Die Edda (Simrock 1876)/Ältere Edda/Gudhrûnarkvidha önnur
König Dietrich war bei Atli und hatte dort die meisten seiner Mannen verloren. Dietrich und Gudrun klagten einander ihr Leid. Sie sprach zu ihm und sang:
Im leuchtenden Saal. Ich liebte die Brüder,
Bis mich Giuki mit Gold bereifte,
Mit Gold bereifte und Sigurden gab.
Wie über Halme sich hebt edler Lauch,
Wie hoch der Hirsch ragt über Hasen und Füchse
Und glutrothes Gold scheint über graues Silber.
Den Helden zu haben, den hehrsten aller.
Sie mochten nicht ruhen, nicht richten und schlichten
Bis sie Sigurden erschlagen ließen.
Sigurden selber sah ich nicht.
Alle Rosse waren roth von Blut
Und in Schweiß geschlagen von den Schächern.[WS 1]
Befragte das Pferd mit der feuchten Wange;
Da senkte Grani ins Gras das Haupt:
Wohl wuste der Hengst, sein Herr sei todt.
Bevor ich den Volkshirten frug nach dem König.
Mir meines Sigurd mordlichen Tod:
Jenseits des Stroms (Rheins) erschlagen liegt er,
Den Guthorm fällte, zum Fraß den Wölfen.
Höre Krähen krächzen und Raben,
Adler jauchzen der Atzung froh,
Und Wölfe heulen um deinen Helden. —
Dem wonnewaisen Weibe gesagt?
Daß Raben und Falken das Herz dir zerführten
Weiter über Land als du Leute kennst!“
Des sanften Sinnes mit Schmerz beraubt:
„Das gäbe dir, Gudrun, erst Grund zu weinen,
Wenn Mir auch die Raben zerrißen das Herz!“
Die Brocken zu lesen von der Wölfe Leichenschmaus.
Ich schluchzte nicht, noch schlug ich die Hände,
Brach nicht in Klagen aus wie Brauch ist der Frauen,
Da ich schmerzvoll saß über Sigurden.
Da ich sorgend saß über Sigurds Leiche.
Viel sanfter würden die Wölfe mir scheinen,
Ließen sie mich das Leben missen,
Oder brennte man mich wie Birkenholz.
Naht ich den hohen Hallen Alfs.
Sieben Halbjahre saß ich bei Thora,
Hakons Maid in Dänemark.
In deutschen Sälen dänische Wikinge.
Die Helden der Herscher in Handgewirke;
Rothe Ränder, Recken des Hunnenlands,
Mit Helm und Harnisch der Herscher Geleit.
Mit goldnem Schiffshaupt, geschnitztem Steuer.
Wir wirkten und webten die Waffenthaten
Sigmunds und Siggeirs südlich in Frone.
Wie tief ihre Tochter betraure den Gemahl.
Sie warf ihr Gewebe fort, winkte den Söhnen,
Das zu erfahren frug sie und sprach:
Wer Buße wolle der Schwester bieten,
Den erschlagnen Gatten vergelten der Frau?
Ihren Harm zu sühnen, und so auch Högni.
Da fragte sie ferner, wer fahren wolle
Die Säumer zu satteln, die Wagen zu schirren,
Den Hengst zu tummeln, den Habicht zu werfen,
Den Bolzen zu schießen vom Eibenbogen?
Eimod zum dritten und Jarisskar
Führten sie vor mich, Fürsten gleich.
Rothe Waffenröcke trugen des Langbärtgen Recken,
Hohe Helme und helle Brünnen,
Breite Schwerter, die braungelockten.
Herlichen Schmuck mit schmeichelnden Reden,
Ob sie mich möchten für manches Leid
Auf Trost vertrösten; aber ich traute nicht.
Den kalten, herben, daß ich Harms vergäße.
Der Kelch war gekräftigt aus der Quelle Urds,
Mit urkalter See und sühnendem Blut.
Röthlich geritzt; ich errieth sie nicht.
Den langen Lindwurm des Lands der Haddinge,
Ungeschnittne Ähre und Eingang von Thieren.
Allerlei Wurzeln und Waldeckern,
Thau des Heerdes und Thiergeweide,
Gesottne Schweinsleber, die den Schmerz betäubt.
Der Gespräche Sigurds all im Saal.
Könige kamen vor die Kniee mir drei
Ehe sie selber naht’ und sagte:
Dein volles Erbgut nach des Vaters Tod,
Blanke Ringe, die Burgen Hlödwers
Und des todten Fürsten Fahrniss all.
Und Goldgürtel, dich zu ergetzen.
Du allein sollst schalten über die Schätze Budlis
Mit Gold begabt als die Gattin Atlis.
Noch Brynhildens Bruder haben.
Mir geziemt nicht mit dem Erzeugten Budlis
Das Geschlecht zu mehren und zusammen zu leben.
Begannen wir Giukungen gleich den Zwist.
So sollst du laßen als lebten dir beide,
Sigurd und Sigmund, wenn du Söhne gewinnst.
Und keinem Helden Hoffnung gewähren,
Seit ich schwelgen an Sigurds Herzblut
Den Raben sah, den raubgierigen.
Der Fürsten befunden und in Vielem den besten.
So freie den Fürsten: bis dich feßelt das Alter
Wirst du verwaist sein, wählst du nicht Ihn.
So aufdringlich mir dieses Geschlecht.
Dem Gunnar giebt er grimmen Tod,
Schneidet dem Högni das Herz aus dem Leibe.
Nicht fänd ich dann Frieden bevor ich das Leben
Gekürzt dem freveln Kriegsbrandschürer. —
Denn ihren Kindern kündet’ es Verderben
Und den Untergang all ihrem Geschlecht.
Winbiörg, Walbiörg, willst du sie haben.
Nimm sie lebenslang und laß den Zorn.
Doch wider Willen, auf der Freunde Wunsch.
Nie wird der Gatte Glück mir bringen,
Meine Söhne büßen der Brüder Mord. —
Die welschen Weiber zu Wagen hoben sie.
Sieben Tage durchtrabten wir kaltes Land,
Über See setzten wir sieben andre,
Durch dürre Steppen gings die dritten sieben.
Das Gitter empor: durch die Pforte ritten wir.
Atli weckte mich; aber ich schien ihm
Der Vorahnung voll von der Freunde Tod.
Vergönnte das Graunbild günstige Deutung!
Ich wähnte dich, Gudrun, Giukis Tochter,
Mir die Brust durchbohren mit blankem Dolch.
Holde Heimlichkeit der Hausfrau Zorn.
Ich brenne dir bald ein böses Geschwür aus,
Ich heile und lindre, wie leid du mir seist.
Die ich da wachsen laßen wollte.
Entrauft mit der Wurzel, geröthet im Blut
Und aufgetragen, daß ich sie äße.
Ohne Atzung, dem Untergang zu.
Ihre Herzen wähnt ich mit Honig zu eßen
Sorgenschwer, geschwollen von Blut.
Ich hörte sie harmvoll heulen und wimmern.
Ihr Fleisch, fürcht ich, war faul geworden:
Mit Ekel aß ich von dem Aase da.
Den Lichtgelockten die Häupter lösen:
Sie werden erschlagen nach wenig Nächten,
Kurz vor Tag, und aufgetischt. —
Trotzig im Bette: thun will ich so.
Anmerkungen (Wikisource)
Siehe auch Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Lied.