Bethlehem (Meyer’s Universum)

CXXXVII. Die Bank von England Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band (1836) von Joseph Meyer
CXXXVIII. Bethlehem
CXXXIX. Bamberg
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BETHLEHEM

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CXXXVIII. Bethlehem.




Nicht wie ein Trugstern, der, aus irdischem Dunste entsprungen,
     Hoch zum Aether aufsteigt, scheinet dort um – zu vergehn;
Sondern wie jenes Gestirn, das ewig im Scheitel des Himmels
     Pranget, bei nächtlicher Fahrt irrenden Schiffern ein Hort:
Leuchtest du hell durch die Nacht, die Zweifel und Unglaub’ geschaffen,
     Bethlehem’s glänzend Gestirn! irrender Menschheit ein Trost.


Millionen Sterne glänzten von Ewigkeit her in dem tiefen Blau des Himmels; aber als der Stern über Bethlehem aufging, ließ sich der Himmel selbst auf die trostlose Erde nieder. Lache nicht, Ungläubiger! Zweifler! Was kann der Heiland dafür, daß Betrug und Aberglaube die Pforten seines Himmels in Finsterniß hüllen und unter hundert Menschen erst Einer ihn findet, unter tausend erst Einer ihn betritt. Forsche nur, und der Zweifel an seinem Daseyn wird dir vergehen, wie der meinige mir entschwunden.


Bethlehem liegt zwei starke Stunden von Jerusalem. Der ganze Weg dahin ist heiliger Boden. Er führt über eine öde, mit einzelnen Oelbäumen bepflanzte Gegend hin, zunächst in das Thal Rephaim, das merkwürdig ist durch David’s Sieg über die Philister. Eine halbe Stunde weiter gelangt man in das berühmte Eliaskloster, von armenischen Mönchen bewohnt. Nahe bei demselben ist das Grabmahl der Rahel, ein kleines, oben zugewölbtes, viereckiges Gebäude von massivem Mauerwerk. Nicht weit davon sprudelt eine schöne Quelle, die das Andenken des Patriarchen Jakob heiligt.

Jenseits des Eliasklosters wird die Gegend malerischer, fruchtbarer, auch besser angebaut. Reiche Weiden in den Gründen wechseln mit üppigen Maisfeldern, und die Gelände und Felsenabhänge sind mit Oelbäumen und Reben bepflanzt. Eine halbe Stunde von Bethlehem ersteigt der Weg eine Höhe, und den Ort, wo der Heiland geboren wurde, sieht man jenseits, auf dem Rücken einer steilen Anhöhe, umgeben von tiefen und anmuthigen Thälern liegen.

[138] Noch vor wenigen Jahrzehnten war Bethlehem ein lebhaftes Städtchen von 2500 christlichen Einwohnern, und es zeichnete sich durch ein schmuckes, reinliches Ansehen vor anderen syrischen Flecken aus. Seitdem ist seine Bevölkerung auf 800 herabgesunken, und unter dem eisernen Druck der egyptischen Herrschaft verfällt der Ort und verwildert die Gegend von Jahr zu Jahr. – Die Hauptnahrungsquelle der jetzt durchgängig armen Einwohner besteht in der Fabrikation von sogenannten heiligen Geräthen, als: Kreuzen, Kelchen, Rosenkränzen etc. etc. Aus wohlriechenden Hölzern, mit Perlmutter ausgelegt, fertigen sie auch jene bekannten Nachbildungen von syrischen Gnadenorten, z. B. der Kapelle des heiligen Grabes, der Geburtsgrotte zu Bethlehem etc., welche man, von Pilgern durch die ganze christliche Welt getragen, überall findet.

Das berühmteste und größte Gebäude in Bethlehem ist das von der Kaiserin Helena im 4ten Jahrhundert gegründete, das jetzige Franziskanerkloster. Es hat das äußere Ansehen eines alten Kastells. Durch eine sehr dicke und hohe, mit Schießscharten versehene Mauer führt eine schmale eiserne Pforte, welche zu allen Zeiten sorgfältig bewacht wird, aus Furcht vor Ueberfällen streifender Araber. In diesem Gebäude, welches den Raum einschließt, wo Christus geboren wurde, findet jeder Reisende, der reiche wie der ärmste, eine gastfreie Aufnahme.

Die Kirche der Geburt Christi steht in der Mitte des Klosters. Auch als bloßes Bauwerk betrachtet ist sie der sehenswürdigsten des Orients eine. Zuerst betritt man eine wirklich prachtvolle Halle, die auf beiden Seiten von einer Doppelreihe herrlicher Marmorsäulen getragen wird. Es sind in Allem 48, corinthischer Ordnung, vortrefflich erhalten, und auf ihnen ruht das Gebälke des Plafonds, welcher aus Cedern vom Libanon besteht. Dieser Theil des Gebäudes ist das Schiff der Kirche, welche die heilige Helena baute. Noch sieht man hier und da halberloschene griechische Inschriften an den Wänden, welche das Mittelalter mit Mosaiken und Gemälden überreich zu verzieren bedacht war. Der Fußboden besteht aus eingelegter Arbeit von polirtem Marmor. Ein prachtvoller Altar, über welchem die Anbetungsscene, zart und sinnig, plastisch dargestellt ist, (ein Werk aus dem 11ten Jahrhundert) ist den heiligen drei Königen geweiht.

Aus der Vorhalle führen einige Stufen zum Eingang in die eigentliche Kirche. Im kleinlichen, byzantinischen Geschmack gebaut und verziert, macht sie bei weitem den Eindruck nicht, welchen die so großartige Vestibule erwarten ließ. Sie ist ganz überladen mit geschmackloser Verzierung und mit Vergoldung. Diese Kirche gehört den armenischen und lateinischen Christen gemeinschaftlich, und auch hier wiederholt sich öfters das betrübende Schauspiel des Ausbruchs eines wüthenden Sektenhasses, das am Grabe des Erlösers so oft die Andacht vernichtet.

Aus der Kirche gehen etwa zwanzig Stufen hinab in das Sanktuarium, in die nämliche Grotte, in welcher, der frommen Ueberlieferung aus der christlichen Vorzeit zufolge, Jesus Christus das Licht der Welt erblickt hat. – Es ist ein aus dem lebendigen Fels gehauenes, kellerartiges Gewölbe, etwa 20 Fuß lang und 12 Fuß breit, dessen Decke in der Mitte ein gemauerter Pfeiler stützt. Obschon der Ort dem europäischen Begriff von einem [139] Stalle nicht entspricht, so angemessen ist er dem des Landes, wo man gewohnt ist, das Vieh unter der Erde, in Kellergewölben, oder in Felsenhöhlen, zu überwintern. Namentlich in der Gegend von Jerusalem ist diese Einrichtung noch jetzt die gebräuchlichere.

Die Decke der Grotte zeigt den nackten Felsen und auch die Wände sind zum Theil das natürliche Gestein. An andern Stellen sind sie mit Marmor getäfelt und der Fußboden ist mit Porphyr und Jaspis künstlich ausgelegt. Ein kostbarer, mit Silberplatten bedeckter Altar steht auf der Stelle, wo der Heiland zur Welt kam, und ein Kranz von 32 immer brennenden, an goldenen Ketten von der Decke herabhängenden Lampen strahlt seinen Sonnenglanz herunter, den der Altar blendend zurückwirft. Rings an den Wänden umher flammen armdicke Wachskerzen auf massiven silbernen Leuchtern, und in der Mitte des Altarblattes steht in erhabenen, goldenen Lettern, von einer silbernen Strahlenglorie umgeben, die Legende:

„Hier wurde von der Jungfrau Maria Jesus Christus geboren.“

Um den Schrein herum aber knieen in ehrfurchtsvoller Stille die Pilger und verrichten ihr lautloses Gebet.

Dem der Geburt gegenüber ist ein zweiter Altar, der Anbetung der Weisen gewidmet, und der Sage nach steht er auf der Stelle, wo die Maria die Gaben der Männer aus dem Morgenlande entgegen nahm. Ein gutes Gemälde von der Anbetungsscene, aus der byzantiner Zeit, ist über demselben aufgehängt.

Aus der Geburtskapelle führt ein schmaler, durch den Felsen gehauener Gang in zwei ähnliche, etwas tiefer liegende Grotten. Hier wohnte und starb der heilige Hieronymus, der urchristliche Hüter des Heiligthums, und jener Verbindungsgang war das Werk seiner Hände. Auch in diesen unterirdischen Zellen sind Altäre errichtet und brennen ewige Lampen.

Auf der Altane des Klosters hat man eine entzückende Aussicht, welche kein Reisender ungenossen läßt. Sie umfaßt die Berge und Thäler nach dem Jordan und dem Meere hin und gibt ein Panorama, in welchem eine Menge Punkte heilige Erinnerungen wecken und von höchstem, welthistorischen Interesse sind. Nahe bei der Stadtmauer sprudelt unter niedrigem Steindach der Davidsbrunnen, aus welchem die drei Getreuen ihrem durstigen Heerführer, mitten durch der Philister Lager sich wagend, jenen Trunk holten, den David hochherzig dem Herrn zum Opfer ausgoß, weil er mit der Waffengefährten Blut erkauft worden war. – In halbstündiger Entfernung bezeichnen 2 einfache Denksteine die Stelle, wo der Engel den Hirten erschienen, und anderthalb Stunden weiter ist die öde Felsengegend, die sogenannte Wüste, wo Johannes der Täufer die Ankunft Christi verkündigte. Eine Höhle bezeichnet man als dessen einstige Wohnung.

Daß der fromme Betrug in Bethlehem von jeher einen Hauptsitz hatte, und es ihm da an Gelegenheit zur Ausbeutung der Einfalt und Dummheit niemals gebrechen konnte, läßt sich denken. Wurde doch früher im Kloster der Franziskaner mit dem Stroh, worauf der Heiland geboren, dem Holze der Krippe, in welcher er zuerst geschlummert, ja mit noch andern Dingen, die der Anstand nicht einmal zu nennen wagt, viele Jahrhunderte lang förmlicher [140] Handel getrieben, und nichtswürdiger Plunder füllte von hier aus die Reliquien-Schränke der ganzen christlichen Welt, und wurde den Nationen des Abendlandes zur Anbetung hingereicht! Dieser Betrug, der abscheulicher ist als Meineid, weil er ganze Reihen von Geschlechtern und Zeiten in’s Unermeßliche hin belügt, treibt hier, obwohl durch das Licht der Aufklärung gemildert, noch immer sein finsteres Wesen fort. Doch kümmerlich nur schleppt diese Schmarotzerpflanze am Baum der Religion gegenwärtig ihr Leben hin – und vielleicht, wann alle die falschen Zweige verdorrt und gefallen sind, gedeiht einst besser die Frucht.