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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1869
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[707]

No. 45.   1869.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Jedem das Seine.
Von Ad. von Auer.
(Fortsetzung.)


Ein paar Wochen vergingen schnell. Durch die sonst so stillen Räume hallten jugendliche Schritte und junge Stimmen sangen mit den Vögeln draußen um die Wette. Die Schnepfe zog und sie zog Hasso mit dem Jäger in den Wald, den schönen stillen Wald voll Feiertagsruhe und Frühlingsandacht. Auf den Feldern regte sich Leben, Frühlingsthätigkeit und Arbeit. Hasso war überall dabei und behielt doch noch Zeit genug für die Stunden am Kaffee- und Theetisch der Tante und die tausend Anforderungen der jungen Mädchen, die seine Begleitung bei den Streifereien durch Feld und Wald wünschten.

Welch ein anderes Leben und Treiben war doch auf einmal über den stillen Ort gekommen! Helle Gewänder leuchteten durch die dunklen Hecken des Gartens, freundliche junge Gesichter blickten in die Hütten des Dorfes und woben das Band wieder fest, das die lange Abwesenheit der Herrschaft gelöst und zerrissen.

Joseph vollends war glücklich, die jungen Herrschaften so herangewachsen zu sehen, und sprach seine Hoffnung aus, sie möchten bleiben, nun immer bleiben.

„Es geht hier gar zu bunt zu, es ist eine Sünde und Schande, wie die gnädige Frau betrogen wird“ – aber Hasso legte ihm Stillschweigen auf.

„Wir wollen jetzt nicht darüber sprechen,“ sagte er, „es lohnt nicht anzuklagen, wen man nicht überführen kann. Ich bin jetzt nur Gast hier, gebe Gott, daß ich’s durchsetze, bald etwas Anderes hier zu sein.“

„Herr?“ fragte Joseph entzückt.

„Nicht doch, meiner Tante Verwalter,“ entgegnete Hasso.

Die leichte Herzenswunde der Schwestern heilte und der Frühling streute Blüthen über die Narbe. Von Rosens Stirn wich das Nachdenken, das Clemens’ Werbung und der kleine Frühlingssturm, den sie bei den Zwillingsschwestern erregte, hervorgerufen, es war Alles wieder Harmonie, Friede, Glück und Frühlings- wie Lebensfreude. Aber nicht alle Blüthen, die der Lenz hervorruft, reifen zur Frucht, zahllose streift der Wind von den Zweigen, und der Wind ist da und Sturm geworden, noch ehe die vom Glück Berauschten die erste Wolke am Horizont gewahrten.

Ursula saß in ihrer Stube. Der altväterliche Schreibtisch des Urgroßvaters, den Tante Rosine ihr zur Benutzung zugewiesen, war mit Papieren und Büchern bedeckt, letztere aus der Bibliothek, die Ursula’s strebsamem denkendem Geist manchen Schatz in alterthümlichem Einband und auf vergilbten Blättern offenbart hatte. Die Schubkästen des Tisches enthielten Familienpapiere, Briefe während des siebenjährigen Krieges geschrieben, Cabinetsordres des großen Königs, kurz manches der Aufbewahrung werthe Document, manchen Beitrag zur Geschichte der Vergangenheit, wenn auch nur der Familiengeschichte der Fuchse. Dergleichen Fäden sind doch immer Fäden aus dem Gewebe des Weltganzen und der Geist versucht zusammenzufügen, was die Zeit in scheinbar zerstörender Laune verändert und verwandelt.

Tante Rosine hatte dem Mädchen die Einsicht in die Papiere erlaubt. Sie war guter Laune und kam den Wünschen Ursula’s zuvor. Sie neckte sie sogar mit ihrer Passion für alte Chroniken, nannte sie einen Actenwurm und meinte, es wäre ihr überdies lieb, wenn der alte Kram geordnet und das Werthlose verbrannt würde.

Ursula war ganz vertieft in ihre Arbeit. Nur manchmal warf sie einen Blick durch die weit offenstehenden Fensterflügel nach dem Lindenbogengang, in dem Hasso und Rose lustwandelten. Seit sie in Gülzenow waren, erschien Rose mit jedem Tage frischer, lebensfroher, und manches kleine Bedenken, das im Herzen der besorgten Ursula aufgestiegen, schwand wieder und machte fröhlichen Hoffnungen Platz, nicht minder lebhaft und warm empfunden, weil sie sich nicht an ihr, weil sie sich an Hasso’s Glück anknüpften. Vom Saale her tönten Liddy’s und Elly’s Stimmen in anmuthigem Zwiegesang. Sie empfand mehr die Musik, als daß sie darauf hörte. Sie fühlte nur ihre Seele getragen weit über die Vergangenheit hinweg, in deren zerstreuten, abgerissenen Ueberbleibseln sie kramte. Aber dann schwieg auf einmal die Musik. Ein Wagen war vor das Portal gerollt, ein Herr ausgestiegen, es war Clemens. Wenige Minuten darauf stand er im Zimmer der Tante. „Ich konnte es nicht aushalten, ich bangte mich zu sehr und da bin ich!“ rief er aus.

„Gerade recht, Goldjunge, Du hast uns nur noch gefehlt!“ begrüßte ihn Tante Rosine.

Elly und Liddy boten ihm erröthend die Hand.

„Mit Erlaubniß, Cousinchen,“ sagte er und küßte sie frischweg auf die rosigen Lippen.

Ursula entfaltete eben einen sorgfältig zusammengelegten Bogen, der, nach dem auf demselben verzeichneten Datum und der Ueberschrift [708] auf der ersten Seite zu urtheilen, in eine ganz falsche Mappe unter Papiere, die frühere Pacht- und Kaufcontracte betrafen, gerathen war. Sie las mit der Miene größter Ueberraschung die Aufschrift und reichte den Bogen dem eben eintretenden Hasso entgegen, eben im Begriff, die Erklärung hinzuzufügen, als der ganz besondere Ausdruck seines Gesichtes ihren Gedankengang zerriß.

„Hast Du mit ihr gesprochen, hast Du ihr gesagt, daß Du sie liebst?“ fragte sie.

„Nein,“ sagte er ernsthaft. „Es ist noch nicht Zeit. Ich bin und habe noch nichts, sie hat eine glänzende Laufbahn vor sich – “

„Eine, die sie am ersten sich selber, die sie Dir entfremden kann,“ unterbrach ihn Ursula.

„Dann hat sie mich nicht so lieb, wie ich’s gemeint, wie ich sie habe,“ entgegnete Hasso und setzte dann mit einem leichten Seufzer hinzu. „Das weiß ich überhaupt noch nicht, Ursula, und auch das schließt mir die Lippe. Ich habe die Grenze noch nicht erblickt, auf der schwesterliches Empfinden sich von der Liebe der Jungfrau scheidet.“

„Du mußt sie ihr zeigen!“ bemerkte Ursula fein.

„Nicht eher, als bis ich ihr die Hand bieten kann, sie hinüberzuführen. Sie vorher fesseln, ihre Unerfahrenheit, die Unkenntniß ihres eignen Herzens zu meinen Gunsten benutzen, nimmermehr. Ach, ich denke manchmal, Liebe ist Ueberraschung und die Gewohnheit des Liebens schließt jene aus.“

„Hat Dich denn das Gefühl überrascht, warst Du denn nicht auch daran gewöhnt, sie zu lieben?“ fragte Ursula.

„Doch kam die Ueberraschung,“ entgegnete Hasso. „Als ich sie jetzt wiedersah, war die Kindergestalt in meinem Gedächtniß verwischt und Ueberraschung löschte die Gewohnheit aus.“

„Nun gut, wer sagt Dir, daß nicht auch bei ihr derselbe Wechsel stattfand?“ meinte Ursula. „Du bist zaghaft und mißtrauisch, Hasso!“

„Nein, mir ist nur ihr Glück theurer als das meine,“ versicherte er.

„Du sahst so glücklich aus, als Du eintratest,“ bemerkte Ursula.

„Ich war es auch,“ versicherte er. „Ich bin es jedesmal, wenn ich diese liebe Stimme gehört, dies holde Antlitz gesehen habe. O, wie brennend wünschte ich dann, ich hätte nicht erst Jahre der Arbeit vor mir, eine ihrer würdige Häuslichkeit zu erwerben! Ich denke nicht an Reichthum, Ursula, nur an Sicherheit des Auskommens. Mein Reichthum ist sie und schon die Vorahnung eines solchen Reichthums macht glücklich. Ja reich sein, reich, so reich, meine Seele für diesen Reichthum!“

Das Getöse der heftig in’s Schloß fallenden Thür unterbrach seine Ekstase.

„Die Tante!“ sagte Ursula.

Sie hatten alle Beide ihr Eintreten nicht bemerkt. Sie kam, von Liddy, Elly und Clemens begleitet, den Hasso und Ursula eben so wenig gleich bemerkten, als sie die bestürzten, verlegenen Mienen der Zwillingsschwestern gewahrten. Hasso war bestürzt. Er wußte nicht, waren seine Worte gehört, sein Geheimniß verrathen?

„Da bring’ ich den Clemens!“ sagte die Tante. Jetzt erst gewahrten sie diesen, der sie auf’s Unbefangenste begrüßte.

„Wir kommen wohl ungelegen und stören ein geschwisterliches tête-à-tête, bei dem die verborgensten Gedanken zu Tage kommen. Weißt Du in Deinem Alter nichts Besseres zu wünschen als Reichthtum?“ fügte sie in geringschätzendem Tone hinzu.

Hasso warf der Schwester einen Blick zu, der ihr die Erklärung von den Lippen abschnitt, so deutlich sagte er: Gottlob, sie weiß nicht, wovon die Rede ist. Der Tante erwiderte er:

„Es giebt mancherlei Reichthtum, Tante. Er ist nicht immer blos nach Gold zu rechnen.“

„O nein, auch nach liegenden Gründen, Gülzenow zum Beispiel,“ entgegnete sie.

„Ja wohl; aber an Gülzenow hatte ich in dem Augenblick nur bedingungsweise gedacht,“ sagte er harmlos.

Ursula verstand besser der Tante Empfinden und die Auslegung, die sie Hasso’s Ausruf gegeben.

„Man weiß doch, wovon Ihr sprecht, wenn Ihr allein seid,“ fuhr Rosine fort’, „Hasso hat bisher noch nie mit einer Miene verrathen, daß er sich Reichthum wünscht.“

„Ich wünsche ihn mir auch nicht,“ sagte Hasso ruhig.

„Tante,“ sagte Clemens in harmlosem Tone, „was ist Schlimmes an dem Wunsch? Ich wünsche mir täglich Reichthum –“

„Ja Du, Du aufrichtige Seele!“ sagte die Tante mit der eigentümlichen Betonung, die Lob für den Einen und Tadel für den Anderen in dieselben Worte legt.

Eine kleine Pause der Verlegenheit folgte. Ursula hielt noch immer das Document in den Händen. Sie hatte es Hasso geben wollen, aber nun sie nicht mehr allein mit ihm war, ging das nicht und sie schob es sacht unter ein Pack anderer Papiere.

Tante Rosinens unruhig umherschweifender Blick bemerkte die Bewegung.

„Was versteckst Du da?“ fragte sie heftig. Eine leichte Röthe überflog Ursula’s Gesicht. „Nichts, Tante,“ entgegnete sie, „es ist ein Document, das nicht die mindeste Bedeutung hat.“

„Ich werde es aber doch wohl sehen dürfen, gieb es her!“ fuhr Rosine gereizt fort.

Ursula gehorchte. Die Tante riß ihr das Blatt mehr aus den Händen, als daß sie es entgegennahm.

„Was ist das?“ sagte sie, es betrachtend und las dann. „Entwurf zu meinem Testament.“ „Wessen Testament?“ rief sie hastig aus und blickte nach der Unterschrift. „Joachim Hasso, Freiherr von Fuchs,“ las sie. „Der Großvater,“ setzte sie murmelnd hinzu. „Ihr Beide wißt natürlich, was darin steht?“ fragte sie Hasso und Ursula, wartete aber des Ersteren verneinende, der Letzteren bejahende Antwort nicht erst ab, sondern vertiefte sich auf’s Neue in die Betrachtung des vergilbten Bogens. Ihre Augen hafteten starr auf den Zeilen, dann schlug sie die Blätter zurück und begann ihn von Anfang an zu lesen, während die Anderen sie in unbeschreiblicher Spannung beobachteten.

„Ein Testamentsentwurf meines Großvaters,“ sagte sie endlich, den Bogen wieder zusammenfaltend und Hasso und Ursula mit feindlichen Blicken messend. Sie sprach langsam, aber ihre Lippen zuckten und auf ihrer Stirn zeigten sich die rothen Flecken, die bei jeder Gemüthsbewegung aufzusteigen pflegten, in erhöhtem Maße. „Ein Testamentsentwurf meines Großvaters, zwei Tage vor seinem Tode geschrieben. Den darin enthaltenen Bestimmungen gemäß ist die weibliche Linie vom Besitz des Gutes, aus welchem mein Großvater ein Lehen gebildet wissen wollte, ausgeschlossen, mein Vater hatte also nach ihm kein Recht, Gülzenow zu verkaufen, sondern es kam nach seinem Tode an Dich, Hasso. Da nimm und sieh, was Du gegen mich ausrichten kannst.“ Sie hielt ihm das Document hin.

„Nichts, Tante,“ erklärte Hasso ruhig; „das Blatt hat nicht die mindeste gesetzliche Kraft. Es ist nur ein Testamentsentwurf, kein Testament.“

„Aber,“ fuhr Rosine in immer größerer Erregung fort, „von meines Vaters Hand und von seinem Todestage datirt, an dem ich leider fern war, steht darunter geschrieben –“ sie hielt Hasso das Blatt vor die Augen, er las, was Ursula schon vorher gelesen, und was sie hauptsächlich bewogen hatte, das Blatt vor Tante Rosinens Augen zu verbergen: „Zu spät. Am Ende meines Lebens fühle ich mich zu schwach, noch selbst den Wünschen meines Vaters nachzukommen. Dir ein Erbtheil zu hinterlassen, bin ich nicht berechtigt, Rosine; Du müßtest denn als solches die Pflicht ansehen, Deines Vaters Versäumniß nachzuholen und Deines Großvaters Wünsche zu erfüllen.“

„Das heißt,“ sagte Rosine, als Hasso schwieg, „das heißt: opfere Dein Eigentumsrecht und mache Hasso zum Herrn von Gülzenow. Heißt’s nicht so? Verstehst Du’s anders?“

„Nein, Tante,“ antwortete Hasso, „es heißt so und Deines Vaters Meinung ist nicht mißzuverstehen. Dein Recht ist aber eben so klar als sein Wunsch. Wenn ich mich auf Seiten Deines Rechts stelle, was willst Du thun? Du kannst mich nicht zwingen, von Deiner Pietät Nutzen zu ziehen, und wenn Du geben willst, es wird Keiner da sein, zu nehmen.“

Rosine sah ihn überrascht an, dann überflog ihr Blick die Umstehenden. In den Augen der Schwestern glänzte die warme Mitempfindung für den Entschluß des Bruders, um Clemens’ Lippen spielte ein eigentümliches Lächeln und ein rascher Blick streifte die Tante, der zu sagen schien: ,Läßt Du Dich wirklich düpiren?’ Ihr Gesicht verfinsterte sich wieder. „Darüber wird Dein Vormund entscheiden!“ sagte sie barsch.

„In wenigen Wochen bin ich mündig,“ entgegnete Hasso und [709] fuhr dann, sich dem Stuhl der Tante nähernd, in herzlichem Ton fort: „Im Ernst, Tante, ich verdränge Dich nicht von Deinem rechtmäßigen Besitz, bei Gott, ich thu’s nicht! Mach’ mich zum untersten Inspector in Gülzenow, laß mich auf Deinem Eigenthum und zu Deinem Nutzen meine Kräfte verwerten, das wird mich glücklich machen und erfüllt dem Sinn nach doch auch Deines Vaters Wunsch. Es ist für meine Zukunft gearbeitet, und was könnte ich denn Anderes und Besseres thun, selbst wenn ich Herr wäre!“

„Bravo, Hasso!“ applaudirte Clemens, „das war wie ein großmütiger Mensch und wie ein feiner Diplomat gesprochen, denn Du weisest zurück, was Dich herabsetzen müßte, und erringst auf dem leichtesten Wege die Erfüllung eines längst gefaßten Planes. Ich gratulire Dir, lieber Freund;“ er klopfte ihn auf die Schulter, „der Inspector ist Dir sicher, das kann Dir allerdings die Tante jetzt kaum abschlagen.“

„Warum denn nicht? Nun gerade!“ fuhr die Tante auf. „Mit Speck fängt man Mäuse, mit schönen Worten Narren, die Künste der Diplomatie haben nie etwas bei mir gegolten. Ich brauche keinen Diplomaten zum Inspector. Hm, die Falle war hübsch aufgestellt, Jungfer Ursula, aber das Wild ist eine Katze, und die gehen nicht in Mäusefallen. Such’ nur weiter in dem Krimskrams von alten Schriften, vielleicht findest Du auch noch das wirkliche Testament, das mich auch gerichtlich verjagt, nicht nur moralisch. O, jetzt kann ich mir die Passion für das alte Gerümpel erklären, Sie verwünschte alte Jungfer Chronika! Sie mag hier bleiben unter Motten und Spinnen und dem jungen Herrn auf Gülzenow die Wirthschaft führen; ich habe genug von der Fischerei im Trüben und dem Wirken im Stillen!“ Sie schlenderte einen wüthenden Blick auf das erschrockene Mädchen, das sich ängstlich an Hasso anschmiegte, unfähig ein Wort zu erwidern.

„O Tante!“ riefen Elly und Liddy, „Du bist grausam, Du bist ungerecht!“ Dabei umfaßten sie Rosine mit flehenden Geberden. die aber stieß sie erst unfreundlich von sich, dann, als besänne sie sich anders, sagte sie hastig. „Nein, Ihr, Ihr kommt! Ihr habt keine Schuld an den Intriguen der Beiden, Ihr könnt bei mir bleiben. Du, Liddy, wirst Clemens heiraten, Clemens wird mein Erbe, wenn sich nicht noch etwa irgendwo ein Testamentsentwurf findet, der auch über mein baares Vermögen verfügt. Kommt, Kinder, morgen reisen wir ab, bis dahin wird uns der neue Herr von Gülzenow wohl beherbergen.“

Sie machte Hasso eine spöttische Verbeugung, dieser war bleich, aber auch stumm wie der Tod. Kein Wort der Erwiderung kam über seine wie der Schwester Lippen, aber als Elly und Liddy von dem Hohn, der Leidenschaft, ja, der Rohheit der Tante verscheucht, zu ihm flüchteten, da schloß er sie fest und innig in seine Arme. „Vierklee!“ lachte Frau Rosine höhnend aus, „viel Glück für den Finder, mir hat’s keins gebracht.“ Die Leidenschaft erstickte ihre Stimme, sie bewegte die Lippen krampfhaft, griff mit den Händen in der Luft herum, riß sich dann mit einem kräftigen Ruck die Haube ab, warf sie in die entfernteste Ecke der Stube und verließ das Zimmer.

„Ich will sie nur beruhigen,“ flüsterte Clemens und eilte ihr nach.

Einen Augenblick standen die Geschwister wie starr vor Erstaunen, dann sagte Hasso, bemüht einen leichten Ton anzustimmen und die am Boden liegende Haube aufhebend.

„Sie flog, getrost, nun geht der Paroxysmus vorüber, nun wird sich bald wieder mit der Tante reden lassen und Alles wieder gut sein.“




Aber es wurde nicht so bald wieder gut, und die mit ihr redeten, waren andere, gewaltigere Stimmen, als sie aus irdischen Kehlen hinüberklingen, von Seele zu Seele Verständniß wecken und vermitteln, und ein Dasein an’s andere knüpfen mit unsichtbaren Fäden, die reißen und halten und wieder angeknüpft werden, Nichts bedeuten und Alles, und deren Echo in der weitesten Vergangenheit und fernsten Zukunft wiedertönt.

Der furchtbaren Aufregung der Dame machte diesmal keineswegs der Fall der Haube ein Ende, eine tiefe Ohnmacht folgte, die ihre Umgebung in die höchste Angst versetzte, und aus der sie keineswegs zu veränderter Gemüthsstimmung zu erwachen schien. Sie war nicht zu bewegen, zu Bett zu gehen, verlangte allein gelassen zu werden und nickte verdrießlich, als Dore erklärte, sie sei Niemand, und sich mit ihrem langen Strickstrumpf in die entfernteste Fensterecke setzte.

Es war noch früh am Tage, Mittagszeit noch nicht vorüber. Die Tante wandelte mit langen Schritten im Zimmer auf und ab, dann schickte sie Dore fort und ließ Clemens rufen. Wohl eine Stunde blieb er bei ihr, dann kam er mit verstörten Zügen wieder heraus. Er stürzte zu Hasso und zog ihn in eine Ecke.

„Ich schieße mir eine Kugel vor den Kopf, wenn sie mich zum Erben einsetzt,“ sagte er gepreßt, „und doch mit ihrem Wahlspruch: ‚gerade und gerade nicht’, ist sie’s im Stande. Warum habt Ihr sie doch so mißtrauisch gemacht?“

„Womit?“ fragte Hasso. „Keines von uns hat ihr je ein falsches Gesicht gezeigt.“

„Aber Ihr habt sie nicht behandelt. Menschen mit ihren Eigentümlichkeiten müssen behandelt werden!“ fuhr Clemens fort.

„That’st Du das, und wohin führte es?“ fragte Hasso.

„Bei Gott, ich habe nie den Uneigennützigen gegen sie gespielt,“ versicherte Clemens, „aber ich habe kein Recht an sie und deshalb habe ich ihre Gunst.“

„Nun, so nimm sie als Dein Recht, am Ende ist sie auch das beste Recht,“ sagte Hasso freundlich. Es war kein Argwohn in seiner Seele.

„Die Schrift, die Ihr gefunden, sichert Dir wenigstens Gülzenow,“ fuhr Clemens fort.

„Und das spart Dir die zweite Kugel,“ scherzte Hasso indem freundlichen Bemühen, den im höchsten Grade aufgeregten Menschen zu beruhigen.

„Aber, Hasso, begreifst Du denn nicht meine Lage?“ rief Clemens halb unwillig aus.

„Gewiß,“ sagte Hasso nun wieder ruhig, „doch Dinge, die man nicht ändern kann und an denen man unschuldig ist, die muß man von der besten Seite nehmen.“

„Wenn Liddy wenigstens meine Liebe erwiderte, ach, ihr Widerstand trägt auch viel Schuld, und ich habe den Muth verloren, ihn zu brechen.“

„Laß das, das Mädchen hat Recht, in diesem Punkt verstehe ich Dich auch nicht,“ sagte Hasso.

„In diesem Punkt hat mich die Tante am allerschlechtesten verstanden und mein Empfinden sehr falsch interpretirt. Doch das ist nun vorbei, zu spät und nicht wieder gutzumachen,“ sagte Clemens düster.

„Du hast Recht,“ erwiderte Hasso, „und wenn Du diese Geschichte auf sich beruhen lässest, so ist es gewiß das Beste. Die Schwestern sind ein Paar Sympathievögelchen; fliegt das Eine fort, das Andere würde sterben. Was das Uebrige betrifft, die Erbschaft – für’s Erste wollen wir uns getrösten, daß die Tante nicht todt ist und noch lange leben kann, und dann – auf Ehre ! das Geld ist Dir gegönnt. Ich habe meinen Urwald und meine Axt sicher und wo ich mir eine Lichtung haue, da wird auch Platz für die Schwestern sein.“ –

Tante Rosine saß an ihrem Schreibtisch, sie hatte soeben ein Billet geschrieben, gesiegelt und befahl Doren nach Johann zu klingeln. Bald darauf sah man die alte Kutsche des verstorbenen Herrn hinausrasseln. Als sie aus dem Gesicht war, setzte sich Rosine wieder zum Schreiben hin. Sie schien ruhiger geworden, die Röthe auf ihrer Stirn war verblichen, nur hin und wieder seufzte sie tief auf, als werde ihr das Athmen schwerer als gewöhnlich. Nichts unterbrach die Stille als das Kratzen der Feder auf dem Papier und hin und her das Zusammenschlagen der Stricknadeln an Dorens großem grauen Strumpf.

Unheimliche Geister schienen in das Schloß eingezogen zu sein. Wo war die frohe Stimmung geblieben, die ruhige Behaglichkeit der vergangenen Tage? Nach ein paar langsam dahingestrichenen Stunden kehrte die Kutsche von der Ausfahrt zurück und zwei Herren stiegen aus und wurden zu Tante Rosine gelassen. Den Einen kannten die Geschwister von einem Besuch her, den er einmal in L. bei der Tante geschäftlicher Angelegenheiten wegen abgestattet. Es war ein Rechtsanwalt aus der benachbarten Stadt, ein früherer Bekannter der Gülzenower Herrschaft. Nun wurde auch Dore aus dem Zimmer entfernt. Es zweifelte wohl Keiner, was sich drinnen begab, aber nur auf Clemens’ Antlitz, an seinem Wesen verriet sich etwas von innerer Unruhe. Nach Verlauf einer Stunde etwa wurde Dore zur Tante gerufen, [710] aber nur um Ursula mitzutheilen, daß die Herren zur Nacht bleiben würden, und Hasso zu ersuchen, die Honneurs des Hauses zu machen. Das war keine so leichte Aufgabe, und obgleich es dem Rechtsanwalt und seinem Begleiter nicht an gewandter Weltbildung fehlte, die auch Clemens in hohem Grade besaß, wenn er sie geltend machen wollte, und die bei allen Uebrigen durch eine glückliche Unbefangenheit ersetzt wurde, so war doch die schwüle Stimmung nicht ganz zu bemustern, und selbst der singende Theekessel und die Flammen des Kamins, die trotz der Frühlingsluft draußen in den hohen gewölbten Räumen noch kaum entbehrt werden konnten, lockten die geflüchteten Geister harmloser Laune nicht herbei.

In dem Zimmer der Tante unterbrach Dore das Stillschweigen. „Ich kann mir denken, was Sie gethan haben,“ sagte sie. „Hat es Ihnen Ruhe gegeben?“

„Nein,“ fuhr die Dame sie an.

„Dann ist’s nicht richtig damit, sonst würden Sie Ruhe haben. Wenn man sein Haus bestellt hat, hindert keine Sorge das Einschlafen, wenn auch der Schlaf noch lange nicht kommt. Hier bleibt er hoffentlich auch noch lange weg.“ Die Alte sprach mit gedämpftem Ton und über das harte runzelige Gesicht flogen Schatten der Wehmuth. Frau von Fuchs sah es und wurde gerührt.

„Ich habe Dich nicht vergessen, alte Seele,“ sagte sie weich.

„Ach was, an mir ist nichts gelegen,“ brummte Dore.

„Ja, ich weiß, Du bist uneigennützig, Du lauerst nicht auf meinen Tod.“ -

„Wer thut’s?“ fragte Dore heftig.

„Der, der seine Seele für Reichthum einsetzen möchte, aber immer so that, als sei die Welt ein Urwald und sein höchstes Vergnügen, sich mit der Art einen Weg hindurch zu bahnen. Sie, die nicht ruhte, bis sie unter dem alten Kram wirklich das Papier gefunden, von dem die Leute immer behaupteten, es sei da, was ich nie glauben wollte. Diese Beiden, die es so sehr hierherzog nach dem alten Eulennest; nun mag der Hasso sehen, wie er damit fertig wird. Eine Mißernte, die unvermuthete Kündigung einer Hypothek, und er kann sehen, was er mit der Verschreibung des Großvaters ausrichten wird. Er bekommt keinen Groschen von mir, nicht einen Pfennig mehr, als meines Vaters Worte für ihn bewirkt haben.“

„So werden’s also Elly und Liddy haben?“ fragte Dore.

Die Tante schüttelte heftig den Kopf. „Sie stehen nicht zu mir, sie stehen zu den Geschwistern. Was Diese trifft, mag auch sie treffen.“

„Nun, so hol’ mich der …,“ polterte Dore heraus. „Sie werden doch nicht den Herrn Referendarius zum Erben eingesetzt haben?“

„Was geht’s Dich an, was hast Du dagegen?“ fragte Rosine

„Der Herr Referendarius, der nicht wußte, was sonst jeder Christenmensch mit fünf Sinnen wissen muß, welches von den hübschen Kindern er lieben sollte, nur weil er’s in jedem Fall der Frau Tante recht machen und Gunst und Erbschaft sicher haben wollte –“

„Boshafte Auslegung!“ unterbrach sie die Tante.

„Der Herr Referendarius,“ fuhr Dore fort, „dem der vorsichtige Herr Lindemann die dreitausend Thaler nicht eher pumpt, als bis die Verlobungsanzeige in den Schuldschein gewickelt werden kann –“

„Was redest Du da? Was hast Du Dir für Unsinn aufbinden lassen?“ unterbrach sie abermals die Tante und abermals fuhr Dore in derselben Weise fort:

„Der Herr Referendarius, von dem der grobe Witz stammt, daß, wenn der verstorbene Herr Major nicht ein solches Weib gewesen wären, die gnädige Frau nicht ein solcher Kerl sein würden –“

„Wann, wo hat er das gesagt? Woher weißt Du diese Impertinenz?“

„Die noch dazu hinkt,“ fuhr Dore fort, „denn ein paar forsche Redensarten wie: geh zum Henker oder hol Dich der Teufel, machen noch den Mann nicht aus, höchstens ein Mannweib, das zwar schimpfen und sich rühmen kann, sich aber doch durch eine glatte Zunge übertölpeln läßt.“

„Dore, aus dem Zimmer, aus dem Dienst!“ schrie die Tante sie an. „Ich habe genug von Deiner Grobheit!“

Dore strickte ruhig fort.

„Wann, wo hat er das gesagt, woher hast Du es erfahren?“ fuhr die Dame heftig fort.

„Na, wozu ist denn die Klatscherei in der Welt?“ meinte Dore naiv; „und wenn solcher Herr sich nicht scheut, solche Reden an offener Wirthstafel zu führen, himmlischer Gott, da giebt’s Ohren genug, die ’s hören, und Zungen genug, da es weiter tragen. Das vom Herrn Lindemann steht hier, und ich muß es nur gestehen, ich habe das Billet gestohlen, für alle Fälle, man kann nicht wissen!“ fuhr Dore fort und holte aus ihrem Strickbeutel ein zusammengefaltetes Papier hervor und gab es Rosinen. „Was ist er so nachlässig und kramt seine Brieftasche auf dem Tisch aus, wenn er solche Dinge drin hat! Ich fand’s beim Staubwischen und guckte hinein und dachte, das könnte am Ende die Grube werden, in die er selber hineinfällt, wenn er sie für Andere fertig gegraben.“

Während sie so fortschwatzte, hatte Frau von Fuchs das Billet gelesen.

„Also auch er falsch!“ sagte sie tonlos. „Natürlich, er ist ja auch mit mir verwandt.“

„Auch er falsch? Nur er!“ verbesserte Dore, aber Rosine hörte nicht darauf.

„Dore, ich werde Dich zur Erbin einsetzen,“ fuhr die Dame auf einmal aus ihrem Sinnen auf

„Thun Sie’s, dann ist’s dem Hasso sicher,“ sagte Dore unbesonnen.

„Ihr seid Alle wie verhext. Der Hasso, der Hasso! Das ist Dein und Leo’s und auch des Clemens drittes Wort. Alte, er ist doch nicht falsch. Hättest Du gehört, wie er für Hasso sprach –“

„Der Schlaukopf!“ sagte Dore indignirt. „Er sprach für den Hasso, und Sie? Sie sagten: ‚Nun gerade nicht.‘ Sehen Sie, das ist ja Ihr Narrenseil, an dem Sie Jeder herumführen kann, der unehrlich genug ist, Sie daran anzufassen.“

Die Dame sah sie groß an. War ihr die Wahrheit von Dorens Worten einleuchtend? Sie seufzte auf.

„So hol’ Euch Alle der Henker!“ fluchte sie und setzte dann, leise zwischen den Lippen murmelnd, hinzu: „Das erste beste Waisenkind wird gut sein zu meinem Erben, was kümmere ich mich um die ganze Sippschaft!“

Und wieder verfiel sie in tiefes Sinnen und ihre Züge nahmen eine Schlaffheit an, die Doren beängstigte.

„Sie reißt die Mütze nicht ab,“ sagte Dore und sah sie mit besorgtem Kopfschütteln an, da plötzlich weckte ein süßer melodischer Laut Frau von Fuchs aus ihrem Nachdenken.

Ein glücklicher Impuls hatte Rose getrieben an’s Clavier zu gehen und ein Lied zu beginnen. Drinnen im Gesellschaftssaal war die Stimmung so schwül, auf die Tante, wußte sie, wirkte Musik allemal wohlthätig, und ihre Seele schmachtete nach der Harmonie der Töne. Sie stimmte eines jener lieblichen Schlummerlieder an, die nicht nur unruhige Kinder in den Schlaf zu lullen, die auch eine unruhige Seele mit ihrer einfachen, anmuthigen Melodie zu beschwichtigen vermögen.


(Schluß folgt.)



Ein gerettetes Bild.

Eine freudige Ueberraschung bot der Abend des zehnten November 1868 den Mitgliedern des Schillervereines in Leipzig, die, wie seit 1840, wo Robert Blum, Gustav Kühne, Karl Beck, Robert Friese, Ed. Burckhardt u. A.. den ersten Anstoß dazu gaben alljährlich, zur Feier des Geburtstags ihres Dichters in den Sälen des Hotel de Pologne versammelt waren.

Nach bewährtem Herkommen zerfällt eine solche Schillervereins-Feier in zwei Theile: einige durch Schiller’sche Poesie, die Kunst der Musik und die Festrede irgend eines namhaften deutschen Gelehrten verherrlichte Stunden, und dann den geselligen und geistigen Genuß einer Festtafel.

Der erste Theil war vorüber, die Festrede des Professor [711] Gosch aus Halle über den Torso „Demetrius“ die Declamationen hervorragender Mitglieder der Leipziger Bühne und die Vorträge der berühmtesten Meister der Gewandhaus-Capelle hatten die Stimmung der Versammlung von allem Alltags- und Geschäftsüberzug gereinigt und die Empfänglichkeit für alles Schöne sichtlich erhöht. Da geschah etwas Ungewohntes. Eine mit weißem Tuch verhängte Staffelei ward auf das für die Vorträge der Künstler errichtete Podium getragen und Oswald Marbach, dermal Vorsitzender des Vereins-Vorstandes, wendete sich an die Festgenossen mit folgendem dichterischem Wort:

Friedrich von Schiller.
Nach dem Originalbilde von F. A. Tischbein, im Besitz des Schillervereins in Leipzig.

[712]

„Ihr kennt sie so, die rührende Gestalt,
Die sanft das Haupt zur Erde niedersenkt,
Sich beugend vor des Todes Allgewalt
zum Staube träumerisch die Blicke lenkt.

5
So neigt die reife Aehre sich zur Erde,

Wenn ihr der Schnitter mit der Sense naht,
Und bietet mit demüthiger Geberde
Ihm ihre Früchte dar als neue Saat

Er war der unsre‘ - so, so stand er da:

10
‚Den Leiden und dem Tode früh vertraut‘,

Bevor das Unvermeidliche geschah, -
So haben unsre Väter ihn geschaut!
Er war der unsre - nein. wir sind die Seinen!
Er ist und lebt! kein Tod hat ihn geraubt!

15
Und nie und nimmer wird der Tag erscheinen,

Wo Er zum Staube neigt sein edles Haupt!

Er lebt und strahlt, wie heut, so immerdar,
Geschlechter schau’n Ihn im Vorübergehn
Und neigen Ihm sich, den unwandelbar

20
Sein Licht ausstrahlend sie am Himmel sehn.

Das ist der Dichter, der befreit vom Scheine
Der Sterblichkeit vor Geistesaugen schwebt!
,Was uns noch Alle bändigt, das Gemeine,
Liegt hinter ihm’: Er hat gesiegt! Er lebt!“

Und als in diesem Augenblick die Hülle fiel, mußte vor diesem Bilde Jedermann der Wahrheit Beifall zollen von Marbach’s Schlußworten.

„O sehet, wie mit ahnungvollem Graus
Der Künstler unsern Schiller einst geschaut.
So blickt der Dichter in die Welt hinaus,
Die ihm gehört, die sich sein Geist erbaut!
So steht er da verklärten Angesichtes,
Vom Weltbeherrschermantel stolz umwallt,
Aus seinen Augen quillt ein Strom des Lichtes,
Ans seinem Munde Geistes-Allgewalt!“

Ja, so lebensstolz in Haltung und Blick tritt aus dieser Leinwand Friedrich Schiller’s Haupt hervor, als ob sein „Freude, schöner Götterfunken“ ihn noch auf den Lippen schwebte. Es ist offenbar, daß hier ein Künstler es gewagt, die gewöhnlichere Auffassung Schiller’s, die uns neben dem tiefen Denker den körperlich leidenden Mann nicht vergessen läßt, zu vermeiden und das gesunde, kühne, geistige Wesen des großen Dichters in dessen bildlicher Erscheinung allein wiederzugeben.

Woher kam aber dieser seltene Schatz? In einer Leipziger Auction ward das Gemälde vom Vereins-Vorstand erstanden, zu dessen Pflichten es gehört, alle literarischen und artistischen Werke, welche für seine Schiller-Andenken-Sammlungen in dem, dem Vereine gehörigen Häuschen in Gohlis, in welchem Schiller 1785 gewohnt, sich eignen, aus der Vereinscasse zu erwerben. So unscheinbar und verschwärzt das Bild war, so ließ es doch Schiller’s energische Züge und einen guten Künstler nicht verkennen. Aber erst nachdem ein Meister in der Restaurirung, der Leipziger Maler A. F. Schiertz, es in seiner ursprünglichen Schönheit wieder hergestellt und links am Rande die Inschrift entdeckt hatte. „Tischbein p. 1804“, erkannte man seinen Werth ganz und fand es angemessen, die Uebergabe desselben an den Verein der Festfeier einzuverweben.

Für Leipzig hat das Bild sogar doppeltes Intereste, insofern es von einem seiner Akademie-Directoren herrührt. Den Namen Tischbein tragen zwölf Maler und zwei Malerinnen. Johann Friedrich August Tischbein, 1750 in Maestricht geboren, wurde, nachdem er sich in Frankreich und Italien gebildet und in Holland, Arolsen und Dessau sich als Familienportraitmaler Ruf erworben, im Jahre 1800 Oeser’s Nachfolger als Director der Kunstakademie in Leipzig. Dort verkehrte er mit Schiller im December 1801 und im April 1804, und damals wurde unser Bild, und zwar im Auftrag von Schiller’s Verleger Crusius, gemalt und im folgenden Jahre auf der Kunstausstellung in Dresden gezeigt.

Eine Copie in Oelfarben hat mit Bewilligung des Vorstandes des Schillervereins der Maler Robert Krause in Leipzig für den Componisten Richard Wagner ausgeführt. Um das für alle Zeit hochbedeutsame Werk Tischbein's der Nachwelt sicher zu erhalten, hat der Vereinsvorstand dasselbe mit Vorbehalt des Eigenthumsrechtes des Leipziger Schillervereins dem Städtischen Museum zu Leipzig übergeben, für das Schillerhaus zu Gohlis aber eine lebensgroße Copie in Kreidezeichnung von dem Maler M. Müller herstellen lassen; demselben Künstler wurde zugleich gestattet, das Werk in kleinerer Ausführung nachzubilden, und so ist es jetzt den weitesten Kreisen zugänglich gemacht.

F. H.





Im Grabe der Verschütteten.

(Schluß.)


„Jetzt einmal eine Excursion da rechts hinein!“ sprach mein Cicerone im Orcus. Ich sah nach der angedeuteten Richtung hinab; da unten blitzten zwei Lichterchen herauf. In ein paar Augenblicken hatten wir sie erreicht. Wir waren „vor Ort“, mitten drin in einer ansehnlichen, hohen, gerundeten Höhle, die man aus dem Kohlenflötze herausgearbeitet hatte, und Decke und Wände der Grotte glänzten von den schönsten, massiven, schwarzen Diamanten.

„Glückauf! Glückauf!“ rief’s von Neuem herüber und hinüber. Zwei Häuer, schon ziemlich bejahrte Gesellen, hatten hier ihr mächtiges Arbeitsfeld; um einen weiteren Umblick zu haben, trugen sie ihre Blenden hoch oben an den Hüten, und die umherliegenden Kohlenblöcke und ein hinter ihnen gefüllt stehender Korb bekundeten, daß sie ihre Schicht tüchtig ausnützten. Diese Körbe holen dann die Förderleute ab und entleeren dieselben in die oben auf der Förderstrecke bereitgestellten Wagen. Das Werkzeug des Häuers, das „Gezähe“, wie es in der Bergmannssprache heißt, ist sehr einfacher Art; sein Hauptinstrument bildet die Keilhaue. Mit derselben schlägt er unter die abzubauende Kohlenmasse zunächst einen horizontalen, anderthalbe Elle tiefen Einschnitt, den Schram. In diesen wird alsdann mittels eines eisernen Bohrers ein etwa sechsunddreißig Zoll tiefes und drei Viertel Zoll weites Loch ausgegraben, in welches die an die Zündnadel, einen Eisenstab, gespießte, zwölf Zoll lange Pulverpatrone zu liegen kommt. Oben rammt man das Bohrloch mit einer festen Masse zu, „besetzt“ es, wie das Kunstwort lautet. Aus Patrone und Besatz wird hierauf die Zündnadel wieder herausgezogen und so der Zündcanal gewonnen. Eine Rakete bewirkt schließlich die Explosion, durch welche die Kohlenblöcke von der Wand losgesprengt werden. Damit nun aber Decke und Wände der ausgehöhlten Grotte nicht am Ende einstürzen, wenn sie der stützenden unteren Kohlenschichten beraubt sind, schlägt der Häuer, je weiter er im Abbauen vorrückt, immer mehr Träger oder Stempel, dicke Holzpfosten, ein, welche einem Zusammenbrechen des Gewölbes vorbeugen.

Von noch zwei oder drei solchen „Orten“, an deren jedem stets blos zwei Häuer zu arbeiten pflegen, sahen wir auf unserer Weiterfahrt die Blenden heraufblinken, alle anderen lagen abseits unserer Tour, in den von uns nicht berührten Seitenstrecken, viele schon weiter oben. Solcher „Orte“ oder Arbeitsstellen zur Kohlengewinnung enthält das Neue-Hoffnungswerk augenblicklich vierzig, ebenso viele der Segen-Gottesschacht, doch können noch mehrere „belegt“, d. h. von Arbeitern abgebaut werden. Da nun vor jedem „Orte“ immer zwei Häuer während einer Schicht beschäftigt sind und die Tagesarbeit in drei Schichten eingetheilt ist, so ergiebt sich hieraus für jedes der beiden Werke eine Gesammtzahl von zweihundertundvierzig Häuern.

Das Quantum von Kohle, welches ein Häuer pro Schicht gewinnen kann, ist natürlich hauptsächlich von der festeren oder weicheren Beschaffenheit des Kohlenflötzes abhängig, im Durchschnitt läßt sich indeß annehmen, daß ein geübter Häuer während einer achtstündigen Schicht fünf bis sechs Tonnen Kohle losbricht. Sonach würden die beiden vereinten Gruben täglich die erkleckliche Summe von zweitausendvierhundert bis zweitausendneunhundert Tonnen Kohle liefern.

Bis jetzt hatte ich von der durch das Unglück verursachten Zerstörung nur wenige Spuren zu Gesicht bekommen, höchstens sah ich dann und wann an einem neuen Deckenbalken da und dort an einem frischen Stempel, daß das Zimmerwerk theilweise zertrümmert

[713] gewesen war. Bis in das Innere des Hoffnungsschachts herein waren wohl die tödtlichen Gase, nicht aber die eigentlichen zerschmetternden Schlagwetter geströmt; andererseits hatte man mit bewundernswerther Thätigkeit das Getrümmer, die sogenannten Bergen, schon beseitigt, die Gänge und Strecken wieder aufgeräumt, „aufgewältigt“, das zerrissene Holzwerk durch neues ersetzt.

„Sie werden später in der Nähe vom Flachen Nr. 9 noch Reste der damaligen Verheerung erblicken, die Ihnen freilich nur ein mattes Bild des furchtbaren Chaos geben, in welches die Katastrophe diese Strecken hier verwandelt hatte.“

„Flache Nr. 9?“ frug ich. „Was heißt das? Sie sprechen in Räthseln zu mir.“

„Ja so,“ erwiderte mein Führer; „ich vergaß ganz, daß Sie Keiner vom Fache sind. Sie ‚fahren‛ schon so stramm und tapfer, daß ich Sie augenblicklich für einen bergmännischen Cameraden hielt. Nun, Flachen nennen wir Strecken, die, ungefähr zweihundert Lachter oder vierzehnhundert Fuß von einander entfernt, auf der Steigung des Flötzes in großen Längen, oft durch ein ja zwei Schachtreviere hindurch getrieben sind. Zwischen diesen verschiedenen Flachen, welche wir durch Zahlen bezeichnen, werden die einzelnen Bauabtheilungen, die Orte, gelegt von denen wir soeben einen in Augenschein genommen haben.“

Ich wandte mich, um weiter zu fahren.

„Halt!“ rief er, „noch einen Moment. Betrachten Sie sich einmal die kleine Wetterthür da zur Rechten etwas näher. Diese oder vielmehr der Umstand, daß ein nachlässiger Arbeiter sie zu schließen versäumt hatte, trägt wesentlich die Schuld an unserem unerhörten Unglücke. Durch diese Wetterthür zieht nämlich ein Theil der hier aus dem Flachen Nr. 7 ausströmenden Wetter dem Flachen Nr. 9 zu in die über der Dreiunddreißig-Lachtersohle gelegenen Baue, der leichtsinnige Mensch aber hatte durch das Offenlassen der Thür jetzt allen Wetterzug nach jenen Bauen unmöglich gemacht, und die ohnedem durch den niedrigen Barometer- und hohen Thermometerstand tiefer getretenen Gase können nur durch die verhängnißvolle Thür in die Arbeitsräume gezogen sein. Durch den von der Explosion bewirkten heftigen Stoß sind auch die Gase, welche sich in anderen Räumen angesammelt hatten, heraus- und dem frischen Wetterstrome entgegengeschleudert worden, so daß in Zeit weniger Secunden der ganze schöne Bau zertrümmert und mit ihm das Leben so vieler Menschen verloren war. Die nach der Explosion sich entwickelnden irrespirablen Gase sind durch die Flachen Nr. 9 und 10 den oberen Bauen des Hoffnungsschachtes und jener vorhin von uns berührten Wetterstrecke zugezogen. Zwischen diesen beiden Flachen hat sich die Luft noch einige Zeit so erhalten, daß die dort befindlichen Arbeiter bis zum Mittag des zweiten August leben konnten und erst durch die allmählich eindringenden brandigen Wetter umkamen. – Da haben Sie die Geschichte unsers Jammers!“

„Nun aber die Blenden bei Seite gestellt; so, hierher! “ befahl mein Geleiter. „Wir wollen jetzt einmal dem wahren Herde des Unglückes unsern Besuch abstatten, und dahin sollen uns nur die Sicherheitslampen begleiten. Sie wissen,“ suchte er mich zu ermuthigen, denn jetzt, wo wir dieser allergefährlichsten Stelle aus den Leib rückten, begann mich das Herz doch wieder etwas im Stiche zu lassen und meine Hand zitterte, als ich mein Grubenlicht vom Halsriemen löste und auf den Boden stellte, „Sie wissen, ich gebrauche diese Vorsichtsmaßregel blos Ihretwegen; ich selbst hätte kein Bedenken, auch mit dem offenen Geleuchte hineinzufahren, überzeugt, wie ich bin, daß jetzt kein Atom von bösen Wettern da drinnen lauert.“

Ich gab mir Mühe, seinen Trostworten zu glauben, es wollte mir indeß nicht recht gelingen.

„Gott! der Geruch!“ stieß ich voller Angst heraus.

„Ja, ja,“ antwortete er, „es riecht schon ein Bißchen brandig, allein das hat nichts zu sagen; so riecht’s hier immer. Nur frisch vorwärts! Kommen Sie! Die Sache hat keine Gefahr.“

„In dieser Strecke hier,“ erläuterte mein Freund weiter,. „östlich vom Flachen Nr. 9 sind die Unholde, die schlagenden Wetter, losgelassen worden, ohne Widerrede vom offenen Geleuchte eines armen Teufels von Bergmann entzündet, der ahnungs- und arglos einfuhr. Doch, halten Sie Ihre Lampe etwas tiefer, damit Sie besser wahrnehmen können, wie unsere tückischen Feinde gehaust haben.“

Da war in der That noch das völlige Graus der Zerstörung. Gleich am Eingang mußten wir uns über die Reste eines Förderwagens hinüberarbeiten – als sei es ein kleines Holzstäbchen gewesen, so zerrissen, zertrümmert, zerstückelt lag das sieben Centner schwere Vehikel da! Weiter hin kamen wir an einen Steinblock – er war höher und breiter, als der Tisch, an welchem ich eben schreibe, eine massive Masse von vielen vielen Centnern und ausgebrochen aus dem Felsgewände und herabgeschleudert, als wäre es ein leichter Kiesel! Und so umgab uns ringsum, kaum daß wir Platz hatten, uns dazwischen hindurchzuwinden, das wildeste Durcheinander von Trümmern; eine zweite Hunderuine, noch mehr zerschellt als die erste, neue Felsblöcke, Balken, Zimmerwerk, Alles im wüsten Gemeng, zu einem chaotischen Berge aufgeschichtet.

Jetzt hatte ich eine Vorstellung von der Gewalt der Explosion, von der gigantischen Expansionskraft dieser Gase! Daß nichts Anderes, als die Ausdehnung der Luft, diese massenhafte Zerstörung, dieses Auseinandersprengen des festesten Gesteins, dieses Herabschleudern der wuchtigsten Felsblocke bewirkt hat – trotz aller und unwiderstehlicher demonstratio ad oculos, muß man sich förmlich überwinden es zu glauben.

„Und auch hier ist schon ziemlich aufgeräumt,“ hob mein Begleiter wieder an; „als wir zuerst hier eindrangen, nach den Resten der unglücklichen Opfer zu suchen, da sah es noch ganz anders aus. Hier in dieser Strecke haben wir die letzten Leichen gefunden – Leichen, nein, so kann man nicht sagen, es waren nur einzelne zerstückelte und verstümmelte Gliedmaßen, da ein Arm, dort ein Bein, drüben ein verbrannter halb verwester Kopf – eine Recognition dieser schauerlichen Reste blieb natürlich ganz außer Frage. Und wie hier, so thürmte sich überall, wo wir jetzt hinkommen werden und zum Theil schon durchgekommen sind, die Verheerung auf. Sie können sich nun denken, welche Arbeit wir hatten, unter diesen Massen von ‚Berge‛ die Todten aufzusuchen und wie noch viel schwerer es war, sie über das Getrümmer hinweg und zu Tage zu schaffen! Keiner von uns hier in Burgk, die wir das mit erlebt und mit durchgemacht haben, wird je diesen entsetzlichen August vergessen, und wenn er, in Glück gebettet, Methusalem’s Jahre erreichte! – Neues werden Sie nicht sehen, die Verwüstung ist tiefer drinnen ganz die gleiche wie hier.“

Ich hatte an der einen Probe genug und sehnte mich, die verhängnisvolle Sicherheitslampe wieder los zu werden und in minder gefährliche Regionen zu gelangen. Noch immer aber ging’s tiefer und tiefer hinunter, in dem Flachen Nr. 9 weiter und weiter, bis wir in einen prachtvoll gemauerten Querschlag, ein fast elegant zu nennendes, hinlänglich hohes und weites Gewölbe kamen. Es gehört bereits dem Segen-Gotteswerk an, dessen unterem Füllorte, dem tiefsten Punkte des gesammten Grubencomplexes, als der letzten Station unserer unterirdischen Reise, wir uns näherten. Ehe wir jedoch in dies schöne neue Gewölbe einbogen, galt es, noch einen Augenblick an einer denkwürdigen Stelle zu verweilen, wo am zweiten August der Tod eine reiche Ernte gehalten hatte. An gewissen Plätzen der Strecken, meist in einer etwas ausgebuchteten Höhlung, sind nämlich Vorrichtungen angebracht primitivster Art, nur aus horizontal an den Wänden hinlaufenden rohen Holzpfosten bestehend, wo sich der Bergmann vor dem Beginn jeder Schicht das, während seiner Ruhezeit, inzwischen frischgeschärfte und hier aufbewahrte Werkzeug, das Gezähe, abzuholen hat. Auch am Unglücksmorgen war das geschehen; wenige Schritte vom Gezähe standen oder lagen sechsundzwanzig Häuer todt niedergestreckt, welche eben im Begriffe gewesen waren, mit ihren Instrumenten „vor Ort“ zu fahren. Alle übrigen Leichen, namentlich die im Hoffnungsschachte, wurden mit wenigen Ausnahmen schon an den Arbeitspunkten selbst aufgefunden.

Die Wetter zogen schärfer und schärfer herein, die Flämmchen unserer Leuchten schlugen mehr und mehr zu. Seite, je näher wir dem Endziele unserer Fahrt, dem untern Füllorte des Segengottesschachtes, rückten, durch welchen wie die Leser der Gartenlaube wissen, im normalen Laufe der Dinge die frische Luft einzieht, „die frischen Wetter einfördern“. Die Dampfbadhitze, die wir noch vor Kurzem ausgehalten hatten, war nachgerade einer sehr empfindlichen Kühle, ja Kälte gewichen, und die Förderleute, denen wir hinter ihren Hunden noch häufig begegneten, waren keine nackten Dämonen mehr, sondern staken sämmtlich in ihren rechtschaffenen Bergmannskitteln wie wir auch.

„Da fühlen Sie nun selbst, ich fürchte fast, unangenehm, wie gar kräftig unser Wetterzug ist,“ sagte der Einfahrer, indem er [714] sich nach mir umwandte. „Sehen Sie nur, ich muß den Docht meines Geleuchtes höher schüren, sonst bläst mir die Luft das Flämmchen aus. Ach, und Ihre Blende ist schon ausgegangen,“ setzte er hinzu und hielt mir seine Lampe her, um die meinige daran wieder zu entzünden. „Man hat uns auch den Vorwurf gemacht, unsere Wetterführung tauge nichts, sie sei nach verrotteten Principien organisirt und wir hätten keinen künstlichen Ventilator gehabt. Das Letztere ist wahr, einen solchen Ventilator hatten wir nicht, und wir müssen nun auf amtliche Verordnung uns einen bauen. Ich kann Sie aber fach- und wahrheitsgemäß versichern, die Systeme dieser Ventilatoren, wie sie bisher in Gebrauch waren, die sogenannten Fabri’schen, hätten für unsere Zwecke durchaus nicht genügt; bei einem Kohlenbau, wie z. B. in Oberschlesien, wo der abzubauende Kohlenflötz oft nur einige zwanzig Lachter unter Tage streicht, mögen sie ausreichen, für unsern Tiefbau von zweihundertfünfzig Lachtern und mehr hätten sie keinen Effect machen können; da war unsere seitherige Wetterführung viel wirksamer. Von dem obern Füllorte allein wird ein Wetterstrom, der in den heißesten Tagen des August nicht weniger als 36905 Cubikfuß in der Minute beträgt, den östlichen Bauen dieses Schachtes hier und den sämmtlichen darüber befindlichen Bauen der Neuen Hoffnung zugeführt, während der zweite untere Füllort, der also, wo wir jetzt stehen, den westlich gelegenen Bauen, die übrigens von keiner beträchtlichen Ausdehnung sind, einen Wetterstrom von etwa zweitausend Cubikfuß in der Minute zuführt, welcher durch das Flache Nr. 7 in die tiefste Stelle des Hoffnungsschachtes eintritt, jene Zwölflachterstrecke, die wir mit einander befahren haben.

Aber nun genug der Belehrung! Sie werden müde sein, ruhen wir darum auf der Bank dort ein paar Minuten aus, ehe wir uns von der Maschine wieder an das Licht des Tages aufziehen lassen.“

Die Reise durch die Unterwelt war vollbracht, sonder Fährniß und Abenteuer. Von keinem bösen Wetter getroffen, von keiner Wand, von keiner Decke lebendig begraben, saß ich wohlbehalten auf der Bank im Füllorte, – allein das allerschlimmste, das weitaus gefährlichste Stück meiner instructiven Expedition, die Ausfahrt zum Lichte aus einer fast achtzehnhundert Fuß messenden Tiefe auf schwankem Gestelle, also in einer Art von Schlot in die Höhe, in welcher der Thurm des Straßburger Münsters nahezu vier und ein halb Mal übereinander gesetzt werden könnte! – das stand mir noch bevor. Der Gedanke hatte etwas unbeschreiblich Grausiges, – er betäubte mich beinahe, ein kleiner Riß nur des Drahtseils, dem wir uns anzuvertrauen hatten, ein Defect an irgend einer beliebigen Schraube oder Parcelle der Dampfmaschine oben, ein falsch verstandenes Signal, – und wir waren verloren. Aber wollten wir nicht noch drei Stunden durch Strecken und Gänge fahren, über endlose Planken und Stufen klettern, um wieder da an’s Licht zu steigen, wo wir eingefahren waren – und das möchten kaum meine Füße und Kniee erlaubt haben, – so blieb uns nichts Anderes übrig, als der Hebeweg.

„Schlagen Sie an,“ commandirte mein Genosse – „daß man einige Bohlen auf das Gestelle legt, damit wir mit den Füßen nicht durchtreten; und dann,“ wandte er sich zu mir, „wenn die so ausgestattete Schale wieder herunter kommt, dann in Gottes Namen darauf und zu Tage! Das Tau ist ganz neu; wie Sie sehen, auch stark genug; es ist aus neunundvierzig einzelnen Drähten vom besten Holzkohleneisen auf das Festeste zusammengeflochten und wiegt seine vierundfünfzig Centner. Das hält uns Zwei schon, trägt es die zwanzig und mehr Centner wiegenden vollen Hunde, dann trägt’s uns gewiß! Also diese Angst wenigstens scheuchen Sie sich aus der Brust.“

Während wir auf unsere Reisekutsche warteten, theilte er mir noch einige Einzelheiten der Augustkatastrophe mit.

„Der Luftdruck war unter Anderem so gewaltig,“ erzählte er, „daß er hier das gesammte Holzwerk des Förderschachts zur Seite, zum Theil auch auseinander gepreßt hatte; und manche Stempel und Deckenbalken drüben im Hoffnungsschachte standen völlig umgedreht da, als wir zuerst eindrangen. Auch werden Sie bemerkt haben, wie, und lediglich durch diesen Luftdruck, in dem so schön gemauerten Querschlage, den wir vor wenigen Minuten durchwandert sind, ganze ellenlange Stücke aus dem Deckengewölbe, manchmal viele Zoll tief, gerissen waren. Daß alles Holzwerk darin und hier im Segengottesschacht überhaupt erneut werden mußte, haben Sie jedenfalls auch wahrgenommen. Die Wiederherstellung der Werke kostet Hunderttausende von Thalern, doch das möchte Alles sein, unser Chef ist reich, sehr reich, einen Andern hätte das Unglück vielleicht finanziell ruinirt, ihn ruinirt es nicht. Aber die Menschen, meine armen Cameraden – das frißt ihm und uns Allen am Herzen. Und das Aufsuchen, das Heraushacken und Herausschaufeln der Todten, das ich so manchen Tag mitgeleitet habe, und bei dem man in beständiger Gefahr schwebte, entweder in den bösen Wettern zu ersticken oder von dem Getrümmer erschlagen zu werden – es war entsetzlich, viel entsetzlicher, als es irgend eine Schilderung dargestellt hat und dazustellen vermag! Welche Scenen boten sich uns dabei dar! Bei einer habe ich damals laut aufgeweint. Denken Sie, da draußen, gar nicht weit von hier, fanden wir die Leiche eines alten, grauhaarigen Häuers liegen, und fest an sie geschmiegt, das hübsche, blonde Köpfchen an den breiten Rücken des Greises gepreßt, wie um hier Asyl und Stütze zu suchen, ruhte der Körper eines kaum sechzehnjährigen Burschen, eines sogenannten Hundejungen Es war unser hübschester Junge, ein allerliebster, von Allen wohlgelittener Mensch. Ich habe den Anblick lange nicht aus den Augen bringen können!“

Die Kette rasselte, die Förderschale stampfte polternd auf – jetzt galt es!

„Schlagen Sie Achtung!“ gebot der Einfahrer.

Es geschah.

„Signalisiren Sie nochmals Achtung, damit man oben ganz besonders auf der Hut ist!“

Auch das erfolgte.

„Und nun herzhaft vorwärts!“

Die sechs ominösen Schläge wurden gethan, die einen Menschentransport ankündigen, jene Schläge, die ich damals so oft mit klopfendem Herzen gezählt hatte oben in der Kaue, als sie die Ankunft neuer Opfer bedeuteten, und wir stiegen auf das Gestell, mein Geleiter links, ich zur Rechten.

„Bücken Sie sich, daß Sie sich nicht den Kopf einstoßen, und halten Sie sich fest am Gestell an.“

Dann faßte er mich selbst am Kittel, und – neues Kettengerassel, langsam, unsäglich langsam bewegte sich unser Vehikel in die Höhe. Dicht vor mir lag die enge Wand des Schachtes, aber bald sah ich nichts mehr, mir schwindelte, und ohne den Halt an meinem Gefährten wäre ich unbedingt umgesunken und – verloren gewesen. Nach einigen Secunden schwand der Taumel, allein nur um desto unangenehmeren Empfindungen Platz zu machen. Von Zeit zu Zeit, jedenfalls durch ungleiche Aufwickelung des Taues, geschah die Bewegung ruckweise, so daß der ganze Körper zitterte und jedes Mal mir der Gedanke kam, der Apparat zerbreche oder stürze unregiert in die endlose Tiefe hinab. Es war buchstäblich, im eigentlichsten Sinne des Wortes Todesangst, was ich litt. Der kalte Schweiß perlte mir auf der Stirn, dazu tropfte mir das Wasser durch den Kragen meiner Blouse auf den Hals und bis auf den Leib hinab, daß ich immer unwillkürlich zusammenzuckte, und die Luft heulte in dem tiefen Schlauche, als seien zweimalhunderttausend Teufel um uns losgelassen.

„Sind wir jetzt bald oben?“ frug ich meinem Nachbar mit matter Stimme.

„Noch nicht die Hälfte,“ lautete seine niederschmetternde Antwort.

Nein, ich kann es nicht länger ertragen! dachte ich, und von Neuem begann mich Schwindel zu umnebeln, wie scheinbar die Wand des Schachtes vor mir in die Tiefe hinabglitt. Dann wieder zogen alle möglichen Visionen an mir vorüber, mein unglückbedeutendes Umkehren oben am Eingang zur Tagesstrecke fiel mir ein und anderes tolles Zeug mehr, meine Pein stieg von Secunde zu Secunde, bis ich auf’s Neue halb bewußtlos stand und von meinem Führer fester gepackt wurde.

Ein neuer, diesmal Mark und Bein erschütternder Ruck. „Jetzt aber ist’s wirklich aus!“ dachte ich, aus meiner Betäubung aufgerüttelt – allein siehe da! von oben kommt’s heller und heller herein und langsamer, immer langsamer geht die Fahrt – wir nahen dem Tage. Und doch, diese letzten Secunden schienen die fürchterlichsten; denn je näher der Oberfläche, desto tiefer war der Sturz. Aber das Tau riß nicht, die Schraube gab nicht nach, kein Unheil ereignete sich; nur noch ein Ruck und Schlag kam, doch es war der letzte. Wir waren oben in der bergenden Kaue, das Gestelle stand mit dem Niveau ihrer Diele gleich, die [715] umgebende Schranke öffnete sich, ich trat auf den sichern festen Boden, vom Lichte geblendet wie eine Eule, und athmete lang und athmete tief.

Ein herzenskräftiges Glückauf erscholl aus dem Munde der umstehenden Arbeiter, und selten im Leben habe ich einen Gruß so warm, so recht aus tiefinnerster Brust, so jubelnd erwidert, wie dies Glückauf oben in der schwarzen, rußigen Kaue.

Mittlerweile war es Abend geworden; der Mond lag silbern auf der Hochfläche, wie ein Feuermeer sprühten die Funken aus den Schloten der Coaksöfen in den sternenklaren Nachthimmel hinein, und aus dem Thale herauf blitzten unzählige Lichter und sprachen von trauten Menschenheimstätten und trautem Zusammensein – und wie ich dann am Hange des Windberges, dessen finsterer Schooß mich mehr als drei Stunden lang umschlossen hatte, in den Grund hinabstieg, da erschien mir meine Auffahrt aus der Tiefe wie ein wüster Traum, wie ein Alpdrücken, wie eine Fieberphantasie, und ich konnte mich nicht satt athmen an der frischen Himmelsluft, nicht satt sehen an dem rings ausgegossenen Lichte, wenn es auch nur das Licht des Mondes war. Aber nie im Leben wieder auf dieses grausige Schachtgestelle! Mit diesem stillen Gelöbnisse rückte ich mich, nachdem ich meinem liebenswürdigen Führer noch einmal herzlich gedankt hatte für sein treues, lehrreiches Geleite, in der Ecke des Bahncoupés zurecht, welches den Müden nach Hause trug.

H. Scheube.     




Der neueste Gegner des Papstthums.

Der Brief des Paters Hyacinthe an seinen Ordensgeneral hat in allen Ländern unseres Welttheils das lebhafteste Aufsehen erregt. Dieser Brief ist ein Ereigniß von um so größerer Tragweite, als sich der frühere Carmelitermönch in frischem kräftigem Mannesalter befindet und, wie man annehmen darf, entschlossen ist, den Kampf, den er so muthig begonnen, eben so muthig fortzusetzen. Die Gartenlaube, als freisinniges Organ der Zeit, wird nicht unterlassen können das Portrait und die Lebensskizze des muthigen Mannes zu bringen, auch wenn sie, wie das bei ihrer großen Auflage begreiflich, damit allen übrigen illustrirten Zeitungen nachhinkt.

Pater Hyacinthe, oder wie er mit seinem Familiennamen heißt: Charles Loyson, 1827 in Orleans geboren, besuchte mit seinem ältern Bruder das College in Pau, wo er sehr eifrig den classischen Studien oblag. Er machte sich damals durch einen sehr lebhaften Sinn für die Poesie bemerkbar und unterließ es nicht, in den Erholungsstunden den Musen zu opfern, aber nur im Stillen und zu seinem eigenen Vergnügen. Er hat seine poetischen Versuche niemals der Oeffentlichkeit übergeben. Es muß dies hier deshalb bemerkt werden, weil seine Widersacher ihn als schlechten Poeten lächerlich zu machen suchen. Man hat ihn theils absichtlich, theils unabsichtlich mit einem seiner Vettern verwechselt, dessen Musenkinder allerdings nicht sehr gerathen sind.

Pater Hyacinthe.

Charles Loyson hatte kaum das achtzehnte Jahr zurückgelegt, als er in’s Seminarium St. Sulpice zu Paris trat. Hier wurde sein Gefühl der Unabhängigkeit gar oft durch die Regeln des blinden Gehorsams stark verletzt. Er unterwarf sich denselben freilich, aber nicht ohne innern und äußern Kampf, und es kam nicht selten zwischen ihm und seinen Vorgesetzten zu inneren Conflicten. Sein Fleiß, die Reinheit seines Charakters und die Strenge, mit der er diese Reinheit überwachte, rangen jedoch seinen Obern volle Anerkennung ab, und nachdem er vier Jahre im genannten Seminare zugebracht, erhielt er die priesterliche Weihe und wurde bald darauf zum Professor der Philosophie am Seminar zu Avignon, dann zum Professor der Theologie am großen Seminar zu Nantes und endlich zum Vicarius im Sprengel St. Sulpice zu Paris ermannt. Als solcher that er sich bereits durch seine Beredsamkeit hervor. Indessen blieb er nicht lange in dieser Stellung. Er trat in den Orden der Dominicaner. Die bitteren Enttäuschungen, die er in diesem Orden erlebte, trieben ihn 1862 nach Lyon, wo er in’s Carmeliterkloster trat. Der junge Carmelitermönch erwarb sich in dieser großen Stadt schnell den Ruf eines Kanzelredners von hoher Bedeutung, man drängte sich so sehr nach den Kirchen, wo sein gewaltiges Wort erklang, daß ihn der Bischof von Perigueux einlud, in der berühmten Kathedrale dieser Stadt während des Advents eine Reihe von Predigten zu halten. Der

[716] Erfolg blieb hinter den großen Erwartungen nicht zurück. Im Jahre 1864 kam er nach Paris. Hier bestieg er zuerst die Kanzel in der Madeleine, und schon nach der ersten Predigt war er der Held des Tages. Er predigte dann fünf Jahre während des Advents in der Notre-Dame-Kirche, und diese war dann immer so überfüllt, daß viele Hunderte, die sich von allen Enden und Ecken der Riesenstadt herbeigedrängt, keinen Zulaß finden konnten.

Wenn ihm nun diese Predigten, auf die wir bald zurückkommen werden, neben unzähligen Bewunderern auch viele heftige Widersacher zuzogen, so wurden dieselben auf’s Unversöhnlichste erbittert, als der Pater im vorigen Winter in einer Versammlung der Friedensliga und in Anwesenheit eines protestantischen Geistlichen und des Oberrabbiners von Paris ausrief, die mosaische, katholische und protestantische Religion seien Himmelsschwestern von ganz gleichem Range. Die finsteren Eiferer, die nicht genug bedauern können, daß die Scheiterhaufen für immer erloschen und daß die Inquisition für immer verschwunden, die finsteren Eiferer schrieen Ach und Zeter und beschuldigten den muthigen Pater der Gottlosigkeit. Dieser konnte und wollte keinen Schritt zurückweichen, und ein völliger Bruch war vorauszusehen. Der Bruch erfolgte denn auch bald durch seinen vom zwanzigsten September datirten Absagebrief. Die erste Abschrift desselben wurde dem „Temps“ zur Verbreitung eingesendet; zwei andere Abschriften gingen sodann nach Rom ab.

Am zwanzigsten September dieses Jahres hat Pater Hyacinthe mit der Ordenstracht seinen Mönchsnamen abgelegt. Er heißt jetzt wieder Charles Loyson. In diesem Augenblicke befindet er sich in den Vereinigten Staaten; aber noch vor Ende dieses Jahres wird er sich in Rom einfinden, nicht um dort zerknirscht Pater peccavi zu seufzen, sondern seine Ansichten unerschrocken zu verfechten. Er wird diesmal freiwillig nach Rom gehen. Voriges Jahr ist er vom Papste nach der ewigen Stadt citirt worden, um sich gegen die Anklagen zu vertheidigen, welche die ultramontane Partei gegen ihn erhoben. Bevor er sich indessen vor Pius dem Neunten stellte, wohnte er in seiner Ordenstracht den Verhandlungen des italienischen Parlamentes bei, was den Haß seiner Feinde womöglich noch vermehrte. Vergessen wir auch nicht zu erwägen, daß Abbé Loyson, sobald er das traurige Schicksal der Nonne Ubryk vernahm, seine Schwester, die sich ebenfalls im Kloster der Carmeliterinnen befand, aus demselben befreite.

Der große Ruf, dessen sich Abbé Loyson als Kanzelredner erfreut, ist durchaus gerechtfertigt. Das Wort fließt ihm leicht und voll von den Lippen. Seine Stimme ist eben so stark als wohlklingend, und er weiß durch die Kraft der Ueberzeugung seine Zuhörer zu begeistern. Mehrere sonst nicht leicht erregbare Personen haben uns versichert, daß sie durch seine Rede vor den Mitgliedern der Friedensliga im Hery’schen Saale wahrhaft hingerissen worden seien, und daß sie niemals den Eindruck vergessen werden, den diese Rede auf sie hervorgebracht.

Abbé Loyson hat vor Kurzem seinen zweiundvierzigsten Geburtstag gefeiert. Er ist also ein Mann, der kaum das Schwabenalter zurückgelegt. Seine äußere Erscheinung verräth keine ungewöhnliche Begabung. Er ist stämmig gebaut, und sein großer energischer Kopf sitzt auf sehr breiten Schultern. Die Ascetik des Klosters hat seinen Körper nicht vor der Zeit zerstört. Seine Stirne ist hoch und breit, sein Gesicht voll und derb, und in den Zügen drückt sich mehr Energie als geistige Ueberlegenheit aus; der feingeschlitzte Mund bekundet jedoch den Redner, dessen Wort die Massen zu beherrschen vermag. In der Unterhaltung zeigt sich der Abbé als ein sehr bescheidener Mann, der Andere gern reden läßt und eher lernen als lehren will. Er ist in seinem Urtheil sanft und mild, und seine Sittenreinheit ist so groß, daß auch seine blindesten und abgesagtesten Feinde dieselbe musterhaft nennen.

Die Ultramontanen haben indeß keine Zeit verloren, dem gefährlichen Carmeliter Verdächtigungen und Verleumdungen nachzuschleudern. In einem der wohlfeilen Büchelchen, durch die ihre Presse das Urtheil des Volks zu verwirren sucht, finden wir seinen Lebensgang erzählt und die Triebfedern seiner Handlungen enthüllt. In dieser Sammlung frommer Lügen wird Pater Hyacinthe den Ketzern und Apostaten zugezählt, die der Teufel der Popularität verführt hat. Das Urtheil über einen Menschen seiner Art läßt sich in die Worte zusammenfassen. „Welch’ ein Schuft! (quelle canaille) aber Talent hat er. Die Eigenliebe“ – wir lassen immer den halb geifernden, halb salbungsvollen Feind sprechen – „hat Pater Hyacinthe zu dem Glauben verleitet, daß er Victor Hugo und Lamartine entthronen könne. Vom Schwindel der Eitelkeit erfaßt, ist er mit der Hartnäckigkeit eines castilischen Maulesels dem Abgrunde zugerannt. Er hat sich der Hölle verpfändet, um neue Schrecken, wie die von 1793, heraufzubeschwören, aber Frankreich wird ihm auf diesem Wege nicht folgen. Den Scandal seines Briefes leitete er durch einen anderen Scandal ein, durch die Fortführung seiner Schwester aus dem Kloster. Da haben die österreichischen Juden die einfältige Lüge von Barbara Ubryk erfunden. Pater Hyacinthe wußte und wurde von dem Superior des Klosters seiner Schwester ausdrücklich daran erinnert, daß geisteskranke Nonnen mit der höchsten Milde behandelt und mit der liebevollsten Sorgfalt gepflegt werden. Trotzdem führte er seine Schwester mit sich fort, ‚und am andern Tage erfuhr man, daß die Nonnen von Krakau von den Gerichten freigesprochen worden seien. Die liberalen Zeitungen hatten mithin auf der ganzen Linie gelogen!‘

Die Entsagung seines Predigtamts ist eine Rückkehr zu den Fleischtöpfen Aegyptens: die Fastenspeise ist dem Carmeliter zu mager gewesen. Freilich hat ihm, dem Mann, der Phrase ,die jungfräuliche Reinheit der Wahrheit‘ eben so wenig gefallen können, wie der anspruchsvollen Barbara Ubryk die ‚höchste Milde und liebevollste Sorgfalt ihrer Mitschwestern‘. Aber sein Loos wird schrecklich sein: Gewissensqualen in schlaflosen Nächten und endlich der Sturz in die Finsternisse des Abgrundes, wo er die Protestanten und Juden finden wird, welche die Katholiken umgeben, wie die beiden Schächer den Heiland am Kreuze.“

Also die Frommen über den Pater Hyacinthe, jetzt Herr Loyson. Bereits ist die große Excommunication über ihn ausgesprochen worden.




Schöne Geister und schöne Seelen.
Von E. von Hohenhausen[WS 1].
3.0 W. von Humboldt und die Doctorin Diede.

Am 16. Juli 1846 starb eine einsame alte Frau in einem ärmlichen Hause der Wilhelmshöher Allee zu Cassel; sie war eine fünfundsiebenzigjährige Greisin und fristete ihr Leben mit ihrer Hände Arbeit und zwar mit einer Arbeit, die eigentlich nur für die Jugend paßte. Zarte künstliche Blumen hatten ihre alten zitternden Hände geschaffen. Aus der Werkstätte des einsamen trauernden Alters ging der zierliche Blumenschmuck hervor, den die lachende Jugend in Gesellschaft und auf Bällen trug. Wie manche Thräne, wie mancher Seufzer der Erinnerung mochte die mühsame Arbeit begleitet haben!

Die arme alte Frau, die Blumen und Kränze flocht, um ihr tägliches Brod zu gewinnen, war auch einst ein junges Mädchen, wohl schöner als die Trägerinnen ihrer Arbeiten; sie war auch glücklich gewesen, aber freilich nur sehr kurze Zeit! Sie war eine Pfarrerstochter, anmuthiger und liebenswürdiger, wie jemals eine solche von den Dichtern damaliger Zeit erfunden und gefeiert worden ist. Durch den Vicar of Wakefield, Voß’ Louisen-Idyll, und selbst Bürger’s Pfarrer von Taubenheim hatten die Pfarrerstöchter einen poetischen Nimbus erhalten, den auch Goethe bei seiner Friederike von Sesenheim als bezaubernd empfand.

Die arme alte Blumenmacherin hieß Charlotte Hildebrand, ihr Vater war ein wohlhabender Pfarrer im Hannoverschen; sie hatte eine sorgfältige Erziehung, eine beinahe gelehrte Bildung empfangen. Mit neunzehn Jahren schwärmte sie für’s „Wahre, Gute und Schöne“, las philosophische Schriften, dichtete und sehnte sich nach einer idealen Freundschaft. Sie lebte auf dem schönen Stückchen Erde, welches durch das Wesergebirge gebildet wird. Die lieblichen Bergschluchten, die saftgrünen Wiesen, die Eichkämpe

[717] und die strohgedeckten Bauernhäuser waren die malerische Staffage ihrer Spaziergänge und Landpartien.

Namentlich führten letztere sie oft nach einem Jagdschlößchen des Landesherrn von Bückeburg, Baum genannt, das einsam wie ein Falke in einer grünen Wildniß thronte. Hier hatte Herder gewohnt als Günstling des Feldherrn und Philosophen Wilhelm von Schaumburg-Lippe, und als Freund seiner liebenswürdigen Gemahlin, eines Fürstenpaares, das der alte Mendelssohn verehrt und geschildert hat in seinen Schriften. Ein Grabmal erhob sich über den vereinigten Särgen des durch eine glückliche Ehe und anbetende Liebe verbundenen Paares, es bildete einen Wallfahrtsort für alle schwärmenden Gemüther damaliger Zeit.

Auch die holde Pfarrerstochter nährte dort ihre jugendliche Phantasie mit Träumen von einer idealischen Ehe und ahnte nicht, daß sie sich nie erfüllen sollten. Die Erinnerung an das Jagdschlößchen Baum bei Bückeburg war eines der freundlichsten Bilder ihres einsamen Alters! Aber auch die andern schönen Punkte des Wesergebirges sah das junge Mädchen in Begleitung ihrer wohlhabenden Eltern, die, der damals schon verbreiteten Sitte gemäß, alljährlich einen Badeort besuchten. Das nahe Rehburg mit seinen unvergleichlichen Tannenwäldern und Wiesenmatten, das liebliche Eilsen, das in dem tiefen Thalkessel mit seinen rothen Dächern wie eine Schale frischer Aepfel in grünen Blättern sich ausnahm, und zuletzt auch das stolze Modebad von damals, Pyrmont, lernte Charlotte Hildebrand kennen.

In dem Lindendom der Pyrmonter Allee saß sie einst mit ihrem Vater auf einer Bank nahe an der kühlenden Fontaine, da setzte sich ein Jünglatg zu ihnen. Er hatte einen schlechten Rock, aber gute Manieren; er war häßlich, aber er sah geistvoll aus. Man wurde damals leichter bekannt in den Bädern, man war nicht so mißtrauisch wie jetzt gegeneinander, und binnen wenigen Minuten hatte das schöne junge Mädchen ihren Nachbar zu einem eingehenden philosophischen Gespräch begeistert. Sie lauschte auf seine Worte, als kämen sie aus einer bessern, bisher nur geahnten Welt, und er freute sich des lieblichen Ohrs, des holden Mundes, die. so verständnißreich hören und so anregend reden konnten.

Der Pfarrherr, ebenfalls von dem Jüngling bezaubert, den er für einen Göttinger Studenten hielt, lud ihn herablassend zum Mittagsessen ein, und man ging gemeinschaftlich in den Speisesaal. Dort enthüllte es sich denn, daß der feurige Redner allerdings ein Student aus Göttingen, aber ein sehr vornehmer, Wilhelm von Humboldt aus Berlin, war.

Es ist bekannt, daß er damals und auch später ein sehr unscheinbares Aeußere besaß; im besten Frack sah er noch aus wie ein Schneiderlein, grau, klein und dünn, wie mußte er sich erst in dem schlechten Reiseanzug ausnehmen! Aber die junge Freundin erkannte doch die innere Schönheit und sprach noch nach einem halben Jahrhundert von „der klaren Ruhe seines Wesens und von der wohlthätigen Wirkung seiner Unterhaltung, von dem tiefen, nie erloschenen Eindruck, von den geheiligten Empfindungen“, die er in ihr hinterlassen hatte.

Drei glückliche Tage eines freien, unbeschäftigten Badelebens, in dem man jetzt die dreidoppelte Stundenzahl anderer Tage besitzt, flossen dem jungen Mädchen im ununterbrochenen Verkehr mit Wilhelm von Humboldt dahin. Er schrieb ihr nach damaligem Gebrauch eine pathetisch-zärtliche Sentenz in ihr Stammbuch und reiste ab, ohne ein Wort von Liebe geredet zu haben, obwohl sein ganzes Herz durchglüht schien von dem seelischen Liebreiz der Pfarrerstochter. Sie selbst fühlte sich unendlich bereichert im Innern und pflegte noch mehr als sonst eine schwärmerische ernste Stimmung in sich; sie war zu bescheiden, zu echt weiblich demüthig, um irgend eine Hoffnung auf eine nähere Verbindung mit dem vornehmen, geistig bedeutenden Jüngling zu hegen, in dem ihr liebevoller Scharfblick schon den einst berühmten Mann erkannte. Sie verschloß „die vorübergegangene schöne Erscheinung in das Allerheiligste ihres Innern und sprach nie darüber, sicherte sie so vor Entweihung durch fremde Berührung“.

Diese Begegnung fand am 16. Juli 1786 statt. Humboldt hatte die Absicht ausgesprochen, im Herbste das Pfarrhaus zu besuchen. Er kam aber nicht, sondern blieb länger als er wollte in Pempelfort bei Jakobi, dem damaligen Sammelplatz großer Geister. Wie mag das junge Mädchen sehnsüchtig geharrt und in dem kleinen Garten, wo Rosen und Gemüse durcheinander wuchsen, nach dem Seelenfreund ausgeschaut haben! Sie beschreibt einmal gelegentlich ihr Vaterhaus und seine hübsche idyllische Lage im Grünen; ein Bächlein rauschte an der Gartenhecke vorüber und ein schwankender Steg führte in einen Wiesengrund von Gebüsch umgeben. Dorthin lenkte das junge Mädchen am liebsten die Schritte, wenn es allein sein und träumen wollte. Die Herbstnebel wallten wie Schleier im Mondenschein und zauberten Ossian’sche Bilder vor die Augen der holden Schwärmerin. Sie las ihr Stammbuchblättchen im stillen Kämmerlein wehmüthig durch:

     „Gefühl für’s Wahre, Gute und Schöne adelt die Seele und
beaeligt das Herz, aber was ist es, selbst dieses Gefühl, ohne eine
mitempfindende Seele, mit der man es theilen kann!
     Pyrmont, 1788.   Wilhelm von Humboldt.“

Aber die „mitempfindende Seele“ blieb aus! Statt dessen kam ein Doctor Diede und warb dringend um die hübsche, wohlhabende Pfarrerstochter. Sie hätte ihm gern einen Korb gegeben, aber ihre Eltern fanden an ihm nichts auszusetzen und verlangten streng ihr Jawort. Es gehörte in früheren Zeiten gewissermaßen zum Anstand, die Töchter recht früh zu verheirathen, und jede rechtschaffne Mutter hielt es für eine häusliche Schmach, wenn sie dieselben lange bei sich behalten mußte. Wie mancher Mädchentraum ist und wird von einem unwillkommenen Freier zerstört!

Als Frau Doctorin Diede zog die kaum zwanzigjährige Charlotte in Cassel ein; sie erzählte dies Ereigniß mit den melancholischen kurzen Worten: „Ich wurde verheirathet im Frühling 1789, lebte nur fünf Jahre in dieser kinderlosen Ehe und ging keine zweite ein.“

Nur drei Jahre später verheirathete sich auch Wilhelm von Humboldt mit einer reichen Erbin, Fräulein von Dachröden, die als geistreiche Schönheit, obwohl sie etwas verwachsen war, viele Männer bezauberte, unter Anderen auch den Baron von Burgsdorf, den Baron von Senfft-Pilsach u. A. m. Jedoch lebte sie in einer durchaus glücklichen und harmonischen Ehe mit Humboldt, dem sie zwei Söhne und drei Töchter schenkte. Er sprach stets mit der höchsten Achtung und Liebe von ihr; sein Zeugniß scheint uns ausreichend, um die Verleumdungen zu wiederlegen, die bald laut, bald leise sich gegen sie erhoben haben.

Die Ehe der Doctorin Diede wurde nach fünfjähriger Dauer geschieden; sie war ohne Neigung in diese Ehe eingetreten und glaubte sich deshalb berechtigt, dieselbe aufzulösen, ein moralischer Irrthum, den sie schwer büßen sollte!

Der jungen Frau war die Fessel der Ehe besonders drückend erschienen, weil sie eine romantische Neigung empfand für einen hessischen Edelmann; sie hoffte, er würde sie durch eine eheliche Verbindung für das Opfer ihres Rufes und für das öffentliche Aergerniß, welches ihre Ehescheidung gab, entschädigen, aber sie hatte sich in ihm getäuscht. Er war eine rohe Natur, er verlachte ihre sentimentale Liebe und heirathete später seine Haushälterin.

Durch ihre Scheidung war die Doctorin Diede um die sichere Stellung als Frau gekommen, und in den Kriegsjahren unter Napoleons Joch verlor sie auch ihr ganzes Vermögen. Sie lebte einige Zeit in Braunschweig, wo der mildherzige Herzog ihr einen Ersatz für ihre Verluste versprach, allein er konnte seine gute Absicht nicht ausführen, er fiel bei Waterloo. Ohne alle Hülfsmittel, nicht mehr jung, kränklich und verlassen, war die Doctorin Diede der Verzweiflung nah und sah kein einziges Hülfsmittel als erreichbar vor Augen.

Da fand sie in den Zeitungen den Namen Wilhelm von Humboldt lobend erwähnt, der als Bevollmächtigter des Königs von Preußen beim Congreß in Wien thätig war. Die theure Erinnerung an die drei glücklichen Tage in Pyrmont gab ihr den Muth, sich in ihrer großen Noth an den jetzt berühmten, mächtigen Mann zu wenden. Sie begann unter Herzklopfen und Thränen folgenden Brief: „Nicht an Eure Excellenz, nicht an den königlich preußischen Minister – nein, an den unvergessenen, unvergeßlichen Jugendfreund schreibe ich, dessen Bild ich eine lange Reihe von Jahren verehrend im Gemüth bewahrt habe, der nie wieder von dem jungen Mädchen hörte, das ihm einst begegnete, mit dem er drei fröhliche Jugendtage verlebte in jenen schönen Gefühlen, die uns noch spät in Erinnerung beseligen und erheben. Der Name, auf den die Welt jetzt mit so großen Erwartungen blickt, der Platz, auf den Sie so früh durch geistige Begabung gestellt sind, machte es mir nicht schwer von Ihnen oft zu hören und Sie mit meinen Gedanken zu begleiten … Ich habe das liebe Blättchen unter [718] den kleinen Heiligthümern der Jugend sorgfältig vor allen andern bewahrt, als das einzige Pfand und Siegel der reinsten und zugleich der einzigen Lebensfreude, die mir das Schicksal zugewogen. Dies Blättchen, das ich mir zurückerbitte, wird Eure Excellenz eine Bekanntschaft zurückrufen, welche die großen Bilder und Ereignisse Ihres Lebens längst verwischt und ausgelöscht haben werden. Im weiblichen Gemüth sind solche Eindrücke tiefer und unwandelbar, um so mehr, wenn es (welche Bedenklichkeit könnte mich zurückhalten, Ihnen nach sechsundzwanzig Jahren diesen Beweis von Verehrung zu geben?) die ersten ungekannten Regungen erster erwachender Liebe waren, so geistiger Art, wie sie wohl bei der edlern Jugend immer sind. Für die weibliche Jugend und die Entwicklung des Charakters aber ist es von höchster Wichtigkeit, für welchen Gegenstand die ersten Gefühle erwachen. Die Gefühle wandeln die Zeit. Das tief in’s Gemüth gesenkte theure Bild aber erbleicht nie. An dies geliebte Bild, das höher und immer höher erschien, lehnte sich fortan mein Ideal von Männerwerth und Hoheit. Hier ruhte ich aus, wenn ich unter dem schweren Leben am Erliegen war; hier richtete sich mein Muth auf, wenn mein Glaube an die Menschheit schwankte! Glauben Sie mir, ewiggeliebter Freund (Sie verzeihen dem Herzen diese Benennung), ich bin gereift unter großen Schmerzen, nicht entadelt, noch je durch unwürdige Empfindungen entweiht.“

So hatte denn dies arme Herz doch noch das Liebesgefühl sich klar eingestanden, welches sie damals in dem schönen Pyrmont beseligte und welches sie ein Vierteljahrhundert verschwiegen hatte.

Auf diesen mit dem Herzen geschriebenen Brief antwortete der preußische Minister noch am selben Tage, da er ihn erhielt. Er war tief gerührt und ergriffen von dieser Jugenderinnerung; vielleicht mochte auch ein leises Bedauern durch seine Seele ziehen, daß so liebliche Rosen der Liebe ungekannt und ungeahnt von ihm einsam verwelkten. Zugleich fühlte er auch wohl die Verpflichtung, einem unglücklichen Wesen, das auf ihn vertraute wie auf die Vorsehung, wirklich ein Erretter zu werden. Er schrieb ihr voll der herzlichsten Theilnahme und dem edelsten Zartgefühl; er überredete sie, auf einige Zeit sich ganz seiner Fürsorge zu überlassen, und zwang sie geradezu, eine Geldsumme von ihm anzunehmen, um erst alle Nahrungssorgen von ihr zu entfernen. Ihr Stolz bequemte sich jedoch nur so lange dazu, als ihre Kränklichkeit anhielt; sie ging auf Humboldt’s ausdrücklichen Wunsch nach Göttingen, weil sie dort noch von den Jugenderinnerungen zehren konnte, die der geliebte Freund dort hegte. Sie folgte dem Rath desselben, sich zu schonen; als sie sich aber wieder wohl fühlte, zog sie nach Cassel zurück und begann ihre mühsame Blumenarbeit. Nur auf dringendes Bitten Humboldt’s entschloß sie sich, eine kleine Pension von ihm anzunehmen, die als regelmäßiger Zuschuß eine große Erleichterung ihres Broderwerbs darbot.

Aber eine andere Gabe des Freundes gewährte ihr wahres Lebensbrod, unvergängliche Seelenspeise, die Briefe, die er ununterbrochen mehr als zwanzig lange Jahre ihr schrieb; sie sind Eigenthum der gebildeten Welt geworden und ein Trostbuch für alle Vereinsamten darin. Wer kennt nicht Humboldt’s Briefe an eine Freundin? Mit dem edelsten Zartgefühl und einer rührend liebenswürdigen Ritterlichkeit schrieb der alte Mann an seine einsame alte Freundin und gab ihr Trost, ja mehr als das, er gab ihr auch Freude, denn er regte sie zu geistiger Thätigkeit an, indem er Alles mit ihr besprach, was in den Kreis seines eigenen Dichtens und Trachtens kam.

Der verneinende Geist der Zeit hat den edlen Briefsteller oft lächerlich zu machen gesucht wegen dieser innigen Hingabe an eine arme alte Frau. Der Beweggrund dazu läßt sich einfach erklären, wenn man bedenkt, „daß nichts den Menschen so innig an einen andern fesselt, als das Bewußtsein, ihn bis in’s innerste Herz zu beglücken“. Dies Bewußtsein konnte Humboldt in vollstem Maße seiner alten Freundin gegenüber haben; der geistige Zusammenhang mit ihr bildete den einzigen Lichtpunkt ihres sonst so dunklen Lebens.

Zweimal machte er ihr auch die Freude, ihn von Angesicht wiederzusehen; die beiden alten Herzen genossen wehmüthig die verblichenen Erinnerungen ihrer Jugend zusammen, und die briefliche Verbindung wurde nur noch inniger nach diesem mündlichen Verkehr. Niemand hatte geahnt, daß der berühmte Humboldt die einsame kümmerliche Behausung der armen, vergessenen, einst vielfach getadelten Doctorin Diede aufgesucht hatte, selbst die wenigen näheren Bekannten, die sie noch in Cassel besaß, erfuhren nichts davon. Eben so verborgen hielt sie das ihr so heilige Briefgeheimniß; erst nach Humboldt’s Tode enthüllte sie es, weil sie es für Pflicht hielt, den reichen Geistesschatz nicht eigennützig für sich allein zu behalten, sondern ihn der Mit- und Nachwelt zu überliefern. Sie ging mit Eifer an die Herausgabe von Humboldt’s Briefen, nachdem sie dieselben beinah zu ängstlich von jeder möglichen Indiscretion im Urtheilen über Andere gesichtet hatte. Eine damals junge literarische Celebrität, Therese von Bacharacht, geborene von Struve, war ihr bei dieser Arbeit behülflich und erhielt von ihr dieselbe als eine Art Schenkung für früher gewährte Unterstützungen.

Diese liebliche Therese war eine frische Rose in dem verdorrten Lebenskranze der Freundin Humboldt’s; sie war eine Pathin von Therese Huber, mit der ihr Vater als russischer Gesandter in Stuttgart sehr befreundet gewesen war. Durch den nahen Verkehr mit dieser Schriftstellerin wurde Therese gleichsam für die Literatur prädestinirt; sie lernte die Doctorin Diede als Lehrerin kennen und enthusiasmirte sich für die geistvolle Dulderin, die in ihrer Freude über die jugendliche Verehrerin eine sehr schmeichelhafte Beschreibung über dieselbe an ihren Freund Humboldt sandte. Leider führte der spätere allzu romantische Lebenswandel der reizenden Therese Zerwürfnisse mit der streng moralisirenden Doctorin Diede herbei und veranlaßte auch nachtheilige Einwirkungen auf die Herausgabe der Briefe Humboldt’s, namentlich ist darin wohl die Ursache zu suchen, daß dieselbe so wenig Eigenes aus der Feder der Empfängerin enthält. Die geschickte Hand Theresens würde gewiß darin bessere Auswahl getroffen haben; es ist sehr zu bedauern, daß die geistreichen Aussprüche, die oft an Rahel erinnerten, der Lesewelt verloren gegangen sind.

Die Doctorin Diede überlebte ihren Freund länger als zehn Jahre und hatte noch den Trost, daß der edle Alexander von Humboldt die Pension auszuzahlen übernahm, welche sein Bruder ihr als Unterstützung gegeben hatte.




Erinnerungen aus dem letzten deutschen Kriege.

Nr. 14.0 Einquartierungs Freud und Leid.

Die Schlacht von Königsgrätz war geschlagen und in aufgelöster Flucht entschaarten sich die Oesterreicher weithin durch das böhmische Land. Einen heißen, blutigen Kampfestag hatten wir durchfochten und bei der Tapferkeit der Gegner, namentlich der sächsischen Truppen, die uns gegenüberstanden, schreckliche Verluste erlitten. Von meinem Bataillon lag fast die Hälfte der jungen, lebenskräftigen Männer, die so frisch und fröhlich mit mir die Heimath verlassen, theils verwundet, theils leblos auf dem blutigen Gefilde. Und wir noch Lebenden waren durch die oft fehlende Nahrung und das unregelmäßige Leben, durch die weiten Eilmärsche und die heißen Gefechte so erschöpft, körperlich und geistig, daß uns eine längere Ruhe dringend nöthig war. Bis jetzt hatten wir in der Avantgarde unseres Armeeeorps gestanden und wenig Ruhe gehabt; da mußten nach langem, erschöpfendem Marsch noch die Vorposten bezogen und Patrouillen gegangen werden, und so entbehrten wir bei so mühevollen Tagen auch noch des stärkenden Schlafes. Auch die Führer erkannten unseren Zustand wohl, deshalb wurden wir kurz nach der Schlacht bei Königsgrätz in die Reserve der Division genommen und hatten von jetzt an nur kleine, wenig anstrengende Tagemärsche.

Schon seit langer Zeit war unser Nachtlager nur der kalte Erdboden, der nur manchmal durch untergelegtes Heu oder Stroh etwas angenehmer gemacht werden konnte, und unsere Decke der oft sehr trüb umzogene Himmel gewesen. Es war also natürlich, daß wir Alle uns recht darnach sehnten, einmal wieder unter Dach und Fach zu kommen. Oft, wenn ich so auf wenigem Stroh

[719]

Einquartierung in Böhmen. 0Originalzeichnung von Chr. Sell in Düsseldorf.

[720] liegend recht jämmerlich im nächtlichen Regen fror und vergeblich den Schlaf ersehnte, erinnerte ich mich daran, mit welch’ maulendem Gesicht und ärgerlichem Unbehagen ich mein erstes Strohlager in Polnisch Breule, einem kleinen Dorfe Schlesiens, eingenommen und mit Schmerzen der weichen mütterlichen Federbetten gedacht hatte. Doch tempora mutantur! jetzt hätte ich wohl viel gegeben, ein solches Lager wieder einmal zu genießen!

„O Wonne! Heut’ kommen wir in Quartier!“ lief es von Mund zu Mund, als wir zum Abmarsch vom Bivouac antraten. Fünf Stunden hatte unser Marsch gedauert, bald bergauf, bald bergab, bald durch grünende Wiesen und fruchtbare Felder, und bald durch duftigen Wald, da lag in einem lieblichen Thale unter uns das ersehnte Ziel, ein kleines Dörfchen. In vielfachen Windungen führte uns die Chaussee den Abhang des Berges hinunter; vor dem Eingang in’s Dorf machten wir Halt, die Fouriere meiner Compagnie erschienen und theilten die Quartierbillets aus.

„Strzevo“, radebrechte ich von meinem Zettel, „Schenkwirth des Dorfes.“ Mit mir hatte das gleiche Quartier ein Unterofficier, Cadet Z., mit neun Mann zu theilen.

„Still gestanden, das Gewehr über, marsch!“ commandirte der letztere seinen Hausgenossen, und hinter dem kleinen Zuge her schritt ich in’s Dorf. Einen schmutzigen, zerlumpten Jungen, der, beide Hände im Munde, eifrig beschäftigt war, mit der Reinigung seiner Finger auch noch einen Zungenschmaus zu verbinden, und uns verwundert anglotzte, rief ich an: „Wo liegt denn das Wirthshaus des Dorfes?“

„Nerozumi!“ (ich verstehe nicht) war die Antwort.

„Das Wirthshaus oder die Schenke des Dorfes mein’ ich!“ schrie ich nochmals.

Ein höhnisches Grinsen überlief sein Antlitz; endlich zog er die eine Hand aus dem Mund. „Nerozumi!“ ertönte wiederum, und dahin lief er!

Ein zweiter Versuch, dasselbe Resultat. Verblüfft drehte ich mich nun zu meinen Leuten um, die mich aber auch nicht sehr schlau ansahen; eine dämmernde Ahnung stieg in unserer Seele auf, und in ein schallendes Gelächter brachen wir aus, als Cadet Z. seufzend unseren Gefühlen die Worte verlieh: „Das sind wirklich böhmische Dörfer!“

Was war zu thun? Entschlossen trat ich auf ein Haus zu und pochte an die Thür: ein Weib erschien, das ich nach seinem Aeußeren und nach dem Blick, den ich in das Innere der Wohnung warf, dringend in dem Verdacht hatte, die Mutter jenes vorhin erwähnten Buben zu sein. Ich frug wiederum nach der Lage des Wirthshauses und wies zu gleicher Zeit mein Quartierbillet vor; aber wiederum dieselbe Antwort: „Nerozumi“. Um mich verständlich zu machen, deutete ich nun auf ihr Haus und machte die Bewegung des Trinkens. Fest überzeugt, jetzt einen sichern Erfolg erlangt zu haben, schielte ich triumphirend seitwärts, um mich an den sicher über meine geschickte Zeichensprache staunenden Mienen der Soldaten zu weiden. Mit einer ungeheuren Zungenfertigkeit ergoß aber das Weib einen Schwall unverständlicher Worte über mich, aus denen ich nur das öftere, mit Betonung wiederholte „wodu“ (Wasser) verstand; dann stürzte sie in das Haus zurück und erschien mit einem Krug Wasser. Sie hatte geglaubt, wir wollten bei ihr trinken. Etwas beschämt schüttelte ich mit dem Kopfe, wies nochmals auf unser Quartierbillet hin und rief ihr mit stolpernder Zunge den Namen unseres künftigen Wirthes „Strzevo“ zu.

Laut lachte das Weib über unsern Barbarismus auf; aber wir waren zu erfreut, um dies zu strafen, als wir sahen, sie hatte unser Verlangen verstanden. Mit der Hand winkend eilte sie vor uns her und führte uns zu einem niedlichen Hause, das vortheilhaft von seiner Umgebung abstach. Wir traten hinein, und einem lieblichen Mädchen von ungefähr achtzehn Jahren, das uns entgegentrat, übergab ich, obgleich fest überzeugt, nicht verstanden zu werden, mit den Worten. „Zwölf Mann Einquartierung!“ unseren Zettel.

„Treten Sie gefälligst ein!“ ertönte zu unserer freudigen Ueberraschung aus dem Munde des Mädchens.

„Wie? Was?“ sagte ich, „Sie sprechen ja deutsch!“

„Nun, ist denn hierbei etwas zu verwundern?“ entgegnete sie schelmisch lächelnd. „Doch machen Sie sich’s nur bequem, ich werde unterdeß etwas zu essen besorgen;“ und wie eine kleine Elfe, so flink und hurtig, so zierlich und anmuthig verschwand sie durch die Thür, deren braune eichene Pfosten ihr liebliches Bild, das uns mit seinem blonden Haar und den funkelnden, lachenden blauen Augen so traulich anheimelte, gar eigen umrahmten. Noch sann ich nach, wie wohl eine solche Blume auf diesem Boden hatte entstehen und gedeihen können, als schon Z. jubelnd ausrief: „Hier ist es gut sein, Herr Lieutenant, wir haben den Vogel abgeschossen.“ Dann schnalzte er laut mit der Zunge, tanzte durch das Zimmer und warf einen verzweifelt verliebten Blick auf die geschlossene Thür, durch welche eben unsere kleine Fee verschwunden war. Unsere erste Sorge war nun, die Spuren des Marsches von uns zu entfernen. Z., ein Rheinländer, konnte damit nicht fertig werden, schon zum zwanzigsten Mal schaute er in den Spiegel, strich sich kühn die Haare zu einer stolzen Dolle empor und drehte dem Schnauzbart zwei schwungvolle Spitzen. Ueber seine siegeszuversichtliche Eitelkeit in ein helles Gelächter ausbrechend, verließ ich das Zimmer und trat in den Hof, als ich plötzlich hinter mir die wohllautenden Worte hörte. „Was erfreut Sie denn so, Herr Preuße?“ Und sieh! Das liebliche Mädchen stand hinter mir und schaute mich mit den blauen Augen so wundersam an. „Worüber lachen Sie denn so?“ wiederholte sie erröthend, da ich, ohne zu antworten, sie nur stumm anschaute.

„Wo wollen Sie denn hingehen?“ frug ich, da ich sah, daß sie ein leeres Körbchen in der Hand trug.

„Ach, nur in den Garten, um etwas Grünes für die Suppe zu holen,“ war die Antwort.

„Nun, dann werde ich Sie begleiten, wenn Sie es erlauben, und Ihnen den Grund meiner Heiterkeit mittheilen.“ Zögernd nickte sie, und munter plaudernd schritt ich neben der anmuthigen Gestalt hin. Wie wundervoll tönte ihr silbernes Lachen mir im Herzen wider; wie behende glitt das zarte Füßchen durch das duftende Grün, und wie geschäftig pflückte das Händchen die würzigen Blätter!

„Ich weiß nicht,“ sagte ich, „Sie sind doch wohl eine geborene Deutsche; woher reden Sie sonst wohl diese Sprache so rein, woher das blonde Haar und die Augen?“

„Ach!“ sagte sie, und trauernd und trüb umwölkte sich das zarte Antlitz. „Mein Vater ist ein Böhme, aber meine gute selige Mutter war eine Deutsche; ich hatte sie so lieb, so lieb, und mit gleicher Zärtlichkeit umfaßte mich ihr Herz, sie war so gar nicht wie die Frauen hier im Dorf, die so unreinlich und unwissend, so falsch und gefühllos sind. Ihr verdanke ich mein Wissen und die Kenntniß ihrer Muttersprache; allein wo sollte ich hier etwas lernen? Und manches schöne deutsche Lied, das ich aus ihrem Munde gehört, steht mir fest im Herzen eingeschrieben und seine sanften, treuen und milden Melodien beruhigen oft meinen Schmerz und die Sehnsucht nach der theuren Abgeschiedenen. Es ist dann, als spräche ihr Geist in den schmelzenden Tönen zu mir.“ Traurig senkte sie das Köpfchen. „Mein Vater,“ so erzählte sie weiter, „lernte sie in Prag kennen, heirathete sie dort und zog dann mit ihr hierher. Er hatte sie sehr lieb, aber er verstand das zarte Wesen meiner Mutter nicht, und so verletzte er sie oft, wo er es selbst gut mit ihr meinte. Dazu mochte noch kommen, daß sie sich unter diesem ungesitteten Volk stets fremd fühlte. So kümmerte sie hin und verschied wie ein zartes Pflänzchen, das nur auf heimischem Boden unter der sorgsamsten Pflege gedeihen kann. Mein Vater war sehr erschüttert von ihrem Tode, und der noch immer zehrende Gram hat ihn sehr darniedergebeugt, und so,“ setzte sie, sich von ihrer Traurigkeit aufraffend, hinzu, „führe ich eigentlich die Wirthschaft allein.“

„Dann müssen Sie auch gut Böhmisch sprechen?“ frug ich.

„O ja,“ erwiderte sie, „noch besser als das Deutsche; aber ich habe dieses in mein Herz geschlossen, als die Sprache meiner lieben Mutter, und freue mich jedesmal inniglich, wenn ich die Gelegenheit habe, mit Jemand einmal wieder in dieser Sprache zu reden. Doch Sie wollen gewiß Böhmisch von mir lernen?“ frug sie, mich schelmisch anblickend.

„Ich weiß nicht, wie mir in diesem Augenblick der Muth kam. „Ja, ja,“ nickte ich und schaute ihr in das rosige Antlitz; „was heißt denn im Böhmischen: ‚Holdes Mädchen‘?“

„Heska holka,“ antwortete sie zögernd.

Und dann fuhr ich fort: „‚Ich liebe Dich‘?“

„Já tebe mamrád,“ flüsterte sie.

„‚Gieb mir ein Küßchen‘?“

[721] „Dej mi hubiczku,“ sagte sie erröthend und mit abgewendetem Antlitz.

Da faßte ich heiß ihre Hand, führte sie an mein Herz und flehte noch einmal: „Heská holka, já tebe mamrád, dej mi hubiczku!“

Und mit verschämten Wangen mich schelmisch anschauend und leise den Kopf schüttelnd, lispelte sie: „Nerozumi“ (ich verstehe nicht).

Aber als ich sie trüb anschante und ihre Hand fallen ließ, da sprang sie auf, umfing mich heiß, und innig preßten sich ihre würzigen Lippen auf die meinigen. „Du böser Mensch!“ hörte ich noch, und verschwunden war sie wie ein schöner Traum, den man vergeblich zurückwünscht. Aber mit tiefen, unvergeßlichen Schriftzügen sind meinem Herzen für immer jene Worte, mein erstes Böhmisch, eingegraben: „Heská holka, já tebe mamrád, dej mi hubiczku“.

Es war dies mein süßestes Abenteuer in Feindesland. Unser nächstes Quartier sollte das Städtchen A. sein.

In der Nähe desselben angekommen, befahl mir der General, auf einem Einspänner, den ich in einem benachbarten Gehöfte aufgetrieben, vorauszueilen und für den Stab und die in den Ort selbst kommenden Truppen Quartier zu machen. Als ich in das Städtchen einfuhr, hatte ich den schon lange ungewohnten Anblick zahlreicher Menschen auf der Straße, wurde auch durch die festlichen Kleider derselben daran erinnert, daß Sonntag sei, woran ich noch gar nicht gedacht hatte. Der Gottesdienst war gerade zu Ende. Wie manches Gebet um Abwendung der drohenden Kriegsgefahr mag von den zahlreichen Andächtigen, welche der Kirche entströmten, zum Himmel emporgesandt worden sein! Um so größer war der Schreck beim Anblick der feindlichen Ankömmlinge.

In dem am Ring gelegenen Rathhaus fand ich den Bürgermeister, einen würdigen alten Herrn, welcher schon bei Leipzig als österreichischer Officier gefochten hatte. Er, welcher damals die Preußen als Alliirte kennen gelernt hatte, wußte, daß sie nicht die undisciplinirte Horde waren, als welche sie verschrieen wurden, und daß die über sie verbreiteten Gerüchte auf Unwahrheit oder Uebertreibung beruhen mußten. Er wußte aber auch aus eigener Erfahrung, daß der Krieg ein roh gewaltsam Handwerk ist und daß feindlichen Truppen gegenüber die größte Zuvorkommenheit zugleich die größte Klugheit ist. Das Geschäft der Einquartierung war daher schnell abgemacht. Ich erhielt eine Anweisung für den ganzen Stab auf den am Ring, in der Nähe des Rathhauses, gelegenen Gasthof zum goldenen Löwen, und machte mich, während der Bürgermeister die Einquartierung der angekündigten Truppen vorbereitete, wieder auf den Weg, um meinem Commandeur Bericht zu erstatten. Als ich am goldenen Löwen vorbeikam, sah ich an einem Fenster ein hübsches Mädchen, welches aber sogleich verschwand, als es bemerkte, meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben.

Nachdem der General die durch und in den Ort rückenden Truppen hatte bei sich vorübermarschiren lassen, begab er sich nach seinem Quartier, von dem ich ihm mitgetheilt hatte, daß es, nach den Aussagen des Bürgermeisters und auch dem äußeren Ansehen nach, zu den besten Erwartungen berechtige. Hier wurde er aber von dem Wirth in zwar sehr devoter Haltung, doch mit der deutlich erkennbaren Absicht des größtmöglichen passiven Widerstandes empfangen, so daß er, hierdurch unangenehm berührt, nach kurzer kalter Begrüßung sich sofort auf die ihm bestimmten Zimmer zurückzog. Freund Sell in Düsseldorf hat diese Scene später zu einem vortrefflichen Bilde benützt. Ich hatte während dessen aber bemerkt, daß hinter der halboffnen Thür verstohlen zwei junge Mädchen, deren eine ich schon vorhin am Fenster gesehen hatte, lauschten. Wenn sie auch sehr ängstlich schienen, so war die weibliche Neugier, die fremden Soldaten, welche die ihres Kaisers besiegt hatten, zu betrachten, doch größer als die Furcht vor denselben. Natürlich zogen die schmucken Begleiter des Generals ihre Augen am meisten auf sich, und da auch dieses mir nicht entging, so stützte ich hierauf die Hoffnung, daß sich, ungeachtet des schlechten Empfanges seitens des Wirths, hier doch noch ein gutes Einvernehmen anbahnen würde. –

Der Nachmittag verging zum größten Theil unter dienstlichen Geschäften. Als ich gegen Abend in die Gaststube kam, fand ich hier die beiden jungen Mädchen und versuchte mit denselben eine Unterhaltung anzuknüpfen. Anfangs ohne den gewünschten Erfolg. Ich fand einen heftigen patriotischen Haß gegen alles Preußische. Besonders bei der braunäugigen Antonie, der Nichte des Wirthes, einer geborenen Wienerin; weniger bei der blauäugigen Marie, der Tochter des Wirthes. Aber gerade dies reizte mich; die Erinnerung an meine schöne Böhmin von gestern hätte mich sonst hier kalt gelassen. Es gelang mir denn auch wirklich, nach und nach die Zurückhaltung der Mädchen zu besiegen. und als ich mich endlich als ein gewandter Spieler auf dem vorhandenen Clavier erwies, wurden sie zutraulicher und ich konnte mit meiner „schönen Feindin“, Antonie, wenn auch noch nicht Frieden, so doch wenigstens einen vorläufigen Waffenstillstand schließen.

Auch der Wirth kam herzu und legte allmählich sein verschlossenes mißtrauisches Wesen ab. Hierzu mag wohl die gute Mannszucht der Truppen, und daß sie nur das zum Leben Nothwendige verlangten, nicht wenig beigetragen haben. Als sich später der General mit den anderen Officieren seines Stabes ebenfalls dort einfand, fand er die ganze Familie vollständig umgewandelt. Der Wirth war die Zuvorkommenheit selbst und suchte auf jede mögliche Weise den schlechten Eindruck seines ersten Empfanges zu verwischen. – Da im „Goldenen Löwen“ die angesehensten Bürger des Städtchens den Abend zuzubringen pflegten, so fanden sie sich mit den bei ihnen einquartierten Officieren zur gewohnten Stunde ein. Je mehr man unter einander bekannt wurde, desto mehr entwickelte sich ein angenehmer Verkehr, und Alles verlebte einen heitern geselligen Abend. –

Zu böhmischen Studien fand sich hier freilich weder Zeit noch Gelegenheit, denn schon am nächsten Morgen wirbelte die Trommel wieder zum Aufbruch, wohl aber nahm man überall als gute Freunde Abschied und sprach von beiden Seiten die Hoffnung aus, sich bald unter friedlichen Verhältnissen wiederzusehen. Daß der Abschied im „Goldenen Löwen“ nicht minder herzlich war, ist selbstverständlich. Ich hätte mich auch gerne von den Damen verabschiedet. Dieselben waren aber leider noch nicht sichtbar. Als ich bereits meinen Säbel gezogen hatte und im Begriff, in die Linie einzutreten, noch einmal meine Augen an dem Hause entlang wandern ließ, erschien jedoch an einem der obern Fenster ein blühendes Antlitz, erwiderte erröthend meinen Gruß und verschwand ebenso schnell wieder. –

Ob ein Wiedersehen irgend welcher Art stattgefunden hat, können wir heute noch nicht verrathen. Vielleicht erzähle ich später einmal Etwas davon.




Blätter und Blüthen.

Aennchen von Tharau und Simon Dach. Wohl jeder Deutsche kennt Simon Dach’s Volkslied „Aennchen von Tharau“, wenigstens in der Herder’schen Uebersetzung desselben in’s Hochdeutsche; aber nicht Allen dürfte die Entstehung des Gedichts und das Verhältniß Dach’s zu Aennchen bekannt sein. Fast allgemein verbreitet ist die Ansicht, daß Simon Dach Aennchen geliebt und ihr, obgleich seine Liebe nicht erwidert wurde, dieses Gedicht gewidmet habe. In ähnlicher Weise faßt auch Wilibald Alexis (Dr. Häring) in seinem Lustspiel „Aennchen von Tharau“ das Verhältniß Dach’s zu Aennchen auf. Er führt uns in demselben Aennchen als ein liebenswürdiges Edelfräulein vor, während er Dach als einen pedantischen, fast kindischen Professor der Poesie schildert, mit dem Aennchen ihr loses Spiel treibt. Eine andere Ansicht über das Verhältniß Dach’s zu Aennchen ist diese, daß Aennchen Dach’s Liebe zwar erwidert, jedoch von ihren Verwandten gezwungen worden sei, mit Dach, der damals kärglich besoldeter Lehrer an der Domschule in Königsberg war, zu brechen.

Beide Ansichten sind irrig. Dach hat in keinem intimen Verhältniß zu Aennchen gestanden, und das betreffende Gedicht ist weiter nichts als ein Carmen, welches Dach zur Hochzeitfeier Aennchens mit seinem Freunde Partatius dichtete. Den Beweis dafür enthält die Kirchenchronik des bei Königsberg i. Pr. gelegenen Ortes Tharau. In derselben heißt es: „Andreas Neander, Pfarrer in Tharau, ist Anno 1630 gestorben. Dieser hatt von seiner Ehegattin, die eine Sperberin von Gebuhrt gewesen, nebst einem Sohne, eine einzige von gestalt angenehme Tochter nahmens Annam hinterlassen, welche die Anke von Tharau ist, von der das bekanndte Liedt oder Aria (Anke von Tharau ös, de my geföllt) herrühret, so in Alberti Arien gedruckt zu finden ist, undt von dem berühmten Preußischen Poeten Simon Dach, welcher [722] damalen noch ein Studiosus gewesen, bei deroselben Hochzeitt gemachet worden, indem dieselbe nach ihres seligen Vatern Tode 11 Jahre alt in die Pflege undt Aufferziehung ihres Vormundes Herrn Stolzenbergs, Kauffmanns und Mältzenbräuers in Königsberg auffgenommen und 7 Jahr nach desselben Tode im 18. Jahre ihres alters ist verheyrathet worden an Johannem Partatium der Zeitt Pfarrer in Trempen, Insterburgischen Ampts, nachmalen aber in Lankischken, Labiauen Ampts: woselbst sie nach des Partatii Tode noch 2 Successores, nemlich Herrn Gruben und Herrn Melchior Beilstein in demselbigen Pfarr-Ampt geheyrathet hatt. Endlich hatt einer ihrer Söhne von der ersten Ehe, Herr Friederich Partatius, littauscher Pfarrer in Insterburg, Sie, da Sie verwitwet undt ganz unvermögendt gewesen, zur Verpflegung zu sich genommen. Undt da auch derselbige zu Ihrem großen Leidwesen Anno 1688 im Osterfest verstorben, ist Sie doch von dessen Witiben, Frau Elisabeht, einer gebornen Schützin, biß an Ihr seliges Ende verpfleget undt zu Insterburg Anno 1689 umb Michaelis, im 74sten Jahre ihres Alters begraben worden.“

Diese Lebensskizze Aennchens ist um so glaubwürdiger, weil sie von einem Pfarrer herrührt, der die oben erwähnte Schwiegertochter Aennchens, Frau Elisabeth, geborne Schütz, heirathete und somit die Nachrichten über Aennchens Leben aus der zuverlässigsten Quelle schöpfen konnte.

Die Herder’sche Uebersetzung des Dach’schen Volksliedes ist, was Herder auch selbst einräumt, nicht als eine gelungene zu bezeichnen; besonders mangelt der Uebersetzung der kecke Humor, von dem das Original fast übersprudelt. Auch hat Herder die letzten Strophen nicht übersetzt, wahrscheinlich, weil sie ihm nicht in den bei der Uebersetzung der ersten Strophen angeschlagenen Ton paßten. Die Strophen, welche von Herder nicht übersetzt sind, lauten in zwanglosem Hochdeutsch:

„Was ich gebiete, wird von Dir gethan,
Was ich verbiete, das lässest Du stahn.
Was hat die Lieb’ doch für einen Bestand,
Wo nicht ein Herz ist, ein Mund, eine Hand;
Wo man an den Haaren sich zieht und sich schlägt
Und gleich den Hunden und Katzen verträgt.
Ankchen von Tharau, wir werden’s nicht thun;
Du bist mein Täubchen, mein Schäfchen, mein Huhn;
Was ich auch wünsche, Dich wird’s nicht erbosen,
Ich lass’ den Rock Dir und Du mir die Hosen.
Dies ist, o Ankchen, die süßeste Ruh:
Ein Leib, eine Seel’ sind wir beid’, ich und Du.
Das macht das Leben zum himmlischen Reich;
Durch Zanken allein wird der Hölle es gleich.“

Simon Dach wurde später als Professor der Poesie an der Albertina zu Königsberg ein gar frommer Mann und erklärte auf dem Sterbebette, daß ihn keines seiner Gedichte so sehr gereue, wie das Lied Aennchen von Tharau. Es ist eigenthümlich, daß gerade das Gedicht, welches den Namen Simon Dach’s unsterblich gemacht hat, von dem Dichter selbst für ruchlos gehalten wurde. A. L.     




Kleiner Briefkasten.

Redaction des Sächs. Gzblts. in S. Die Angriffe auf Mazzini und Fräulein Ludmilla Assing in Nr. 81 Ihres Blattes sind ungerecht. Abgesehen davon, daß Mazzini nirgends den Tyrannenmord gepredigt hat (und es würde Ihnen schwer fallen, in seinen Schriften irgend eine Stelle zu finden, welche dies thäte), ist er gelegentlich des Tibaldi’schen Attentats in contumaciam verurtheilt worden, obgleich gar keine Beweise gegen ihn vorlagen und lediglich durch die Willkürlichkeit der vom persönlichen Haß des Kaisers gegen ihn beeinflußten französischen Gerichte. Auch Orsini handelte allein aus eigenem Antrieb; noch mehr, er war gerade zu jener Zeit mit Mazzini gespannt, und aus seinen eigenen, italienisch und englisch gedruckten Memoiren geht zur Genüge hervor, daß sein Attentat mit Mazzini gar nichts zu thun hatte. Dieser aber – und das wissen Alle, die mit der Geschichte Italiens vertraut sind – war es, der die italienische Freiheitsbewegung organisirte. Garibaldi ist nur als deren ausführender Arm zu betrachten; Cavour aber war es, der ihr im ersten Anfange auf jede Weise entgegenwirkte und die Sache erst guthieß, als der Sieg gesichert war und er die Früchte pflücken konnte.

S. H. in Dresden. Materialismus? Lieber Herr, das ist ein heikles Thema, das uns, wollen wir wahr und consequent schreiben, zweifellos mit der heiligen Hermandad in Conflict bringen muß. Doch soll schon nächstens Ihren Wünschen genügt werden, vorläufig empfehlen wir Ihnen als Vorstudium das Capitel: „Geist und Seele“ in Bock’s Buch vom gesunden und kranken Menschen. Achte Auflage, Seite 215 ff. In klarer, allgemein verständlicher und überzeugender Weise schildert der bekannte Verfasser in diesen Blättern die Functionen des Gehirns und setzt namentlich die Begriffe Geist und Seele, die so oft falsch aufgefaßt oder verwechselt werden, in prägnanter und geistreicher Fassung auseinander. Sie werden darin bestätigt finden, daß mit Geist die Arbeit des Gehirns und mit Seele nur die den Stoffwechsel unterhaltende Ursache, d. h. das den Stoffwechsel bedingende eigenthümliche Zusammen- und Aufeinanderwirken der organischen Stoffe in einem Organismus zu bezeichnen ist.

O. C. in P. Dieser „Fluch“ bringt Ihnen noch keinen Segen in’s Haus – wir bedauern die Arbeit ablehnen zu müssen.

Rsk. in Smithsfield, Cape of Good Hope. Wir freuen uns, in so weiter Ferne so treue Leser unseres Blattes zu finden. Ihre Beiträge sind willkommen.

B. F. in K. Von Auerbach’s „Barfüßele“, illustrirt von Vautier, sind bereits 2 Lieferungen erschienen, und heute bereits in Tausenden von Exemplaren verbreitet. Verlassen Sie sich darauf, daß dieses Prachtbuch noch vor Weihnachten complet in Ihren Händen sein wird.

P. R. in New-York. Der diplomatische Verkehr Preußens mit Oesterreich und den süddeutschen Staaten wird ausschließlich in deutscher Sprache geführt, mit allen übrigen Staaten, die Schweiz gelegentlich ausgenommen, nur französisch. Während der sogenannten neuen Aera (unter dem liberalen Ministerium, das der Prinzregent berufen) wurde auch nach dem Auslande Alles ausschließlich deutsch geschrieben, jetzt aber wieder französisch.


Für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute des Plauenschen Grundes

gingen ferner ein: J. M. P. H. J. K. A. B. 5 Thlr. 20 Ngr. (10 fl. holl.); H. Kneusel in Krewin 4 Thlr. 6 Ngr. (5 Rubel); J. Ph. L. 2 Thlr. 25 Ngr. (5 Fl. rhein.); Cilly u. Lutta aus Riga 3 Thlr. 11 Ngr. (4 Rubel): W. Möller in Zbirow 1 Thlr. 3 Ngr. (2 Fl. österr. Währ.); Karl Thieme in Kirchheimbolanden 4 Thlr. 8 Ngr. 5 Pf.; P. St. in Frankfurt a. O. 10 Thlr.; eine Gesellschaft von Unterofficieren des hessischen Pionier-Bataillons Nr. 11 in Castel 3 Thlr. 17 Ngr. 7 Pf.; die Schüler der VI. a. und b. Knaben-Classe der 3. Bürgerschule zu Leipzig 2 Thlr. 12 Ngr. 6 Pf.; Z. Z. Greiz 3 Thlr. 10 Ngr.; die Schüler der 2. u. 3. Cl. der Bürgerschule in Jüterbogk 2 Thlr.; V. R. in Spremberg 2 Thlr.; von Turnern aus Arnstadt, Eisenach, Gotha, Ohrdruf, Ruhla und Wechmar bei einer Turnfahrt auf die Wachsenburg 8 Thlr. 3 Ngr. 5 Pf.; durch Stiller’sche Hofbuchhandlung beim „Conditor“ in Malchin gesammelt 4 Thlr 15 Ngr.; A. B. Berlin 1 Thlr.; Erübrigtes von dem kleinen Verdienste einer armen Wittwe 2 Thlr.; K. in Mewe 1 Thlr.; dramatischer Verein in Schlotheim 14 Thlr.; aus Nerxerburg bei Gießen 1 Thlr. 12 Ngr. 7 Pf.; Exped. d. Stadt- und Landfreund in Königsberg i. d. N. 2 Thlr.; Leser und Freunde der Gartenlaube in Fischbach i. Schl. 10 Thlr. 5 Ngr.; O. in Tichau 1 Thlr.; Netto-Einnahme für eine von Dilettanten veranstaltete theatralische Abendunterhaltung in Langensalza 74 Thlr. 10 Ngr. 5 Pf.; G. Hit in Auerbach 1 Thlr.; Ertrag einer Abendunterhaltung des Liederkranz in Thum 5 Thlr.; Th. Dörsam, Lehrer in Kriegsheim, 9 Thlr. 6 Ngr.; Ertrag eines Kirchen-Concerts in Hopfgarten bei Weimar 6 Thlr. 2 Ngr.; von dem Reinertrag eines Concerts der Liedertafel und des Liederkranzes in Eisenach 14 Thlr. 20 Ngr.; Dr. Oscar Kreß in Evansville, Staat Indiana, V. St. Amerika, 10 Thlr.; Sammlung im Verein für Literatur in Braunschweig 8 Thlr.; Organist Schulze in Wriezen a. O. 1 Thlr.; Ertrag einer Theater-Vorstellung der Concordia-Gesellschaft in Friedland, R.-B. Breslau 7 Thlr.; Arbeiter im Hüttenwerk Gottow bei Luckenwalde 1 Thlr. 19 Ngr.; gesammelt bei einer Abendunterhaltung von Turnern und Turnfreunden in Schotten 13 Thlr. 1 Ngr.; Gewinn eines Strichwerfens von fünf Altonaern 1 Thlr.; Sammlung der Exped. des „Ammerländer“ in Westerstede 2 Thlr. 21 Ngr.; von einer fröhlichen Gesellschaft in Sörup 8 Thlr. 3 Ngr.; Reinertrag eines Concerts des Gesang- Vereins Frohsinn in Kühren bei Wurzen 8 Thlr. 14 Ngr.; die Notenstecher der F. W. Garbrecht’schen Officin in Leipzig 2 Thlr. 15 Ngr.; Sänger- Verein in Ueberlingen 4 Thlr. 19 Ngr. 6 Pf.; Bergwerksbesitzer G. Rehm in Aachen 50 Thlr.; G. Schirmer, Musikalienhandlung in New-York 25 Thlr; Netto-Einnahme einer musikal. Abendunterhaltung zu Treptow 9 Thlr. 10 Ngr.; Ertrag einer musikal. Abendunterhaltung des Männer- Gesangvereins Concordia, Arbeiter-Bildungsvereins und der Capelle des Feuerwehr-Corps in Offenburg 35 Thlr.; von sechs Herren durch Post-Exped. Gerh. (16 fl. 42 Kr. rhein.) und Ertrag einer Sammlung von dem Gesangverein Sängerbund in Neckar-Steinach (18 Fl. 4 Kr. rhein.) 19 Thlr. 26 Ngr. 5 Pf.; Ungenannt 2 Thlr.; Leser der Gartenlaube in Striegau 1 Thlr.; Kaufm. Karl Löffler in Gambach 2 Thlr.; in einer Gesellschaft in Nördlmgen gesammelt 4 Thlr. 2 Ngr.; Ertrag eines Concerts des Männer-Gesangvereins und der Capelle Lenzen in Limburg a. d. Lenne 31 Thlr.; gesammelt in der Loge „zu den drei goldenen Schlüsseln“ in Berlin 60 Thlr.; Reinertrag eines Concerts des Gesangvereins „Erholung“ der Arbeiter der mechan. Weberei in Günzburg 20 Thlr.; A. W. aus Eisleben 1 Thlr.; O. S. 2 Thlr.; Sammlung des Bürgermeisters Bertram in Groß- Breitenbach 17 Thlr. 1 Ngr. 3 Pf.; Sammlung in Alfeld, Prov. Hannover, durch die Liedertafel daselbst 39 Thlr. 14 Ngr.; S. u. C. B. in H. 12 Thlr.; Sammlung in Puszta Kengyel u. Gyüger (Heveser Com. in Ungarn) durch Hermine Lederer in Pest-Waitzen 5 Thlr. 15 Ngr. (10 Fl. österr. Währ.); Moritz Zumpel in Waitzen im Namen Mehrerer 7 Thlr. 16 Ngr. (13 Fl. 50 Kr. österr. Währ.); L. u. H. N. in New-York 5 Thlr. (5 Dollars A. C.); F. B. in San Francisco 3 Thlr. (3 Dollars A. C.); Sp. in Greifswald 1 Thlr.; Otto Boryszewski in Dramburg 2 Thlr. 23 Ngr.; Reinertrag eines Concerts der Gesellschaft „Vesta“ in Erfurt 30 Thlr. 19 Ngr. 5 Pf.; gesammelt von den Schülern und Schülerinnen der 1. Bezirksschule zu Leipzig für die hinterlassenen Schulkinder 20 Thlr. 10 Ngr.; Sammlung in Las Vegas, Neu-Mexico, durch J. Knauer 30 Thlr. (30 Dollars A. C.); Ergebniß einer Humboldt-Feier der sämmtlichen Logen und Vereine in Lawrence, Mass. 60 Thlr.; von den Mitgliedern des Arbeiter-Bildungsvereins in Tuttlingen 5 Thlr. 8 Ngr. 2 Pf.; Philharmonia in Büdingen 5 Thlr. 21 Ngr. 4 Pf.; gesammelt im Tirolerbierhause von M. Lechner am großen Neumarkt in Hamburg 6 Thlr. (Summa sämmtlicher Eingänge: 5091 Thlr. 15 Ngr 7 Pf.)

Berichtigung. In letzter Quittung (Nr. 42) muß es in der dritten Zeile von unten statt Holbermoor 70 Thlr., Kolbermoor heißen.

Zur Beachtung. Mit dieser Nummer schließen wir die speciellen Quittungen in diesem Blatt über die eingegangenen Beiträge und werden über etwa noch später eingehende von Zeit zu Zeit nur summarisch Bericht erstatten. Die Redaction. 


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: F. von Hohenhausen