CXXXVI. Arimathia Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band (1836) von Joseph Meyer
CXXXVII. Die Bank von England
CXXXVIII. Bethlehem
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DIE BANK von ENGLAND
in London

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CXXXVII. Die Bank von England.




Unter den Anstalten, welche, als Haupthebel des Weltverkehrs, Theilnahme und Bewunderung erwecken, steht die Bank von England oben an. Sie ist das Herz des Geldumlaufs auf der ganzen Erde.

Dieses Institut ist zwar nur eines von den fünftehalbtausend gleichartigen, welche die Handelswelt aufzählt; aber an Größe und Umfang der Geschäfte verhält es sich zu den übrigen Banken wie ein Linienschiff zum Nachen. – Die Bank von England ist weder eine Staatsanstalt, noch abhängig vom Staate, wie die Bank von Frankreich, oder wie die in Petersburg, Wien und Neapel. Sie ist ein freies, unabhängiges Privatinstitut, sowohl seiner [133] Gründung, als seiner Verwaltung nach. Ihre Geschäfte begannen im Jahre 1694 mit einem Aktienkapital von 1,200,000 Pfund Sterling durch Freibrief der Regierung. Sie emittirte Schuldscheine AU PORTEUR, Bankzettel, welche an ihrer Kasse zu jeder Zeit in baares Geld umzusetzen waren und gleich solchem im ganzen Lande Geltung bekamen; sie diskontirte Wechsel und lieh gegen Pfand aus. – In Folge der allmählichen Vergrößerung ihrer Geschäfte vermehrte sie ihr Stammkapital durch Kreation neuer Aktien, bis zum Jahre 1816, auf 14,555,000 Pf. Sterl. Seitdem hat es sich nicht geändert; allein neben demselben hat sie noch einen Reservefond aus allmählich zusammengespartem Gewinn, der viele Millionen beträgt.

Die Geschäftsweise und die Administration der Bank von England ruhen auf den erprobtesten, strengsten Grundsätzen kaufmännischer Vorsicht. Dieser Kompas hat sie, während einer anderthalbhundertjährigen Dauer, in einer Periode voll der furchtbarsten Handelsumwälzungen und Revolutionen des Geldumlaufs, unter Erschütterungen, die kein gleichartiges Institut auf der Welt ertragen hat, nicht blos aufrecht erhalten, sondern zu einem Gedeihen und einer Macht geführt, welche keinen Rivalen hat. Die Zeiten größter Gefahren für das Institut bezeichnen die Jahrzahlen 1745, 1780, 1793, 1797, 1815 und 1825.

Die erste von diesen Krisen, die von 1745, trat in Folge der Landung des Prätendenten, des Stuarts, ein. Plünderung der Bank hatte er seinen Soldaten versprochen. Da strömte alles, was Banknoten hatte, zu ihrer Kasse, um sie umzuwechseln gegen klingende Münze. Als ihre Koffer von grober Münze fast geleert waren, half sie sich damit, daß sie alle Notenbeträge nur mit kleiner Münze berichtigte. Durch die Zeit, welche das Auf- und Nachzählen jeder bedeutenden Summe erforderte, machte sie das Umwechselungsgeschäft den Inhabern so langweilig und beschwerlich, daß schon deshalb der Andrang nachließ; doch erst der Erfolg der englischen Waffen gegen den Prätendenten half aus dem Grunde und entfernte alle weitere Gefahr.

Eine weit größere hatte sie in dem Londoner Volkstumulte von 1780 zu bestehen. Der Londoner Pöbel bemächtigte sich in der City für einen Augenblick der Obergewalt. Die Bank aber war von ihrem Personal besetzt, einem bewaffneten Corps von 600 Mann, das die andringenden Pöbelhaufen in Respekt hielt. Hätten die Aufrührer nicht, feige, die beschlossene Erstürmung und Plünderung der Bank um 24 Stunden verschoben, so wäre deren Rettung unmöglich gewesen; durch den Aufschub aber gewann sie Zeit, ihre Vertheidigungsanstalten zu verstärken und in der folgenden Nacht drangen die königlichen Garden in die City und brachten Entsatz.

In den Jahren 1792 und 93 machte bekanntlich England, damals unter dem Joche eines Torryministeriums, riesenmäßige Anstrengungen, das republikanische Frankreich zu erdrücken. Gegen dieses führte das gesammte Europa Krieg mit englischem Gelde. Gold und Silber gingen als Subsidien aus dem Lande. Der Mangel an hinreichenden Cirkulationsmitteln rief eine Menge neuer Banken in’s Daseyn, die, mit mäßigem Kapital gegründet, alles mit [134] ihren Noten überschwemmten. Der Krieg nahm eine unglückliche Wendung. Er machte neue Subsidien an die fremden Mächte nöthig. Der vergrößerte Bedarf an Gold und Silber führte große Massen von Papier an die Bankkassen zur Auswechselung. Mehre dieser Anstalten kamen in Verlegenheit; einige stürzten. Dadurch vermehrte sich das Mißtrauen, und so entstand ein allgemeines Auswechselungsdrängen zu den englischen Banken, von denen der dritte Theil binnen 4 Wochen seine Zahlungen einstellen mußte. Die Bank von England, um noch größeres Unglück zu verhüten, unterstützte die solid begründeten Schwesterinstitute auf das großmüthigste, sah sich aber selbst einer großen Gefahr preisgegeben, als, auf der Höhe der Krise, vermuthlich auf Veranstaltung der französischen Regierung, ihr selbst in ungeheuern Massen ihre Noten zur Umwechselung präsentirt wurden. Die Erscheinung war um so auffallender, da im Lande ihr Kredit unerschüttert war.

Das Subsidiensystem, welchem das brittische Gouvernement damals huldigte, und das in den Jahren 1793–97 ohne Maaß und Ziel fortdauerte, das Reich in unübersehliche Schulden stürzte, brachte im Geldumlaufe fortwährend die gewaltthätigsten Störungen hervor. Die Bank von England, stets veranlaßt, sie durch Vermittelung und direkte Unterstützung auszugleichen, gab eine größere Menge Noten aus, als sie übersehen konnte, und schon 1795 zeigte sich das Mißverhältniß der cirkulirenden Papiermasse gegen die des baaren Geldes durch ein anhaltendes Sinken des englischen Courses. Es wurden um diese Zeit täglich große Summen aus der Bank gezogen, die in’s Ausland gingen. Das Uebel wurde dräuender von Tag zu Tag. Die unglückliche Wendung des Kriegs gegen Frankreich auf dem Kontinent kam dazu, den Kredit Englands in der öffentlichen Meinung zu schwächen, und als Frankreich ernstliche Anstalten zu einem Landungsversuche machte, wurde die Besorgniß eines Staatsbankerotts allgemein, der, wenn er eintrat, die Banken zuerst in seinen Abgrund fortgerissen hätte. – In den ersten 2 Monaten des 1797er Jahres herrschte Schrecken ohne Beispiel. Von allen Seiten verlangte man Geld gegen Papier. Am 25. Februar hatte die Bank kaum noch 1¼ Million Pf. St. Metallgeld zur Auswechselung übrig, und die Direktoren berechneten in geheimer Sitzung ihre Solvenzdauer auf noch 6 Tage. In dieser entsetzlichen Lage ergriff die Regierung das letzte Rettungsmittel, und am 25. Februar erschien ein Befehl des Königs, welcher der Bank die fernere Auswechselung ihrer Noten bis nach Abschluß des Weltfriedens untersagte. In jedem andern Lande hätte eine solche Maaßregel die fürchterlichste Wirkung hervorgebracht, das betreffende Papier werthlos gemacht und den Ruin der Anstalt beschleunigt, die sie retten sollte; aber der Patriotismus der Britten steckte dem Unglück sein Ziel. Die Bankiers und Kaufleute London’s und der Haupthandelsplätze des Landes faßten freiwillig den einmüthigen Beschluß, die Noten der Bank nach wie vor dem baaren Gelde gleich zu achten, und sie, so lange die Restriktionsakte in Kraft sey, in allen Zahlungen für voll zu nehmen; und zum Erstaunen der ganzen Welt erhielten sich die Papiere auf PARY.

[135] Erst im Jahre 1808 zeigten sich bedenkliche Folgen dieses gewaltsamen Zustandes in Englands Geldcirkulation. Papier verlor gegen Gold 6 bis 12%. Die daraus hervorgehenden Handelsverwirrungen führten zu einer Katastrophe; 1600 Großhandelshäuser und 240 Banken fanden 1814–1815 ihren Untergang. 1819 endlich erklärte die Bank von England, daß sie in Bereitschaft sey, alle ihre Noten, wie vor 1797 geschehen, bei Präsentation gegen Gold einzuwechseln und das Schwanken des Notenwerths hörte nun auf. – 1824 und 1825 brachten schwindelnde Spekulationen neue Erschütterungen hervor. Achtzig Banken brachen, und über zweihundert wurden blos durch die Anstrengung der Bank von England vor Insolvenz gerettet. Aus dieser Krise entsprang das Gute, daß die Bank von England sich entschloß, Zweigbanken in allen großen Städten des Reichs zu etabliren und so das Publikum des Anlasses zu überheben, unsicher basirten Instituten Vermögen anzuvertrauen. Diese Maßregel hat sich in unsern Tagen, wo durch den Abfluß ungewöhnlich großer Geldmassen nach Nordamerika, und aus anderen Ursachen, sich ein empfindlicher Geldmangel in der europäischen Großhandelswelt äußerte, besonders wohlthätig erwiesen und unabsehliches Unglück abgewendet. –

So viel über das Geschichtliche der Bank von England. Ueber ihre Geschäfte Folgendes.

Die Bank besorgt seit geraumer Zeit auf eine für die Regierung sehr bequeme Weise und mit verhältnißmäßig wenigen Kosten für dieselbe, deren Hauptkassegeschäfte; sie bezahlt ihre Pensionen und die Zinsen auf die Nationalschuld, und nimmt dagegen die Ueberschüsse der öffentlichen Einnahme in Empfang. Dieser Geschäftszweig der Bank ist der bedeutendste von allen. Der jährliche Umsatz mit der Regierung beträgt über 30 Millionen Pf. Sterl. Obschon das Institut für die Besorgung nur eine kleine Prozentage nimmt, so geht doch daraus ein ansehnlicher Gewinn für dasselbe hervor. Auch zieht es von der Regierung noch durch die verzinsliche Anlage eines großen Theils ihres Vermögens auf schwebende Schuldscheine des Gouvernements (sogenannte Schatzkammerscheine), ansehnlichen Vortheil. – Der zweite Geschäftszweig, der Größe nach, ist der Diskont. Die Bank diskontirt, nach sehr strengen Grundsätzen, die Wechsel von Privaten zu einem festen Zins, der bis 1824 stets 5 Proz. war, bis 1828 zwischen 4 und 5 Proz. wechselte, und dann sich auf 4 Proz. feststellte, 1836 aber, in Folge allgemeinen Geldmangels, wieder auf 5 Proz. erhöht worden ist. – Die Bank empfängt auch Depositengelder, über welche der Eigner zu jeder Zeit verfügen kann; vergütet aber keinerlei Zinsen. – Den jährlichen Vortheil, den sie aus der Cirkulation ihrer Noten zieht, berechnet sie auf ½ Million Pf. Sterl. Die geringsten dieser überall statt Geld dienenden Papiere lauten für 5 Pf. Sterl.; die größten sind die für 1000 Pfund. – Das Gründungskapital der Bank ist bewegliches Eigenthum und geht durch Umschreiben in den Büchern der Bank von einer Hand in die andere. Der Cours ist für Parzellen von 100 Pf. St. ausgeworfen. Seit 1823 hat die Bank unverändert jährlich 8 Prozent als Dividende an die Stockseigner gezahlt und der Preis ihrer Aktien wechselt zwischen 200 und 230. Er allein reicht hin, den blühenden Zustand des Instituts zu zeigen.

Die Verwaltung ist einem aus den Aktionärs frei gewählten Direktionsrathe unter einem Gouverneur anvertraut, dem ein Vizegouverneur zur Seite steht. – Das Bankpersonal besteht aus 5 bis 600 Personen, die sämmtlich große Kautionen und Bürgschaften einlegen müssen, aber sehr gut besoldet werden. Sie bilden zugleich eine Garde, zum Schutz und zur Vertheidigung des Bankeigenthums in Zeiten der Gefahr. –

[136] Der gewaltige, in unserm schönen Stahlstich verbildlichte Bankpallast liegt in der Mitte der City und bildet, mit den blos durch 2 enge Straßen von ihm getrennten Gebäuden der großen und der Fondsbörse, Lloyds Kaffeehaus etc. den eigentlichen Brennpunkt des Weltverkehrs. Die Bank deckt die ungeheure Aera von circa 13 Morgen, also einen größern Raum als irgend eine Königswohnung Europa’s. Sie steht völlig frei und bildet ein unregelmäßiges Viereck mit 4 Eingängen und 8 innern Höfen. Die Anzahl der Hallen, Säle (mehre mit kuppelförmiger Bedachung), Contore, Kassengewölbe, Ateliers für die Verfertigung der Noten, der Wohnungen der Beamten und der bomben- und feuersichern Gold- und Silberspeicher beträgt 700. Die Façaden sind durchgängig in grandiosem Styl erbaut und viele Theile des Hauses sind getreue Nachbildungen römischer und griechischer Tempel und Triumphbögen. –

An lebhaften Geschäftstagen übersteigt die Anzahl der Kommenden und Gehenden 20,000, und es macht auf den an solche Szenen des großen Geschäftlebens nicht gewöhnten Fremden einen unbeschreiblichen Eindruck, wenn er an der Hand seines Cicerone diese zahllosen Räume durcheilt, immer und immer verfolgt von jenem eigenthümlichen Geräusche, das aus dem Geknarre zahlloser Gänsespulen, dem halblauten Geschäftsgemurmel, dem ewigen Zahlenausrufen, dem zischenden Geblätter beim Zählen der Banknoten, dem Klingen und Klirren der Gold- und Silbermünzen und dem Gerassel der Gold- und Silberbarren entsteht, und er noch erwägt, daß hier oft in einem Tage zu einem größern Belaufe Geschäfte abgethan werden, als in manchem Königreiche in einem ganzen Jahre.

Besonders beschäftigt die Bullion-Office, die gewölbten Speicher für die Bewahrung der Gold- und Silberbarren, das Interesse des gewöhnlichen Besuchers. Hier sieht er das kostbare Metall in schönster Ordnung bis zur Decke aufgeschichtet, und in andern Gewölben Massen von neuen Gold- und Silbermünzen, so ungeheuer groß, daß sie die Sinne verwirren und die Vorstellungen aus den Zaubermährchen der Kinderstubenzeit zurückrufen. Zu mancher Zeit betragen diese baaren Vorräthe über 300 Millionen Gulden! Der jemals größte Belauf der cirkulirenden Noten hingegen war 54 Millionen Pf. Sterl.; doch ist er gemeinlich weniger als halb so viel.

Die Fabrikation der Banknoten ist sehr sinnreich. Sie geschieht im Bankhause mittels einer Maschine, zu der die Direktoren gemeinschaftlich den Verschluß haben. Sie ist ein Meisterstück der Mechanik der neuern Zeit, und ihr Produkt ist durchaus unnachahmlich. – Vor Einführung dieser neuen Noten, bis zum Jahre 1821, wurde das Verfälschen und Nachmachen des Bankpapiers in einer kaum glaublichen Ausdehnung betrieben und es bestanden zahlreiche Gesellschaften für diesen Zweck in und außer England, welche sich in die Funktionen des Fertigens und Ausgebens systematisch theilten. In einem Jahre (1819) kamen 67,000 Stück falsche Noten bei der Bank zur Auswechselung! Die Grausamkeit der Strafe – auf jede überführte Verfälschung steht der Strang – hinderte das Verbrechen nicht. In der kurzen Zeit von 8 Jahren wurden an 700 Verfälscher zum Tode verurtheilt – 240 wirklich hingerichtet! Seit der Einführung der Maschinen-Noten liegt aber jenes gefährliche Gewerbe gänzlich und dieß ist der beste Beweis von ihrer Unnachahmlichkeit. –