa Balzac in seinen Romanen.

Doch neben diesen bereits bekannten Novellen finden sich zwei bisher ungedruckte: „Die Liebe des Plato“ und „Venus im Pelz“, gegen welche die Kritik eine Quarantaine errichten muß; denn ihr Wesen ist gespreizte Unnatur und widerwärtige Lüsternheit.

Glauben Sie nicht, daß Sacher-Masoch blos so harmlos ist wie Clauren, wenn dieser seine Mimili schildert, oder so raffinirt wie Louvet im „Faublas“, nur um Effect hervorzurufen. Alle seine oft seltsam anstößigen Erfindungen tauchen aus der Tiefe einer Weltanschauung hervor, in welcher eine neue deutsche Philosophie sich mit der Eigenthümlichkeit des sarmatischen Naturells auf das Engste verschwistert. Sacher-Masoch ist zugleich ein Kleinrusse und ein Anhänger Schopenhauer’s. Wäre er ein Kirchenmaler – er würde seine ruthenische Madonna im Zobelpelz malen und mit der Peitsche in der Hand; aber im Hintergrunde würde irgend ein Faun oder Satyr lauern, um die einzige Bedeutung des ewig Weiblichen zu versinnlichen.

Den Prolog des ganzen Novellencyklus spricht der „Wanderer“, ein eigenthümlicher russischer Sectirer, welcher die „Flucht vor der Welt“ als seinen einzigen Beruf, als das einzige Mittel zur Rettung der Seele erfaßt, ganz wie der Buddha am Ganges und der neue Buddha in Frankfurt am Main. Die Menschheit ist das Geschlecht Kain’s, die Liebe, das Eigenthum, der Staat, der Krieg, die Arbeit und der Tod sind das Vermächtniß Kain’s. Das ist die Weisheit, des Wanderers – es sind fünf neue Todsünden an Stelle der früheren sieben, und der Tod selbst erscheint als das einzige annehmbare Legat dieses unvordenklichen Vermächtnisses.

Wir treten also in diesen Cyklus wie in den Dante’schen Höllentrichter, aus einem Kreis der Verdammniß in den andern. Die vielbesungene „Liebe“, zu deren Mitschuldigen die Dichter sogar die Rosen und Nachtigallen in Schiras’ Zauberhainen machen, eröffnet die Kreise des Abgrunds in jener „Stadt der Schmerzen“, als welche die Erde selbst erscheint, und der rastlose Wirbelwind der Hölle, der selbst die anmuthige Francisca von Rimini, die ewig klagende, mit einer Helena und Kleopatra im Kreise treibt, braust schon über die Erde, welche im Auge der schwarzsehenden Philosophen die Hölle vollständig überflüssig macht.

Der Gegensatz der Geschlechter ist ein feindlicher; sie täuschen sich nicht, weil sie sich täuschen wollen, sondern, weil sie sich täuschen müssen. Das sagt der Vorredner des Dichters; das spricht das Motto des russischen Schriftstellers aus, welches Sacher-Masoch seinem „Don Juan de Kolomea“ vorsetzt. Die Liebe ist die schlimmste aller Illusionen – so tönt’s vom Main und von der Spree aus dem Munde tiefsinniger Denker, und der Dichter von den Ufern des Pruth malt die Illustrationen zu diesen Weisheitssprüchen.

Doch diese Illustrationen sind oft so seltsam, so unheimlich mysteriös, so effecthaschend beleuchtet, so grotesk verzeichnet, daß wir nicht einmal immer ihre klare Beziehung zu den Grundgedanken erkennen.

Die „Liebe des Plato“ ist ein höchst bizarres Capricco voll erkünstelter und unheimlicher Motive, und wenn man die „Venus im Pelz“ gelesen, möchte man glauben, daß prügeln ober geprügelt werden das groß- und kleinrussische Dilemma jenes „Ostens“ sei, dessen „Natur- und Menschensinn“, nach den Worten Kürnberger’s, verjüngend auf die deutsche Literatur wirken soll, während wir doch nur eine Mischung von Barbarei und Hypercultur in seinen, auch hervorragendsten Originalwerken finden.

Sacher-Masoch hat ohne Zweifel eine glänzende Darstellungsgabe, einen funkelnden Esprit, dessen Funken freilich oft aus der Asche aller Ideale hervorzucken. Doch das große Publicum und den häuslichen Herd müssen wir warnen vor diesen sogenannten Sittenschilderungen. Möge der Dichter selbst in den folgenden Theilen seines Cyclus den Weg finden, auf dem seine Begabung, das Seltsame und Lüsterne, das Ueberreizte und Ueppige verschmähend, durch glänzende Natur- und Sittenschilderungen anmuthend und anziehend auf die weitesten Kreise wirkt. [772]

Die Kranz-Reliefs am Sockel der Germania in Berlin.


Der künstlerische Glanz, welchen die Straßen der kaiserlichen Hauptstadt den heimkehrenden Siegern am Einzugstage entgegenstrahlten, hat seine ephemere Bestimmung nicht lange überdauert. Manches Vortreffliche hat an anderer Stelle ein Asyl gefunden, der Rest ist unbeklagt der Vernichtung überantwortet worden. Nur ein einziges Werk, obgleich nicht von festerem Stoffe als die

übrigen, trotzt bis zur heutigen Stunde den darauf einstürmenden Wettern. Vor dem Schlosse, nach der Seite des Lustgartens hin, thront Germania noch immer auf mächtigem Rund, wie Saturn in seinem Ringe, in einen eisernen Kreis von Beschauern gebannt, welche Verwahrung dagegen einlegen, daß endlich dem Staube zurückgegeben werde, was vom Staube ist. Das Verdienst der verschiedenen Künstlerhände, welche an der Vollendung des Ganzen

Theil haben, soll nicht geschmälert werden, aber von keiner Seite hat die Behauptung auf Widerspruch zu rechnen, daß die magnetische Kraft, die ihre Anziehung auf alle Schichten des Volkes, auf Jung und Alt, auf Hoch und Niedrig, auf Intelligenz und Einfalt stets von Neuem, stets gleichmäßig ausübt, einzig und allein den herrlichen Reliefs entströmt, mit welchen Rudolf Siemering den Sockel geschmückt hat.

Der Künstler ist weder so jung, noch durch seine Leistungen so wenig erprobt, daß der eminente Erfolg, den er der Schöpfung eines ebenso riesen- als meisterhaften Werkes verdankt, für Diejenigen etwas Unbegreifliches hätte, welche den Kunstzuständen Berlins gegenüber ihren Blick ungetrübt von Vorurtheil bewahrt haben. Auch die Leser der Gartenlaube begegnen seinem Namen nicht zum ersten Male. Siemering begann seine künstlerische Bahn mit einem glänzenden Anlauf. Dem unbekannten Anfänger war es vergönnt, aus der für das Schillerdenkmal in Berlin ausgeschriebenen Concurrenz neben Reinhold Begas als Sieger hervorzugehen. Die Entwürfe, welche die Gartenlaube im Jahrgange 1863 ihren Lesern vorführte, waren das Resultat des engeren Wettkampfes, in welchem die beiden Tageshelden ihre Kraft gemessen hatten. Siemering mußte seinem glänzenderen Gegner weichen; doch wenn sich der halbe Erfolg auch nicht stark genug erwies, ihm das Interesse des großen Publicums an seinen späteren Arbeiten zu erhalten, so blieb ihm dafür die warme Theilnahme eines engern, selbstständig urtheilenden Kreises, und noch heute ist die Anzahl Derer nicht gering, welche es innig bedauern, daß sich seinem Schiller die Pforten des Ateliers nicht geöffnet haben.

[773] Leopold Rudolf Siemering ist im Jahre 1835 zu Königsberg in Preußen geboren. Bis zum vollendeten siebenzehnten Lebensjahre besuchte er die dortige höhere Bürgerschule und wandte sich dann der Erlernung des Tischlerhandwerks zu, bis er den Muth faßte, mit der Vergangenheit zu brechen und sich ganz der Kunst zu widmen. Nach erfolgter Ausbildung in der unter Director Rosenfelder stehenden Akademie in Königsberg wandte er sich nach Berlin und fand in Bläser’s Atelier Aufnahme. Der Erfolg bei der Schiller-Concurrenz ließ ihn in den stürmisch wogenden Fluthen des weltstädtischen Lebens, von denen er in Stunden des Kleinmuths verschlungen zu werden wähnte, unverhofft festen Boden gewinnen. Seit jener Zeit strebt er unverdrossen vorwärts, von der Reclame nicht getragen, von der ehrlichen Kritik, von Kunstfreunden und Genossen nach Gebühr geschätzt und anerkannt.

In Siemering’s Begabung paart sich ernste Strenge mit tiefer Empfindung. Die Eigenthümlichkeit seiner Kunstweise zeigt sich in keinem seiner früheren Werke für uns von einer so vortheilhaften Seite, als in dem Standbilde des Leibnitz, welches er für die Universität in Pest modellirt hat. Schon hier finden wir unbedingte Meisterschaft in der Feinheit und Schärfe der Charakterisirung, in der liebevollen Ausprägung der historischen Persönlichkeit. Auch das Verdienst seines Schiller gipfelt in der überzeugenden Vorführung der individuell menschlichen Erscheinung, welche allen Deutschen mit den Werken des Dichters theuer geworden ist. Eine nicht geringe Anzahl männlicher Portraitbüsten bot dem Künstler Gelegenheit zur Kraftentfaltung auf einem ihm besonders zusagenden Gebiete. In der Gunst der Massen war mit solchen Arbeiten freilich nicht sonderlich vorwärts zu kommen. Von umfangreicheren, in Marmor ausgeführten Werken sind die Statue des Königs Wilhelm in der Vorhalle der Berliner Börse und eine im Besitze des Geheimen Commerzienraths Borsig befindliche Gruppe, „Nymphe, welche den Bacchus tanzen lehrt“, namhaft zu machen. Das gelungenere Gegenstück des letzteren, „Faun, welcher den Bacchus keltern lehrt“, bildete eine Zierde der vorjährigen Berliner Kunstausstellung, harrt aber noch vergebens der Uebertragung in ein edleres Material.

Auch der Kolossalgruppe in decorativem Stil über der Front des preußischen Handelsministeriums – Vulcan und Mercur – ist als einer der schätzenswertheren Leistungen des Künstlers zu [774] gedenken. Die zahlreichen und vorzüglichen Arbeiten, welche er zu Silbergeräthen, zum größten Theile nach Entwürfen seines hochbegabten, leider zu früh verstorbenen Freundes Kolscher, geliefert hat, sichern ihm einen Ehrenplatz unter den Männern, die ihre Kunst durch den Bund mit der Industrie nicht zu entadeln glauben. Es bliebe uns noch diejenige Gattung seiner Schöpfungen mit flüchtigem Blick zu mustern, in welcher seine künstlerische Individualität stets zum reinsten Ausdruck gekommen ist – das Relief. Doch übergehen wir hier die Einzelleistungen Siemering’s auf diesem Gebiete, wie seine schönen Beiträge zur Façade des neuen Rathhauses in Berlin oder die Ergänzung jenes Schadow’schen Frieses an der Façade des neuen Münzgebäudes, und wenden uns sofort zu dem Zeitpunkte, wo ihm die Betheiligung bei der Ausschmückung der via triumphalis zu einer überraschenden Entfaltung seiner Kraft Gelegenheit geben sollte. Um sich von der Gewaltigkeit der dem Künstler zugefallenen Aufgabe einen Begriff zu machen, möge sich der Leser vergegenwärtigen, daß ihm in unsern Abbildungen ein Kranzrelief von sechszig Fuß Länge und sieben Fuß Höhe vorgeführt wird. Die Darstellung zieht sich von dem Herold aus nach rechts und links im Kreise hin, so daß die rechte Seite der oberen Hälfte in die linke der untern und die linke der obern in die rechte der untern verlaufend zu denken ist.

„Des deutschen Volkes Rüstung und Auszug zum Kampfe!“ Das ist der mächtig bewegte Vorgang, dessen Schilderung uns in diesen lebenswarmen Gestalten und Gruppen mit zwingender Verständlichkeit entgegentritt. Gewaltig läßt der Herold die Drommete erklingen und ruft die Männer aller Gauen, sich zum Schutze des Vaterlandes um das deutsche Banner zu schaaren. Da ziehen sie heran, die Söhne des Nordens und des Südens, Hand in Hand, in frommer, todesmuthiger Begeisterung; der oberste Kriegsherr wird keinen vermissen, wenn er sich an die Spitze des Reichsheeres stellt. – Ja staune nur, alter Stelzfuß von 1813, wieder ist es so gekommen wie damals. Klebt dort nicht an der Mauer der Aufruf des Königs an sein Volk und geht’s nicht wieder gegen den nimmer zu bessernden Erbfeind? Und doch werdet ihr, du und dein wackerer Camerad, vielerlei anders finden und das Wunder kaum begreifen, das sich vor euern Augen vollzieht. Aus tiefem Frieden hat der Kriegsruf die Nation emporgerüttelt. Da steht der jugendliche Landmann an sein Zugthier gelehnt und empfängt die Ordre aus der Hand des Boten. Du bist dir des Ernstes vollbewußt, den diese Stunde in sich trägt, tüchtiger Mann, aber wie möchtest du dem Vater an entschlossenem Muthe nachstehen? „Ja, er hat Recht, Mutter! Weg mit den Thränen; dem Franzosen muß wieder einmal der Heimweg gewiesen werden; es gelüstet ihm schon zu lange nach unserer Weide.“

Gott hat den Segen des braven Geistlichen vernommen, aber in das Ohr des Jünglings ist er nur halb gefallen. Dorthin treibt es ihn „mit Sturmeswehen“, wo die Jugend sich tummelt, wo der Schmiedegesell, stolzer auf den Reiterhelm als der Fürst auf seine Krone, die riesigen Glieder in die Uniform zwängt und, der Kraft in seinen Armen sich bewußt, dem Meister verspricht, die windigen Rothhosen tüchtig zwischen Hammer und Ambos zu nehmen; wo Bruder Studio, in heiliger Begeisterung des Cerevises auf seinem Kopfe uneingedenk, den Säbel hastig um die Hüften schnallt und sich im Geiste die Großartigkeit einer Völkerpauke zwischen Franken und Germanen vergegenwärtigt. – Ob der flotte Ulan die Schwüre ewiger Treue, welche er mit seinem Schatze tauscht, wohl halten wird? Jetzt sind sie ihm heiliger Ernst. Noch einen Händedruck und dann auf’s Pferd. – Dir kostet’s mehr Herzblut, wackerer Landwehrmann; aber du zeigst keine Schwäche, wenn dir auch die Zärtlichkeit des Kleinen die Brust zersprengen will. Für die Deinen wird Gott sorgen und das Vaterland; doch dem Friedensstörer wäre besser, er hätte diesen Jammer nicht verschuldet. – Und nun geht’s durch die Straßen fort dem Thore zu. Hier blieb noch Einer zurück, um von der schluchzenden Genossin seiner Sonntag-Nachmittage die letzte Liebesgabe mit auf den Weg zu nehmen. Wie heißt es in dem alten Liede?

Wisch ab dein Gesicht,
Eine jede Kugel trifft ja nicht.

– „Hurrah!“ schreit der Schusterjunge, unermüdlich seine Mütze schwenkend – und bald sind sie den Augen der Nachschauenden unter den verhallenden Klängen der „Wacht am Rhein“ entschwunden.

Es ist hier nicht der Ort, auf das specifisch-künstlerische Verdienst in Siemering’s herrlichem Werke näher einzugehen. Die Fachkritik hat es nach dieser Seite hinlänglich gewürdigt und ist einstimmig zu dem Resultate rückhaltloser Bewunderung gekommen. Der Berichterstatter der Kunstchronik kennt in Berlin nur zwei Schöpfungen verwandter Art, welche sich unserm Relief ebenbürtig an die Seite stellen: Drake’s „Fries am Denkmal Friedrich Wilhelm des Dritten im Thiergarten“ und Schievelbein’s „Untergang Pompejis“. Dieses treffliche Werk hat in einem Hofe des neuen Museums kaum mehr als ein Grab gefunden. Wird der Arbeit Siemering’s ein besseres Schicksal zu Theil werden? Noch scheint darüber nichts entschieden. In dem ersten Rausche allgemeiner Begeisterung hat sich ein Comité gebildet, um durch Subscription die allerdings beträchtlichen Mittel zur Ausführung in Bronze aufzubringen. Ob der Eifer mittlerweile erkaltet ist, ob die Bemühungen guten Fortgang haben, wir wissen es nicht. Das aber müßte ein an Kunstproduction gewaltig reiches Volk sein, welches mit der vornehmen Uebersättigung eines Gourmands sich schon an dem Bewußtsein genügen ließe, den Anblick eines so gottbegnadeten Meisterwerkes ein paar Monate hindurch genossen zu haben.




Blätter und Blüthen.


Plaudereien im Musikzimmer. Wer vertraut der Gartenlaube nicht gern ein Samenkorn seines Wissens an? Denn welches Blatt läuft in dem Maße die Tonleiter der menschlichen Gesellschaft durch wie dieses? – Tonleiter! – o Schreckenswort für Schüler, Eltern und Nachbarn! Wie Mancher liebt und liebte die Musik und würde als Kind gewiß etwas gelernt haben, wenn die Tonleitern nicht gar so langweilig wären – und doch die Quelle alles Könnens bildeten! – Warum muß es denn aber auch Tonleitern geben? – wenn ihr Gelehrten sie braucht, so quält uns doch nicht damit. Wir Dilettanten wollen uns nur an dem Angenehmen der Musik ergötzen, und allen gelehrten Kram, wie Tonleitern, Fingerübungen, Etüden und gar die Theorie, behaltet hübsch für euch, denn ihr verderbt uns nur damit unsere Lust an der Kunst und schließlich lernen wir gar nichts. Da haben wir den Jammer der musicirenden Jugend, wie er Tag für Tag gen Himmel steigt und doch nie erhört wird. – Warum nicht? – Die Antwort darauf würde nach Theorie riechen und die wollen wir heute einmal ganz verbannen. Dafür werde ich euch eine Geschichte erzählen, die ich neulich in einem alten Buche las und die sehr amüsant ist.

In grauer Zeit, als man sich nur durch Gesang, Flöte und Harfe die Mußestunden versüßte und weder an Clavier noch Violine dachte, auch noch keine Etüdenhefte besaß, da stand die Musik in hohem Ansehen. Die Trompeter und Pauker, deren man auch schon damals nicht entbehren konnte – denn zu einem Festgepränge gehört auch tüchtiger Lärm, da aber Schreien nicht immer anständig ist, so gab es kein besseres Aequivalent als recht viele Trompeten und Pauken –, mußten ihre Kunst zwar von Grund auf lernen und lange Jahre studiren, doch waren dies Männer aus dem niederen Volke, meistentheils sogar Sclaven, und für die war, nach altem Begriffe, Arbeiten keine Schande.

Die vornehme Welt, die nicht zu arbeiten brauchte um des lieben Brodes willen, die bildete so recht die Gelehrten- und Künstlerkreise. Große Staatsmänner, die heute nur zuhören können, Philosophen, Dichter, Alles vertiefte sich damals in das Studium der Musik und suchte die engen Schranken der Kunst zu erweitern und den Genuß zu erhöhen. Jedermann nahm den lebhaftesten Antheil daran, und was die hohen Herren verkündeten, das klang wie ein Orakel und drang wie ein Strom durch’s ganze Land. So ordnete man die akustischen Verhältnis der Töne und bestimmte zwölf Tonleitern, welche die Grundlage der Musik bildeten, – denn Musik ohne Tonleiter ist wie ein Baumeister, der Luftschlösser baut. Nehmt der Musik die Tonleiter und sie zerfällt in ein Chaos. An der Tonleiter bildet sich das musikalische Gehör und lernt die Tonverhältnisse unterscheiden. Doch nicht nur das Gehör wird durch sie gebildet, sondern auch die Finger und beim Sänger die Kehle. Sage mir, wie viel Du Tonleitern täglich singst oder spielst, und ich will Dir sagen, wie es mit Deinen musikalischen Leistungen bestellt ist. Doch zurück in die alte Zeit. Ihr werdet fragen, wie sah denn so eine Tonleiter vor dreitausend Jahren aus? Merkwürdig genug und doch, wie natürlich, fast wie die unsrigen. Ich greife die Tonleiter auf d, die Lydische Scala, heraus und theile sie in modernen Noten mit:

Die Römer waren ein unmusikalisches Volk, und was sie konnten, das lernten sie von den Griechen. Ob Christus ein Freund der Tonkunst war, ist uns nicht aufbewahrt worden, doch mit der Verbreitung des Christenthums beginnt eine neue Aera für die Musik. Das deutsche Element,

[775] was von jetzt ab in der Weltgeschichte mitspricht, mag sein gutes Theil zur Umgestaltung der Musik beigetragen haben, denn die alte, weiche, schmiegsame Kunst muß den Musen den Dienst kündigen und nur noch der einen Gottheit dienen. Die fröhliche und leichtlebige Muse wird in starre Fesseln geschmiedet und schreitet nur in Begleitung von Kutte und Weihfaß einher. Gelehrte Mönche schreiben noch gelehrtere Abhandlungen, und ehe ein halbes Jahrtausend verstreicht, haben sie bis zwölf Tonleitern auf vier reducirt, von denen die erste fast wie obige aussieht; doch der weltliche Schmuck ist ihr abgestreift und in christlicher Demuth schreitet sie einher:

Wenn den Griechen die Musik zur Begleiterin der Freudenfeste diente, so diente sie jetzt zur Erbauung der Gläubigen, und die armen Chorknaben mußten tüchtig heran, um die langen und schwierigen Gesänge zu erlernen und wohl bewandert zu sein in den Künsten der Contrapunktik. Damals genügte nicht ein halbes Stündchen üben, sondern Gebet, Latein und Singen wechselte von früh bis spät miteinander ab. Was mögen die armen Jungen manchmal ihre lateinisch abgefaßten Musikbücher mit den großen schwarzen Pfundnoten mit und ohne Schwänzchen verwünscht haben! Wie manche Ligatur mag ihnen an den Kopf geflogen und ihre Messung am Abendbrod abgezogen worden sein, – und gar die Tonleitern mit ihren harten Fortschreitungen und ungelenken Intervallverbindungen! Jetzt genügte nicht mehr Gesang, Flöte und Harfe, jetzt kam die Uebung auf Orgel, Clavier und dem Heere von Streich- und Blasinstrumenten hinzu. Da mögen die Tonleitern was Ehrliches abgequält worden sein, um Gehör und Finger gefüge zu machen.

Doch das eigentliche musikalische Zeitalter sollte erst in der neueren Periode beginnen. Mächtig schlugen die Worte des Mannes Gottes Dr. Martin Luther an, und hallte seine Begeisterung für die Musik durch das ganze Land. Die Notendruckereien, die kaum das Licht der Welt erblickt hatten, erstanden wie Pilze aus der Erde und schafften eine Unmasse Material herbei. Laute und Clavier wurden so recht Hausinstrumente und das sang und klimperte durch die ganze Welt. Elektrisch wirkte die Erfindung der Oper und entriß der Kirche den Zügel, mit welchem sie Jahrhunderte lang die Ausübung der Musik geleitet hatte. Die Solosänger waren nicht mehr zufrieden mit einem einfachen Gesange, sie wollten glänzen, bewundert werden, die Menge sollte sie anstaunen; – die Instrumentisten blieben natürlich nicht zurück, und so steigerte sich die Virtuosität von Stufe zu Stufe. Die alten Kirchentonarten, wie man sie nannte, wollten nicht mehr hin- und herreichen, man zerrte hier, man zerrte dort, und nach der Frist von kaum einem Jahrhundert war die moderne Tonleiter fix und fertig und guckte keck in die Welt. He, wie die herauf- und herunterrollt, wie die Finger fliegen, das Jahrhundert der Dampfmaschinen kann nicht mehr ferne sein:

Wer jetzt mitreden will, der muß früh anfangen seine Finger zu rühren, sonst lacht man ihn aus und er zieht sich beschämt zurück und bedauert die verlorene Jugendzeit. Darum heran, liebe Jugend, die Musik ist eine herrliche Kunst. Wo ist der Jubel wohl größer als in der Musik, wo die Freude reiner und ungestörter als bei ihr, wer tröstet besser und vertreibt die Mußestunden herrlicher? Sie kettet die menschliche Gesellschaft mit wunderbarer Gewalt aneinander, und ein junger Mann, der zur Begleiterin die Musik in’s Leben nimmt, ist geborgen bei Jedermann. Laßt euch in der Jugend die Fingerübungen nicht verdrießen, und der Lehrer, welcher euch streng anspornt, ist der beste; ein sanfter Musiklehrer ist eine Unmöglichkeit, er müßte denn ein eisernes Nervensystem haben.
Rob. Eitner.     

Eine Denunciation für den Reichstag. Zu den mancherlei Stiefkindern deutscher Gesetzgebung gehört allbekanntlich die Presse. Wer uns die Geschichte der deutschen Presse nur seit den letzten fünfundfünfzig Jahren, von der Errichtung des deutschen Bundes an bis zu der des neuen deutschen Kaiserreichs, in’s Einzelne erzählte, würde nicht verfehlen, eine Bilderreihe voll unsäglicher Jämmerlichkeit vor uns aufzurollen. Geben doch die Zeiten der Censur allein die Gelegenheit zu einer ansehnlichen Anekdotensammlung; wie groß ist dann erst der bittere Ernst, der zerstörend in Tausender und gerade der begabteren Geister Leben und Wirken eingriff! Es ist nicht zu viel behauptet, daß zu verschiedenen Zeiten in der Behandlung der Presse auf Seiten der Regierungen die einzige deutsche Einigkeit zu verspüren war. Und noch heute, wo es selbst dem Mann von einfachster Bildung nicht mehr unklar ist, was die Tage unseres Kriegs gegen Frankreich zur größten Zeit aller Jahrhunderte erhob, ob der Gamaschenknopfcultus oder der Geist, der durch Schule und Presse in der ganzen Nation verbreitet worden ist, selbst jetzt sind noch Staatsanwälte möglich, welche sich in geradezu verletzenden Schimpfereien gegen die Presse vergehen, wovon der Manteuffel-Voget’sche Proceß noch jüngst ein Beispiel geliefert hat. Nur die Sorge um Bewahrung der Souverainetät vermochte hie und da einen der Bundesstaaten, seiner Presse ein wenig freieren Athem zu gestatten, und es gab auch wieder Zeiten, wo diese Regierungen auf solche liberale Anwandlungen sich gern Etwas zu Gute thaten.

Leider ist das jüngste dieser Beispiele außerordentlich unglücklich ausgefallen. Es war in den Tagen seiner Wahlreisen als Zollparlaments-Candidat, als der würtembergische Justizminister v. Mittnacht den Wahlmännern folgende große Betheuerung gab: „Würtemberg,“ so sprach er, „ist allein noch dasjenige Land, in welchem weder Beschlagnahmen, noch viel weniger Preßprocesse mehr vorkommen!

Allerdings, ein Preßproceß ist’s nicht, es ist vielmehr eine Beschlagnahme ohne allen Proceß, welche in diesem Augenblick die Verwunderung von ganz Deutschland über die Möglichkeit einer Preßbehandlung in Würtemberg hervorruft. Vor sechsundzwanzig Jahren, zur schönsten Bundestags-Blüthezeit, wurde ein Buch „Historische Denkmäler des christlichen Fanatismus, von O. v. Corvinmit königlich sächsischer Censur gedruckt und durch vier Auflagen in zwanzigtausend Exemplaren verbreitet. Nur Oesterreich verschloß sich ihm, – aber was wäre denn im damaligen Oesterreich nicht verboten worden! –

Und heute, nachdem die Geschichte von 1848, 1866 und 1870–71 an uns vorübergezogen, nachdem der Kirchenstaat unter- und das neue deutsche Reich aufgegangen ist und der deutsche Geist sieggekrönt vor allen Völkern steht, – heute wird dasselbe Buch Corvin’s, das in einer neuen Auflage und unter dem Titel „Pfaffenspiegel“ gedruckt wurde, bei dem Stuttgarter Verleger der Firma „Vogler und Beinhauer“ in tausendsechshundert Exemplaren ohne jede gerichtliche Procedur mit Beschlag belegt und zur Vernichtung verurtheilt. Ja, noch mehr! Ein autographirter Ministerialerlaß erging an sämmtliche Oberämter des Königreichs, um Landjäger und Polizeidiener zur Fahndung auf das böse Buch in Galopp zu setzen. Wer das Buch im deutschen Staate Würtemberg verkauft, hat für den ersten Fall fünfundsiebenzig Gulden und für jeden Wiederholungsfall das Doppelte zu bezahlen.

Die Justiz war bisher einzig dadurch mit in Action getreten, daß der Verleger vor das Stuttgarter Stadtgericht beschieden und ihm allda eröffnet wurde, daß das Kreisgericht, auf zwei Paragraphen des würtembergischen Preßgesetzes von 1817 gestützt, die Beschlagnahme des Buches bestätigt und die Vernichtung der confiscirten Exemplare angeordnet habe. Eine Anklage gegen Verleger und Verfasser ist nicht eingetreten, keine Art von Gerichtsverfahren fand statt, und es wurden nicht einmal die beanstandeten Stellen des Buchs angegeben!

Daß hier eine Rechtsverletzung vorliegt, wird Niemand leugnen, und eben deshalb findet sich ohne Zweifel unter den Volksvertretern des Reichstags wohl ein Mann, welcher am rechten Ort die rechte Frage darüber anbringt. Nach der obigen Betheuerung des königlich würtembergischen Herrn Justizministers v. Mittnacht ist es uns nicht möglich, an die fürchterliche Sage zu glauben, welche über den angeblichen Ursprung jener rapiden Beschlagnahme murmelnd durch das Volk geht. Man sagt nämlich, die Beschlagnahme sei erfolgt „anläßlich eines gegen das betreffende Buch gerichteten wuthschnaubenden Artikels in dem in Stuttgart erscheinenden ‚Deutschen Volksblatt‘, sowie ohne Zweifel (!) auf ergangene Einsprache der ultramontanen Partei bei deren Träger und Beschützer, einer in hohen Kreisen einflußreichen Persönlichkeit, einem General, der einst durch den besondern Schutz der Heiligen von den schwarzen Pocken genesen sei und dafür ihnen sich stets dienstbar erweise.“

Schon die stilistische Fassung dieser Sage verbietet uns, ihr zu trauen; außerdem haben wir viel zu viel Respect vor einem Proceß wegen Majestätsbeleidigung, denn eine solche befürchten wir zu begehen, wenn wir uns herausnehmen wollten, an obige Sage zu glauben.

Klarheit muß aber in dieser Angelegenheit an den Tag kommen. Es handelt sich nicht um Werth oder Unwerth, Schuld oder Unschuld des Buchs, worüber wir uns kein Urtheil herausnehmen, sondern um Recht und Gerechtigkeit in der Behandlung der Presse, und darum denunciren wir diesen Fall hiermit dem deutschen Reichstag und erwarten vom deutschen Volke, daß es uns diese Denunciation vergeben werde.


Der Tunnel unter dem Canal von Dover nach Calais. Das Gelingen des Mont-Cenis-Tunnels hat den verwegensten Ingenieuren Muth gemacht und es sind die verschiedensten Pläne aufgetaucht, wie man die Schwierigkeiten eines Tunnels unter dem Kanal von Dover nach Calais überwinden könne. Ein englischer Ingenieur, den ich befragte, schreibt darüber: „Zuerst sind sogar die Geologen getheilter Meinung. Die Einen sagen, das Bett des Kanals bestehe aus hartem solidem Kalk und Kreide. Nichts könne bequemer für Anlegung von unterirdischen Gängen gedacht werden; das Material schneide sich so bequem wie ein Käse und biete auch in keiner andern Hinsicht das geringste Hinderniß; die einzige Frage sei die Auslage und ob sich’s verzinsen werde. Auf der andern Seite behaupten völlig competente Geologen, das Bett, unter dem der Tunnel hinlaufen solle, sei poröser Art und in weite Spalten und Risse zerklüftet, die so weit in die Erde hinunterreichten, daß sie die Arbeit absolut unmöglich machten. Man erinnere sich der Wassereinbrüche in den Themsetunnel, die man auch nicht vorhergesehen hatte. Ich nehme weder die eine, noch die andere Theorie unbedingt an. Darüber kann nur ein wirklicher Versuch entscheiden, und ich will nur gerade heraus meine Meinung sagen, daß nämlich dieser Versuch nie so weit fortgeführt werden wird, um die Streitfrage praktisch zu entscheiden.

Ich weiß sehr wohl, daß viele leitende Organe in England und auf dem Continent die öffentliche Meinung für den Plan einzunehmen gesucht haben und daß sie ihn nicht nur für thunlich halten, sondern auch eifrig zur Ausführung rathen. Aber ich bin so entschieden der entgegengesetzten Ansicht, daß ich keinen Zweifel hege, die 20,000,000 Pfd. Sterling, die veranschlagt sind, um das Unternehmen auszuführen, würden rein weggeworfen sein; und während wir so einem Schatten nachjagten, würden wir einen wirklichen Ersatz, den wir sicher in unserer Macht haben, aufopfern.

Zuerst angenommen, ein Tunnel unter der See fünfundzwanzig Meilen (über fünf deutsche Meilen) lang ließe sich bauen und lüften; wer ist so kühn, daß er behauptet, er würde rentiren? Wo wollte man die Reisenden finden, die sich einem solchen verlängerten Rattengange anzuvertrauen den Muth hätten, die drei Viertelstunden lang der Beängstigung trotzen wollten und jeden Augenblick Gefahr laufen möchten, daß durch irgend einen Zufall die Ventilirung gestört und der ganze Zug erstickt würde? Wer nur durch einen Tunnel von drei englischen (drei Viertel deutschen) Meilen gefahren [776] ist, weiß, wie ihm dabei zu Muthe ist. Wenn nun auch die Mehrzahl kühn und vertrauend wäre, wenn auch der glückliche Versuch die Leute beruhigte: eine nicht geringe Minderzahl würde die Seefahrt vorziehen und sicherlich Alle, die seefest sind.

Dies ist gegen die Rentabilität zu sagen. Eine Gefahr für das ganze Werk bleibt ferner unter allen Umständen die Möglichkeit eines ausbrechenden Krieges. Man soll für den Tunnel die europäische Neutralität verbürgen! Und wenn nun der Feind den Tunnel in der Hand hätte? ‚Dann müßte man ihn freilich unter Wasser setzen!‘ Und was würde dann aus der ‚Canal-Tunnel-Compagnie‘ und ihren zwanzig Millionen? Freilich können unsere Nachbarn, die Franzosen, so friedlich werden, wie wir nur wünschen, aber wer will behaupten, daß sie es schon sind, und was würde aus ‚unserm besten Bollwerk, dem Silberstreifen der See‘, das wir jetzt gegen sie haben?

Alle diese Schwierigkeiten, die möglichen geologischen, die gewissen finanziellen und die immer drohenden politischen, haben denn auch die Ingenieure in’s Feld gerufen, die ihren Glauben auf Ueberbrückung setzen. Die Verwegenheit ist groß; aber mit der größten Ruhe tragen sie dem Publicum ihre Pläne vor. Nur ein Beispiel aus der ‚Times‘ vom 10. October. Die Brücke soll gerade hoch genug sein, um über die höchsten Springfluthen wegzugehen, und etwa von Meile zu Meile sich öffnen können und selbst die größten Schiffe durchzulassen im Stande sein etc. Aber der ingeniöse Urheber dieses Riesenplanes giebt uns nicht einmal sein Verfahren zur Errichtung der Brückenpfeiler an, und von den Kosten schweigt er ebenfalls. Auch wie die Brücke gegen das Anprallen von Schiffen im Sturme und in dunkeln Nächten zu sichern sei, sagt er nicht.

Von diesen beiden Arten der Verbindung zwischen Dover und Grisnez, den gegenüberstehenden Kalkfelsen, die man von beiden Küsten mit bloßem Auge sieht, ist offenbar der Tunnel noch am wenigsten chimärisch.

Ich komme aber jetzt auf den praktischen Ausweg, der auch schon im Vorschlage gewesen ist.

Die Uebelstände der Ueberfahrt von Dover nach Calais sind groß und ernsthafter Art; aber für den zwanzigsten Theil des Geldes, das der Tunnel kosten soll, lassen sie sich auch für den empfindlichsten Reisenden heben. Eine halbe Million, verwendet auf die Anlegung eines Hafens und Hafendammes zwischen Dünkirchen und Boulogne oder auf den Vorstoß der Landungsdämme von Calais und Boulogne unter dem Schutze von Hafendämmen im Halbcirkel, würde es möglich machen, bei jedem Wetter in hinlänglich tiefem Wasser anzufahren. Es wäre dann nur nöthig, große schnellfahrende Boote zu bauen, um ohne merkliches Schwanken und in achtzig Minuten die Fahrt selbst beim rauhesten Wetter zurückzulegen.

Ich empfehle diese Auskunft, die großartig genug, aber weder abenteuerlich noch unmöglich ist und sich daher mehr an den Verstand als an die Phantasie wendet.“

Arn. Ruge.




Streifzüge eines Feldmalers. Nr. 4. (Mit Abbildung) Unsere Leser werden die vortrefflichen Bilder und Berichte unseres Feldmalers W. Heine noch in gutem Gedächtnisse haben.[WS 1] Heute bringen wir auch aus seinen „Streifzügen“ noch einen Nachtrag, den der Maler selbst mit folgenden wenigen Worten der Erklärung begleitet hat:

„Es war nach den blutigen Tagen von Metz; Bazaine’s Armee war nach dreitägigem Ringen in die Festung zurückgeworfen, eingeschlossen von dem ehernen Ring der deutschen Armee, und unsere nach so heißem Tagewerk nunmehr hier entbehrlich gewordene vierundzwanzigste Division hatte den Befehl zum Aufbruch nach Paris erhalten, wo sie sich wiederum als wackeres Glied in der unzerreißbaren Kette der deutschen Cernirungsarmee einzufügen hatte und wo ihrer für den November und December so ehrenvolle, aber auch so blut- und opferreiche Kämpfe harrten, aus denen gar mancher wackere Sachsensohn nicht mehr zurückkehren sollte. Daran dachte heute natürlich Niemand, und froh und heiter, St. Privat und St. Marie aux Chênes glücklich bestanden zu haben, marschirte die vierundzwanzigste Division dem neuen Ziele zu – freilich langsam und unter tausend Hindernissen; denn oft wälzten sich wohl drei Colonnen auf der gegen Paris führenden Heerstraße nebeneinander her, wobei es denn häufig genug kommen mußte, daß sich unter den Massen Verwicklungen und Wirrnisse ergaben, die im Marsche wiederholt einen Aufschub von ein und mehr Stunden veranlaßten – ein Aufschub, der von den ermatteten, in den letzten Tagen Unglaubliches geleistet habenden Soldaten sofort zum Schlafen im nächsten Chausseegraben benutzt wurde.

Am 21. August kamen wir in Puxe, einem kleinen, unscheinbaren, ärmlichen Dorfe an, wo das Bataillon, bei welchem ich mich befand, einquartiert wurde, um drei Tage Rast zu halten. War schon der Anblick, den die niedrigen Dorfhütten von außen boten, kein erfreulicher, so war dies noch weniger im Innern der Fall. Man lag ungeheuer gedrängt: in der Stube, welche meine Zeichnung darstellt, hatten allein zehn Jäger Quartier genommen, denen anschließen zu dürfen ich mich noch glücklich pries. Als Schlafgemach diente der Heu- und Strohboden, zu welchem eine alte, schmale, steile Treppe führte und durch dessen zerlöchertes, baufälliges Dach der Wind kalt und abscheulich blies.

Eigenthümlich bleibt so eine arme französische Bauernwohnung immer. Wohnzimmer, Schlafgemach und Küche sind in einem einzigen Raume vereint. Ein hoher schwarzer Kamin steht an der Wand, auf seinem Gesimse Flaschen, Töpfe und anderes Hausgeschirr tragend, zwischen welchem auch in keiner Stube das überall sichtbare Crucifix vergessen ist. Auf der Seite des verhältnißmäßig geräumigen Gemachs steht, immer mit großen, faltigen Gardinen versehen, ein ebenso breites als langes Bett, auf dem fast während der ganzen Dauer unserer unfreiwilligen Anwesenheit die arme, in Lumpen gehüllte Bauernfrau kauerte, voll Angst und voll Hunger – denn sie hatte schon lange keinen kräftigen Bissen mehr zu sehen bekommen, und das kleine Kind in ihren Armen zeigte ein gar trauriges hohläugiges Aussehen. Schließlich war es eben wieder der verhaßte ‚Prussien‘, der auch hier aushelfen mußte und der auch gerne aushalf, sobald sich nur das ältere der Kinder barfuß und im Hemde, zutraulich und neugierig zugleich näher geschlichen hatte, dem bärtigen Landwehrmanne zuzuschauen, der so eifrig die Kaffeemühle drehte. Hühner und Katzen liefen allüberall ungenirt in den Stuben herum; die letzteren ließ man laufen, von den ersteren kann ich nur sagen, daß sie kurze Zeit nach ihrem Auftreten immer rasch genug wieder verschwunden waren. Glücklicherweise dauerte unser Aufenthalt in dem gottverlassenen Neste nicht lange und nach drei Tagen, die theils zum Monturausbessern, theils zum Exerciren auf’s Eifrigste benutzt worden waren, nahmen wir unsern Marsch nach Paris wieder auf, der freilich durch die Tage von Beaumont und Sedan noch eine gewaltige Unterbrechung erfahren sollte.“




Bock’s Briefkasten.

An die Dummen, welche nicht alle werden. (Fortsetzung.) 3) Dr. von Farini’s ärztlicher Rathgeber, welcher bis jetzt in einer Stärke von vierundzwanzigtausend Exemplaren erschienen sein soll, wird von einem in Leipzig wohnenden Industriellen kleineren Maßstabs gegen Einsendung von nur siebenzehn Groschen zum Wohle der Menschheit ausgeliefert. Man erhält ein gedrucktes Blättchen Papier mit den gewichtigen Worten: „Man esse weiche Eier, trinke mäßig Bier und Wein, nehme jeden Tag früh und Abends ein Bad, vermeide aber jede Medicin, die nur schaden kann, dann wird die gewünschte Wirkung sich einstellen.“ Und es stellt sich auch wirklich die Wirkung, aber nicht die gewünschte, insofern ein, als man für siebenzehn Groschen eine ganz nette Leimung am Einsender bewirkt sieht.

4) Wenn Aerzte, ohne den Kranken genau untersucht zu haben, diesem unter Garantie durch briefliche Behandlung gründliche Heilung, natürlich gegen Einschickung von einigen Harten, versprechen, so sind diese Heilkünstler ganz gewissenlose Geldmacher, denen die Gesundheit ihrer Mitmenschen nichts gilt. Schmach und Schande über diese, den ärztlichen Stand schändenden Quacksalber!

5) Wem alle Hoffnung auf Genesung und Kräftigung geschwunden ist, der esse Revalescière und trinke Hoff’sches Malzextract-Gesundheitsbier dazu. Die erstere (die verschollene Revalenta arabica und nichts als Bohnen- und Linsenmehl) macht nicht nur gesund, sondern verjüngt auch, läßt alle Beschwerlichkeiten des Alters nicht mehr fühlen, erfrischt das Gedächtniß und klärt den Verstand auf. Der Papst lebt nur von Revalescière. Das Malzextract-Gesundheitsbier von Hoff ist die Krone aller Heilnahrungsmittel und wird deshalb auch von gekrönten Häuptern gepriesen. „Wenn das Mark und Bein durchschütternde Typhusfieber die kräftigen Gestalten unserer braven Krieger darniederbeugt, so richtet das Extractum Malthi Hoff sie wieder auf“ etc. Schaden kann das eine wie das andere dieser erbärmlichen Nahrungsmittel allerdings nicht, höchstens dem Geldbeutel, aber in Milch und Ei steckt doch ganz anderer Nahrungsstoff, als in obigem Mehl und Braunbier.

(Wird fortgesetzt.)




Lulustein. Zu unserem großen Bedauern haben wir, nachdem die Nr. 45 der Gartenlaube schon längst in der Presse war, aus einem Stuttgarter Blatte ersehen, daß der Zeichner des Bildes „der Lulustein“ dasselbe zwei Mal verkauft hat. Wir theilen diese Thatsache einfach mit und enthalten uns über sie jeder weitern Bemerkung.



Kleiner Briefkasten.

O. D. in Brschwg., A. P. in Weimar und Seydlitz in Berlin. Senden Sie Ihre milden Gaben nur an uns, wir werden sie gern und portofrei weiterbefördern.

R. R. in H. Ihr Brief mit zehn Gulden für Ueberschwemmte ist angekommen und der Betrag nach Tachau abgegangen.

L. in L. Wir freuen uns, Ihnen die Mittheilung machen zu können, daß die in Nr. 41 unter dem Titel „Schwarzes Brett“ abgedruckte Schilderung einer Lehrer-Noth so viele mitleidige Herzen und Börsen geöffnet hat, daß wir der armen Familie wieder eine Unterstützung zugehen lassen konnten.




Für Chicago

gingen ein:

C. Gendry in Breslau 1 Thlr.;
aus Eßlingen 1 Thlr.;
Sammlung durch Höhme in Zwönitz 8 Thlr.;
Unbekannter in Berlin 1 Thlr.;
beim Abendessen im Bürgerverein in Bochum 5 Thlr.;
Adolph Ruschpler in Leipzig 10 Thlr.;
F. St. in München 5 fl.;
ein junger Alt-Katholik 1 Thlr.;
X. in Berlin 1 Thlr.;
Schlimpert in Dresden 5 Thlr.;
aus Labiau in Ostpreußen 4 Thlr.;
durch Schneidermeister Graßhoff in Zerbst 20 Ngr.;
aus Berlin 1 Thlr.;
beim Pflanzen der Friedenslinde in Lehnstans 15 Thlr.;
C. A. B. in Langensalza 1 Thlr.;
G. S. in L. 3 Thlr.;
Sabine Schachenmayer in Isny 3 Thlr.;
aus Rochlitz 1 Thlr.;
M. K. in Erfurt 2 Thlr.;
Oscar Schildt in Düren 15 Thlr.;
J. M. in Eger 1 Thlr.;
Barth. Senff 5 Thlr.;
Gebr. Just und Comp. in Sebnitz 10 Thlr.;
E. R. in B. 2 Thlr.;
Julius Gräser in Wolkenstein 1 Thlr.;
W. in Torgau 1 Thlr.;
Eckelmann in Pausitz 2 Thlr.;
aus Torgau 5 Thlr.;
G. Schrödter in Seifhennersdorf 1 Thlr.;
E. in R. 1 Thlr.;
eine Null in A. 1 fl. österr.;
Al. Wiede 20 Thlr.;
H. Kumm in Wengerin 1 Thlr.;
Justizr. Riem in Greiffenberg 5 Thlr.;
von den Schülern der 1. und 2. Schule in Lang-Goens 5 Thlr. 18 Ngr.;
Turnerfeuerwehr in Oberstein 5 Thlr.;
E. G. P. S. u. K. in Kreuznach 10 Thlr.;
Agnes K. in Brünn 1 Thlr.;
M. in Gadebusch 1 Thlr.;
P. K. in Dresden 1 Thlr.;
Ertrag eines Vortrages in der Aula der Realschule zu Gera 37 Thlr. 5 Ngr.;
Concert des Mausefallenquartetts in der Mausefalle zu Essen 55 Thlr. 10 Ngr.;
E. Oe. 2 Thlr.;
ein Lehrer mit 200 Thlrn. Gehalt nach 22jähriger-Dienstzeit 1 Thlr.;
Gesammelt in der Gesellschaft „Erholung“ in Treuen 12 Thlr. 2½ Ngr.
Ernst Keil.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. siehe Meine erste Schleichpatrouille (Heft 6) und In den Batterien vor Paris (Heft 7), beide Band 1871 der Gartenlaube